Studie der Statistik Austria im Auftrag des BMASK
ARMUTS- UND AUSGRENZUNGSGEFÄHRDUNG
IN ÖSTERREICH
Ergebnisse aus EU-SILC 2011
Einkommen
Manifeste Armut
Einkommenslücke
VerfestigteDeprivation
Zahlungsprobleme
Überbelag
Prekäre Wohnqualität
Belastende Wohnumgebung
Sehr hoher Wohnungsaufwand
Registrierte Wohnungslosigkeit
Arbeitsmarktferne
Haushaltseinkommen aus Erwerbsarbeit
unter der Armutsgefährdungsschwelle
WorkingPoor
Langzeitbeschäftigungslosigkeit
Bildungsaktivität
BildungsferneJugendliche
Gesundheitseinschränkungen
Soziale Lebenserwartungsdifferenzen
VorschulischeBildung
Lebensstandard
Wohnraum Erwerbsleben
Erwerbshindernisse
Bildungschancen
Gesundheit
Sehr niedrige
Erwerbsintensität
Mehrfach-Ausgrenzungsgefährdete
Erhebliche materielle Deprivation
Armutsgefährdung
SOZIALTELEFON
Bürgerservice des Sozialministeriums
Tel.: 0800 - 20 16 11
Mo bis Fr 08:00 - 12:00 Uhr
Do 08:00 - 16:00 Uhr
PFLEGETELEFON
Tel.: 0800 - 20 16 22
Mo bis Do 08:00 - 16:00 Uhr
Fr 8:00 - 13:00 Uhr
Fax: 0800 - 22 04 90
pflegetelefon@bmask.gv.at
BROSCHÜRENSERVICE
Tel.: 0800 - 20 20 74
broschuerenservice@bmask.gv.at
https://broschuerenservice.bmask.gv.at
ALLGEMEINE FRAGEN
post@bmask.gv.at
BUNDESMINISTERIUM FÜR
ARBEIT, SOZIALES UND
KONSUMENTENSCHUTZ
Stubenring 1, 1010 Wien
Tel.: +43 1 711 00 - 0
www.bmask.gv.at
IMPRESSUM
Medieninhaber und Herausgeber: Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumenten-
Redaktion: Nadja Lamei (Projektleitung EU-SILC), Matthias Till
(Nationale Indikatoren für soziale Eingliederung), Marc Plate, Thomas Glaser, Richard Heuberger,
Layout: Waltraud Unger (Sta-
Lektorat: Verlags- und Herstellungsort: Druck: BMASK
1. Auflage: ISBN 978-3-85010-318-3
Alle Rechte vorbehalten:
Zu beziehen bei BMASK-Bestellservice 0800/20 20 74 oder https://broschuerenservice.bmask.gv.at
Jede Verwertung (auch auszugsweise) ist ohne schriftliche Zustimmung des Medieninhabers
unzulässig. Dies gilt insbesondere für jede Art der Vervielfältigung, der Übersetzung, der
Mikroverfilmung, der Wiedergabe in Fernsehen und Hörfunk, sowie der Verarbeitung und
Einspeicherung in elektronische Medien, wie z. B. Internet oder CD-Rom.
VORWORT
Vorwort
Die vorliegende Studie dokumentiert die Einkommens- und Lebensbedingungen in Österreich auf Basis der
EU-SILC-Daten, die jährlich in allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union erhoben werden. Sie präsentiert
neben der Einkommensarmut auch die Entwicklung der sozialen Ungleichheit, die Lebensbereiche Wohnen,
Bildung und Gesundheit sowie die sozialen Teilhabechancen in Österreich.
Die Ergebnisse zeigen, dass die Anzahl der armutsgefährdeten Menschen trotz Krise stabil blieb, vor allem
wegen der Steuerreform 2008, der Lohnabschlüsse, der Einführung der Bedarfsorientierten Mindestsicherung
und weiteren sozial- und beschäftigungspolitischen Maßnahmen. Gerade in wirtschaftlich schlechten Zeiten
haben die Sozialleistungen eine stabilisierende Funktion für die individuellen und gesellschaftlichen Lebens-
bedingungen. Sie verringern die Armutsgefährdung deutlich und tragen zur Aufrechterhaltung des privaten
Konsums und damit letztlich auch zur wirtschaftlichen Erholung bei. Jede Person profitiert in den einzelnen
Lebensabschnitten – als Kind, im Erwerbsalter und in der Pension – vom Sozialstaat.
Wie bereits in den früheren Veröffentlichungen der EU-SILC-Daten in der Sozialpolitischen Studienreihe stellen
die Indikatoren der Europa 2020-Strategie einen Schwerpunkt der Publikation dar. Mit dieser Strategie hat
sich die EU das Ziel gesetzt, bis zum Jahr 2020 20 Millionen Menschen aus Armut und sozialer Ausgrenzung
herauszuführen. Zur Umsetzung hat Österreich im Gegensatz zu anderen Mitgliedstaaten auch quantitative
Ziele festgelegt: Die Zahl der von Armut oder Ausgrenzung bedrohten Menschen soll in diesem Zeitraum um
235.000 Personen verringert werden. Aktuelle Daten zeigen, dass Österreich auf einem guten Weg ist, dieses
Ziel zu erreichen.
Die im Jahr 2012 von Statistik Austria, der Österreichischen Armutsplattform und dem BMASK überarbeiteten
nationalen Eingliederungsindikatoren vertiefen und ergänzen die Analysen mit spezifischen Informationen
zur Entwicklung der Lebenssituation in Österreich. Verbesserungen gab es in den Bereichen Bildung und
Gesundheit, in den anderen Bereichen Wohnraum, Erwerbsleben und Lebensstandard werden ambivalente
Entwicklungen aufgezeigt. Die steigenden Armutsgefährdungsschwellen und sinkenden Zahlen von Niedrig-
lohnbezieherInnen zeigen Verbesserungen der Einkommenssituation auf, während die Anstiege bei verfestigter
Deprivation und Langzeitbeschäftigungslosigkeit auf Verschlechterungen für bestimmte Personengruppen
hindeuten. Auch die Anzahl der von hohen Wohnkosten betroffenen Personen nimmt stetig zu. Aktuelle Daten
weisen auch auf eine Verringerung der manifesten Armut hin.
BMASK
VORWORT
Im Fokus der vorliegenden Studie stehen die sogenannten „Working Poor“, die armutsgefährdeten erwerbs-
tätigen Personen. Ihr Anteil hat sich in Österreich seit 2005 kontinuierlich verringert und liegt derzeit mit
5,4% weit unter dem EU-27-Durchschnitt von 8,9%. Gründe für die positive Entwicklung sind die höhere
Beschäftigungsquote von Frauen, der relativ geringe Anteil prekärer und gering entlohnter Beschäftigungs-
formen und der hohe Anteil kollektivvertraglich geregelter Beschäftigungsverhältnisse. Mit Blickauf steigende
Teilzeitquoten bei Frauen und Männern sowie auf immer noch bestehende bildungs- und geschlechtsspezi-
fische Lohnungleichheiten stellen die „Working Poor“ jedoch eine bedeutende Zielgruppe einer gerechten
Arbeits- und Sozialpolitik dar.
Als Arbeits- und Sozialminister ist es mir ein wichtiges Anliegen, die Arbeitsmarktintegration weiter zu er-
höhen, und damit auch monetäre Armut von vornherein zu vermeiden. Dabei sollen alle Personen, die eine
spezielle Förderung zur Arbeitsmarktintegration benötigen, besonders unterstützt werden. Nur Erwerbsarbeit,
die ausreichend bezahlt wird, kann die Spirale von Armut und sozialer Ausgrenzung verhindern. Gleichzeitig
muss der Sozialstaat gesichert werden, um eine Wahrung und Verbesserung des Lebensstandards für alle
Menschen in Österreich auch in Zukunft zu gewährleisten.
Bundesminister Rudolf Hundstorfer
VORWORT
Vorwort
Die vorliegende Publikation von Statistik Austria widmet sich Gefährdungslagen sozialer Ausgrenzung und
setzt damit die im Vorjahr begonnene Berichterstattung über die Sozialzielgruppe im Sinne der Europa
2020-Strategie fort. Ihre Zusammensetzung und zahlenmäßige Entwicklung in Österreich wird vor dem
Hintergrund der europäischen und nationalen Ziele zur Reduktion von Armuts- oder Ausgrenzungsgefähr-
dung dargestellt. Im Fokus der Analyse stehen diesmal die sogenannten „Working Poor“ – Menschen, die
trotz regelmäßiger Erwerbstätigkeit armutsgefährdet sind. Ergänzend zu den europäisch vergleichbaren
Indikatoren werden österreichspezifische Aspekte von sozialer Ausgrenzung im Monitoring des natio-
nalen Indikatorensets zur sozialen Eingliederung präsentiert. Ziel des Berichts ist es somit, verschiedene
Dimensionen von Ausgrenzungsgefährdung zu beschreiben und durch diese Gesamtschau an Indikatoren
ein zuverlässiges Bild über die Lage der Ausgrenzungsgefährdeten sowie über (multiple) Betroffenheit von
Problemlagen zu erhalten.
Die EU-Strategie „Europa 2020“ für intelligentes, nachhaltiges und integratives Wachstum in Europa aus dem
Jahr 2010 umfasst unter anderem Ziele zur Armutsbekämpfung. Die Mitgliedstaaten haben ihre Beiträge und
Zielsetzungen festzulegen: In Österreich wurde das Reduktionsziel hinsichtlich von Armut oder Ausgrenzung
bedrohter Personen mit 235.000 Personen bis zum Jahr 2020 angegeben. Um den Fortschritt messen zu
können, wird der europäisch verbindliche Indikator „Armuts- oder Ausgrenzungsgefährdung“ herangezogen.
Er umfasst die drei Zielgruppen „Armutsgefährdung“, „erhebliche materielle Deprivation“ und „Personen in
Haushalten mit keiner oder sehr niedriger Erwerbstätigkeit“. Der umfassenden statistischen Analyse dieser
Zielgruppen und einer zeitnahen Berichterstattung zu Problemlagen und Veränderungen kommt besondere
Bedeutung zu. Neben den Charakteristika der jeweiligen Gruppen für Österreich stehen auch immer zeitliche
Entwicklungen sowie Vergleiche auf europäischer Ebene im Mittelpunkt.
Besonderes Augenmerk wird in der vorliegenden Studie der Schnittmenge zwischen Erwerbsarbeit und Ar-
mutsgefährdung geschenkt. Trotz ihrer niedrigeren prozentuellen Betroffenheit stellen Erwerbstätige eine
große Gruppe der Armutsgefährdeten dar. Möglichen Gründen für das Phänomen der „Working Poor“ wird
nachgegangen. Die Berichterstattung zu den Europa 2020-Armutszielen wird um ein Kapitel zur Rolle der
Sozialleistungen für Umverteilung und Armutsreduktion ergänzt. Der im Auftrag des BMASK erstellte und
jährlich aktualisierte Katalog zu nationalen Eingliederungsindikatoren erweitert die Befunde zu Armut und
sozialer Eingliederung in Österreich.
STAT/APA-Fotoservice/Preiss
VORWORT
Grundlage des vorliegenden Berichts sind Daten aus der EU-SILC Erhebung 2011 zu Einkommen, Armut und
Lebensbedingungen. Diese Erhebung wird seit 2003 jährlich von Statistik Austria im Auftrag des BMASK
durchgeführt und ist seit 2010 in einer nationalen Verordnung (BGBl. II Nr. 277/2010) geregelt.
Methodische Details und Kohärenzvergleiche der Studie sowie ein umfassender Tabellenband sind auf den
Websites von Statistik Austria und des BMASK abrufbar.
Dr. Konrad Pesendorfer
Fachstatistischer Generaldirektor
STATISTIK AUSTRIA
INHALTSVERZEICHNIS
5
INHALTSVERZEICHNIS
1. AUFBAU UND ZUSAMMENFASSUNG DES BERICHTS 11
1.1 Aufbau des Berichts 11
1.2 Zusammenfassung 13
2. EUROPÄISCHE INDIKATOREN UND ZIELGRÖSSEN FÜR SOZIALE EINGLIEDERUNG
IM RAHMEN DER STRATEGIE „EUROPA 2020“ 17
2.1 Aufbau der Strategie „Europa 2020“ 17
2.2 Definition der Europa 2020-Sozialzielgruppe: Armuts- oder Ausgrenzungs-
gefährdete 19
2.3 Entwicklung und Struktur der Europa 2020-Sozialzielgruppe: Armuts- oder
Ausgrenzungsgefährdete 19
2.3.1 Teilgruppen der Armuts- oder Ausgrenzungsgefährdung 20
2.3.2 Sozialstruktur der armuts- oder ausgrenzungsgefährdeten Personen 24
3. ARMUTSGEFÄHRDUNG UND „WORKING POOR“ IN ÖSTERREICH 29
3.1 Armutsgefährdung 29
3.1.1 Ausmaß und Intensität der Armutsgefährdung 30
3.1.2 Soziale Zusammensetzung der betroffenen Bevölkerung 36
3.1.3 Dauerhafte Armutsgefährdung zwischen 2008 und 2011 38
3.2 Im Fokus: Armutsgefährdung trotz Erwerbsarbeit – „Working Poor“ 40
3.2.1 Armutsgefährdung von Personen im Erwerbsalter 40
3.2.2 „Working Poor“ in Österreich und der EU 42
3.2.3 Das Zusammenspiel zwischen individuellen Erwerbsfaktoren und dem
Haushaltskontext 45
3.2.4 „Working Poor“ in der Längsschnittbetrachtung 55
3.2.5 Schlussfolgerungen 59
4. ERHEBLICHE MATERIELLE DEPRIVATION (EU-DEFINITION) 61
4.1 Zusammensetzung der Zielgruppe 66
4.2 Armutsgefährdung und erhebliche materielle Deprivation 68
4.3 „Working Poor“ und erhebliche materielle Deprivation 70
5. PERSONEN IN HAUSHALTEN MIT KEINER ODER SEHR NIEDRIGER
ERWERBSINTENSITÄT 73
5.1 Zusammensetzung der Zielgruppe 74
5.2 Niedrige Erwerbsintensität und Armutsgefährdung 79
5.3 Spezifische Entstehungszusammenhänge niedriger Erwerbsintensität 79
INHALTSVERZEICHNIS
6
6. ÜBERSCHNEIDUNGEN IN DEN PROBLEMBEREICHEN SOZIALER
ARMUTS- ODER AUSGRENZUNGSGEFÄHRDUNG 81
6.1 Lebensstandard der Mehrfach-Ausgrenzungsgefährdeten 82
6.2 Risikofaktoren für mehrfache Ausgrenzungsgefährdung 83
7. UMVERTEILUNGSWIRKUNG DER SOZIALLEISTUNGEN 85
7.1 Anteil der Sozialleistungen und Pensionen am Haushaltseinkommen 85
7.2 Armutsgefährdung nach Haupteinkommensquelle 87
7.3 Armutsgefährdung vor und nach Sozialleistungen und Pensionen 88
7.4 Umverteilungswirkung der Sozialleistungen im europäischen Vergleich 91
8. ÖSTERREICHS INDIKATOREN FÜR SOZIALE EINGLIEDERUNG 93
8.1 20 Nationale Indikatoren 93
8.2 Kaufkraftgewinne und Erholung bei manifester Armut 96
8.3 Wohnen wird besser, aber auch teurer 102
8.4 Erwerbsbeteiligung und Löhne steigen mäßig 106
8.5 Steigende Bildungsaktivität 109
8.6 Gesundheitsungleichheiten bleiben bestehen 112
9. ANHANG 115
9.1 Methodisches zu EU-SILC 115
9.2 Literatur 116
GRAFIKVERZEICHNIS
7
GRAFIKVERZEICHNIS
Grafik 1: Armuts- oder Ausgrenzungsgefährdung in den EU-27-Staaten 20
Grafik 2: Überlappung von Problembereichen der Europa 2020-Zielgruppe
armuts- oder ausgrenzungsgefährdeter Personen 21
Grafik 3: Teilgruppen der Ausgrenzungsgefährdung im Zeitverlauf 24
Grafik 4: Armutsgefährdung in den EU-27-Staaten 30
Grafik 5: Äquivalisiertes Haushaltseinkommen: Einkommensverteilung 2010
und 2011 31
Grafik 6: Armutsgefährdungslücke der äquivalisierten Medianeinkommen 36
Grafik 7: Armutsgefährdung von Erwerbspersonen in den EU-27-Staaten 43
Grafik 8: Armutsgefährdung von Erwerbspersonen und Arbeitslosenquoten in
den EU-27-Staaten 44
Grafik 9: Zufriedenheit mit der Haupttätigkeit für „Working Poor“ und Personen
in prekären Beschäftigungsformen 49
Grafik 10: Erheblich materiell deprivierte Personen in den EU-27-Staaten – Quote 63
Grafik 11: Prozentsatz der erheblich materiell deprivierten Personen und Personen
in anderen Haushalten nach Anzahl der Deprivationsmerkmale 64
Grafik 12: Ausgewählte Deprivationsmerkmale bei armutsgefährdeten Personen 69
Grafik 13: Keine oder sehr niedrige Erwerbsintensität in den EU-27-Staaten 73
Grafik 14: Personen in Haushalten mit keiner oder sehr niedriger Erwerbsintensität
nach Altersgruppen und Geschlecht 76
Grafik 15: Verteilung der unter 60-Jährigen in Haushalten mit keiner oder sehr
niedriger Erwerbsintensität auf Dezilgruppen des äquivalisierten
Nettohaushaltseinkommens 78
Grafik 16: Teilgruppen der Mehrfach-Ausgrenzungsgefährdeten 81
Grafik 17: Lebensstandard der Mehrfach-Ausgrenzungsgefährdeten im Vergleich 83
Grafik 18: Armutsgefährdungsquote nach Haupteinkommensquelle des Haushalts 88
Grafik 19: Armutsgefährdung vor und nach Sozialleistungen und Pensionen der
EU-27-Staaten 92
Grafik 20: Median-Haushaltseinkommen (standardisiert und preisbereinigt) 97
Grafik 21: Einkommenslücke 2004 bis 2011 98
Grafik 22: Manifeste Armut 99
Grafik 23: Verfestigte Deprivation 101
Grafik 24: Überbelag 102
Grafik 25: Prekäre Wohnqualität 103
Grafik 26: Belastende Wohnumgebung 103
Grafik 27: Sehr hoher Wohnkostenanteil 104
Grafik 28: Arbeitsmarktfernenquote 106
Grafik 29: Haushaltseinkommen aus Erwerbsarbeit unter Gefährdungsschwelle 107
Grafik 30: Löhne unter 2/3 des Bruttomedianlohns 108
GRAFIKVERZEICHNIS
8
Grafik 31: Erwerbshindernisse und Langzeitbeschäftigungslosigkeit 109
Grafik 32: Bildungsaktivität 109
Grafik 33: Bildungsferne Jugendliche 110
Grafik 34: Besuch von vorschulischen Bildungseinrichtungen 111
Grafik 35: Mehrfache Gesundheitseinschränkungen 112
Grafik 36: Fernere Lebenserwartung mit 35 Jahren 1981/82 bis 2006/07 113
ÜBERSICHTSTABELLEN
9
ÜBERSICHTSTABELLEN
Übersicht 1: Teilgruppen der Armuts- oder Ausgrenzungsgefährdung 2004 und
2008 bis 2011 23
Übersicht 2: Soziale Zusammensetzung der Armuts- oder Ausgrenzungsgefährdeten 25
Übersicht 3: Ausgewählte Haushaltsmerkmale der Armuts- oder Ausgrenzungs-
gefährdeten 27
Übersicht 4: Bestandteile des Haushaltseinkommens in EU-SILC 30
Übersicht 5: Armutsgefährdungsschwelle bei 60% des Medians für unterschiedliche
Haushaltstypen 32
Übersicht 6: Armutsgefährdungsschwelle und Armutsgefährdungsquote im
Zeitverlauf 33
Übersicht 7: Einkommen und Lücke der Armutsgefährdeten bei unterschiedlichen
Schwellen 35
Übersicht 8: Armutsgefährdungsquote nach Geschlecht und Alter im Zeitverlauf 37
Übersicht 9: Armutsgefährdungsquote nach Haushaltstyp im Zeitverlauf 37
Übersicht 10: Häufigkeit des Auftretens von Armutsgefährdung 2008 bis 2011 39
Übersicht 11: Armutsgefährdung von Personen im Erwerbsalter nach Haupttätigkeit
im Vorjahr 41
Übersicht 12: „Working Poor“ in Österreich 2004 und 2008 bis 2011 44
Übersicht 13: Soziodemographisches Profil von Erwerbstätigen im Erwerbsalter
nach Armutsrisiko 47
Übersicht 14: Armutsgefährdung in prekären Beschäftigungsformen und bei
niedrigem Einkommen (weniger als 2/3 des Medianstundenlohns) 49
Übersicht 15: „Working Poor“ nach Haushaltstyp 51
Übersicht 16: Erwerbsintensität des Haushalts und Armutsgefährdung 52
Übersicht 17: Erwerbstätigkeit der Frauen und Armutsgefährdung in Familien (in %) 53
Übersicht 18: Personen in „Working Poor“ Haushalten nach Haushaltsmerkmalen 54
Übersicht 19: Häufigkeit des Auftretens von „Working Poor“ 2008 bis 2011 55
Übersicht 20: Änderungen im Erwerbsstatus im Vergleich zum Vorjahr 56
Übersicht 21: Änderungen im Erwerbsstatus von 2010 auf 2011 für niedrige und
höhere Einkommen 58
Übersicht 22: Bestimmungsmerkmale für erhebliche materielle Deprivation 63
Übersicht 23: Betroffenheit der Gesamtbevölkerung in den Bestimmungsmerkmalen
erheblicher materieller Deprivation im Zeitverlauf 66
Übersicht 24: Erheblich materiell deprivierte Personen nach soziodemographischen
Merkmalen 67
Übersicht 25: Erheblich materiell deprivierte Personen nach Haushaltsmerkmalen 68
Übersicht 26: Erhebliche materielle Deprivation und deren Bestimmungsmerkmale
für „Working Poor” und nicht armutsgefährdete Erwerbstätige 70
Übersicht 27: Personen in Haushalten mit keiner oder sehr niedriger Erwerbsintensität
nach Alter, Geschlecht und Staatsbürgerschaft 75
ÜBERSICHTSTABELLEN
10
Übersicht 28: Hauptaktivität der 18- bis 59-Jährigen nach Erwerbsintensität des
Haushalts 77
Übersicht 29: Ausgewählte Haushaltsmerkmale der unter 60-Jährigen nach Erwerbs-
intensität 78
Übersicht 30: Risiko von 18- bis 59-Jährigen, in einem Haushalt mit keiner oder sehr
niedriger Erwerbsintensität zu leben 80
Übersicht 31: Mehrfach-Ausgrenzungsgefährdete nach soziodemographischen
Merkmalen 84
Übersicht 32: Anteil der Sozialleistungen und Pensionen am verfügbaren Haushalts-
einkommen 86
Übersicht 33: Armutsgefährdung vor und nach Sozialleistungen und Pensionen nach
Haushaltszusammensetzung 89
Übersicht 34: Armutsgefährdung vor und nach Sozialleistungen und Pensionen in
ausgewählten Risikogruppen 91
Übersicht 35: Österreichs Indikatoren für soziale Eingliederung 94
Übersicht 36: Indikatoren für soziale Eingliederung (Armuts-/ Ausgrenzungsgefährdete) 95
AUFBAU UND ZUSAMMENFASSUNG DES BERICHTS
11
1. AUFBAU UND ZUSAMMENFASSUNG DES BERICHTS
Die EU-Strategie „Europa 2020“ für intelligentes,
nachhaltiges und integratives Wachstum in Europa
aus dem Jahr 2010 umfasst Ziele in den Bereichen
Beschäftigung, Bildung, Energieverbrauch, Inno-
vation und Armutsbekämpfung, die allesamt dazu
beitragen sollen, die Auswirkungen der Finanzkrise
in den nächsten zehn Jahren zu überwinden.1
In den
jährlichen Nationalen Reformprogrammen (NRP)2
sind die Beiträge und Zielsetzungen der einzelnen
Staaten zur Realisierung dieser Kernziele zu nennen.
Im NRP Österreichs für das Jahr 2011 wurde das Ziel
hinsichtlich von Armut und/oder sozialer Ausgren-
zung bedrohter Personen mit einer Reduktion um
235.000 Personen bis zum Jahr 2020 angegeben.
Für die Messung des Fortschritts wird der europä-
isch verbindlich festgelegte Indikator „Armuts- oder
Ausgrenzungsgefährdung“ herangezogen. Er umfasst
die drei Zielgruppen Armutsgefährdung, erhebliche
materielle Deprivation und Personen in Haushalten
mit keiner oder sehr niedriger Erwerbstätigkeit.
1.1 Aufbau des Berichts
Der vorliegende Bericht beginnt mit einem Überblick
über die Europa 2020-Strategie (Kapitel 2.1) und setzt
mit der Definition der Sozialzielgruppe des fünften
EU-Kernziels der Europa 2020-Strategie, die Reduktion
der „Armuts- oder Ausgrenzungsgefährdeten“ (Kapitel
2.2) fort. Daraufhin erfolgt eine detaillierte Analyse
der Struktur und Entwicklung dieser Sozialzielgruppe
Armuts- oder Ausgrenzungsgefährdete (Kapitel 2.3)
sowie der drei Zielgruppen Armutsgefährdete (Kapi-
tel 3), Personen in erheblich materiell deprivierten
Haushalten (Kapitel 4) und Personen in Haushalten
mit keiner oder sehr niedriger Erwerbsintensität
(Kapitel 5). Neben den Charakteristika der jeweiligen
Gruppen für Österreich stehen immer auch zeitliche
Entwicklungen sowie Vergleiche auf europäischer
Ebene im Mittelpunkt. Der Fokus für die Berichter-
stattung über Armutsgefährdung liegt diesmal auf
den Erwerbstätigen, die armutsgefährdet sind, den
sogenannten „Working Poor“, und ihren Haushalten
(Kapitel 3.2). Ergänzend zu den Detailanalysen für das
Jahr 2011 und Trendergebnissen seit 2004 werden
auch Längsschnittergebnisse zur Armutsgefährdung
für 2008 bis 2011 sowie zu armutsgefährdeten Er-
werbstätigen präsentiert. Die Berichterstattung zu
den Europa 2020-Armutszielen wird um eine Darstel-
lung der Mehrfachbenachteiligungen innerhalb der
Armuts- oder Ausgrenzungsgefährdeten (Kapitel 6)
sowie einen Abschnitt zur Rolle der Sozialleistungen
für Umverteilung und Armutsreduktion (Kapitel 7) er-
gänzt. Der im Auftrag des BMASK erstellte und jährlich
aktualisierte Katalog zu nationalen Eingliederungs-
indikatoren erweitert im abschließenden Kapitel 8
die Befunde zu Armut und sozialer Eingliederung in
Österreich. Informationen über die Datengrundlage
und Methodik sind im Anhang des Berichts (Kapi-
tel 9.1) zu finden.
Der umfassende Tabellenband zu EU-SILC 2011 in-
klusive der EU-Indikatoren zu Armut und sozialer
Eingliederung wird als separate Publikation auf der
1 Die Datenbasis der Europa 2020-Indikatoren bilden EU-SILC 2008 bis 2018, deren endgültige Auswertungen im Jahr 2020 vorliegen werden.
2008 als letztverfügbares Jahr zum Zeitpunkt der Beschlussfassung bildet daher das Basisjahr für die SILC-Auswertungen zur Armuts- oder
Ausgrenzungsgefährdung.
2 Die Nationalen Reformprogramme der jeweiligen Jahre können über die Website des Bundeskanzleramts http://www.bka.gv.at/site/4892/
default.aspx abgerufen werden.
AUFBAU UND ZUSAMMENFASSUNG DES BERICHTS
12
Homepage von Statistik Austria und der des BMASK
zur Verfügung gestellt:
www.statistik.at > Statistiken > Soziales > Armut und so-
ziale Eingliederung oder www.bmask.gv.at > Soziales
> Allgemeine Sozialpolitik > Armut
Der online publizierte „Tabellenband zu EU-SILC 2011“
umfasst folgende Themen:
» Einkommensverteilung,
» Ausstattung mit Konsumgütern und finanzielle
Einschränkungen,
» Wohnen,
» Gesundheit,
» Armutsgefährdung und soziale Ausgrenzung
inkl. Tabellen zur Europa 2020-Zielgruppe und
dauerhaften Armutsgefährdung,
» Lebenszufriedenheit,
» Bildung,
» Kinderbetreuung,
» Arbeit,
» Risikogruppen in Bezug auf Armutsgefährdung,
» Verteilung von Bestandteilen des Jahresein-
kommens,
» Intergenerationale Übertragung von Benachtei-
ligungen (EU-SILC Modul 2011),3
» EU-Indikatoren zur sozialen Eingliederung aus
EU-SILC 2011 und Vergleichswerte 2010,
Des Weiteren enthält der Tabellenband zu EU-SILC
2011 das Kapitel „Erläuterungen und Definitionen“,
welches die verwendeten Definitionen und Hinweise
zur Berechnung der dargestellten Indikatoren und
Gliederungsmerkmale sowie eine Übersicht über die
wesentlichsten Änderungen im Vergleich zum Bericht
zu EU-SILC 2010 enthält.
Die anonymisierten Mikrodaten, die diesem Bericht
zugrunde liegen, sind seit Anfang 2013 verfügbar.
3 Analysen dazu sind als Artikel „Intergenerationelle soziale Mobilität“ in den Statistischen Nachrichten veröffentlicht (Altzinger et al 2013).
AUFBAU UND ZUSAMMENFASSUNG DES BERICHTS
13
1.2 Zusammenfassung
Im Jahr 2011 umfasst die Europa 2020-Sozialziel-
gruppe 1,4 Millionen Armuts- oder Ausgrenzungs-
gefährdete in Österreich. Davon sind 1,05 Millionen
Menschen armutsgefährdet. Der Schwellenwert für
Armutsgefährdung liegt bei 1.066 Euro verfügbares
Haushaltseinkommen pro Monat für Alleinlebende
(Jahreswert mal 12 bzw. 914 Euro mal 14) plus
320 Euro pro Monat (bzw. 274 mal 14) für jedes Kind
und 533 Euro pro Monat (bzw. 456 mal 14) für jeden
weiteren Erwachsenen. Die Sozialzielgruppe Armuts-
oder Ausgrenzungsgefährdete schließt zusätzlich
350.000 Personen mit Einkommen über der Armuts-
gefährdungsschwelle ein. Sie sind erheblich materiell
depriviert oder leben in Haushalten mit keiner oder
sehr niedriger Erwerbsintensität.
1,4 Millionen Armuts- oder Ausgrenzungs-
gefährdete in Österreich
Die Zahl der Armuts- oder Ausgrenzungsgefährdeten
wird in EU-SILC 2011 insgesamt um 34.000 Personen
höher geschätzt als im Vorjahr, eine Veränderung,
die innerhalb der statistischen Zufallsschwankung
liegt. Verglichen mit 2008, dem Basisjahr der Euro-
pa 2020-Strategie, konnte die Zahl der insgesamt
Ausgrenzungsgefährdeten dennoch bedeutsam,
nämlich um 125.000, reduziert werden. Betrachtet
man die Armuts- oder Ausgrenzungsgefährdung im
gesamten EU-SILC Zeitverlauf von 2004 bis 2011, so
zeigen sich Zahl und Quote der Ausgrenzungsgefähr-
dung relativ unverändert.
28% der Ausgrenzungsgefährdeten in mehr-
fachen Benachteiligungen
Verglichen mit dem Jahr 2004 haben sich jedoch die
Überschneidungen in den Problembereichen der Ar-
muts- oder Ausgrenzungsgefährdeten verändert: So
ist die Gruppe jener Personen, die von mindestens
zwei der drei Problembereichen – Armutsgefährdung,
erhebliche materielle Deprivation und Haushalt mit
keiner oder sehr niedriger Erwerbsintensität – betroffen
sind, seit 2004 um 106.000 auf 388.000 Personen
gewachsen. Ihr Anteil unter den Ausgrenzungsge-
fährdeten stieg somit von 19% auf 28%. Verglichen
mit dem Basisjahr der Europa 2020-Strategie, 2008,
blieben die Mehrfach-Ausgrenzungsgefährdeten in
ihrer Größe aber relativ unverändert und machen
weiterhin 5% der Gesamtbevölkerung aus. Der
Lebensstandard dieses Personenkreises ist im Ver-
gleich zu dem nicht ausgrenzungsgefährdeten Teil
der Bevölkerung als äußerst prekär einzustufen: 43%
der Mehrfach-Ausgrenzungsgefährdeten haben ein
Einkommen unter der Bedarfsorientierten Mindestsi-
cherung (9.035 Euro jährlich) zur Verfügung, 70% sind
per nationaler Definition finanziell depriviert, 23%
mehrfach gesundheitlich beeinträchtigt, und 20%
wohnen in einer Umgebung, die von mindestens zwei
der drei Belastungen Lärm, Umweltverschmutzung
und/oder Kriminalität geprägt ist. Hinsichtlich der
Wohnausstattung ist die Wohnqualität jedoch bei
nur 10% als prekär einzustufen.
Haushaltseinkommen steigen unterschied-
lich stark
DasmittlereäquivalisierteHaushaltseinkommenbeträgt
2011 21.319 Euro jährlich. Damit hat ein Einpersonen-
haushalt mit mittlerem Lebensstandard im Median
ein um 3,4% höheres Einkommen zur Verfügung als
im Vorjahr. Im Mittel sind die Haushaltseinkommen
demnachstärkergestiegenalsdieInflation.Jedochfällt
der Anstieg für die verschiedenen sozialen Gruppen
unterschiedlich stark aus: Während der Median des
äquivalisierten Haushaltseinkommens der unteren
30% der Einkommensbeziehenden einen unter-
durchschnittlichen Anstieg um 1,3% erfuhr und die
obersten 15% der Einkommensbeziehenden in ihrem
Medianeinkommen nahezu konstant(-0,5%) blieben,
stieg der Median des Haushaltseinkommens für die
AUFBAU UND ZUSAMMENFASSUNG DES BERICHTS
14
Einkommensgruppe des30 bis85 Perzentils– die mitt-
leren Einkommen – gegenüber demVorjahr um 4,1%.
Einkommenssituation der Ausgrenzungsge-
fährdeten verbessert sich nur schwach
Der ungleich starke Anstieg der Einkommen hat zur
Folge, dass sich der Unterschied in der Einkommenssi-
tuation der Armuts- oder Ausgrenzungsgefährdeten und
jener des restlichen Teils der Bevölkerung vergrößert.
Dies wird erstens anhand des nationalen Indikators
Kaufkraft, bei dem das äquivalisierte Haushaltsein-
kommen um die Inflation preisbereinigt wird, deutlich:
Während die Kaufkraft der Ausgrenzungsgefährde-
ten im Vergleich zu 2008 um nur 1,3% stieg, ist der
Anstieg der Kaufkraft der Gesamtbevölkerung um
6,2% ungleich höher ausgefallen. Zweitens kommt
die Einkommensungleichheit auch in der Armutsge-
fährdungslücke, die sich auf das mittlere Einkommen
der Armutsgefährdeten bezieht, zum Ausdruck. Die
Armutsgefährdungslücke ist seit 2008 von 15% auf
19% angestiegen. Demnach liegt 2011 das jährliche
Haushaltseinkommen der Armutsgefährdeten im
Mittel 2.429 Euro unter der Armutsgefährdungs-
schwelle. In Summe bedürfte es 2,6 Mrd. Euro, um
das Einkommen aller armutsgefährdeten Personen
über die Armutsgefährdungsschwelle zu heben, das
entspricht 0,86% des Bruttoinlandsprodukts.
Sinkende Erwerbsbeteiligung der Ausgren-
zungsgefährdeten
Wie auch im Vorjahr bleibt der Anteil an Personen in
Haushalten mit keiner oder sehr niedriger Erwerbsin-
tensität auf dem Niveau von 2008: 8% bzw. 519.000
der in Österreich lebenden Menschen befinden sich
in solchen Haushalten. Ihr Anteil an den Ausgren-
zungsgefährdeten unter 60 Jahren stieg jedoch im
selben Zeitraum von 41% auf 47% (bzw. bezogen auf
die Gesamtgruppe der Ausgrenzungsgefährdeten von
33% auf 37%) an. Dieser Personenkreis ist besonders
von Armut gefährdet, da sein Einkommen nahezu
gänzlich von der Höhe der erhaltenen Sozialleis-
tungen abhängt: Während ohne Sozialleistungen in
dieser Gruppe 96% armutsgefährdet wären, sind es
mit Sozialleistungen deutlich weniger, wenngleich
immer noch mehr als die Hälfte (54%). Diese Gruppe
der von Armutsgefährdung Betroffenen in Haushalten
mit keiner oder sehr niedriger Erwerbsbeteiligung
wuchs in den vergangenen Jahren stetig – wenngleich
von Jahr zu Jahr schwach – an und erreicht 2011 den
historischen Höchstwert von 281.000 Personen.
Während insgesamt also der Anteil an Personen in
Haushalten, deren Haushaltsmitglieder in Summe
weniger als 20% der potenziellen Erwerbsintensität
des Haushalts erwerbstätig sind, über die Jahre
konstant bleibt, zeichnet sich für die Ausgrenzungs-
gefährdeten ein Rückgang der Erwerbsbeteiligung
auf individueller Ebene ab. Dies wird im nationalen
Indikator Arbeitsmarktfernenquote sichtbar: Während
sich die Arbeitsmarktfernenquote für die Gesamtbe-
völkerung im Vergleich zu 2008 kaum verändert hat,
ist sie für die Ausgrenzungsgefährdeten von 48,2%
auf 56,6% gestiegen.
Mehr Arbeitseinkommen unter der Armuts-
gefährdungsschwelle bei gleichbleibender
Zahl armutsgefährdeter Erwerbstätiger
Im selben Zeitraum (2008 bis 2011) wächst auch die
Anzahl an Haushalten, deren Arbeitseinkommen
unter der Armutsgefährdungsschwelle liegen. Davon
sind im Jahr 2011 20% der gesamten Bevölkerung in
Erwerbshaushalten und 88% der Ausgrenzungsge-
fährdeten in Erwerbshaushalten betroffen.
Wird nicht nur das Einkommen aus Erwerbstätigkeit,
sondern das gesamte Haushaltseinkommen inklusive
staatlicher und privater Transferleistungen betrach-
tet, bleibt die Gruppengröße armutsgefährdeter
Erwerbstätiger im Zeitraum von 2008 bis 2011 relativ
AUFBAU UND ZUSAMMENFASSUNG DES BERICHTS
15
unverändert: 5,4% aller regelmäßig Erwerbstätigen
haben 2011 ein Haushaltseinkommen unter der Ar-
mutsgefährdungsschwelle. Die Zahl dieser „Working
Poor“ beträgt 198.000 Personen. Zählt man Angehörige
dazu, leben 471.000 Personen in Haushalten, die
mindestens ein erwerbstätiges Mitglied haben und
armutsgefährdet sind.
Ein Anstieg der Armutsgefährdung ausArbeitseinkom-
menbeigleichzeitigkonstanterZahlarmutsgefährdeter
Erwerbstätiger bei Berücksichtigung des gesamten
Haushaltseinkommenslässtsichdadurcherklären,dass
Transferleistungen für die Reduktion der Armutsgefähr-
dungvon Erwerbstätigen an Bedeutungzunehmen.So
führtenSozialleistungen und Pensionen im Jahr 2008
nochzu einer Reduktion der Armutsgefährdungsquote
der Erwerbstätigen um 63,2%, während sie 2011 die
Armutsgefährdungsquote um 70,1% reduzierten.
Fortgesetzte Entspannung in der Leistbar-
keit von Grundbedürfnissen
Hinsichtlich der Einkommenssituation undder Erwerbs-
beteiligung spitzt sich die Lage der Ausgrenzungs-
gefährdeten im Vergleich zur Gesamtbevölkerung zu.
Sie entspannt sich aber hinsichtlich der Leistbarkeit
von Grundbedürfnissen. So leben 2011 wieder etwas
weniger Menschen in deprivierten Haushalten als im
Jahr zuvor und deutlich weniger als noch 2008. Zu
diesem Ergebnis kommen sowohl der EU-Indikator
für erhebliche materielle Deprivation, demzufolge
sich die Gruppe von 6,4% auf 3,9% verringerte, als
auch der österreichische Indikator für finanzielle
Deprivation, demzufolge sich die Gruppe von 20,1%
auf 15,0% verringerte.
Rückgang der manifesten Armut und verfes-
tigten Deprivation
Auch der Personenkreis jener Menschen, die gleichzei-
tig von monetärer Armutsgefährdung und finanzieller
Deprivation (nationale Definition) betroffen sind, der
sogenannten manifesten Armut, ist 2011 rückläufig.
Der bedeutsame Rückgang um 80.000 Personen
verglichen mit dem Vorjahr führt dazu, dass das
Niveau der manifesten Armut erstmals wieder unter
jenes von 2008 sinkt: 2011 betrifft manifeste Armut
5,2% der Bevölkerung, d.h. 431.000 Personen. Auch
der Kreis jener Menschen, die seit mindestens zwei
Jahren mit finanzieller Deprivation konfrontiert sind,
wie es im nationalen Indikator verfestigte Deprivation
zum Ausdruck kommt, verringert sich wie bereits im
Jahr zuvor auch 2011 weiter. 9,7% der in Österreich
lebenden Personen, 781.000 Menschen, sind aus
finanziellen Gründen in der Erfüllung ihrer Grund-
bedürfnisse in den letzten beiden Jahren erheblich
eingeschränkt.
Steigende Wohnqualität und Bildungsbetei-
ligung der Ausgrenzungsgefährdeten
Wohnenwirdbesser,aberauchteurer.Diesgiltsowohlfür
die Gesamtbevölkerung alsauch für die Ausgrenzungs-
gefährdeten: Wenngleich die Wohnüberbelagsquote
mit 11,7% (gesamt: 5,3%) und die Quote für prekäre
Wohnungsqualitität mit 5,4% (gesamt: 2,8%) für die
Ausgrenzungsgefährdeten noch immer doppelt so
hoch sindwie für die Gesamtbevölkerung,verzeichnen
sie in den letzten Jahren einen stärkeren Rückgang
als insgesamt. Auch die Mehrfachbelastung in der
Wohnumgebung ist 2011 erstmals wieder zurückge-
gangen, in etwa auf das Niveau von 2008 (13,1%).
Demgegenüber stehen jedoch steigendeWohnkosten.
Der Anteil der Personen, derenWohnungsaufwand ein
Vierteldesjährlichverfügbaren Haushaltseinkommens
übersteigt, befindet sich 2011 auf einem historischen
Höchstwert. Insbesondere für die Gruppe der Ausgren-
zungsgefährdeten ist er im Vergleich zu 2008 sehr
stark gestiegen (von 43,2% auf 53,7%).
Auch die non-formale und informelle Bildungsak-
tivität ist seit 2008 im Steigen begriffen, für die
AUFBAU UND ZUSAMMENFASSUNG DES BERICHTS
16
Ausgrenzungsgefährdeten sogar stärker als für die
Gesamtbevölkerung. Inzwischen beteiligen sich 30%
der Ausgrenzungsgefährdeten an Bildungsaktivitäten
(gesamt: 38%).
Soziodemographische Risikogruppen
17% aller in Österreich lebenden Personen sind von
Armuts- oder Ausgrenzungsgefährdung betroffen.
Bei der Gesamtbetrachtung der Indikatoren zur
Europa 2020-Strategie zeichnen sich bestimmte
soziodemographische Gruppen mit erhöhtem Aus-
grenzungsgefährdungsrisiko ab. Kinder unter 16
Jahren sind mit einer Ausgrenzungsgefährdungsquote
von 20% überdurchschnittlich stark betroffen. Auch
Unterschiede zwischen den Geschlechtern bestehen,
die überwiegend auf Ungleichheit in höherem Alter
zurückzuführen sind: So haben Frauen ab 65 Jahren
ein Ausgrenzungsgefährdungsrisiko von 21%, wäh-
rend das Risiko von Männern in dieser Altersgruppe
12% beträgt. Des Weiteren weisen Personen, die über
maximal einen Pflichtschulabschluss verfügen, und
Personen mit nicht österreichischerStaatsbürgerschaft
deutlich erhöhte Ausgrenzungsgefährdungsrisiken
(27% bzw. 34%) auf.
In Haushalten ohne Pension gilt: Unabhängig vom
Geschlecht sind alleinlebende Menschen deutlich
stärker von Ausgrenzungsgefährdung betroffen als
der Durchschnitt. In Haushalten mit Pension bestehen
bei den Alleinlebenden jedoch starke Geschlechter-
unterschiede: 16% der alleinlebenden Männer mit
Pensionsbezug sind ausgrenzungsgefährdet, während
es bei den pensionsbeziehenden alleinlebenden
Frauen 32% sind.
Des Weiteren zeigt die Kinderanzahl in Mehrperso-
nenhaushalten keinen linearen Zusammenhang mit
Ausgrenzungsgefährdung: Mehrpersonenhaushalte
ohne Kind, mit einem Kind und mitzwei Kindern haben
durchwegs unterdurchschnittliche Gefährdungsrisiken;
in einigen Indikatoren sind Mehrpersonenhaushalte
mit einem Kind sogar weniger stark gefährdet als
Mehrpersonenhaushalte ohne Kinder. Ein deutlich
erhöhtes Risiko haben jedoch Alleinerziehende
(36%) und Mehrpersonenhaushalte mit drei oder
mehr Kindern (29%).
EUROPÄISCHE INDIKATOREN UND ZIELGRÖSSEN FÜR SOZIALE EINGLIEDERUNG IM RAHMEN DER STRATEGIE „EUROPA 2020“
17
2. EUROPÄISCHE INDIKATOREN UND ZIELGRÖSSEN FÜR SOZIALE EIN-
GLIEDERUNG IM RAHMEN DER STRATEGIE „EUROPA 2020“
Im Jahr 2010 haben sich die europäischen Regierungen
auf eine Strategie des intelligenten, nachhaltigen und
integrativen Wachstums bis zum Jahr 2020 geeinigt.
Diese „Europa 2020“ Strategie ist unter anderem
darauf ausgerichtet, die Beschäftigung, Bildung und
Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu verbessern.
Erstmals wird darin eine quantitative Vorgabe für die
Verringerung von Armut und sozialer Ausgrenzung
auf europäischer Ebene genannt. Dieser Abschnitt
gibt einen Überblick über die Strategie „Europa
2020“. Im zweiten Teil wird die Sozialzielgruppe
„Armuts- oder Ausgrenzungsgefährdete“, die im
Fokus des fünften Kernziels der Strategie „Europa
2020“ steht, bestimmt.
2.1 Aufbau der Strategie „Europa 2020“
Ausgehend von der Mitteilung der Europäischen Kom-
mission „Europa 2020-Strategie für ein intelligentes,
nachhaltiges und integratives Wachstum“ (2010)
wurden fünf messbare Kernziele für die EU-Ebene
beschlossen:
1. Beschäftigung: Unter den 20- bis 64-Jährigen
wird eine Beschäftigungsquote von 75% angestrebt,
unter anderem durch die vermehrte Einbeziehung
von Jugendlichen, älteren ArbeitnehmerInnen,
Geringqualifizierten sowie Personen mit Migra-
tionshintergrund.
2. Innovation: Das öffentliche und private Investi-
tionsvolumen für Forschung und Entwicklung soll
insgesamt 3% des BIP erreichen.
3. Klimaschutz: Treibhausgasemissionen sollen um
20% gegenüber dem Niveau des Jahres 1990 verrin-
gert werden, der Anteil der erneuerbaren Energien
am Gesamtenergieverbrauch soll auf 20% steigen,
und es wird eine Erhöhung der Energieeffizienz um
20% angestrebt.
4. Bildung: Der Anteil der frühen SchulabgängerInnen
soll auf unter 10% gesenkt werden, und der Anteil
der 30- bis 34-Jährigen, die ein Hochschulstudium
abgeschlossen haben oder über einen gleichwerti-
gen Abschluss verfügen, soll auf mindestens 40%
ansteigen.
5. Armut und soziale Ausgrenzung: Die soziale Ein-
gliederung soll insbesondere durch die Verminderung
der Armut gefördert werden, wobei angestrebt wird,
mindestens 20 Millionen Menschen aus Gefähr-
dungslagen herauszubringen. Dies entspricht einer
Reduktion um zwei Millionen pro Jahr. Derzeit sind
120 Millionen Menschen in der EU armuts- und/oder
ausgrenzungsgefährdet. Die angestrebte Reduktion
entspricht somit rund 1,5% (pro Jahr).
Diese fünf EU-Kernziele sollen durch nationale Ziel-
setzungen der Mitgliedstaaten umgesetzt werden.
Zur Förderung des intelligenten, nachhaltigen und
integrativen Wachstums wurden außerdem sieben
Leitinitiativen formuliert. Für soziale Eingliederung ist
das vor allem die sogenannte Plattform gegen Armut,
welche die beteiligten AkteureInnen sowohl auf nati-
onaler wie auch auf europäischer Ebene koordiniert.
Die Europäische Kommission überprüft die Situation
jährlich mit Hilfe von Indikatoren (s. Kapitel 2.3 zu
den Europa 2020-Indikatoren zur Armuts- oder Aus-
grenzungsgefährdung).
EUROPÄISCHE INDIKATOREN UND ZIELGRÖSSEN FÜR SOZIALE EINGLIEDERUNG IM RAHMEN DER STRATEGIE „EUROPA 2020“
18
In den jährlichen Nationalen Reformprogrammen der
Mitgliedstaaten sind die konkreten Ziele, Maßnahmen
und Budgetansätze enthalten, um die europäischen
Kernziele zu realisieren. Diese bilden eine Grundlage
für den jährlichen Wachstumsbericht der Europäischen
Kommission.
Die Ziele werden auf europäischer Ebene im Rahmen
sogenannter Leitinitiativen verfolgt. Die Umsetzung
von Zielen bleibt aber eine weitgehend nationale
Angelegenheit. In bestimmten Bereichen oder Regi-
onen werden die Mitgliedstaaten dabei etwa durch
den Sozialfonds oder den Informationsaustausch im
Rahmen der Offenen Methode der Koordinierung für
Sozialschutz und soziale Eingliederung unterstützt.
Die ersten Reformpläne zeigen, dass Ziele in manchen
Ländern deutlich ehrgeiziger formuliert werden als in
anderen. Die im Wachstumsbericht vom Dezember
2011 angegebenen nationalen Ziele lagen deutlich
unter dem angestrebten Gesamtziel.4
Dies ist unter
anderem damit begründet, dass nicht alle Mitglied-
staaten quantifizierbare Zielgrößen anstreben oder
sich nur auf bestimmte Teilgruppen konzentrieren.
Im Nationalen Reformprogramm 2011 wird für Ös-
terreich das Ziel formuliert, bis zum Jahr 2020 die
Zahl der von Armut und/oder sozialer Ausgrenzung
betroffenen Personen um 235.000 zu reduzieren. Das
nationale Ziel entspricht damit einer Reduktion um
23.500 Personen pro Jahr bzw. etwa 1,5% der heute
Ausgrenzungsgefährdeten. Das Erreichen dieses Ziels
steht dabei in enger Verbindung mit dem Beschäfti-
gungsziel, wobei Österreich eine Beschäftigungsquote
von 77 bis 78% im Jahr 2020 erreichen will.
Das Nationale Reformprogramm 2012 (BKA 2012)
setzt folgende Schwerpunkte der Maßnahmen und
Vorhaben:
» Erhöhung der Arbeitsmarktbeteiligung von
Älteren, Jugendlichen, Frauen, Niedrigqualifi-
zierten und Menschen mit Migrationshinter-
grund,
» Bekämpfung von Langzeitarbeitslosigkeit,
» Gesundheitsprävention und Arbeitsmarkt(re)-
integration von Menschen mit Behinderungen
und gesundheitlichen Einschränkungen,
» Verbesserung der Qualität der Arbeit,
» Abbau der Diskriminierung von Frauen bei
Einkommen und Erwerbseinbindung,
» Förderung von Vereinbarkeit von Familie und
Beruf,
» Bekämpfung von Kinderarmut und der Verer-
bung von Armut.
In Österreich wird die Zahl der Ausgrenzungsgefährde-
ten auf Basis von EU-SILC 2011 auf etwa 1,4 Millionen
Menschen (rund 17% der Bevölkerung) geschätzt.5
Gegenüber dem Jahr 2010 bedeutet dies einen leich-
ten Anstieg, der jedoch innerhalb der statistischen
Schwankungsbreite liegt. Seit 2008 ist die Zahl der
Personen jedoch um 125.000 Personen bzw. die
Quote um 1,7 Prozentpunkte gesunken.
Auf europäischer Ebene konnten bisher noch keine
Fortschritte bei der Reduktion der Zahl der von Armut
und/oder sozialen Ausgrenzung gefährdeten Personen
festgestellt werden. Kam es EU-weit zwischen 2008
und 2009 zu einer leichten Reduktion um 1,4 Mio.
Personen, so stieg die Zahl der Betroffenen 2010
wieder an und liegt nun um rund 550.000 Personen
über dem Ausgangswert 2008 (23% der gesamten
Bevölkerung). Für 2011 ist erneut ein Anstieg zu
verzeichnen, derzeit liegt die Zahl der Ausgrenzungs-
gefährdeten in der EU bei 120 Millionen Personen
(24% der Gesamtbevölkerung) und damit um rund
4,4 Millionen über dem Wert von 2008.
4 http://ec.europa.eu/europe2020/pdf/targets_en.pdf
5 Diese Zahl ist mit 95%iger Wahrscheinlichkeit in einem Bereich zwischen 1,3 und 1,5 Millionen bzw. zwischen 16% und 18% der Bevöl-
kerung anzunehmen.
EUROPÄISCHE INDIKATOREN UND ZIELGRÖSSEN FÜR SOZIALE EINGLIEDERUNG IM RAHMEN DER STRATEGIE „EUROPA 2020“
19
Die Größenordnung der Zielgruppe macht deutlich,
dass der Europa 2020-Indikator „Armuts- oder
Ausgrenzungsgefährdung“ keineswegs auf eine
kleine Minderheit abzielt, sondern breite Bevöl-
kerungsschichten einschließt, die teilweise auch
von mehreren Problemlagen betroffen sind, die
in den drei Indikatoren abgebildet werden (siehe
Kapitel 2.3).
2.2 Definition der Europa 2020-Sozialzielgruppe: Armuts- oder Ausgren-
zungsgefährdete
2.3 Entwicklung und Struktur der Europa 2020-Sozialzielgruppe: Armuts-
oder Ausgrenzungsgefährdete
Die Europäische Kommission hat sich in der Europa
2020-Strategie6
zum Ziel genommen, bis zum Jahr
2020 die Anzahl der von Armuts- oder Ausgren-
zungsgefährdung betroffenen Menschen EU-weit
um 20 Millionen zu reduzieren.7
Die Ausgangsbasis
bildet das Jahr 2008, in welchem rund 115 Millionen
6 Vgl. Europäische Kommission (2010).
7 Vgl. dazu auch die Abschnitte 2.1. und 2.2.
ARMUTS- ODER AUSGRENZUNGSGEFÄHRDUNG:
Als von Armut und sozialer Ausgrenzung bedroht gelten Personen, die mindestens eines der drei folgenden Kri-
terien erfüllen:
1. Personen, deren Haushalt über ein Einkommen verfügt, das geringer ist als 60% des nationalen äquivalisierten
Medianeinkommens (Armutsgefährdung).
2. Personen, deren Haushalt vier oder mehr der folgenden neun auf EU-Ebene festgelegten Merkmale für erhebliche
materielle Deprivation aufweist:
» Es bestehen Zahlungsrückstände bei Miete, Betriebskosten oder Krediten.
» Es ist finanziell nicht möglich, unerwartete Ausgaben zu tätigen.
» Es ist finanziell nicht möglich, einmal im Jahr auf Urlaub zu fahren.
» Es ist finanziell nicht möglich, die Wohnung angemessen warm zu halten.
» Es ist finanziell nicht möglich, jeden zweiten Tag Fleisch, Fisch oder eine vergleichbare vegetarische Speise
zu essen.
» Ein PKW ist finanziell nicht leistbar.
» Eine Waschmaschine ist finanziell nicht leistbar.
» Ein Farbfernsehgerät ist finanziell nicht leistbar.
» Ein Telefon oder Handy ist finanziell nicht leistbar.
3. Personen, die jünger sind als 60 Jahre und in einem Haushalt mit keiner oder sehr niedriger Erwerbsintensität
leben. Dazu zählen jene Haushalte, in denen Personen im Erwerbsalter (hier: 18- bis 59-jährige Personen, aus-
genommen Studierende) nicht oder nur in geringem Ausmaß erwerbstätig sind (im Laufe eines Jahres insgesamt
weniger als 20% ihres Erwerbspotenzials).
EUROPÄISCHE INDIKATOREN UND ZIELGRÖSSEN FÜR SOZIALE EINGLIEDERUNG IM RAHMEN DER STRATEGIE „EUROPA 2020“
20
Ausgrenzungsgefährdete in der EU lebten. Im Jahr
2011 ist die Zahl der Ausgrenzungsgefährdeten im
Vergleich zu dieser Ausgangsbasis leicht gestiegen:
120 Millionen EU-BewohnerInnen werden zuletzt als
ausgrenzungsgefährdet ausgewiesen. Der Anteil
der Ausgrenzungsgefährdeten an der gesamten
EU-Bevölkerung bleibt mit 24% gegenüber 2008
unverändert.
:
Österreich hat (gemeinsam mit Luxemburg) die viert-
niedrigste Ausgrenzungsgefährdungsquote innerhalb
der EU: Rund 17% der österreichischen Bevölkerung
sind von Ausgrenzungsgefährdung betroffen (mit
95% Vertrauenswahrscheinlichkeit zwischen 15,7%
und 18,3%). Die Quote der Ausgrenzungsgefährdeten
ist mit rund 15% in Tschechien und den Niederlan-
den am niedrigsten, gefolgt von Schweden (16%).
Am höchsten ist sie in Bulgarien, dort befindet sich
die Hälfte der Bevölkerung in einer ausgrenzungs-
gefährdeten Lebenslage.
2.3.1 Teilgruppen der Armuts- oder Aus-
grenzungsgefährdung
Für Österreich ist von insgesamt rund 1,4 Millionen
ausgrenzungsgefährdeten Menschen auszugehen (mit
95% Vertrauenswahrscheinlichkeit zwischen 1,3 und
1,5 Millionen). Die Zielgruppe der Ausgrenzungsge-
fährdeten besteht aus insgesamt sieben Teilgruppen,
die sich aus der Kombination der Problembereiche
Einkommen, Deprivation undErwerbsintensitätergeben.
Eine ausgrenzungsgefährdete Person gehört demnach
immer genau einer der folgenden Teilgruppen an:
» A Armutsgefährdung (ohne erhebliche ma-
terielle Deprivation und nicht in Haushalten mit
keiner oder sehr niedriger Erwerbsintensität
lebend; 2011: 690.000, +/- 78.000 Personen),
» D Erhebliche materielle Deprivation (ohne
Armutsgefährdung und nicht in Haushalten mit
keiner oder sehr niedriger Erwerbsintensität
lebend; 2011: 118.000, +/- 33.000 Personen),
» E In Haushalten mit keiner oder sehr niedri-
ger Erwerbsintensität (ohne Armutsgefährdung
und ohne erhebliche materielle Deprivation;
Grafik 1: Armuts- oder Ausgrenzungsgefährdung in den EU-27-Staaten
0
5
10
15
20
25
30
35
40
45
50
Tschechien
Niederlande
Schweden
Luxem
burg
ÖsterreichFinnland
Dänem
ark
Frankreich
Slowenien
DeutschlandSlowakeiBelgien
M
alta
GroßbritannienEstlandZypernPortugalSpanien
Polen
ItalienIrland*
GriechenlandUngarnLitauenLettland
Rum
änienBulgarien
EU-27**
Ausgrenzungsgefährdungin%der
Gesamtbevölkerung
Q: Eurostat 2012, EU-SILC 2010 und 2011. Datenbank zum Stand 11.01.2013, eigene Darstellung.
* Aktuellste Zahlen stammen aus 2010.
** Eurostat Schätzung
EUROPÄISCHE INDIKATOREN UND ZIELGRÖSSEN FÜR SOZIALE EINGLIEDERUNG IM RAHMEN DER STRATEGIE „EUROPA 2020“
21
2011: 211.000, +/- 37.000 Personen unter 60
Jahren),
» AE Armutsgefährdung UND in Haushalten mit
keiner oder sehr niedriger Erwerbsintensität
lebend (ohne erhebliche materielle Deprivati-
on; 2011: 181.000, +/- 41.000 Personen unter
60 Jahren),
» AD Armutsgefährdung UND erhebliche ma-
terielle Deprivation (nicht in Haushalten mit
keiner oder sehr niedriger Erwerbsintensität
lebend ; 2011: 80.000, +/- 30.000 Personen),
» ED In Haushalten mit keiner oder sehr nied-
riger Erwerbsintensität lebend UND erhebliche
materielle Deprivation (ohne Armutsgefähr-
dung; 2011: 26.000, +/- 11.000 Personen unter
60 Jahren),
» ADE Armutsgefährdung UND erhebliche mate-
rielle Deprivation UND in einem Haushalt mit
keiner oder sehr niedriger Erwerbsintensität
lebend (2010: 100.000, +/- 37.000 Personen
unter 60 Jahren).
Die Personen in Teilgruppen A, AE, AD und ADE leben
allesamt unter der Armutsgefährdungsschwelle und
gehören daherzurZielgruppe der rund1 Million Armuts-
gefährdeten, die in Kapitel 3.1 dargestellt wird. Für die
Europa 2020-Zielgruppe der Ausgrenzungsgefährdeten
wird dieser Personenkreis um die Teilgruppen E, D
und ED mit gemeinsam 356.000 Menschen, die zwar
über der Armutsgefährdungsschwelle leben, aber von
mindestens einem der beiden anderen Problembe-
reiche8
betroffen sind, ergänzt. Zur Verdeutlichung
der jeweiligen Überlappungen der Problembereiche
sei auf Grafik 2 verwiesen.
Fast drei Viertel (72%) der Ausgrenzungsgefährdeten
sind ausschließlich von einem der drei Problem-
bereiche betroffen. Die größte Teilgruppe (A) umfasst
8 Erhebliche materielle Deprivation, siehe Kapitel 4; Haushalt mit keiner oder sehr niedriger Erwerbsintensität, siehe Kapitel 5.
Grafik 2: Überlappung von Problembereichen der Europa 2020-Zielgruppe armuts- oder
ausgrenzungsgefährdeter Personen
AD 6%
D 8%
ADE 7%
ED 2%
1.051.000
Armutsgefährdete
AE 13%
519.000
in Haushalten mit
keiner/sehr niedriger
Erwerbsintensität
E 15%
A 49%
325.000 erheblich
materiell Deprivierte
Q: Statistik Austria, EU-SILC 2011.
Die Größenverhältnisse der Flächen entsprechen nicht exakt den Populationsgrößen.
EUROPÄISCHE INDIKATOREN UND ZIELGRÖSSEN FÜR SOZIALE EINGLIEDERUNG IM RAHMEN DER STRATEGIE „EUROPA 2020“
22
knapp die Hälfte (49%) der gesamten Zielgruppe und
besteht aus Personen, die armutsgefährdet sind, aber
weniger alsvier Deprivationsmerkmale aufweisen und
nicht in einem Haushalt mit keiner oder sehr niedriger
Erwerbsintensität leben. Die zweitgrößte Teilgruppe
(E) besteht aus Personen, die in Haushalten mit
keiner oder sehr niedriger Erwerbsintensität leben,
aber von keinen weiteren Problembereichen betroffen
sind. Sie machen 15% der Ausgrenzungsgefährdeten
aus. Weitere 8% der Ausgrenzungsgefährdeten ge-
hören zum Kreis der erheblich materiell deprivierten
Personen (D), die weder armutsgefährdet sind noch
in einem Haushalt mit keiner oder sehr niedriger
Erwerbsintensität leben.
Die übrigen 28% der Ausgrenzungsgefährdeten be-
finden sich in besonders prekären Lebenslagen, da
sie von mindestens zwei Problembereichen gleich-
zeitig betroffen sind. Das betrifft in Summe 388.000
Menschen und entspricht einem Anteil von rund 5%
der gesamten Bevölkerung in Österreich. Darunter
befindet sich auch jener Personenkreis (ADE), der
sich in allen drei Gefährdungslagen befindet – also
in einem armutsgefährdeten, erheblich materiell
deprivierten Haushalt mit keiner oder sehr niedri-
ger Erwerbsintensität lebt. Diese am stärksten von
sozialer Ausgrenzung bedrohte Teilgruppe macht 7%
der Ausgrenzungsgefährdeten und 1,2% der Gesamt-
bevölkerung aus – absolut betrachtet sind es um die
100.000 Personen. Die häufigste Überschneidung
von Problembereichen besteht zwischen Armuts-
gefährdung und keiner oder sehr niedriger Erwerbs-
intensität (AE) mit 13% der Ausgrenzungsgefährdeten.
Weitere 6% der Ausgrenzungsgefährdeten entfallen
auf die Teilgruppe AD, jener Personenkreis also, der
gleichzeitig von Armutsgefährdung und erheblicher
materieller Deprivation betroffen ist, aber nicht in
einem Haushalt mit keiner oder sehr niedriger Er-
werbsintensität lebt. Lediglich 2% der Zielgruppe
sind nicht armutsgefährdet, aber von keiner oder
sehr niedriger Erwerbsintensität und erheblicher
materieller Deprivation (ED) betroffen.
Zeitliche Entwicklung von Armuts- oder
Ausgrenzungsgefährdung und deren Teil-
gruppen
Die Zahl der Armuts- oder Ausgrenzungsgefährdeten
wird in EU-SILC 2011 insgesamt um 34.000 Personen
höher geschätzt als im Vorjahr. Der Zuwachs ist maß-
geblich auf den Anstieg der ausschließlich Armuts-
gefährdeten (A) um 50.000 zurückzuführen, der nicht
zur Gänze durch die Reduktion der ausschließlich
erheblich materiell Deprivierten (D) um 20.000 Per-
sonen ausgeglichen wurde. Verglichen mit 2008, dem
Basisjahr der Europa 2020-Strategie, konnte damit
die Zahl der insgesamt Ausgrenzungsgefährdeten
dennoch um 125.000 reduziert werden. Betrachtet
man die Ausgrenzungsgefährdung im gesamten
EU-SILC-Zeitverlauf von 2004 bis 2011, so zeigen
sich Zahl und Quote der Ausgrenzungsgefährdung
jedoch unverändert.
Im längerfristigen Vergleich mit dem Jahr 2004
hat sich die Zahl der Armutsgefährdeten ohne
weitere Problemlagen (A) um 97.000 auf nunmehr
690.000 Personen verringert. In Anbetracht der
Zahlen aus dem Jahr 2008 ist diese Gruppe seit den
letzten drei Jahren jedoch nicht weiter gesunken.
Die Veränderung von 2008 auf 2011 um 27.000 mehr
ausschließlich Armutsgefährdete deutet vielmehr
einen Zuwachs an, der jedoch aufgrund der sta-
tistischen Schwankungsbreite als nicht gesichert
gilt. Sehr deutlich hat sich dagegen die Zahl der
ausschließlich erheblich materiell Deprivierten
(D) vom Jahr 2008 auf nunmehr 118.000 Personen
verringert. Für Personen in Haushalten mit keiner
oder sehr niedriger Erwerbsintensität, die ansons-
ten von keinem anderen Problembereich betroffen
sind (E), bleibt die Gruppengröße im Zeitverlauf
unverändert.
Für mehrfache Benachteiligung zeichnet sich im
Zeitverlauf ein eindeutiges Bild. So ist die Gruppe
jener Personen, die in mindestens zwei Problembe-
EUROPÄISCHE INDIKATOREN UND ZIELGRÖSSEN FÜR SOZIALE EINGLIEDERUNG IM RAHMEN DER STRATEGIE „EUROPA 2020“
23
Übersicht1:TeilgruppenderArmuts-oderAusgrenzungsgefährdung2004und2008bis2011
20042008200920102011
in
1.000
AnteilQuotein
1.000
AnteilQuotein
1.000
AnteilQuotein
1.000
AnteilQuotein
1.000
+/-in
1.000*
AnteilQuote
in%in%in%in%in%
Ausgrenzungsgefährdunginsgesamt1.448100181.532100191.406100171.373100171.40710810017
TeilgruppenderAusgrenzungsgefährdung
A(ArmutsgefährdungohneD,E)787541066343866848864147869078498
D(erheblichematerielleDeprivation,
ohneA,E)
1531122631731701221381021183381
E(inHHmitkeiner/sehrniedriger
Erwerbsintensität,ohneA,D)
22716320914322216321115321137153
MehrfachbenachteiligteTeilgruppen
Zusammen**28219339726534525438328538863285
AE12692136921219116612218141132
AD816110371106819771803061
ED2210423121102010261120
ADE5341116819771100711003771
Q:STATISTIKAUSTRIA,EU-SILC2004;2008bis2011.
A:ArmutsgefährdungOHNEEoderD.
E:HaushaltmitkeinerodersehrniedrigerErwerbsintensitätOHNEAoderD.
D:ErheblichematerielleDeprivationOHNEAoderE.
AE:AundEundnichtD.
AD:AundDundnichtE.
ED:EundDundnichtA.
ADE:AundDundE.
*StatistischeSchwankungsbreitebei95%-Vertrauenswahrscheinlichkeit.
**RundungsbedingtkanndieSummederTeilgruppenum+/-1.000Personenabweichen
Lesebeispiel:ImJahr2011gabes181.000armutsgefährdeteMenschen,dieineinemHaushaltmitkeinerodersehrniedrigerErwerbsintensitätlebten(AE).DiePersonenderTeilgruppeAEstellen
somit13%derSozialzielgruppe„Armuts-oderAusgrenzungsgefährdete“bzw.2%derGesamtbevölkerungdar.
EUROPÄISCHE INDIKATOREN UND ZIELGRÖSSEN FÜR SOZIALE EINGLIEDERUNG IM RAHMEN DER STRATEGIE „EUROPA 2020“
24
reichen betroffen sind,9
im Vergleich zu 2004 deutlich
größer: 2011 befinden sich 106.000 mehr Menschen
in mehrfachen Gefährdungslagen als 2004. Ihr An-
teil unter den Ausgrenzungsgefährdeten stieg von
19% auf 28% an. Besonders deutlich entwickelte
sich die Gruppe jener Menschen, die in allen drei
Gefährdungslagen gleichzeitig betroffen sind: Trotz
eines leichten – statistisch nicht signifikanten –
Absinkens der armutsgefährdeten und erheblich
materiell deprivierten Personen in Haushalten mit
keiner oder sehr niedriger Erwerbsintensität (ADE)
von 2008 auf 2011 hat sich ihre Anzahl im Vergleich
zum Jahr 2004 verdoppelt.
Für die Entwicklung der Ausgrenzungsgefährdung
in Österreich im Zeitraum 2004 bis 2011 legen die
Befunde somit die folgende Schlussfolgerung nahe:
Trotz Wirtschaftskrise blieb die Zahl der Menschen,
die von Ausgrenzungsgefährdung betroffen sind,
unverändert bei rund 1,4 Millionen. Innerhalb der
Ausgrenzungsgefährdeten verschärfen sich jedoch
Überlappungen in den Problembereichen, sodass
heute 388.000 Personen von mindestens zwei Ge-
fährdungslagen betroffen sind.
2.3.2 Sozialstruktur der armuts- oder aus-
grenzungsgefährdeten Personen
In Österreich sind insgesamt 331.000 Kinder, Ju-
gendliche und junge Erwachsene unter 20 Jahren
sowie 622.000 Frauen und 455.000 Männer ab 20
Jahren von Ausgrenzungsgefährdung betroffen (sie-
he Übersicht 2). Auffällig an der Altersstruktur der
Ausgrenzungsgefährdeten ist, dass die Jüngeren
(unter 20 Jahre) mit einem Anteil von 24% leicht
überproportional vertreten sind (gegenüber 21% bei
9 Die mehrfach Benachteiligten setzen sich aus Personen der Teilgruppe AE + AD + ED + ADE zusammen.
Grafik 3: Teilgruppen der Ausgrenzungsgefährdung im Zeitverlauf
0
100
200
300
400
500
600
700
800
900
A D E AE AD ED ADE
690
118
211
181
80
26
100
663
263
209
136
103
42
116
787
153
227
126
81
22
53
2004 2008 2011
TeilgruppenderAusgrenzungsgefährdeten
in1.000
Q: STATISTIK AUSTRIA, EU-SILC 2004, 2008 und 2011.
A: Armutsgefährdung OHNE E oder D.
E: Haushalt mit keiner oder sehr niedriger Erwerbsintensität OHNE A oder D.
D: Erhebliche materielle Deprivation OHNE A oder E.
AE: A und E und nicht D.
AD: A und D und nicht E.
ED: E und D und nicht A.
ADE: A und D und E.
EUROPÄISCHE INDIKATOREN UND ZIELGRÖSSEN FÜR SOZIALE EINGLIEDERUNG IM RAHMEN DER STRATEGIE „EUROPA 2020“
25
den Nicht-Ausgrenzungsgefährdeten). Betrachtet
man diese Alterskohorte im Detail, so zeigt sich, dass
Kinder unter 16 Jahren ein erhöhtes Risiko haben, in
einem ausgrenzungsgefährdeten Haushalt zu leben:
Für sie beträgt die Ausgrenzungsgefährdungsquote
rund 20%, während sie für Personen ab 16 Jahren
rund 16% beträgt. Auch nach Geschlecht zeigen sich
Unterschiede: Frauen sind mit einer Quote von 18%
häufiger von Ausgrenzungsgefährdung betroffen als
Männer (14%). Sie befinden sich etwas öfter in den
Teilgruppen der ausschließlich Armutsgefährdeten
(A) und den Personen in Haushalten mit keiner oder
sehr niedriger Erwerbsintensität (E).10
Einen überproportionalen Anteil unter den Aus-
grenzungsgefährdeten stellen Personen mit nicht
10 Unterschiede in Personenmerkmalen beispielsweise Geschlechterunterschiede, sind bei Indikatoren wie Ausgrenzungsgefährdung, die im
Haushaltszusammenhang berechnet werden, eingeschränkt erkennbar und auf Unterschiede in Einpersonenhaushalten zurückzuführen.
Anmerkungen dazu siehe auch im Kapitel 3.1.2.
Übersicht 2: Soziale Zusammensetzung der Armuts- oder Ausgrenzungsgefährdeten
Merkmale
Ausgrenzungsgefährdete Nicht-Ausgrenzungsgefährdete
in 1.000 Anteil in % Quote in % in 1.000 Anteil in %
Insgesamt 1.407 100 17 6.909 100
Alter
Bis 19 Jahre 331 24 19 1.445 21
20 bis 39 Jahre 364 26 18 1.700 25
40 bis 64 Jahre 470 33 15 2.587 37
65 Jahre und älter 242 17 17 1.177 17
Männer (ab 20 Jahren)
Zusammen 455 32 14 2.694 39
20 bis 39 Jahre 172 12 17 856 12
40 bis 64 Jahre 210 15 14 1.305 19
65 Jahre und älter 73 5 12 533 8
Frauen (ab 20 Jahren)
Zusammen** 622 44 18 2.770 40
20 bis 39 Jahre 192 14 19 844 12
40 bis 64 Jahre 260 18 17 1.282 19
65 Jahre und älter 169 12 21 644 9
Staatsbürgerschaft
Österreich 1.096 78 15 6.298 91
darunter eingebürgert (Nicht EU/EFTA) 85 6 30 203 3
Nicht Österreich 311 22 34 610 9
davon EU/EFTA 96 7 27 264 4
davon sonstiges Ausland 216 15 38 346 5
Höchster Bildungsabschluss*
Max. Pflichtschule 480 34 27 1.289 19
Lehre/mittlere Schule 433 31 13 2.857 41
Matura 170 12 14 1.033 15
Universität 60 4 8 676 10
Q: STATISTIK AUSTRIA, EU-SILC 2011.
* Kinder (0- bis 15-Jährige) sind in der Kategorie „Höchster Bildungsabschluss“ ausgeschlossen.
** Rundungsbedingt kann die Summe der Teilgruppen um +/- 1.000 Personen abweichen.
EUROPÄISCHE INDIKATOREN UND ZIELGRÖSSEN FÜR SOZIALE EINGLIEDERUNG IM RAHMEN DER STRATEGIE „EUROPA 2020“
26
österreichischer Staatsbürgerschaft (22%; unter den
Nicht-Ausgrenzungsgefährdeten: 9%). Auch in dieser
Gruppe sind es Kinder unter 16 Jahren, die ein noch-
mals erhöhtes Risiko der Ausgrenzungsgefährdung
haben, jedoch ist ihr Risiko ungleich höher als das der
Kinder mit österreichischer Staatsbürgerschaft: 45%
der Kinder unter 16 Jahren mit nicht österreichischer
Staatsbürgerschaft leben in einem Haushalt, der von
Ausgrenzungsgefährdung betroffen ist. ZumVergleich:
16% der Kinder mit österreichischerStaatsbürgerschaft
leben in ausgrenzungsgefährdeten Haushalten.
Rund ein Drittel der Ausgrenzungsgefährdeten
(480.000 Menschen) verfügt maximal über einen
Pflichtschulabschluss. Dass Bildung vor sozialer
Ausgrenzung schützen kann, zeigt sich in der Aus-
grenzungsgefährdungsquote nach Bildungsniveau:
So sind Personen mit maximal einem Pflichtschul-
abschluss zu 27% ausgrenzungsgefährdet, während
Personen mit Universitätsabschluss nur zu 8% von
Ausgrenzungsgefährdung betroffen sind.
Übersicht 3 stellt ausgewählte Haushaltsmerkmale der
Ausgrenzungsgefährdeten dar. Hierbei zeigt sich ein
starker Zusammenhang von Ausgrenzungsgefährdung
und Urbanität: Mit einem Drittel der Ausgrenzungs-
gefährdeten leben überdurchschnittlich viele von
ihnen in Wien. Zwar lebt die Mehrheit der Ausgren-
zungsgefährdeten, das sind 589.000 Menschen, in
Gemeinden mit weniger als 10.000 EinwohnerInnen,
jedoch ist dieser Anteil mit 42% deutlich geringer
als in nicht ausgrenzungsgefährdeten Haushalten
(59%). Der Unterschied zeigt sich auch hinsichtlich
mehrfacher Benachteiligungen, die inWien überdurch-
schnittlich stark ausgeprägt sind: Rund 40% der in
Wien lebenden Ausgrenzungsgefährdeten sind von
mindestens zwei der Gefährdungslagen betroffen.
Hinsichtlich der Haushaltskonstellationen zeigt sich:
Personen in Haushalten mit Pension sind unter den
Ausgrenzungsgefährdeten leicht überproportional
vertreten (21% im Vergleich zu 18%). Ein überdurch-
schnittliches Ausgrenzungsrisiko in Haushalten mit
Pension betrifft jedoch einzig alleinlebende Frauen,
von denen jede Dritte ausgrenzungsgefährdet ist.
Alleinlebende Männer oder Mehrpersonenhaushalte
mit Pension haben hier kein erhöhtes Risiko.
Für Haushalte ohne Pension gilt: Lebt eine Person
alleine, so steigt die Ausgrenzungsgefährdungs-
quote stark an – für Männer auf 30%, für Frauen
auf 34%. So stellen Alleinlebende ohne Pension
mit 284.000 Personen auch einen beträchtlichen
Anteil unter den Ausgrenzungsgefährdeten dar
(20%). Leben Kinder im Haushalt, so führt das nur
für bestimmte Haushaltskonstellationen zu einem
erhöhten Ausgrenzungsrisiko. Es befinden sich unter
den Ausgrenzungsgefährdeten zwar vergleichsweise
wenige Mehrpersonenhaushalte ohne Kinder (15%
im Vergleich zu 25%), noch seltener sind aber Mehr-
personenhaushalte mit einem Kind vertreten (8%
zu 19%). Auch Mehrpersonenhaushalte mit zwei
Kindern haben ein unterdurchschnittliches Aus-
grenzungsrisiko und stellen in der Zielgruppe einen
Anteil von 14% dar. Umgekehrt verhält es sich mit
Ein-Eltern-Haushalten und Mehrpersonenhaushalten
mit mindestens drei Kindern; sie finden sich unter
den ausgrenzungsgefährdeten Haushalten mehr als
doppelt so oft wie in anderen Haushalten.
Mehr als eine halbe Million Ausgrenzungsgefährdete
leben in Haushalten, deren Einkommen haupt-
sächlich aus Sozialleistungen bestehen. Haushalte
mit Haupteinkommensquelle Sozialleistungen haben
damit eine Ausgrenzungsgefährdungsquote von 68%.
Das niedrigste Ausgrenzungsrisiko (8%) weisen Perso-
nen in Haushalten mit Haupteinkommensquelle aus
unselbständiger Arbeit auf. Nichtsdestotrotz beträgt
ihr Anteil unter den Ausgrenzungsgefährdeten knapp
30%, das entspricht 388.000 Personen.
EUROPÄISCHE INDIKATOREN UND ZIELGRÖSSEN FÜR SOZIALE EINGLIEDERUNG IM RAHMEN DER STRATEGIE „EUROPA 2020“
27
Übersicht 3: Ausgewählte Haushaltsmerkmale der Armuts- oder Ausgrenzungs-
gefährdeten
Ausgrenzungsgefährdete Nicht-Ausgrenzungsgefährdete
in 1.000 Anteil in % Quote in % in 1.000 Anteil in %
Insgesamt 1.407 100 17 6.909 100
Gemeindegrößenklasse
Wien 467 33 28 1.231 18
Andere Gemeinden > 100.000 Einw. 141 10 20 566 8
Gemeinden >10.000 und <=100.000 Einw. 210 15 16 1.063 15
Gemeinden <=10.000 Einw. 589 42 13 4.048 59
Haushalte mit Pension
Zusammen 289 21 19 1.241 18
Alleinlebende Männer 20 1 16 108 2
Alleinlebende Frauen 96 7 32 209 3
Mehrpersonenhaushalt 173 12 16 924 13
Haushalte ohne Pension
Zusammen 1.118 79 16 5.668 82
Alleinlebende Männer 128 9 30 304 4
Alleinlebende Frauen 156 11 34 303 4
Mehrpersonenhaushalt ohne Kinder 215 15 11 1.748 25
Haushalte mit Kindern 619 44 16 3.312 48
Ein-Eltern-Haushalt 97 7 36 170 2
Mehrpersonenhaushalt + 1 Kind 117 8 8 1.323 19
Mehrpersonenhaushalt + 2 Kinder 193 14 13 1.305 19
Mehrpersonenhaushalt + mind. 3 Kinder 213 15 29 514 7
Haupteinkommensquelle
Unselbständige Arbeit 388 28 8 4.649 67
Selbständige Arbeit 92 7 13 594 9
Sozialleistungen 559 40 68 262 4
Pensionen 302 21 18 1.330 19
Private Einkommen 67 5 48 73 1
Q: STATISTIK AUSTRIA, EU-SILC 2011.
28
ARMUTSGEFÄHRDUNG UND „WORKING POOR“ IN ÖSTERREICH
29
3. ARMUTSGEFÄHRDUNG UND „WORKING POOR“ IN ÖSTERREICH
In diesem Kapitel erfolgt eine detaillierte Darstellung
derArmutsgefährdunginÖsterreich.Dabeistehtsowohl
die soziodemographischeStruktur alsauch diezeitliche
Entwicklung desarmutsgefährdeten Bevölkerungsteils
im Fokus der Analyse. Der zweite Abschnitt untersucht
jene Personen, die trotz Erwerbstätigkeit von Armuts-
gefährdung betroffen sind. Neben der Präsentation
aktueller Zahlen für diese Gruppe der „Working Poor“
in Österreich soll auch den Gründen des Phänomens
„Working Poor“ nachgegangen werden.
3.1 Armutsgefährdung
Im Rahmen der Europa 2020-Strategie stellt die „Ar-
mutsgefährdungsquote bei 60% des Medians“ einen
der drei zentralen Indikatoren zum Monitoring des
Leitziels „Teilhabemöglichkeiten“ dar. Auch davor
war sie im Set der sogenannten Laeken-Indikatoren
seit dem Jahr 2001 eine der wichtigsten Kenngrößen
für soziale Eingliederung.
EU-weit liegt die Armutsgefährdungsquote für das
Jahr 2011 bei 16%. Österreich liegt, wie im Vorjahr,
auch 2011 mit 13% Armutsgefährdung innerhalb
der EU an drittniedrigster Stelle, die niedrigste Ar-
mutsgefährdungsquote hat Tschechien mit 10%. Am
höchsten ist der Prozentsatz der Armutsgefährdeten
in Rumänien und Bulgarien, 2011 lebten dort rund
22% der Gesamtbevölkerung unter der jeweiligen
nationalen Armutsgefährdungsschwelle.
Der folgende Abschnitt informiert über das Ausmaß
der Armutsgefährdung in Österreich 2011 und im Zeit-
verlauf seit 2004. Alle dargestellten Ergebnisse gelten
für Privathaushalte in Österreich. Anstaltshaushalte
sind nicht Teil der Stichprobe, somit werden etwa Ar-
mutslagen von Wohnungslosen, Menschen in Alten-,
Pflege- oder Kinderheimen oder Asylwerbenden nicht
erfasst. Andere Bevölkerungsgruppen wie MigrantIn-
nen, Kranke oder Sozialhilfebeziehende sind in der
EU-DEFINITION DER ARMUTSGEFÄHRDUNG:
Die Armutsgefährdungsquote bei 60% des Medians weist den Anteil jener Personen an der Gesamtbevölkerung
aus, deren äquivalisiertes Haushaltseinkommen einen bestimmten Schwellenwert unterschreitet. Zur Berechnung
des Haushaltseinkommens wird die Summe aller Bruttoerwerbseinkommen im Haushalt zuzüglich Kapitalerträge
und Pensionen sowie allfälliger Sozialtransfers gebildet. Nach Abzug von Steuern errechnet sich das Haushalts-
nettoeinkommen. Das verfügbare Haushaltseinkommen ergibt sich dann nach Abzug und Hinzurechnung von Un-
terhaltsleistungen und sonstigen Privattransfers zwischen den Haushalten. Die Äquivalisierung erfolgt anhand der
international etablierten EU-Skala, welche die erste erwachsene Person im Haushalt mit einem Konsumäquivalent
von 1, jeden weiteren Erwachsenen mit 0,5 und jedes Kind (bis 13 Jahre) mit 0,3 gewichtet. Dadurch wird jeder Person
im Haushalt das gleiche Einkommen als Äquivalent für einen bestimmten Lebensstandard im Vergleich zu einem
Einpersonenhaushalt zugerechnet. Der Eurostat Definition folgend wird die sogenannte Armutsgefährdungsschwelle
auf Basis von 60% des Medians berechnet und an die jeweilige Haushaltszusammensetzung angepasst. So können
Haushalte unterschiedlicher Zusammensetzung und Größe miteinander verglichen und Bevölkerungsgruppen mit
niedrigem Lebensstandard identifiziert werden.
ARMUTSGEFÄHRDUNG UND „WORKING POOR“ IN ÖSTERREICH
30
Erhebung aus Gründen erschwerter Erreichbarkeit
unterrepräsentiert, was jedoch in der Hochrechnung
berücksichtigt wird und so weitgehend ausgegli-
chen werden kann. Die aus den Stichprobendaten
hochgerechneten Ergebnisse sind Schätzungen für
Verteilungen in der Grundgesamtheit und unterliegen
einer Zufallsschwankung. Unterschiede zwischen
Untergruppen und im Jahresvergleich müssen daher
mit Rücksicht auf die Schwankungsbreiten interpre-
tiert werden.
3.1.1 Ausmaß und Intensität der Armutsge-
fährdung
Zusammensetzung und Entwicklung der
äquivalisierten Haushaltseinkommen
Das hier verwendete Konzept der Armutsgefährdung
orientiert sich zur Abbildung des materiellen Lebens-
standards am Haushaltseinkommen von Personen
in privaten Haushalten. Dieses setzt sich aus den
folgenden Einkommensbestandteilen zusammen
(siehe Übersicht 4):
Grafik 4: Armutsgefährdung in den EU-27-Staaten
0
5
10
15
20
25
Tschechien
Niederlande
Österreich
Dänem
arkSlowakei
Luxem
burg
SlowenienFinnlandUngarn
Frankreich
SchwedenZypernBelgien
M
alta
DeutschlandIrland*
GroßbritannienEstland
PolenPortugalLettland
ItalienLitauen
GriechenlandSpanien
Rum
änienBulgarien
Armutsgefährdungin%derGesamtbevölkerung
EU-27**
Q: Eurostat 2012, EU-SILC 2010 und 2011. Datenbank zum Stand 11.01.2013, eigene Darstellung.
* Aktuellste Zahlen stammen aus 2010.
** Eurostat Schätzung
Übersicht 4: Bestandteile des Haushalts-
einkommens in EU-SILC
Nettoeinkommen auf Personenebene*
Unselbständigen Einkommen
+ Selbständigen Einkommen
+ Altersleistungen
+ Arbeitslosenleistungen
+ Hinterbliebenenleistungen
+ Krankenleistungen
+ Invaliditätsleistungen
+ Ausbildungsleistungen
+ Renten aus privaten Systemen
Nettoeinkommen auf Haushaltsebene*
+ Einkommen aus Vermietung und Verpachtung
+ Familienleistungen
+ Sonstige Leistungen gegen soziale Ausgrenzung
+ Wohnungsbeihilfen
+ Erhaltene Transfers zwischen privaten Haushalten
+ Zinsen, Dividenden
+ Einkommen von Personen unter 16 Jahren
Abzüge
- Geleistete Transfers zwischen privaten Haushalten
- Einkommensteuernachzahlungen/-erstattungen
= Haushaltseinkommen
Q: STATISTIK AUSTRIA, EU-SILC 2011.
* Nach Steuern und SV-Beiträgen.
ARMUTSGEFÄHRDUNG UND „WORKING POOR“ IN ÖSTERREICH
31
Werden die Einkommensbestandteile mit Hilfe der im
obigen Abschnitt beschriebenen EU-Skala nach Anzahl
der Haushaltsmitglieder gewichtet, so erhält man
äquivalisierte Einkommensbestandteile.Sie erreichen
in EU-SILC 2011 (bezogen auf das Einkommensjahr
2010) die folgenden Höhen:11
Das äquivalisierte Ein-
kommen aus Arbeit, Kapital und Grundbesitz12
– das
sogenannte Brutto-Markteinkommen – beträgt im
Median 22.258 Euro. Zuzüglich der Pensionen13
beläuft
sich das sogenannte Primäreinkommen (äquivalisiert)
in Österreich im Median auf 24.845 Euro. Zieht man
davon Steuern und Abgaben ab und berücksichtigt
erhaltene Sozialleistungen14
, ergibt sich im Median
ein äquivalisiertes Sekundäreinkommen von 21.120
Euro. Durch das Abziehen bzw. Hinzurechnen privater
Transferzahlungen wird das verfügbare äquivalisierte
Haushaltseinkommen – auf dem die Armutsgefähr-
dung basiert – berechnet; dieses beträgt im Median
21.319 Euro.
Der Median desäquivalisiertenverfügbaren Haushalts-
einkommensliegtderBerechnungderArmutsgefährdung
zugrundeundkannalsdasHaushaltseinkommeneines
Einpersonenhaushalts mit mittlerem Lebensstandard
11 Für eine Verteilung des Haushaltseinkommens vor Äquivalisierung siehe Tabellenband zu EU-SILC 2011 (Statistik Austria 2012b): Tab. 1.1.
und Tab. 11.1a-c.
12 Summe aus den folgenden Brutto-Einkommensbestandteilen: (Un)Selbständigen Einkommen, Zinsen und Dividenden, Vermietung und
Verpachtung, Private Renten sowie Einkommen von Personen unter 16 Jahren.
13 Summe aus den folgenden Brutto-Einkommensbestandteilen: Altersleistungen und ab Erreichen des Pensionsalters Invaliditätspensionen.
14 Summe aus den folgenden Einkommensbestandteilen: Hinterbliebenenleistungen, Krankenleistungen, Invaliditätsleistungen, Ausbil-
dungsleistungen, Familienleistungen, Arbeitslosenleistungen, sonstige Leistungen gegen soziale Ausgrenzung sowie Wohnungsbeihilfen.
Grafik 5: Äquivalisiertes Haushaltseinkommen: Einkommensverteilung 2010 und 2011
6
8
10
12
14
16
18
20
22
24
26
28
30
32
34
36
38
40
42
44
46
48
0 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 55 60 65 70 75 80 85 90 95 100
2010 2011
ÄquivalisiertesNettohaushaltseinkommen
(in1.000EuroproJahr)
% der Bevölkerung
Armutsgefährdungsschwellen der jeweiligen Jahre
Q: STATISITK AUSTRIA, EU-SILC 2010-2011.
Lesebeispiel: 50% der Bevölkerung im Jahr 2011 haben ein äquivalisiertes Haushaltseinkommen von höchstens 21.319 Euro zur Verfügung.
ARMUTSGEFÄHRDUNG UND „WORKING POOR“ IN ÖSTERREICH
32
interpretiert werden. Mit einer Höhe von 21.319 Euro
pro Jahr hat demnach ein Einpersonenhaushalt 2011
pro Jahr im Mittel rund 700 Euro mehr zur Verfügung
als im Jahr zuvor. Das entspricht einer Erhöhung um
3,4%. Doch zeigt sich mit Blick auf die gesamte Ein-
kommensverteilung (siehe Grafik5), dass der Anstieg
für bestimmte Einkommensgruppen unterschiedlich
hoch ausfällt:Währendder Median desäquivalisierten
Haushaltseinkommens der unteren 30% der Einkom-
mensbeziehenden einen unterdurchschnittlichen
Anstieg um 1,3% erfuhr und die obersten 15% Ein-
kommensbeziehenden in ihrem Medianeinkommen
nahezu konstant (-0,5%) blieben, stieg der Median
desHaushaltseinkommensfür die Einkommensgruppe
des 30 bis 85 Perzentils – die mittleren Einkommen –
gegenüber dem Vorjahr um 4,1%.
Bei einer Inflation von 1,9% im Jahr 2010 (auf welches
sich die EU-SILC 2011 Einkommensdaten beziehen)
bedeutet dies: Die preisbereinigten Einkommen
der unteren 30% Einkommensbeziehenden sinken.
Dieses Sinken fällt zwar schwächer als für die obers-
ten 15%, eine Steigerung in den preisbereinigten
Einkommen erfahren aber besonders die mittleren
Einkommensgruppen (das 30 bis 85 Perzentil), diese
dafür überdurchschnittlich stark.
Der schwächere Anstieg der unteren Einkommen
könnte zur Folge haben, dass 2011 mehr Menschen
von Armutsgefährdung betroffen sind als im Jahr zuvor
oder dass sich die Einkommenslage der Armutsge-
fährdeten gegenüber demVorjahr verringert. Inwiefern
sich diese Entwicklung tatsächlich vollzogen hat,
lässt sich mithilfe von Armutsgefährdungsschwelle,
-quote und -lücke zeigen.
Armutsgefährdungsschwelle
Der Wertvon 60% des Medianäquivalenzeinkommens
bestimmt die Höhe der Armutsgefährdungsschwelle.
Die Armutsgefährdungsschwelle aus EU-SILC2011 liegt
für einen Einpersonenhaushalt bei 12.791 Euro pro Jahr.
Dieser Betrag umfasst die Summe der Jahreseinkünfte
aus Erwerbsarbeit, Sozialtransfers, Einkommen aus
Unterhaltszahlungen und anderen Privateinkommen.
Gehälter und Pensionen werden in Österreich meist
14-mal undSozialleistungen meist 12-mal ausbezahlt.
Daher werden zur besseren Lesbarkeit auch Monats-
werte der Armutsgefährdungsschwelle ermittelt: Ein
Zwölftel des Jahresschwellenwerts beträgt 1.066 Euro.
Ein Vierzehntel desSchwellenwerts liegt bei 914 Euro.
Ein Einpersonenhaushalt mit einem monatlichen
Erwerbseinkommen von weniger als 914 Euro ohne
zusätzliche Einkünfte aus anderen Zahlungen wie
Wohnbeihilfe, Zusatzverdienste, Prämien oder private
Transfers läge mit seinem Haushaltseinkommen unter
dem Schwellenwert und würde als armutsgefährdet
gelten.
Übersicht 5: Armutsgefährdungsschwelle bei 60% des Medians für unterschiedliche Haus-
haltstypen
Haushaltstyp
Gewichtungsfaktor
nach EU-Skala
Jahreswert
(in Euro)
Monatswert 1/12
(in Euro)
1/14
(in Euro)
Einpersonenhaushalt 1 12.791 1.066 914
1 Erwachsener + 1 Kind 1,3 16.628 1.386 1.188
2 Erwachsene 1,5 19.187 1.599 1.370
2 Erwachsene + 1 Kind 1,8 23.024 1.919 1.645
2 Erwachsene + 2 Kinder 2,1 26.861 2.238 1.919
2 Erwachsene + 3 Kinder 2,4 30.699 2.558 2.193
Q: STATISTIK AUSTRIA, EU-SILC 2011.
ARMUTSGEFÄHRDUNG UND „WORKING POOR“ IN ÖSTERREICH
33
Im Folgenden wird der Monatswert immer als Jahres-
zwölftel mit 1.066 Euro dargestellt. Verglichen mit
dem in der Berichterstattung 2010 publizierten Wert
von monatlich 1.031 Euro hat sich die Armutsgefähr-
dungsschwelle um 3,4% erhöht; die Steigerung ist
immer relativ zu der des medianen Einkommens im
Jahresvergleich zu sehen (siehe Seite 31).
Die Anpassung der Armutsgefährdungsschwelle für
Mehrpersonenhaushalte erfolgt mittels Gewichtung
anhand der international etablierten EU-Skala. Da-
durch erhöht sie sich für jede weitere erwachsene
Person im Haushalt um 533 Euro (Faktor 0,5) und
für jedes Kind (unter 14 Jahren) um 320 Euro (Fak-
tor 0,3) pro Monat. Übersicht 5 zeigt beispielhaft
Armutsgefährdungsschwellen für unterschiedliche
Haushaltstypen.
Armutsgefährdungsquote
Laut EU-SILC 2011 sind in Österreich 12,6% der
Bevölkerung armutsgefährdet (bzw. mit 95%
Vertrauenswahrscheinlichkeit zwischen 11,5% und
13,8%). Hochgerechnet auf die rund 8,32 Millionen
Personen umfassende Gesamtbevölkerung liegt
die Zahl der armutsgefährdeten Personen zwischen
957.000 und 1.146.000 Personen.15
Der Unterschied
in den Armutsgefährdungsquoten aus EU-SILC 2010
und EU-SILC 2011 (2010: 12,1%; 2011: 12,6%) liegt
im Bereich der statistischen Schwankungsbreite
(Überschneidung der 95%-Konfidenzintervalle) und
kann nicht von zufallsbedingten Veränderungen
unterschieden werden.16
In Zeitreihenanalysen zeigt
die Armutsgefährdungsquote über den gesamten
Berichtszeitraum relative Konstanz. Dies gilt für
Personen in Privathaushalten bei gleich bleibender
Definition von Armutsgefährdung. Armutsgefährdung
als einkommensbasierte Maßzahl berücksichtigt
keine Veränderungen bei Kosten oder Bedarf wie
etwa steigenden Lebenshaltungskosten.
Übersicht 6 zeigt die Entwicklung der Armutsgefähr-
dungsquoten und -schwellen seit 2004 und stellt
zusätzlich dieSchwankungsbreiten der Ergebnisse dar.
15 Rundungsbedingt kann es je nach Berechnungsmethode zu kleineren Abweichungen kommen.
16 Die zugrunde liegende Fehlerrechnung ist eine im Normalfall hinreichende Annäherung an den tatsächlichen Wert. Aufgrund der teilwei-
se verbundenen Stichproben ist der Vergleich zwischen den Erhebungswellen besser abgesichert, als wenn unabhängige Querschnitte
verglichen würden. Für Differenzen zwischen zwei Jahren gelten daher etwa dieselben Schwankungsbreiten wie bei Vergleichen innerhalb
derselben Querschnittstichprobe (vgl. Verma 2001, Statistik Austria 2012a).
Übersicht 6: Armutsgefährdungsschwelle und Armutsgefährdungsquote im Zeitverlauf
Jahr
Armutsgefährdungs-
schwelle
in Euro
Armutsgefährdung Konfidenzintervall 95%
in % in 1.000
untere Grenze
in 1.000
obere Grenze
in 1.000
2004 10.119 13,0 1.047 954 1.139
2008 11.406 12,4 1.018 939 1.098
2009 11.931 12,0 993 903 1.083
2010 12.371 12,1 1.004 912 1.096
2011 12.791 12,6 1.051 957 1.146
Q: STATISTIK AUSTRIA, EU-SILC 2004; 2008 bis 2011.
Armutsgefährdungsschwelle: Jahreswert bei 60% des Medians.
Da für die Jahre 2004 bis 2008 rückwirkend Privatpensionen als Bestandteil des Haushaltseinkommens berücksichtigt wurden, weichen
die ausgewiesenen Werte von den jeweiligen Jahrespublikationen ab.
ARMUTSGEFÄHRDUNG UND „WORKING POOR“ IN ÖSTERREICH
34
Alternative Armutsgefährdungsschwellen
Für eine EU-weite und vergleichbare Berichterstattung
zu Armutsgefährdung wurde in der politischen Diskus-
sion 60% des Medians des Äquivalenzeinkommens
als kritischer Wert festgelegt.17
Dieser Festlegung liegt
keine Bedarfsmessung zugrunde, daher können zur
Beobachtung von Einkommensarmut auch andere
Schwellenwerte definiert werden18
(siehe Übersicht 7):
Bei Anwendung einer sehr niedrigenSchwelle von 40%
des Medians des Äquvalenzeinkommens (entspricht
711 Euro pro Monat für einen Einpersonenhaushalt)
liegt laut EU-SILC 2011 das Äquivalenzeinkommen
von 3% der Bevölkerung darunter. Wird die Schwelle
bei 50% des Medians festgelegt (888 Euro), haben
7,1% ein äquivalisiertes Haushaltseinkommen unter
diesem Wert. 1.244 Euro entsprechen der Schwelle
bei 70% des Medians – hier haben 21% der Bevölke-
rung weniger zur Verfügung. Auch diese alternativen
Armutsgefährdungsschwellen zeigen im Zeitverlauf
2004 bis 2011 relative Konstanz.
Eine weitere Alternative bietetdiezeitlicheVerankerung
des Armutsgefährdungsschwellenwerts: Hierbei wird
die Armutsgefährdungsschwelle auseinem Referenzjahr
mit der Inflationsrate fortgeschrieben. Bei zeitlicher
Verankerung der Armutsgefährdungsschwelle des
Jahres 2008 liegt der Schwellenwert 2011 bei 1.006
Euro monatlich – hier haben 10,6% der Bevölkerung
ein geringeres Haushaltseinkommen zur Verfügung.
Zudem bieten sich politisch festgelegte Schwellen-
werte als Alternative zu konventionellen statistischen
Armutsgefährdungsschwellen an. Ein solcher lässt
sich beispielsweise auf Basis des Ausgleichszulagen-
richtsatzes für Pensionen berechnen. Dieser beträgt
2011 793 Euro brutto 14-mal im Jahr, abzüglich der
Krankenversicherung für Pensionsbeziehende (2011:
5,1%). Netto entspricht das 10.541 Euro pro Jahr oder
(dividiert durch 12) 878 Euro pro Monat. 561.000
Personen bzw. 6,7% der Bevölkerung haben ein
Äquivalenzeinkommen unter dem Schwellenwert in
Höhe der Ausgleichszulage.
Auch die Bedarfsorientierte Mindestsicherung19
(BMS)
lässt sich als politischer Schwellenwert zur Bestim-
mung niedrigen Einkommens heranziehen. Für einen
Einpersonenhaushalt beträgt die Bedarfsorientierte
Mindestsicherung im Jahr 2011 753 Euro pro Monat,
darin inkludiert ist ein Wohnkostenanteil. Nicht be-
17 Beschluss des Europäischen Rates von Laeken, Dezember 2001.
18 Ein bedarfsgerechter Wert kann aus wissenschaftlicher Sicht weder durch einen einzigen Schwellenwert noch vergleichbar für verschie-
dene Länder festgelegt werden. Die EU empfiehlt daher, mehrere Schwellenwerte als Richtwert zu niedrigem Einkommen darzustellen.
19 Die Bedarfsorientierte Mindestsicherung trat im September 2010 zunächst in Wien, Niederösterreich und Salzburg in Kraft, Oberösterreich
führte sie als letztes Bundesland am 1. 10. 2011 ein. In den Bundesländern existieren teilweise unterschiedlich detaillierte Regelungen,
was z.B. Richtsätze für Kinder oder Wohnkostenanteile betrifft. Siehe BMASK (2012, S 148ff).
ARMUTSGEFÄHRDUNG IM ZEITVERLAUF:
Um die zeitliche Entwicklung der Armutsgefährdung abzubilden, werden die Querschnittergebnisse aus EU-SILC 2004
bis 2011 ausgewiesen. Aufgrund von Zufallsschwankungen sind kleinere Veränderungen meist nicht interpretierbar.
Erst wenn Ergebnisse über mehrere Jahre einen Trend verzeichnen, kann von einer realen Veränderung gesprochen
werden. Aufgrund des Stichprobenfehlers und der damit verbundenen Schwankungsbreite der Schätzwerte wird
im Folgenden auf die Darstellung von Nachkommastellen verzichtet. Geringe jährliche Veränderungen (etwa +/-1
Prozentpunkt bei der Armutsgefährdungsquote) sind nicht signifikant (95%-Signifikanzniveau) und daher nicht
interpretierbar. Zwischen 2004 und 2005 sowie 2007 und 2008 hat ein Wechsel des Erhebungsinstituts statt-
gefunden, Unterschiede sind damit z.T. erhebungsbedingt.
ARMUTSGEFÄHRDUNG UND „WORKING POOR“ IN ÖSTERREICH
35
rücksichtigt sind in diesem Wert allfällige Ansprüche
auf Miet- oder Wohnbeihilfe, auf Pflegegeld und für
Haushalte mit Kindern auf Familienbeihilfe und den
Kinderabsetzbetrag. Die BMS wird 12-mal im Jahr
ausgezahlt, somit ergibt sich ein Jahreswert von
9.035 Euro für einen Einpersonenhaushalt. 364.000
Personen oder 4,4% der Bevölkerung hätten laut
EU-SILC 2011 weniger äquivalisiertes Einkommen als
diesen fiktiven Armutsgefährdungsschwellenwert
zur Verfügung.
Armutsgefährdungslücke
Wie Grafik 6 zeigt, ist laut EU-SILC 2011 das Median-
einkommen armutsgefährdeter20
Haushalte im Mittel
um 19% geringer als die Armutsgefährdungsschwelle.
Für Einpersonenhaushalte liegt die Armutsgefähr-
dungslücke demnach bei 2.429 Euro pro Jahr; dividiert
durch zwölf ergibt sich ein Monatswert von 202 Euro.
Für 2010 betrug der Wert der Armutsgefährdungslücke
17%. Der Anstieg um zwei Prozentpunkte liegt inner-
halb der statistischen Schwankungsbreite und ist
daher mitVorsicht zu interpretieren. Nichtsdestotrotz
liefert der Befund einen Hinweis darauf, dass sich die
Lebenslage der Armutsgefährdeten hinsichtlich ihrer
20 Armutsgefährdung bei 60% des Medians als Armutsgefährdungsschwelle.
ARMUTSGEFÄHRDUNGSLÜCKE:
Die Armutsgefährdungslücke bildet die Intensität der Armutsgefährdung ab. Als Maß für die Streuung der Niedrig-
einkommen um die Armutsgefährdungsschwelle drückt sie den Median der individuellen Abweichungen der
Äquivalenzeinkommen (der Armutsgefährdeten) von der Armutsgefährdungsschwelle in Prozent dieser Schwelle
aus. Sie misst so, ob die äquivalisierten Haushaltseinkommen der Armutsgefährdeten deutlich unter der Schwelle
liegen oder nahe am Schwellenwert.
Übersicht 7: Einkommen und Lücke der Armutsgefährdeten bei unterschiedlichen
Schwellen
Armutsgefährdung
Armutsgefährdungs-
schwelle
Armutsgefährdung
Median-
einkom-
men der
Armutsge-
fährdeten
in Euro
Armutsgefährdungs-
lücke
Jahres-
wert
Monats-
wert*
in % in 1.000 in %
Jahreswert
in Euro
in Euro
bei 40% des Medians 8.527 711 3,0 252 6.025 29 2.505
bei 50% des Medians 10.659 888 7,1 594 8.832 17 1.827
bei 60% des Medians 12.791 1.066 12,6 1.051 10.363 19 2.429
bei 70% des Medians 14.923 1.244 20,6 1.713 12.000 20 2.923
Schwelle auf Jahr 2008 verankert 12.066 1.006 10,6 879 9.727 19 2.339
Ausgleichszulage**
2011 netto 10.541 878 6,7 561 8.760 17 1.781
Bedarfsorientierte Mindestsicherung***
2011 9.035 753 4,4 364 7.596 16 1.437
Q: STATISTIK AUSTRIA, EU-SILC 2011.
* Monatswert entspricht 1/12 des Jahreswertes.
** Ohne zusätzliche Zahlungen wie Einmalzahlung und Energiekostenzuschuss.
*** Inkl. Wohnkostenanteil, ohne eventuelle Ansprüche auf Wohnbeihilfe, Familienbeihilfe, Kinderabsetzbetrag etc.
ARMUTSGEFÄHRDUNG UND „WORKING POOR“ IN ÖSTERREICH
36
Haushaltseinkommen sehr wahrscheinlich nicht zum
Besseren gewendet hat.21
Zu diesem Schluss kommt
auch die Betrachtung der Einkommenssituation der
Gesamtbevölkerung.22
Um den monetären Aufwand für Maßnahmen gegen
Armut und soziale Ausgrenzung zu beziffern, kann
die Armutsgefährdungslücke auch als Prozentsatz
des Bruttoinlandsprodukts (BIP) ausgedrückt werden.
Demnach wären 2,57 Milliarden Euro oder 0,9% des
BIP 2011 notwendig, um den materiellen Lebensstan-
dard aller Armutsgefährdeten dem Schwellenwert von
60% des Medianeinkommens anzugleichen.23
Allen
Armutsgefährdeten dieses „Mindest“-Einkommen in
der Höhe der Armutsgefährdungsschwelle zu ermögli-
chen, würde bedeuten, die Armutsgefährdungslücke
zu schließen. Allerdings ist diese Berechnung statisch,
etwaige Verhaltensänderungen, die durch derartige
Transfers ausgelöst würden, werden nicht berück-
sichtigt. Das Äquivalenzeinkommen ist lediglich
ein indirektes Maß zur Bestimmung des materiellen
Lebensstandards. Bei gleichem Einkommen sind
abhängig von Teilhabechancen und Kostenstrukturen
ganz unterschiedliche Lebensführungen möglich.
3.1.2 Soziale Zusammensetzung der betrof-
fenen Bevölkerung
13% der Bevölkerung in Privathaushalten sind in Ös-
terreich laut EU-SILC 2011 armutsgefährdet. Dies ist
ein Durchschnittswert für die gesamte Bevölkerung
– bestimmte Gruppen tragen ein deutlich höheres
Armutsrisiko, während andere relativ gut abgesichert
sind. Aufgrund der Konzeption von Armutsgefähr-
dung als Haushaltsmerkmal ist die Identifikation
individueller soziodemographischer Merkmale als
Risikofaktoren nur eingeschränkt möglich.
21 Vgl. hierzu Kapitel 2.3 Strukturmerkmale und Entwicklung der Europa 2020-Zielgruppe.
22 Siehe Kapitel 3.1.1; Abschnitt „Zusammensetzung und Entwicklung der äquivalisierten Haushaltseinkommen“.
23 Siehe Kapitel 8.1.
ARMUTSGEFÄHRDUNG NACH PERSONENMERKMALEN:
Armutsgefährdung ist ein Haushaltsmerkmal – mit einem äquivalisierten Haushaltseinkommen unter der Armutsge-
fährdungsschwelle gelten alle Haushaltsmitglieder als armutsgefährdet. Auf die Einkommensverteilung innerhalb
des Haushalts und die tatsächliche Verfügungsmöglichkeit über finanzielle Ressourcen können keine Rückschlüsse
gezogen werden. Daher ist das Armutsrisiko von Personen nach individuellen Merkmalen wie dem Geschlecht nur
eingeschränkt vergleichbar. Zur Messung von Geschlechterdisparitäten im Lebensstandard bietet sich alternativ
der Vergleich von Einpersonenhaushalten an. Zu einer Analyse der Intrahaushaltsverteilung von Einkommen sei
auf Mader, K. et al. 2012 verwiesen.
Grafik 6: Armutsgefährdungslücke der
äquivalisierten Medianeinkommen
0
5.000
10.000
15.000
20.000
25.000
Medianeinkommen
Gesamtbevölkerung
Medianeinkommen
Armutsgefährdete
21.319
10.363
MedianinEuro
Armutsgefährdungsschwelle
12.791 EUR
Armutsgefähr-
dungslücke (19%)}
Q: STATISTIK AUSTRIA, EU-SILC 2011.
Eurobeträge sind Jahreswerte.
ARMUTSGEFÄHRDUNG UND „WORKING POOR“ IN ÖSTERREICH
37
Die Gruppe der Armutsgefährdeten besteht aus
268.000 Kindern und Jugendlichen, 341.000 Män-
nern und 443.000 Frauen im Alter von 20 und mehr
Jahren.24
Frauen haben gegenüber den Männern ein
um zwei Prozentpunkte erhöhtes Armutsgefährdungs-
risiko (13% zu 11%). Hierbei sind es insbesondere
alleinlebende Frauen ab 65 Jahren, die mit einer
Armutsgefährdungsquote von 30% als Risikogruppe
zu bezeichnen sind. Insgesamt sind 109.000 allein-
lebende Frauen im Pensionsalter armutsgefährdet.
Diese Gruppe trägt auch maßgeblich zum Phänomen
der Altersarmut bei.
Personen über 65 Jahre haben insgesamt eine Ar-
mutsgefährdungsquote von 16%. Während Männer
dieser Altersgruppe jedoch ein unterdurchschnitt-
liches Armutsgefährdungsrisiko (11%) haben, sind
Frauen mit einem Armutsgefährdungsrisiko von
19% im Alter deutlich überdurchschnittlich oft
betroffen. Vergleichsweise stark von Armutsgefähr-
dung betroffen sind auch Kinder und Jugendliche:
16% der Kinder im Alter von 0 bis 15 Jahren leben
in einem armutsgefährdeten Haushalt.25
0- bis
15-Jährige, die in einem Ein-Eltern- Haushalt oder
einem Mehrpersonenhaushalt mit mindestens drei
Kindern leben, haben mit 31% bzw. 27% ein stark
erhöhtes Armutsgefährdungsrisiko. Dieses fällt für
0- bis 15-Jährige in einem Mehrpersonenhaushalt
mit einem Kind vergleichsweise gering (6%), in
einem Mehrpersonenhaushalt mit zwei Kindern
durchschnittlich (12%) aus.
24 Vgl. Statistik Austria (2012b, Tab 5.1a).
25 Vgl. Statistik Austria (2012b, Tab. 8.2).
Übersicht 9: Armutsgefährdungsquote
nach Haushaltstyp im Zeitverlauf
Armutsgefährdungsquote in %
2004 2008 2009 2010 2011
Gesamt 13 12 12 12 13
Haushalt mit Pension
Zusammen 15 16 16 15 13
Alleinlebende Männer (6) 16 11 13 13
Alleinlebende Frauen 24 24 28 26 26
Mehrpersonenhaus-
halt
12 13 12 11 10
Haushalt ohne Pension
Zusammen 13 12 11 11 12
Alleinlebende Männer 21 16 17 19 23
Alleinlebende Frauen 26 20 18 24 26
Mehrpersonenhaus-
halt ohne Kinder
9 6 7 6 7
Haushalt mit Kindern
Zusammen 13 13 11 12 12
Ein-Eltern-Haushalt 25 29 30 28 24
Mehrpersonenhaus-
halt + 1 Kind
8 9 7 7 5
Mehrpersonenhaus-
halt + 2 Kinder
9 10 7 11 10
Mehrpersonenhaus-
halt + mind. 3 Kinder
23 20 20 18 26
Q: STATISTIK AUSTRIA, EU-SILC 2004; 2008 bis 2011.
Personen in Privathaushalten.
Übersicht 8: Armutsgefährdungsquote
nach Geschlecht und Alter im Zeitverlauf
Armutsgefährdungsquote in %
2004 2008 2009 2010 2011
Gesamt 13 12 12 12 13
Alter
Bis 19 Jahre 15 15 13 14 15
20 bis 39 Jahre 12 11 12 12 13
40 bis 64 Jahre 11 11 10 9 10
65 Jahre und älter 17 15 15 15 16
Männer (ab 20 Jahren) 11 10 10 10 11
20 bis 39 Jahre 11 9 12 11 12
40 bis 64 Jahre 11 10 9 9 10
65 Jahre und älter 13 12 11 10 11
Frauen (ab 20 Jahren) 14 13 13 13 13
20 bis 39 Jahre 13 12 13 13 13
40 bis 64 Jahre 11 11 10 10 10
65 Jahre und älter 19 17 18 19 19
Q: STATISTIK AUSTRIA, EU-SILC 2004; 2008 bis 2011.
ARMUTSGEFÄHRDUNG UND „WORKING POOR“ IN ÖSTERREICH
38
Nach Bildungsabschluss und Staatsbürgerschaft
zeigt sich: Je höher der Bildungsabschluss, desto
niedriger ist das Armutsgefährdungsrisiko. Wäh-
rend Personen mit einem universitären Abschluss
eine Armutsgefährdungsquote von 6% haben, sind
Personen, die über maximal einen Pflichtschulab-
schluss verfügen, zu 21% armutsgefährdet. Unter
den Armutsgefährdeten stellt diese Gruppe formal
niedrig Gebildeter mit 369.000 Betroffenen einen
bedeutsamen Anteil dar. Ein noch stärkeres Ar-
mutsgefährdungsrisiko haben Personen mit nicht
österreichischer Staatsbürgerschaft. Von ihnen
sind 29% armutsgefährdet, das sind 265.000
Betroffene.26
Personen mit nicht österreichischer
Staatsbürgerschaft haben auch unter Berücksich-
tigung des Bildungsniveaus eine höhere Armuts-
gefährdung als österreichische StaatsbürgerInnen:
Personen mit maximal Pflichtschulabschluss und
nicht österreichischer Staatsbürgerschaft sind mit
einer Armutsgefährdungsquote von 37% doppelt
so stark von Armut betroffen wie Personen mit ma-
ximal Pflichtschulabschluss und österreichischer
Staatsbürgerschaft (18%).
3.1.3 Dauerhafte Armutsgefährdung zwi-
schen 2008 und 2011
Seit 2007 kann auf Basis der Längsschnittkomponente
von EU-SILC der Lebensstandard für ein jeweils vier-
jähriges Panel dargestellt werden. So ist es möglich,
das Armutsrisiko bestimmter Bevölkerungsgruppen
über einen längeren Zeitraum zu analysieren. Im
Folgenden wird Armutsgefährdung im Längsschnitt
für das Panel 2008 bis 2011 dargestellt.27
Einkommen und Lebensstandard weisen vor allem
dann einen deutlichen Zusammenhang auf, wenn
das Einkommen über einen längeren Zeitraum gleich
bleibt (vgl. BMASK/ Statistik Austria 2009, S. 108ff).
Daher empfiehlt sich bei Verwendung des Äquiva-
lenzeinkommens als Annäherung an den wahren
Lebensstandard eine längerfristige Beobachtung. Der
Lebensstandard eines Haushalts, dessen Einkommen
26 Vgl. Statistik Austria (2012b, Tab.5.1a).
27 Ab EU-SILC 2011 können erstmals auch im Längsschnitt Ergebnisse für den Zeitraum bis zum aktuellen Berichtsjahr (2008 bis 2011) dar-
gestellt werden. Längsschnittergebnisse erfolgten bisher um ein Jahr zeitversetzt.
LÄNGSSCHNITTANALYSEN:
Für die Analyse relevant sind all jene Personen, die vier Jahre in Folge befragt wurden und für die in jedem Erhe-
bungsjahr Daten zur Armutsgefährdung vorliegen. Dies trifft im Vier-Jahres-Panel der Erhebungen EU-SILC 2008 bis
2011 auf 2.453 Personen zu. Diese stammen aus 1.164 Haushalten, die am Ende des Panels im Datensatz verfügbar
sind. Hochgerechnet entspricht das vierjährige Panel 7.825.000 Personen (in 3,583 Mio. privaten Haushalten)
oder rund 94% der Querschnittbevölkerung. Die Differenz zur Gesamtbevölkerung in Privathaushalten 2011 liegt
bei 491.000 Personen. Diese Personengruppe ist im Panel nicht erfasst, da sie im Zeitraum zwischen 2008 und
2011 geboren wurde oder starb bzw. zugezogen ist oder Österreich verlassen hat oder in einen Anstaltshaushalt
übersiedelt ist. Die Bevölkerungsstruktur des Längsschnitts wurde mittels Gewichtung so weit wie möglich an die
Querschnittbevölkerung 2011 angepasst. Geringe Abweichungen der Längsschnittergebnisse zu den Querschnitt-
ergebnissen können sich aufgrund der oben beschriebenen strukturellen Unterschiede zwischen Querschnitt- und
Längsschnittbevölkerung dennoch ergeben. Die Haushaltsmerkmale eines Längsschnitthaushalts (zum Beispiel
Einkommen und Haushaltszusammensetzung) werden auf Basis des gesamten Querschnitthaushalts im letzten
Paneljahr (hier 2011) ermittelt.
ARMUTSGEFÄHRDUNG UND „WORKING POOR“ IN ÖSTERREICH
39
unter die Armutsgefährdungsschwelle sinkt, fällt
erst allmählich, da Einkommenseinbußen kurzfristig
abgefedert werden können: Das Aufbrauchen von
Sparguthaben und Rücklagen oder das Verschieben
von Anschaffungen usw. können niedrige laufende
Einkommen eine Zeit lang ausgleichen. Demgegenüber
macht sich eine verbesserte finanzielle Situation oft
erst bei längerfristigem Verbleib auf einem höheren
Einkommensniveau in einem höheren Lebensstan-
dard bemerkbar, da größere Anschaffungen verzögert
getätigt werden und möglicherweise auch Schulden
zurückzuzahlen sind. Ein kurzfristiges Verweilen un-
ter der Armutsgefährdungsschwelle hat also andere
Implikationen für den Lebensstandard als niedriges
Einkommen über einen längeren Zeitraum. Sowohl
die Häufigkeit als auch die Dauer der Armutsgefähr-
dung sollen daher im Rahmen der Möglichkeiten des
Vier-Jahres-Panels 2008 bis 2011 untersucht werden.
In den vier Jahren zwischen 2008 und 2011 waren
rund drei Viertel der Längsschnittbevölkerung nie
von Armutsgefährdung betroffen, das verbleibende
Viertel war mindestens in einem Jahr armutsgefährdet
(Übersicht 10). 4% der Bevölkerung hatten in allen
vier Jahren ein äquivalisiertes Haushaltseinkommen
unter der jeweiligen Armutsgefährdungsschwelle, 13%
in nur einem einzigen der vier betrachteten Jahre. 6%
der Längsschnittpopulation waren in zwei und 2% in
drei aus vier Jahren armutsgefährdet, wobei es sich
hierbei nicht um unmittelbar aufeinanderfolgende
Jahre gehandelt haben muss. In der kumulierten
Betrachtung28
waren 13% in mindestens zwei Jahren
und 7% in mindestens drei Jahren seit dem Jahr 2008
armutsgefährdet.
Im Beobachtungszeitraum 2008 bis 2011 lag das
Äquivalenzeinkommen jeder vierten Person zumindest
einmal unter der Armutsgefährdungsschwelle. Bei
Armutsgefährdungsquoten zwischen 12% und 13%
in den einzelnen Jahren bedeutet das, dass jährlich
rund die Hälfte der Armutsgefährdeten neu hinzuge-
kommen ist bzw. die Gruppe der Armutsgefährdeten
verlassen hat, Einkommensarmut somit einer starken
Dynamik unterliegt.29
28 Z.B. diejenigen, die drei Jahre armutsgefährdet waren, sind auch „zumindest ein Jahr“ und „zumindest zwei Jahre“ armutsgefährdet.
29 Vgl. BMASK/ Statistik Austria (2009 S.125ff).
DAUERHAFTE ARMUTSGEFÄHRDUNG:
Der EU-Eingliederungsindikator „dauerhafte Armutsgefährdung“ beobachtet Veränderungen im Lebensstandard
längerfristig und weist dauerhafte Armutsphasen aus. Als dauerhaft armutsgefährdet wird jener Prozentsatz
Übersicht 10: Häufigkeit des Auftretens von Armutsgefährdung 2008 bis 2011
Häufigkeit Prozent Kumuliert Prozent
Nie 5.815 74 nie 74
In einem Jahr 1.014 13 zumindest 1 Jahr 26
In zwei Jahren 483 6 zumindest 2 Jahre 13
In drei Jahren 183 2 zumindest 3 Jahre 7
In vier Jahren 330 4 in vier Jahren 4
Insgesamt 7.825 100
Q: STATISTIK AUSTRIA, EU-SILC 2008 bis 2011.
Nur Personen, die in allen vier Jahren im Panel waren.
ARMUTSGEFÄHRDUNG UND „WORKING POOR“ IN ÖSTERREICH
40
3.2 Im Fokus: Armutsgefährdung trotz Erwerbsarbeit – „Working Poor“
Erwerbstätigkeit wurde bereits in zahlreichen Publi-
kationen, u.a. auch in den Ergebnissen zu EU-SILC,
als wirksamer Schutz vor Armutsgefährdung nach-
gewiesen (vgl. z.B. BMASK/Statistik Austria 2011).
Nach allgemeinem gesellschaftlichen Konsens sollen
die aus Erwerbsarbeit erzielten Einkommen einen Le-
bensstandard über der Armutsschwelle ermöglichen
können. In der in Lissabon im Jahr 2000 beschlosse-
nen Strategie für Europa gab es eine Verknüpfung der
Ziele der Arbeitsmarktintegration und des sozialen
Zusammenhalts, indem Qualität und Quantität von
Arbeitsplätzen undsozialerZusammenhaltmiteinander
in Zusammenhang gesetzt wurden (vgl. Europäischer
Rat2000). Eine hohe Beschäftigungsquote undsozialer
Zusammenhalt werden auch als Kernziele der Europa
2020-Strategie auf dem Weg zu einem intelligenten,
nachhaltigen und integrativen Wachstum angeführt
(vgl. Europäische Kommission 2010).
Längst bezeichnet jedoch auch der aus den USA
kommende Begriff „Working Poor“ (Armut trotz
Arbeit), der ab Mitte der 1990er-Jahre Eingang in
die europäische Armutsberichterstattung gefun-
den hat, eine nicht zu vernachlässigende Realität.
Diese Schnittmenge zwischen Armutsgefährdung
und Erwerbstätigkeit steht im folgenden Abschnitt
im Mittelpunkt. Ebenfalls gebräuchlich, um die
Problemlage der Armutsgefährdung trotz Erwerbs-
arbeit zu beschreiben, ist der englische Terminus
„in-work-poverty“. In den folgenden Darstellungen
werden diese Begriffe sowie „Armutsgefährdung
trotz Erwerbsarbeit“ synonym verwendet. Neben der
Präsentation aktueller Zahlen zu „Working Poor“ für
Österreich und im EU-Vergleich sollen die unterschied-
lichen Entstehungsebenen beleuchtet werden: die
individuelle Ebene der Qualität der Erwerbstätigkeit
und ihrer Prädiktoren wie Bildung sowie die Ebene
der Haushalte, in denen sich die Kombination von
Erwerbstätigkeit und Nicht-Erwerbstätigkeit ihrer
Mitglieder im Lebensstandard niederschlägt. Weiters
wird der Versuch unternommen, anhand der EU-SILC
Daten die Dynamik und Persistenz von Erwerbstätig-
keit zu untersuchen.
3.2.1 Armutsgefährdung von Personen im
Erwerbsalter
Zunächst soll der Zusammenhang zwischen Armutsge-
fährdung und der (Nicht-)Teilnahme am Erwerbsleben
empirisch belegt werden. Um diesen einordnen zu
können, müssen allgemeine Daten zur Arbeitsmarkt-
lage berücksichtigt werden.
der Bevölkerung bezeichnet, der in Haushalten lebt, die am Ende des Beobachtungszeitraums, das heißt im
aktuellsten Jahr und in mindestens zwei von drei vorhergehenden Jahren, ein Äquivalenzeinkommen unter der
Armutsgefährdungsschwelle des jeweiligen Jahres hatten. Die jährlichen Armutsgefährdungsschwellen werden
unverändert aus den Querschnittdaten übernommen. Dauerhaft armutsgefährdet für den Zeitraum 2008 bis 2011
sind gemäß dieser Definition nicht diejenigen, die in den ersten drei Jahren (2008-2010) armutsgefährdet waren
und es nur im letzten Jahr (2011) nicht sind; sie wären aber für den Zeitraum 2007-2010 dauerhaft armutsgefähr-
det. Ebenso wären auch jene, die 2010 und 2011 armutsgefährdet waren und dies auch 2012, also nach Ende des
aktuellen Betrachtungszeitraums, sein werden, nicht dauerhaft armutsgefährdet für den Zeitraum 2008 bis 2011.
6% der hochgerechneten Längsschnittbevölkerung sind nach dieser EU-Definition dauerhaft armutsgefährdet. Das
entspricht hochgerechnet 453.000 Personen.
ARMUTSGEFÄHRDUNG UND „WORKING POOR“ IN ÖSTERREICH
41
In der Altersgruppe der 20- bis 64-Jährigen machen
Einkommen aus unselbständiger und selbständiger
Arbeit mit rund 75% Anteil am Gesamteinkommen
die wichtigste Einkommensquelle aus. Dement-
sprechend wird der Lebensstandard durch die
Höhe und die Kontinuität des Erwerbseinkommens
bestimmt. Übersicht 11 zeigt den Zusammenhang
zwischen Armutsgefährdung und Haupttätigkeit für
die Bevölkerung zwischen 20 und 64 Jahren.
Ganzjährig Vollzeitbeschäftigte sind unter den Perso-
nen im Erwerbsalter (20 bis 64 Jahre) diejenigen mit
der geringsten Armutsgefährdung. Mit einer Armuts-
gefährdungsquote von 4% tragen sie ein wesentlich
geringeres Armutsrisiko als alle anderen Gruppen.
Selbst ganzjährig Teilzeitbeschäftigte haben mit 8%
eine unterdurchschnittliche Armutsgefährdung. Für
Personen, die nicht ganzjährig einer Erwerbstätigkeit
nachgehen, spiegelt sich die Diskontinuität in der
DER ARBEITSMARKT 2010 IN FOLGE DES KRISENJAHRES 2009:
Die in EU-SILC 2011 erfassten Einkommen beziehen sich auf das Jahr 2010, also das zweite Jahr mit Auswirkungen der
weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise für die österreichische Realwirtschaft. Laut Ergebnissen der Mikrozensus-
Arbeitskräfteerhebung 2010 waren jedoch die Folgen für den Arbeitsmarkt in Österreich weniger starkals noch 2009,
wo deutliche Rückgänge in der Beschäftigung und ein Anstieg der Arbeitslosigkeit gegenüber 2008 festzustellen
waren. Die Zahl der Erwerbstätigen stieg im Jahresdurchschnitt 2010 leicht an (+19.000 Personen im Vergleich
zu 2009), was vor allem auf einen Anstieg in selbständigen Arbeitsverhältnissen und bei den Unselbständigen
in Teilzeitjobs zurückzuführen war, während Unselbständige in Vollzeitbeschäftigung zurückgingen. Die Zahl der
Arbeitslosen sank im Vergleich zu 2009 um 16.000 Personen. Vom Rückgang der Arbeitslosenquote profitierten
Männer wie Frauen in gleichem Maß, bei beiden Geschlechtern verringerte sich die Arbeitslosenquote 2010 um
0,4 Prozentpunkte gegenüber 2009 (vgl. Statistik Austria 2011, S. 23).
Übersicht 11: Armutsgefährdung von Personen im Erwerbsalter nach Haupttätigkeit im
Vorjahr
Gesamt
in 1.000
Armutsgefährdung
in 1.000 Anteil in % Quote in %
Insgesamt 5.122 558 100 11
Ganzjährig erwerbstätig
4.091.000
Erwerbsaktive
3.154 139 25 4
davon Vollzeit 2.545 92 16 4
davon Teilzeit 609 47 8 8
Nicht ganzjährig erwerbstätig 604 73 13 12
Arbeitslos (>= 6 Monate) 333 137 25 41
Ganzjährig nicht erwerbsaktiv 1.030 208 37 20
davon in Pension
1.030.000
nicht Erwerbsaktive
494 70 13 14
davon in Ausbildung 297 63 11 21
davon im Haushalt 170 46 8 27
davon aus gesundheitlichen od. sonsti-
gen Gründen nicht erwerbstätig
69 29 5 42
Q: STATISTIK AUSTRIA, EU-SILC 2011.
Personen im Erwerbsalter (20-64 Jahre).
Ganzjährig erwerbstätig: zwölf Monate erwerbstätig.
Nicht ganzjährig erwerbstätig: weniger als zwölf Monate erwerbstätig und nicht sechs Monate oder mehr arbeitslos.
ARMUTSGEFÄHRDUNG UND „WORKING POOR“ IN ÖSTERREICH
42
Erwerbsbeteiligung im Lebensstandard – etwa 12%
und damit drei Mal so viele wie bei den dauerhaft
Vollzeiterwerbstätigen sind armutsgefährdet. Dem
höchsten Armutsrisiko sind Langzeitarbeitslose (min-
destens sechs Monate arbeitslos) ausgesetzt (41%).
Über ein Drittel der Armutsgefährdeten zwischen 20
und 64 Jahren sind das gesamte Jahr 2010 über kei-
ner Erwerbstätigkeit nachgegangen und waren auch
nicht arbeitslos, der Großteil davon sind Personen
in Ausbildung und Personen mit Pensionsbezug im
Erwerbsalter. Bis auf Letztere sind nicht erwerbsaktive
Personen im Erwerbsalter überdurchschnittlich häufig
von Armutsgefährdung betroffen. Erwerbstätige haben
also ein geringeresArmutsrisiko alsNicht-Erwerbstätige,
aber: 213.000 Personen, die 2010 erwerbstätig und
weniger als sechs Monate arbeitslos waren, bilden
mit 38% die größte Gruppe der Armutsgefährdeten
im Erwerbsalter – darunter sind 139.000 oder knapp
zwei Drittel ganzjährig in Beschäftigung.
3.2.2 „Working Poor“ in Österreich und
der EU
Erwerbstätige Personen, deren Einkommen im Haus-
halt – das heißt aus der Erwerbstätigkeit und aus
anderen Einnahmequellen wie Sozialleistungen über
alle Personen gerechnet und äquivalisiert – unter-
halb der Armutsgefährdungsschwelle liegt, werden
als „Working Poor“ bezeichnet. Um nur diejenigen
Personen zu erfassen, die trotz regelmäßiger Er-
werbstätigkeit von Armut gefährdet sind, wird in den
folgenden Analysen die Gruppe der Erwerbstätigen
auf jene eingeschränkt, die im Vorjahr mindestens
sechs Monate erwerbstätig waren – dies sind 68%
der 18- bis 64-Jährigen.30
In der EU beträgt die Quote der „Working Poor“ an
allen Erwerbstätigen zwischen 18 und 64 Jahren 2011
9%. Österreich liegt deutlich unter diesem Durch-
schnittswert (5%). Die Anordnung der Länder nach
der Höhe ihrer „Working Poor“-Quote ergibt eine mit
dem Ländervergleich für die gesamte Armutsgefähr-
dungsquote weitgehend konsistente Reihung.31
Auf-
fällig ist jedoch die höhere relative Spanne zwischen
dem niedrigsten und dem höchsten Wert in der EU:
Rumänien hat als das Land mit der bei Weitem höchs-
ten Armutsgefährdungsquote von Erwerbspersonen
(19%) einen um mehr als vier Mal so hohen Wert wie
30 Im Folgenden werden, wenn nicht anders angeführt, die Erwerbstätigen zwischen 18 und 64 Jahren betrachtet. Diese Anpassung ge-
genüber den Vorjahren bei der Altersgrenze (jetzt: 18 bis 64 Jahre; früher: 20 bis 64 Jahre) und der Dauer der Erwerbstätigkeit (jetzt: im
Vorjahr mindestens sechs Monate erwerbstätig; früher: im Vorjahr mindestens einen Monat erwerbstätig und weniger als sechs Monate
arbeitslos) erfolgt, um eine mit Eurostat einheitliche „Working Poor“-Definition auszuweisen. Die bisherige Definition des Erwerbsalters
mit der Untergrenze bei 20 Jahren wird im Tabellenband (Statistik Austria 2012b) fortgeführt.
31 Vgl. Kap. 3.1.1
„WORKING POOR“:
Personen, denen trotz Erwerbstätigkeit kein äquivalisiertes Haushaltseinkommen über der Armutsgefährdungs-
schwelle zur Verfügung steht, werden als „Working Poor“ bezeichnet. In EU-SILC sind jene armutsgefährdeten
Personen im Erwerbsalter (18-64 Jahre) als „Working Poor“ definiert, die im Verlauf des Referenzjahres sechs
Monate oder länger Vollzeit oder Teilzeit erwerbstätig waren. Demnach sind laut EU-SILC 2011 insgesamt 5% der
Erwerbstätigen im Erwerbsalter „Working Poor“, das entspricht 198.000 Personen, davon 121.000 Männer (6%) und
77.000 Frauen (5%) (Übersicht 12). Ursachen für Armut trotz Erwerbstätigkeit können geringe Wochenarbeitszeit,
nicht ganzjährige oder gering entlohnte Tätigkeit oder auch die Haushaltssituation sein, d.h. dass beispielweise
mit einem Einkommen mehrere Personen erhalten werden müssen.
ARMUTSGEFÄHRDUNG UND „WORKING POOR“ IN ÖSTERREICH
43
das Land mit der niedrigsten „Working Poor“-Quote
(Finnland: 4%). Für die Armutsgefährdungsquote
der Gesamtbevölkerung beträgt der Faktor zwischen
niedrigstem (Tschechien: 10%) und höchstem Wert
(Bulgarien: 22%) nur etwas mehr als das Zweifache.
Das Armutsrisiko für die Erwerbsbevölkerung ist also
innerhalb der europäischen Staaten weit ungleicher
verteilt als für die Gesamtbevölkerung.
Übersicht 12 zeigt die Entwicklung des Armutsrisi-
kos von Erwerbstätigen in Österreich vom EU-SILC
Startjahr 2004 und den letzten vier Jahren (2008
bis 2011). Betrug die Armutsgefährdungsquote
der Erwerbstätigen zu Beginn des Beobachtungs-
zeitraums rund 7%, so lag sie 2008 und 2009 bei
6%. 2010 war der bisherige Tiefststand von Armuts-
gefährdung trotz Erwerbsarbeit zu verzeichnen,
181.000 oder 5% der Erwerbstätigen zwischen 18
und 64 Jahren waren „Working Poor“. Insgesamt
ist von 2009 auf 2010 die Zahl der „Working Poor“
aufgrund der Übertritte eines Teils der „Working
Poor“ in die Arbeitslosigkeit um 38.000 Personen
gesunken.32
Der Anteil der Armutsgefährdeten un-
ter Langzeitarbeitslosen (sechs und mehr Monate
arbeitslos) hatte sich im Jahresvergleich 2009 bis
2010 um drei Prozentpunkte erhöht. Verglichen mit
EU-SILC 2010 liegen 2011 sowohl die absolute An-
zahl als auch die Quote der „Working Poor“ wieder
etwas höher, die Steigerung um 17.000 Personen
oder 0,4 Prozentpunkte entspricht jedoch keiner
signifikanten Änderung. Nun ist die Zahl der Lang-
zeitarbeitslosen geringer als 2010 und damit wieder
auf dem gleichen Niveau wie 2009.
32 Diese Abnahme ist statistisch signifikant.
Grafik 7: Armutsgefährdung von Erwerbspersonen in den EU-27-Staaten
0
5
10
15
20
Finnland
TschechienBelgien
Österreich
Niederlande
M
alta
SlowenienUngarnSlowakei
Dänem
ark
SchwedenZypernIrland*
Frankreich
DeutschlandEstland
GroßbritannienBulgarienLettland
Luxem
burgLitauenPortugalItalien
Polen
GriechenlandSpanien
Rum
änien
„WorkingPoor”in%der18-bis64-jährigen
Erwerbspersonen
EU-27**
Q: Eurostat 2012, EU-SILC 2010 und 2011. Datenbank zum Stand 11.01.2013, eigene Darstellung.
* Aktuellste Zahlen stammen aus 2010.
** Eurostat Schätzung.
„Working Poor“: Personen zwischen 18 und 64 Jahren, die mehr als die Hälfte des Referenzjahres (2010) erwerbstätig waren und armutsge-
fährdet sind.
ARMUTSGEFÄHRDUNG UND „WORKING POOR“ IN ÖSTERREICH
44
Zur Einschätzung der Auswirkungen des Phänomens
„Working Poor“ scheint der Zusammenhang mit Ar-
beitslosigkeit bedeutsam. Da für Österreich zwischen
den „Working Poor“ und den Arbeitslosen für 2009 bis
2011 offenbar zumindest in der Aggregatbetrachtung
ein Abtausch stattfand, soll auch im europäischen
Vergleich untersucht werden, inwiefern hohe „Working
Poor“-Quoten eventuell durch geringere Arbeitslosig-
keit in einem Land ausgeglichen werden können und
umgekehrt oder ob sich nachteilige Arbeitsmarktlagen
eher kumulieren.33
Stellt man die Quote der armutsgefährdeten Erwerbs-
personen und die Arbeitslosenquote für die EU-Staaten
nebeneinander34
, zeigt sich, dass für die drei Länder
mit den niedrigsten „Working Poor“-Quoten – Finnland,
33 Individuelle Übertritte von Arbeitslosen bzw. von „Working Poor“ werden im Abschnitt 3.2.4 untersucht.
34 Per definitionem ist es in EU-SILC nicht möglich, in einem Jahr als „Working Poor“ und hauptsächlich arbeitslos gezählt zu werden. Ar-
beitslosenquoten werden hier aufgrund der größeren Stichprobe und daher höheren Genauigkeit dem Europäischen Labour Force Survey
(entspricht in Österreich der Mikrozensus-Arbeitskräfteerhebung) entnommen, die Jahresdaten 2010 entsprechen dem Einkommensbe-
zugszeitraum für EU-SILC 2011.
Grafik 8: Armutsgefährdung von Erwerbspersonen und Arbeitslosenquoten in den
EU-27-Staaten
0
5
10
15
20
25
Finnland
TschechienBelgien
Österreich
Niederlande
Slowenien
M
altaUngarnSlowakei
Dänem
ark
SchwedenZypern
FrankreichIrland*
DeutschlandBulgarien
GroßbritannienEstlandLettland
Luxem
burgLitauenPortugalItalien
Polen
GriechenlandSpanien
Rum
änien
„Working Poor”
Arbeitslosenquote
in%
EU-27 Durchschnitt
Q: Eurostat 2012, EU-SILC 2010 und 2011, Labour Force Survey Jahresdurchschnitt 2010. Datenbank zum Stand 19.12.2012, eigene Darstellung.
* Aktuellste Zahlen für „Working Poor“ stammen aus 2010.
Übersicht 12: „Working Poor“ in Österreich 2004 und 2008 bis 2011
2004 2008 2009 2010 2011
in 1.000 in % in 1.000 in % in 1.000 in % in 1.000 in % in 1.000 in %
Insgesamt 253 7,3 227 6,4 219 6,0 181 5,0 198 5,4
Männer 149 7,5 128 6,3 123 6,0 102 5,1 121 6,0
Frauen 104 7,0 99 6,4 97 5,9 79 4,8 77 4,7
Q: STATISTIK AUSTRIA, EU-SILC 2004; 2008 bis 2011.
„Working Poor“: Personen zwischen 18 und 64 Jahren, die mehr als die Hälfte des Referenzjahres (2010) erwerbstätig waren und armuts-
gefährdet sind.
ARMUTSGEFÄHRDUNG UND „WORKING POOR“ IN ÖSTERREICH
45
Tschechien und Belgien – sich diese zu einem Teil
mit etwas höheren (aber dennoch unterdurchschnitt-
lichen) Arbeitslosenquoten abtauschen. Österreich
hat mit einer Arbeitslosenquote von 4,4% für 2010
und einer „Working Poor“-Quote von 5% in beiden
Bereichen verglichen mit dem EU-Durchschnitt sehr
niedrige Werte. Während für viele Länder die Quoten
der „Working Poor“ und jene für Arbeitslosigkeit etwa
gleich hoch liegen, ist in einigen – darunter neben
den bereits genannten in Ungarn, der Slowakei,
Irland, Estland, Lettland, Litauen und Spanien – die
Arbeitslosigkeit prozentuell ein größeres Problem als
„Working Poor“. In nur wenigen Staaten Europas ist es
umgekehrt: In Rumänien, dem Land mit der höchsten
„Working Poor“-Quote, wird eine deutlich unter dem
EU-Durchschnitt liegende Arbeitslosenquote berichtet.
Ebenso verhält es sich in Luxemburg, wenngleich auf
niedrigerem Niveau: Eine geringe Arbeitslosenquote
steht einem rund doppelt so hohen Prozentsatz von
„Working Poor“ entgegen. Bei unterschiedlichen Kom-
binationsmustern in den EU-27-Staaten lässt sich also
insgesamt festhalten, dass für die Beurteilung von
Qualität und Quantität der Arbeitsmarkteinbindung
eine gleichzeitige Betrachtung beider Indikatoren –
zu Arbeitslosigkeit und zu Armutsgefährdung trotz
Erwerbstätigkeit – anzuraten ist.
3.2.3 Das Zusammenspiel zwischen indi-
viduellen Erwerbsfaktoren und dem
Haushaltskontext
Der Lebensstandard und mit ihm das Armutsrisiko
sind neben dem persönlichen Einkommen auch vom
jeweiligen Haushaltskontext – insbesondere der
Erwerbsintensität innerhalb des Haushalts – und
schließlich von den staatlichen Rahmenbedingungen
wie den auf die Erwerbseinkommen entfallenden
Steuern und Sozialversicherungsabgaben und den
erhaltenen Sozialleistungen abhängig (Guger et al.
2009, Bock-Schappelwein et al. 2009, BMASK/Sta-
tistik Austria 2011). Im folgenden Abschnitt sollen
zunächst Fragen der individuellen Ausgestaltung
der Arbeitsverhältnisse behandelt werden: Handelt
es sich um dauerhafte Vollzeitarbeitsverhältnis-
se oder um mit höheren Armutsrisiken behaftete
Niedriglohnbeschäftigung, diskontinuierliche oder
Teilzeitbeschäftigung? Wie hoch sind die „Working
Poor“-Anteile unter diesen unterschiedlichen Bedin-
gungen? Danach werden die im Haushalt kumulierten
Erwerbseinkommen, dasVerhältnis erwerbstätigen zu
nicht erwerbstätigen Personen sowie die Bedeutung
der Erwerbstätigkeit von Frauen im Hinblick auf das
Armutsrisiko von Erwerbstätigen und ihren Familien
untersucht.35
Individuelle Faktoren: Ausmaß und Qualität
der Erwerbstätigkeit, prekäre Beschäfti-
gungsformen
Die folgende Übersicht stellt „Working Poor“ und
nicht von Armutsrisiko betroffene Erwerbstätige
nach Geschlecht, Alter, Bildung, Erwerbssituation
und Staatsbürgerschaft gegenüber und zeichnet so
ein soziodemographisch vergleichendes Bild dieser
beiden Gruppen.
Nach dem Alter lässt sich eine leichte Benachteiligung
der jüngeren Erwerbstätigen erkennen. Von den „Wor-
king Poor“ sind etwas mehr als die Hälfte zwischen
18 und 39 Jahre alt (54% bei den Männern, 51% bei
den Frauen), unter den nicht armutsgefährdeten
Erwerbstätigen macht diese Altersgruppe nur etwa
40% aus. Die geringere „Working Poor“-Betroffenheit
der Personen im mittleren bis höheren Erwerbsalter
ist unter anderem durch das Senioritätsprinzip (vor
allem für Männer),36
aber auch durch die geringere
35 Sozialabgaben bleiben hier ausgeklammert; vgl. dazu beispielsweise die Publikation zu EU-SILC 2007 (Statistik Austria 2009, S. 36). Die
Reduktion des Armutsrisikos durch Sozialleistungen wird in Kapitel 4 behandelt.
36 Das Senioritätsprinzip – steigende Einkommen mit steigendem Alter – lässt sich durch einen Vergleich der Medianeinkommen in EU-SILC
(vgl. Statistik Austria 2012b, Tab. 9.3) und beispielsweise im Allgemeinen Einkommensbericht nachweisen (vgl. Rechnungshof 2012).
ARMUTSGEFÄHRDUNG UND „WORKING POOR“ IN ÖSTERREICH
46
Erwerbsbeteiligung Älterer37
erklärbar. Die höhere
Arbeitslosigkeit in der Gruppe der jungen Erwerbstä-
tigen (2011 7,6% für 20- bis 24- und 4,9% für 25- bis
29-Jährige gegenüber 4% im Durchschnitt–vgl.Statistik
Austria 2012c, S. 239) wie auch die höhere „Working
Poor“-Quote veranschaulicht die Schwierigkeit, für
BerufseinsteigerInnen adäquat bezahlte Jobs zu
finden. Eine detailliertere Gliederung – zum Beispiel
eine Analyse der „Working Poor“ bei Berufseinstei-
gerInnen mit Rücksichtnahme auf die Qualifikation
– lässt sich aufgrund der geringen Stichprobengröße
in EU-SILC nicht leisten.
Mit steigender Qualifikation nimmt die Wahrschein-
lichkeit eines relativ höheren Einkommens zu und
das Armutsrisiko ab. Der Schlüssel für qualifizierte
Berufstätigkeit ist die Bildung. Unter den „Working
Poor“ hat ein Fünftel Matura oder einen Universi-
tätsabschluss, unter den nicht armutsgefährdeten
Erwerbstätigen machtdieser Anteil34% aus. Personen
mit niedrigeren Bildungsabschlüssen und in gering
qualifizierten Berufen sindhingegen bei den „Working
Poor“ überrepräsentiert. HilfsarbeiterInnen sindmehr
alsdoppeltso häufigvon Armutsgefährdung betroffen
wie FacharbeiterInnen, die wiederum eine doppelt so
hoheArmutsgefährdungsquoteaufweisenwieErwerbs-
tätige mit mittlererTätigkeit. Unter Erwerbstätigen mit
hochqualifizierterTätigkeittrittArmutsgefährdung sehr
selten auf. Selbständige machen rund ein Viertel der
„Working Poor“ aus, ihr Armutsrisiko beträgt 11% und
ist damit höher als das für Unselbständige.
Vollzeiterwerbstätigkeit minimiert das Armutsrisiko
ebenfalls. Die „Working Poor“-Quote ist bei ganzjäh-
rig Teilzeiterwerbstätigen mit 8% doppelt so hoch
wie bei ganzjährig Vollzeiterwerbstätigen (4%), für
nicht ganzjährig Erwerbstätige beträgt sie sogar das
Dreifache (12%). Der Anteil der ohne Unterbrechun-
gen Vollzeitbeschäftigten an den „Working Poor“ ist
dennoch hoch, er beträgt 46 %.
Mehr als ein Viertel der armutsgefährdeten Erwerbs-
tätigen haben keine österreichische Staatsbürger-
schaft, von den nicht Armutsgefährdeten hingegen
lediglich ein Zehntel.
Männer sind 2011 wie auch in allen anderen betrach-
teten Jahren von den Absolutzahlen her gesehen
öfter „Working Poor“ als Frauen. Der Anteil der von
Armutsgefährdung betroffenen erwerbstätigen Frauen
(das sind 77.000) an den „Working Poor“ (insge-
samt 198.000 Personen) macht 2011 39% aus (vgl.
Übersicht 12 und Übersicht 13). Frauen erscheinen
anhand dieses Indikators gegenüber Männern also
nicht benachteiligt, obwohl sie häufiger Niedriglöhne
beziehen. Dies ist nur scheinbar paradox und ergibt
sich aus der Berechnungsweise der „Working Poor“-
Quote: Zum einen sind erwerbstätige Frauen häufig
nicht die einzigen Lohn- und GehaltsempfängerInnen
eines Haushalts, und ihr Verdienst – auch wenn es
sich um einen Niedriglohn handelt – reicht oft aus,
um das Haushaltseinkommen insgesamt über die
Armutsschwelle zu heben. Zum anderen ist zu beach-
ten, dass die Erwerbsquote von Frauen geringer ist
als die von Männern und nicht erwerbstätige Frauen
hier nicht berücksichtigt sind.
Dass niedrige Einkommen einer der Gründe von
„Working Poor“ sind, lässt sich an folgendem
Vergleich der Stundenlöhne erkennen: Im Mittel
beträgt der Brutto-Stundenlohn (inklusive anteilig
eingerechneter Sonderzahlungen) bei den „Working
Poor“ 9,06 Euro, bei nicht armutsgefährdeten Er-
werbstätigen 12,95 Euro. Für Frauen liegt der Median
37 So beträgt etwa die Erwerbsquote für die 55- bis 64-jährigen Frauen nur mehr 33%, für Männer 51%. (http://www.statistik.at/web_de/
statistiken/arbeitsmarkt/erwerbstaetige/index.html, 30.11.2012).
ARMUTSGEFÄHRDUNG UND „WORKING POOR“ IN ÖSTERREICH
47
der Stundenlöhne bei 7,75 Euro für „Working Poor“
gegenüber 11,80 bei nicht armutsgefährdeten Er-
werbstätigen. Bei Männern ist er in beiden Gruppen
höher, und der prozentuelle Unterschied zwischen
den Stundenlöhnen für „Working Poor“ (9,42 Euro)
und Nicht-„Working Poor“ (13,86) etwas geringer.
Übersicht 13: Soziodemographisches Profil von Erwerbstätigen im Erwerbsalter nach
Armutsrisiko
Erwerbstätige im Erwerbsalter *
Gesamt in
1.000
Nicht armutsgefährdet Armutsgefährdet „Working Poor“
in 1.000 Anteil in % in 1.000 Anteil in % Quote in %
Insgesamt 3.667 3.470 100 198 100 5
Männer 2.025 1.904 100 121 100 6
18-39 Jahre 873 807 42 65 54 7
40-64 Jahre 1.152 1.097 58 55 46 5
Frauen 1.642 1.565 100 77 100 5
18-39 Jahre 664 624 40 39 51 6
40-64 Jahre 979 941 60 38 49 4
Bildung
Max. Pflichtschule 504 450 13 53 27 11
Lehre/mittlere Schule 1.963 1.859 54 104 53 5
Matura 671 644 19 26 13 4
Universität 529 516 15 14 7 3
Erwerbsstatus 2010
Ganzjährig Vollzeit erwerbstätig 2.538 2.446 71 92 46 4
Ganzjährig Teilzeit erwerbstätig 608 562 16 47 24 8
Nicht ganzjährig erwerbstätig 413 361 10 52 26 12
Berufliche Stellung 2011
Unselbständig erwerbstätig 2.917 2.798 100 119 100 4
Hilfsarbeit 648 580 17 68 34 10
Facharbeit 724 696 20 28 14 4
Mittlere Tätigkeit, Meister 665 651 19 14 7 2
Höhere/hochqualifizierte Tätigkeit 880 871 25 (10) (5) (1)
Selbständig 452 403 12 49 25 11
Aktuell nicht erwerbstätig 190 168 5 22 11 12
Staatsbürgerschaft
Österreich 3.252 3.106 90 146 74 4
davon seit Geburt 3.083 2.961 85 122 62 4
davon eingebürgert 169 145 4 24 12 14
Nicht Österreich 415 363 10 52 26 13
davon EU/EFTA 191 170 5 20 10 11
davon sonstiges Ausland 225 193 6 32 16 14
Q: STATISTIK AUSTRIA, EU-SILC 2011.
* Personen zwischen 18 und 64 Jahren, die mehr als die Hälfte des Referenzjahres (2010) erwerbstätig waren.
Erwerbsstatus 2010: Ausmaß der Erwerbstätigkeit 2010.
Berufliche Stellung 2011: Berufliche Stellung zum Befragungszeitpunkt 2011.
Zahlen in Klammern beruhen auf geringen Fallzahlen. Sind in der Randverteilung weniger als 50 oder in der Zelle weniger als 20 Fälle vor-
handen, wird geklammert.
ARMUTSGEFÄHRDUNG UND „WORKING POOR“ IN ÖSTERREICH
48
Übersicht 14 stellt Erwerbstätige zwischen 18 und
64 Jahren in derartigen prekären Beschäftigungs-
verhältnissen dar. Personen mit niedrigem Einkom-
men (unter zwei Drittel des Medianstundenlohns;
diese sind hier aufgrund der relativ weiten Definition
nicht als „prekär“ subsummiert) sind zum Vergleich
dargestellt. Eszeigen sich durchwegs erhöhte Armuts-
gefährdungsquoten, wenn auch die Fallzahlen in
diesem Bereich sehr klein sind.
Rund ein Viertel der als „Working Poor“ bezeich-
neten Personen befinden sich laut EU-SILC 2011 in
einer prekären Beschäftigungsform: Selbst wenn je
nach Haushaltszusammensetzung die Möglichkeit
NIEDRIGE LÖHNE, ATYPISCHE BESCHÄFTIGUNG, PREKÄRE BESCHÄFTIGUNG:
Niedrige Löhne werden in diesem Bericht über zwei Zugänge operationalisiert: als „Niedriglohn“ und als „niedriges
Einkommen“. Für „Niedriglohn“ wird analog zu den Vorjahren die Grenze von unter 1.000 EUR brutto im Monat für
Vollzeitbeschäftigung festgelegt, die von den Sozialpartnern als Zielwert definiert wurde. Das Entspricht einem
Stundenlohn von unter 5,77 Euro brutto. In SILC betrifft „Niedriglohn“ 1% bzw. 64.000 Personen zwischen 18 und
64 Jahren. Lehrlinge und Personen mit einer Arbeitszeit unter 12 Wochenstunden sind nicht einbezogen.
Als „ niedrige Einkommen“ gelten nach Vorschlägen der Europäischen Kommission, OECD und ILO Löhne unter der
Grenze von 2/3 des Medianlohnes (dieser liegt bei 12,54 Euro brutto pro Stunde, Sonderzahlungen sind anteilig
eingerechnet). Damit sind laut EU-SILC 2011 435.000 Personen bzw. eingeschränkt auf 18- bis 64-Jährige 429.000
Personen oder 8% konfrontiert (vgl. auch Kapitel 8).
Aus Daten der Verdienststrukturerhebung – erfasst sind unselbständig Beschäftigte in Unternehmen mit zehn und
mehr Beschäftigten im Produktions- und Dienstleistungsbereich ohne Lehrlinge – lassen sich auch eindeutige
Geschlechterunterschiede erkennen (vgl. Geisberger/Knittler 2010, S. 455): Bei Frauen ist ein Erwerbseinkommen
unter zwei Drittel des Medianlohnes ein weitaus häufigeres Phänomen als bei Männern. 24,2% der erwerbstä-
tigen Frauen, aber nur 7,4% der Männer haben nach dieser Definition niedrige Einkommen. Betrachtet man nur
Normalarbeitsverhältnisse, haben 18,2% der Frauen und 5,1% der Männer niedrige Einkommen. Frauen sind häu-
figer atypisch beschäftigt als Männer (vgl. ebd., S. 452). Unter „atypische Beschäftigung“ fallen hier befristete
Dienstverhältnisse (ohne Lehre), geringfügige Beschäftigung sowie Leih- und Zeitarbeit. 70% oder knapp 2,5 Mio.
Beschäftigte sind in einem typischen oder Normalarbeitsverhältnis, 18% oder 637.000 Beschäftigte sind teilzeiter-
werbstätig, aber nicht atypisch nach obiger Definition, und 12% oder 407.000 Personen sind atypisch beschäftigt.
14% der unselbständig erwerbstätigen Frauen und neun Prozent der Männer gelten als atypisch beschäftigt. Von
den atypisch Beschäftigten sind 29,7% der Frauen und 20,7% der Männer Beschäftigte mit niedrigen Einkommen.
Als „prekär beschäftigt“ gelten in den vorliegenden Analysen Beschäftigungsverhältnisse, die durch eines der drei
folgenden Merkmale gekennzeichnet sind: Sie sind unregelmäßig, das heißt im vergangenen Jahr wurde weniger
als zehn Monate Vollzeit oder Teilzeit gearbeitet bzw. es lag eine Beschäftigung als Werk-/DienstvertragsnehmerIn
vor. Oder es handelt sich um eine Teilzeitbeschäftigung von weniger als 12 Wochenstunden. Oder es liegt Niedrig-
lohnbeschäftigung nach oben genannter Definition (Stundenlohn unter 5,77 Euro brutto bzw. hochgerechnet auf
Vollzeitbeschäftigung Monatslohn weniger als 1.000 Euro) vor.
Der Terminus „prekäre Beschäftigung“ stellt nicht per se auf die Art des Beschäftigungsverhältnisses („typisch“
oder „atypisch“) als vielmehr auf damit einhergehende finanzielle Nachteile ab. Dennoch ist offenkundig, dass
prekäre und das Armutsrisiko erhöhende Beschäftigungen vielfach jene sind, die mit mangelnder arbeitsrecht-
licher Absicherung, geringen Arbeitszeiten, unsicheren Arbeitsverhältnissen und sehr geringen Stundenlöhnen
verbunden sind.
ARMUTSGEFÄHRDUNG UND „WORKING POOR“ IN ÖSTERREICH
49
Übersicht 14: Armutsgefährdung in prekären Beschäftigungsformen und bei niedrigem
Einkommen (weniger als 2/3 des Medianstundenlohns)
Gesamt
in 1.000
Armutsgefährdung
in 1.000 Quote in %
Insgesamt 5.372 591 11
Prekäre Beschäftigung
Unregelmäßig beschäftigt 603 96 16
Teilzeit <12h 122 18 15
Niedriglohnbeschäftigung
(unter Mindestlohn von 1000 Euro/Monat bzw. 5,77 Euro/Stunde brutto)
64 (10) (16)
Niedriges Einkommen
(unter 2/3 des Medianstundenlohns, d.h. unter 8,36 Euro/Stunde brutto)
429 59 14
Q: STATISTIK AUSTRIA, EU-SILC 2011.
Personen zwischen 18 und 64 Jahren.
Unregelmäßig beschäftigt: Im vergangenen Jahr weniger als 10 Monate Vollzeit oder Teilzeit beschäftigt oder Werk-/Dienstvertragsneh-
merIn. - Teilzeit < 12h: Aktuell weniger als zwölf Stunden beschäftigt - Niedriglohnbeschäftigung: Der Stundenlohn beträgt weniger als 5,77
Euro. Hochgerechnet auf Vollzeitbeschäftigung beträgt der Monatslohn weniger als 1.000 Euro. - Niedrige Einkommen: Der Stundenlohn für
Unselbständige ohne Lehrlinge beträgt weniger als 2/3 des Medianstundenlohns (das sind in EU-SILC 2011 12,54 Euro, 2/3 davon sind 8,36
Euro). ). - „Working Poor“ ist überlappend mit den drei Kategorien prekärer Beschäftigung (unregelmäßig, Teilzeit < 12h, Niedriglohnbeschäf-
tigung), die sich aber ihrerseits nicht überschneiden.
Zahlen in Klammern beruhen auf geringen Fallzahlen. Sind in der Randverteilung weniger als 50 oder in der Zelle weniger als 20 Fälle vor-
handen, wird geklammert.
0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100
Alle Erwerbstätigen (18-64 Jahre)
„Working Poor”
Unregelmäßig beschäftigt
Teilzeit <12h
Niedriglohnbeschäftigung
6 6 21 67
8 12 28 52
11 7 21 61
3 2 22 73
2 7 23 68
sehr/ziemlich unzufrieden eher unzufrieden eher zufrieden sehr/ziemlich zufrieden
in %
Q: STATISTIK AUSTRIA, EU-SILC 2011.
Personen zwischen 18 bis 64 Jahren.
* Wie zufrieden sind Sie gegenwärtig, alles in allem, mit Ihrer Hauptbeschäftigung? Sind Sie sehr zufrieden, ziemlich zufrieden, eher zufrie-
den, eher unzufrieden, ziemlich unzufrieden, sehr unzufrieden?
„Working Poor“: Personen zwischen 18 und 64 Jahren, die mehr als die Hälfte des Referenzjahres (2010) erwerbstätig waren und armutsge-
fährdet sind. - Unregelmäßig beschäftigt: Im vergangenen Jahr weniger als zehn Monate Vollzeit oder Teilzeit beschäftigt oder Werk-/Dienst-
vertragsnehmerIn. - Teilzeit < 12h: Aktuell weniger als zwölf Stunden beschäftigt - Niedriglohnbeschäftigung: Der Stundenlohn beträgt weniger
als 5,77 Euro. Hochgerechnet auf Vollzeitbeschäftigung beträgt der Monatslohn weniger als 1.000 Euro. „Working Poor“ ist überlappend mit
den drei Kategorien prekärer Beschäftigung (unregelmäßig, Teilzeit < 12h, Niedriglohnbeschäftigung), die sich aber ihrerseits nicht über-
schneiden.
Grafik 9: Zufriedenheit mit der Haupttätigkeit* für „Working Poor“ und Personen in prekä-
ren Beschäftigungsformen
ARMUTSGEFÄHRDUNG UND „WORKING POOR“ IN ÖSTERREICH
50
besteht, dass die Einkommen anderer Haushaltsmit-
glieder Einkommen aus prekären Beschäftigungsver-
hältnissen ausgleichen, ist die überdurchschnittlich
hohe Armutsgefährdung der Betroffenen ersichtlich.
Von den nicht armutsgefährdeten Erwerbstätigen ist
mit 9% nur ein kleinerer Teil prekär beschäftigt. Ein
niedriges Einkommen (von unter zwei Drittel des
Medianstundenlohns) haben rund 22% der „Wor-
king Poor“ und 10% der nicht armutsgefährdeten
Erwerbstätigen.
Da Stundenlöhne aus EU-SILC nur für Unselbständige
berechnet werden können, ist die Situation der selb-
ständig Erwerbstätigen hier untererfasst. Es konnte
jedoch bereits nachgewiesen werden, dass sie mit
11% ein erhöhtes „Working Poor“-Risiko haben (vgl.
Übersicht 13).
Die Vermutung, dass schlecht bezahlte oder prekäre
Arbeitsverhältnisse mit persönlicher Unzufriedenheit
einhergehen, bestätigt sich nur zum Teil. Wie Grafik 9
zeigt, stellt sich die subjektive Zufriedenheit mit der
Haupttätigkeit für „Working Poor“ schlechter dar als
für alle Beschäftigten im Durchschnitt. Etwa die Hälfte
gibt dennoch an, sehr oder ziemlich zufrieden mit
ihrer Beschäftigung zu sein, insgesamt sind es zwei
Drittel. Die größte Unzufriedenheit mit ihrer Situation
äußern unregelmäßig Beschäftigte: 11% sind ziemlich
bis sehr unzufrieden. Überdurchschnittlich zufrieden
scheinen Personen in Beschäftigungsverhältnissen
von weniger als zwölf Stunden zu sein – da jedoch
nach der Zufriedenheit mit der Haupttätigkeit gefragt
wurde, ist bei ihnen zweifelhaft, ob es sich angesichts
ihrer geringen Arbeitsstunden überhaupt um eine
Beurteilung der Erwerbstätigkeit handelt. Überra-
schend ist festzustellen, dass Personen in Niedrig-
lohnbeschäftigung nicht unzufriedener sind als alle
Beschäftigten unabhängig von ihrem Einkommen.
Erwerbsintensität, Frauenerwerbsbeteili-
gung und Erwerbshindernisse aus der Haus-
haltsperspektive
Als Entstehungszusammenhang von Armutsge-
fährdung relevant ist neben dem individuellen
Einkommen die Zusammensetzung des Haushalts.
Einerseits beeinflusst sie die Möglichkeiten einzelner
Mitglieder, sich am Erwerbsleben zu beteiligen und
zum gemeinsamen Haushaltseinkommen beizutra-
gen, andererseits können niedrige oder fehlende
individuelle Einkommen durch die Einkünfte an-
derer Haushaltsmitglieder ausgeglichen werden.
In Mehrpersonenhaushalten können außerdem
aufgrund der gemeinsamen Haushaltsführung etwa
beim Wohnen oder beim Kauf von Nahrungsmitteln
Kosten gespart werden.38
Weil in Einpersonenhaus-
halten keine Einsparungspotenziale aufgrund der
gemeinsamen Haushaltsführung gegeben sind,
verzeichnen alleinlebende Personen mit Ausnahme
alleinlebender männlicher Pensionisten generell
ein überdurchschnittlich hohes Armutsrisiko. An-
ders als in Mehrpersonenhaushalten wirken sich
Einkommensnachteile und soziale Risiken in Einper-
sonenhaushalten unmittelbar auf den Lebensstan-
dard aus. Gleichzeitig ist festzustellen, dass sich
armutsgefährdete Erwerbstätige überproportional
oft in Mehrpersonenhaushalten mit mindestens drei
Kindern sowie in Ein-Eltern-Familien finden; geringer
ist ihr Anteil in Mehrpersonenhaushalten ohne Kin-
der bzw. mit bis zu einem Kind (vgl. Übersicht 15).
Eine höhere Erwerbsbeteiligung – wie es einem Kern-
ziel der Europa 2020-Strategie entspricht – kann sich
positiv auf den Lebensstandard auswirken. Daher
greift ein nur auf das individuelle Erwerbseinkommen
gerichteter Blick zu kurz. Selbst ein „Niedriglohn“
kann je nach Haushaltskontext Unterschiedliches
38 Dieser Annahme wird in der den Berechnungen zugrunde liegenden Äquivalenzskala (EU-Skala) Rechnung getragen.
ARMUTSGEFÄHRDUNG UND „WORKING POOR“ IN ÖSTERREICH
51
bewirken: In einem Einpersonenhaushalt geht er, wenn
kein Ausgleich durch Sozialleistungen oder andere
Einkommen wie Privattransfers erfolgt, mit erhöhtem
Armutsrisiko einher. Ist er hingegen Zuverdienst in
einem Haushalt mit einem anderen Haupteinkommen,
kann das den entscheidenden Unterschied machen,
um ein Leben jenseits der Armutsgefährdung zu
ermöglichen. Teilzeit- und Niedriglohnjobs sind
daher nicht per se „Armutsfallen“ – können es aber
in bestimmten Haushaltskonstellationen sein: für
alleinlebende Menschen, Alleinerziehende und ge-
nerell in Haushalten, die sich auf diese Einkommen
als Haupteinkommen stützen müssen (vgl. Lamei/
Skina-Tabue 2011, S. 134ff). Des weiteren sollte
in diesem Zusammenhang bedacht werden, dass
sich der positive Effekt derartiger Zuverdienste in
Mehrpersonenhaushalten sehr schnell ins Gegenteil
des „Working Poor“ verkehren kann. Dann nämlich,
wenn die Haushaltskonstellation sich ändert – zum
Beispiel, wenn im Fall einer Trennung eine weibliche
Zuverdienerin zu einer Alleinerzieherin wird.
Generell gilt in Mehrpersonenhaushalten: Je mehr
Haushaltsmitglieder im Erwerbsalter einer Erwerbstä-
tigkeit nachgehen, desto mehr finanzielle Ressourcen
stehen dem Haushalt zur Verfügung. Zunächst gilt
es, die Erwerbsintensität der Haushalte insgesamt
zu betrachten, danach wird dem Faktor weibliche
Erwerbsbeteiligung im Speziellen nachgegangen.
In Haushalten mit Personen im Erwerbsalter, in de-
nen eine hohe Erwerbsintensität (mindestens 85%
der möglichen Erwerbszeit) erreicht wird, liegt das
Armutsrisiko für Mehrpersonenhaushalte bei nur 3%.
8% der Einpersonenhaushalte mit voller Erwerbsin-
tensität sind armutsgefährdet. Bei mittlerer Erwerbs-
intensität (mehr als 20% und weniger als 85%) liegt
das Armutsrisiko bei Mehrpersonenhaushalten – rund
die Hälfte der Personen fällt in diese Kategorie – mit
12% im Durchschnitt, bei Einpersonenhaushalten
ist bereits eine mittlere Erwerbsintensität mit einem
doppelt so hohen Armutsrisiko (25%) behaftet. Mit
keiner oder sehr niedriger Erwerbsintensität (bis
zu maximal 20%; entspricht dem Indikator, der
für Ausgrenzungsgefährdung verwendet wird) sind
annähernd zwei von drei alleinlebenden Personen
im Erwerbsalter armutsgefährdet, in Mehrpersonen-
haushalten sind es 51%.
Übersicht 15: „Working Poor“ nach Haushaltstyp
Erwerbstätige im Erwerbsalter *
Gesamt
in 1.000
Nicht armutsgefährdet Armutsgefährdet „Working Poor“
in 1.000 Anteil in % in 1.000 Anteil in % Quote in %
Insgesamt 3.667 3.470 100 198 100 5
Alleinlebende Männer 317 291 8 (27) (14) (8)
Alleinlebende Frauen 252 233 7 (19) (10) (8)
Mehrpersonenhaushalte ohne Kinder 1.381 1.340 39 41 21 3
Ein-Eltern-Haushalte 89 77 2 11 6 13
Mehrpersonenhaushalt + 1 Kind 781 753 22 28 14 4
Mehrpersonenhaushalt + 2 Kinder 584 546 16 37 19 6
Mehrpersonenhaushalt + mind. 3 Kinder 191 162 5 30 15 15
Haushalte mit Pension 72 68 2 (5) (3) (6)
Q: STATISTIK AUSTRIA, EU-SILC 2011.
„Working Poor“: Personen zwischen 18 und 64 Jahren, die mehr als die Hälfte des Referenzjahres (2010) erwerbstätig waren und armuts-
gefährdet sind.
* Personen zwischen 18 bis 64 Jahren, die mehr als die Hälfte des Referenzjahres (2010) erwerbstätig waren.
Zahlen in Klammern beruhen auf geringen Fallzahlen. Sind in der Randverteilung weniger als 50 oder in der Zelle weniger als 20 Fälle vor-
handen, wird geklammert.
ARMUTSGEFÄHRDUNG UND „WORKING POOR“ IN ÖSTERREICH
52
Bei der Armutsreduktion in Familien kommt vor allem
der Erwerbsbeteiligung von Frauen große Bedeutung
zu. Sie tragen immer häufiger zum Haushaltsein-
kommen bei, Betreuungs- und Versorgungspflichten
sowie ein fehlendes Angebot an familienkompatiblen
Arbeitsplätzen sind jedoch Gründe dafür, warum die
Erwerbsbiographien vieler Frauen nach wie vor durch
Teilzeitbeschäftigung charakterisiert sind. Übersicht
17 zeigt, wie sich Alter und Zahl der Kinder auf die
Erwerbstätigkeit von Frauen auswirken: Liegt die
Erwerbsquote von Frauen in Haushalten ohne Kinder
bei 72%, sind in Haushalten mit mindestens drei Kin-
dern nur 40% der Frauen erwerbstätig. Der Anteil der
Vollzeit arbeitenden Frauen steigt mit zunehmenden
Alter der Kinder: Ist das jüngste Kind sechs Jahre alt
oder jünger, arbeiten nur 12% der Frauen Vollzeit,
während in Haushalten mit dem jüngsten Kind im
Schulalter (älter als sechs Jahre) ein Drittel der Frauen
einer Vollzeitbeschäftigung nachgeht.
Auch wenn in Mehrpersonenhaushalten potenziell die
Möglichkeit besteht, niedrige oder fehlende Erwerbs-
einkommen eines Haushaltsmitglieds (bzw. mehrerer
Haushaltsmitglieder) durch Erwerbseinkommen anderer
Personen und Einkünfte aus Sozialleistungen oder
Privattransferszu ergänzen, ist dies oft nicht im selben
Maß möglich, und die geringe Erwerbsbeteiligung
eines Mitglieds kann sich nachteilig auf den Lebens-
standard auswirken. In Mehrpersonenhaushalten ohne
Kinder liegt das Armutsrisiko ohne Erwerbsbeteiligung
der Frau bei 18%. Ist die Frau erwerbstätig, sind
unterdurchschnittliche 3% der Personen in solchen
ERWERBSINTENSITÄT DES HAUSHALTS:
Um für Haushalte mit mehreren Personen im Erwerbsalter ein Äquivalent zur individuellen Arbeitszeit auszudrücken
und gleichzeitig die Zahl der Erwerbsmonate im vergangenen Kalenderjahr einzubeziehen, wird ein Prozentsatz
für die geleistete Erwerbstätigkeit an der maximal möglichen Erwerbszeit im Haushalt berechnet. Einbezogen sind
nur Haushalte mit Personen im Erwerbsalter (hier entsprechend dem EU-Indikator: 18-59 Jahre, ohne Studierende).
Teilzeiterwerbstätigkeit wird entsprechend dem aktuellen Stundenausmaß anteilsmäßig berücksichtigt. Keine
oder sehr niedrige Erwerbsintensität: <=20%; mittlere Erwerbsintensität: >20% und <85% ; hohe Erwerbsintensität:
>=85% jeweils an der maximal möglichen Erwerbszeit im Haushalt.
Übersicht 16: Erwerbsintensität des Haushalts und Armutsgefährdung
Personen in …
Gesamtbevölkerung Armutsgefährdete
in 1.000 Anteil in % in 1.000 Anteil in % Quote in %
... Einpersonenhaushalten
Keine oder sehr niedrige Erwerbsintensität 150 20 93 58 62
Mittlere Erwerbsintensität 106 14 27 17 25
Hohe Erwerbsintensität 480 65 41 25 8
... Mehrpersonenhaushalten
Keine oder sehr niedrige Erwerbsintensität 369 6 188 31 51
Mittlere Erwerbsintensität 3.069 54 360 58 12
Hohe Erwerbsintensität 2.277 40 68 11 3
Q: STATISTIK AUSTRIA, EU-SILC 2011.
Personen in Haushalten mit mindestens einer Person zwischen 18 und 59 Jahren.
Erwerbsintensität des Haushalts (nur Personen bis 59 Jahre): Anteil der Erwerbsmonate aller Personen im Erwerbsalter (hier: 18-59 Jahre,
ohne Studierende) an der maximal möglichen Erwerbszeit im Haushalt im Referenzjahr. Teilzeiterwerbstätigkeit wird entsprechend dem
aktuellen Stundenausmaß anteilsmäßig berücksichtigt.
Keine oder sehr niedrige Erwerbsintensität: <=20%; Mittlere Erwerbsintensität: >20% und <85% ; Hohe Erwerbsintensität: >=85%.
ARMUTSGEFÄHRDUNG UND „WORKING POOR“ IN ÖSTERREICH
53
Mehrpersonenhaushalten armutsgefährdet. Bis auf
Ein-Eltern-Haushalte und Haushalte mit drei oder
mehr Kindern liegt das Armutsrisiko in Haushalten
mit Kindern bei Erwerbstätigkeit der Frauen unter
dem Durchschnitt. Den größten Effekt zeigt die Er-
werbsbeteiligung von Frauen in Haushalten, wo es
nur eine Verdienerin geben kann: Wenn Frauen in
Ein-Eltern-Haushalten nicht erwerbstätig sind, liegt
die Armutsgefährdungsquote bei 57%. Aber auch
Erwerbseinkommen garantieren in solchen Fällen oft
kein Äquivalenzeinkommen über der Armutsgefähr-
dungsschwelle, bei Erwerbsbeteiligung der Mutter
sind Kinder und ihre alleinerziehenden Mütter zu
18% armutsgefährdet.
Ist ein Haushaltsmitglied erwerbslos oder sind von
einem Erwerbseinkommen mehrere Angehörige im
Haushalt zu erhalten, erhöht sich die Wahrschein-
lichkeit, dass trotz Erwerbstätigkeit eines Haushalts-
mitglieds der gesamte Haushalt als „Working Poor“
ausgewiesen wird.
Die 198.000 „Working Poor“ und ihre Angehörigen
verteilen sich auf 163.000 Haushalte, in knapp einem
Fünftel aller Fälle leben zwei oder mehr Erwerbstätige
in einem armutsgefährdeten Haushalt. Insgesamt
leben 471.000 Personen in armutsgefährdeten Haus-
halten – trotz Erwerbstätigkeit eines oder mehrerer
Haushaltsmitglieder. 171.000 Kinder und 101.000
erwachsene Angehörige sind mitbetroffen (vgl.
Übersicht 18). Von den erwachsenen Angehörigen in
„Working Poor“ Haushalten, die nicht selbst „Working
Poor“ sind, sind rund die Hälfte im Haushalt tätig
(54%), 14% sind in Pension, 12% arbeitslos, und 5%
befinden sich in Ausbildung. Etwa 17% sind aktuell
erwerbstätig, waren es aber im Referenzzeitraum
nicht oder nur bis zu einem halben Jahr, weshalb
sie selbst nicht als „Working Poor“ gezählt werden.
Erzwungene Erwerbslosigkeit bei einem oder meh-
reren Haushaltsmitgliedern stellt in Mehrpersonen-
haushalten eine der Hauptursachen für „Working
Poor“-Betroffenheit des Haushalts dar. Ein großer Teil
der „Working Poor“ Haushalte besteht neben mindes-
tens einem Erwerbstätigen auch aus arbeitslosen bzw.
Übersicht 17: Erwerbstätigkeit der Frauen und Armutsgefährdung in Familien (in %)
Erwerbstätigkeit der Frau Armutsgefährdungsquote
gesamt Vollzeit Teilzeit gesamt
bei
Erwerbs-
tätigkeit der
Frau
ohne
Erwerbs-
tätigkeit der
Frau
Haushaltstyp
Mehrpersonenhaushalt ohne Kinder 72 50 22 10 3 18
Mehrpersonenhaushalt + 1 Kind 65 30 35 5 4 14
Mehrpersonenhaushalt + 2 Kinder 53 20 33 10 6 21
Mehrpersonenhaushalt + mind. 3 Kinder 40 13 27 26 18 39
Ein-Eltern-Haushalt 66 35 31 25 18 57
Alter des jüngsten Kindes
Bis 6 Jahre 43 12 31 17 10 27
Über 6 Jahre 67 33 34 9 6 23
Q: STATISTIK AUSTRIA, EU-SILC 2011.
Personen in Mehrpersonenhaushalten ohne Pension, in denen mind. eine Frau zwischen 18 und 64 Jahren lebt. Erwerbstätigkeit: Voll- oder
Teilzeiterwerbstätigkeit.
Erwerbsbeteiligung: Anteil aktuell hauptsächlich erwerbstätiger (ohne Arbeitslose) an Frauen zwischen 18 und 64 Jahren in Haushalten
ohne Pension.
Teilzeit: Erwerbstätigkeit von weniger als 35 Stunden pro Woche.
ARMUTSGEFÄHRDUNG UND „WORKING POOR“ IN ÖSTERREICH
54
39 118.000 Personen leben mit mindestens einer kurzzeitig (weniger als sechs Monate) arbeitslosen Person, 111.000 mit mindestens einer
langzeitig (sechs Monate und mehr) arbeitslosen Person, wobei hier bei 30.000 Personen sowohl Kurz- als auch Langzeitarbeitslosigkeit
im Haushalt vorkommt. 39.000 Personen leben in „Working Poor“ Haushalten mit gleichzeitig mindestens einer erwerbsfernen und einer
langzeitarbeitslosen Person.
aufgrund von Behinderung oder Betreuungspflichten
nicht am Erwerbsleben teilhabenden Personen. Die
Schwierigkeit, die Betreuung von Kindern und ande-
ren Angehörigen mit einer (Vollzeit-)Erwerbstätigkeit
zu vereinbaren, zeigt sich in einer Überrepräsentanz
der Familien mit Kindern unter den „Working Poor“:
348.000 Personen – 74% der „Working Poor“ – leben
in einem Haushalt mit Kindern. Insgesamt leben 47%
der Bevölkerung in Familien mit Kindern. 207.000
oder 44% der Personen in „Working Poor“ Haushalten
leben in Familien mit mindestens einem Kind im Alter
bis sechs Jahren.
Da „Working Poor“ als Haushaltsmerkmal definiert ist,
lebt ein überproportional großer Anteil der „Working
Poor“ in großen Haushalten.
199.000 Personen in „Working Poor“ Haushalten leben
mit mindestens einer arbeitslosen Person zusammen
und 220.000 Personen mit mindestens einer ganzjäh-
rig nicht erwerbsaktiven Person. 62% der Personen
in „Working Poor“ Haushalten (292.000 Personen)
haben diesen Status, da es – neben mindestens ei-
ner erwerbstätigen Person – auch erwerbsferne oder
langzeitarbeitslose Haushaltsmitglieder gibt.39
Unter
diesen durch eine Erwerbstätigkeit und gleichzeitig
eine Arbeitsmarktexklusion eines anderen Haus-
haltsmitglieds gekennzeichneten Haushalten finden
sich überdurchschnittlich oft Personen in Familien
mit Kindern (85%).
123.000 Personen leben ohne Kinder in „Working Poor“
Haushalten. 25.000 Personen in diesen Haushalten
bzw. 20% sind vom Auftreten einer Behinderung
eines Haushaltsmitglieds (mit)betroffen (gegenüber
13% unter Haushalten mit Personen im Erwerbsalter
und unter „Working Poor“ insgesamt).
Übersicht 18: Personen in „Working Poor“
Haushalten nach Haushaltsmerkmalen
Haushaltsmerkmale
Gesamt
(=100%)
in 1.000
Anteil
in %
Personen in "Working Poor" Haushalten 471 100
Person ist selbst "Working Poor" 198 42
Angehörige Person in "Working Poor"
Haushalt
272 58
davon Kinder 171 36
davon Erwachsene 101 21
Haushaltstyp
Haushalte ohne Kinder 123 26
Alleinlebende Männer (27) (6)
Alleinlebende Frauen (19) (4)
Mehrpersonenhaushalt ohne Kinder 68 14
Haushalt mit Pension (9) (2)
Haushalte mit Kindern 348 74
Ein-Eltern-Haushalt 31 7
Mehrpersonenhaushalt + 1 Kind 63 13
Mehrpersonenhaushalt + 2 Kinder 137 29
Mehrpersonenhaushalt + mind. 3 Kinder 117 25
Mindestens eine Person im Haushalt ist…
kurzzeitarbeitslos (<6 Monate) 118 25
langzeitarbeitslos (>=6 Monate) 111 24
ganzjährig nicht erwerbsaktiv 220 47
stark beeinträchtigt durch Behinderung 59 13
ein Kind bis 6 Jahre 207 44
Q: STATISTIK AUSTRIA, EU-SILC 2011.
Personen in Haushalten mit „Working Poor“: Haushalt ist armuts-
gefährdet, und in ihm befindet sich mindestens eine Person zwi-
schen 18 und 64 Jahren, die mehr als die Hälfte des Referenzjah-
res (2010) erwerbstätig war.
Ganzjährig nicht erwerbsaktiv: im vergangenen Kalenderjahr in
keinem Monat erwerbstätig oder arbeitslos.
118.000 Personen leben mit mindestens einer kurzzeitig (weniger
als sechs Monate) arbeitslosen Person, 111.000 mit mind. einer
langzeitig (sechs Monate und mehr) arbeitslosen Person, wobei
davon bei 30.000 Personen sowohl Kurz- als auch Langzeitar-
beitslosigkeit im Haushalt vorkommt. 39.000 Personen leben in
„Working Poor“ Haushalten, mit gleichzeitig mindestens einer er-
werbsfernen und einer langzeitarbeitslosen Person.
Zahlen in Klammern beruhen auf geringen Fallzahlen: Sind in der
Randverteilung weniger als 50 oder in der Zelle weniger als 20
Fälle vorhanden, wird geklammert.
ARMUTSGEFÄHRDUNG UND „WORKING POOR“ IN ÖSTERREICH
55
3.2.4 „Working Poor“ in der Längsschnitt-
betrachtung
In diesem Abschnitt soll den Fragen nachgegangen
werden, ob Armutsgefährdung bei gleichzeitiger
Erwerbstätigkeit für die Betroffenen nur kurzfristig
und einmalig auftritt oder länger andauert bzw. öfter
vorkommt (Häufigkeit und Persistenz von „Working
Poor“-Episoden) und welche Ein- und Ausstiegs-
szenarien wahrscheinlich sind (Übertritte). Während
Armutsgefährdung bei Erwerbspersonen sowohl aus
der persönlichen Arbeitsmarktsituation als auch aus
der Haushaltsperspektive untersucht wurde, sind die
empirischen Analysen zum individuellen Verlauf von
„Working Poor“- Karrieren hier schwerpunktmäßig auf
die individuelle Perspektive der Erwerbstätigkeit mit
geringem Einkommen bezogen.
Häufigkeit und Persistenz von „Working
Poor“
Wie in Übersicht 19 ersichtlich, waren 662.000 Per-
sonen im Zeitraum 2008 bis 2011 mindestens einmal
„working poor“. Näherungsweise prozentuiert auf
die 2011 erwerbstätigen Personen im Erwerbsalter
entspricht das einer Quote von 18%. Die Quote der
„Working Poor“ ist also in der Betrachtung über den
Vierjahreszeitraum mehr als drei Mal so groß wie im
Querschnitt, was auf eine hohe Fluktuation der „Wor-
king Poor“-Betroffenen hindeutet. Die überwiegende
Mehrheit von ihnen (70%) war in einem Jahr „working
poor“, 22% waren in zwei Jahren (wobei das keine
Folgejahre sein müssen) „working poor“, und etwa
8% der jemals in dem Zeitraum als „working poor“
Klassifizierten waren es drei oder vier Jahre lang.40
Die Persistenz von „Working Poor“ ist relativ gering: In
den zwei letzten aufeinanderfolgenden Jahren armuts-
gefährdet trotz Arbeit waren im Betrachtungszeitraum
44.000 Personen oder 1% aller Erwerbspersonen.
40 Methodische Ungenauigkeiten ergeben sich neben den Einschränkungen durch den Panelausfall auch dadurch, dass sich die Bezugsgruppe
für „Working Poor“ – die erwerbstätigen Personen im Erwerbsalter – über die vier Jahre verändert. 10% der Panelpersonen sind weniger
als vier Jahre lang in der relevanten Altersgruppe (18 bis 64 Jahre) und haben daher gar nicht die theoretische Chance, für vier Jahre lang
als „Working Poor“ klassifiziert zu werden. Daher stellen die präsentierten Zahlen lediglich einen größenordnungsmäßigen Überblick dar.
Übersicht 19: Häufigkeit des Auftretens von „Working Poor“ 2008 bis 2011
Häufigkeit
Häufigkeit
in 1.000
Anteil in %
an Erwerbspersonen im
Erwerbsalter 2011
an jemals „Working Poor“
2008 bis 2011
Jemals „Working Poor“ 2008 bis 2011 * 662 18 100
In einem Jahr 466 13 70
In zwei Jahren 143 4 22
In drei Jahren (34) 1 (5)
In vier Jahren (18) 1 (3)
2010 und 2011 „Working Poor“ ** 44 1 -
Erwerbspersonen zwischen 18 und 64 Jahren 2011 3.667 100 -
Personen im Panel 2008 bis 2011 gesamt 7.801
Q: STATISTIK AUSTRIA, EU-SILC 2008 bis 2011.
* Nur Personen, die in allen vier Jahren im Panel waren.
** Nur Personen, die 2010 und 2011 im Panel waren. Erwerbspersonen = Personen zwischen 18 und 64 Jahren, die mehr als die Hälfte des
Referenzjahres (2010) erwerbstätig waren.
„Working Poor“: Personen zwischen 18 und 64 Jahren, die mehr als die Hälfte des Referenzjahres (2010) erwerbstätig waren und armuts-
gefährdet sind.
ARMUTSGEFÄHRDUNG UND „WORKING POOR“ IN ÖSTERREICH
56
Änderungen im Erwerbsstatus und Über-
gänge aus Erwerbstätigkeiten mit niedrigen
Einkommen
Ausstiege aus und Einstiege in Armutsgefährdung
trotz Erwerbstätigkeit können sich durch veränderte
persönliche Erwerbsfaktoren (zum Beispiel andere
Arbeitsstunden, höheres/niedrigeres Einkommen
im selben oder anderen Job, Ausscheiden aus dem
Erwerbsleben etc.), eine geänderte Zusammensetzung
des Haushalts oder die geänderte Beschäftigungs-
und Einkommenssituation von anderen Haushalts-
angehörigen ergeben. Aufgrund dieser Verknüpfung
von Lebensstandard des Haushalts und individueller
Erwerbstätigkeit eignet sich das Konzept „Working
Poor“ nicht dazu, über individuelle Veränderungen
erklärt zu werden. Daher wird hier die Analyse nur auf
Personen mit niedrigem Einkommen und damit aus-
schließlich die individuelle Ebene bezogen. Gemeint
sind Personen mit Erwerbseinkommen unter 2/3 des
Medianlohns(vgl.zu den Querschnittergebnissen Über-
sicht 14). Zunächst sollen individuelle Veränderungen
im Erwerbsstatus zwischen 2008 und 2011 allgemein
und dann bezogen auf die Erwerbsbevölkerung mit
niedrigen Einkommen dargestellt werden.
Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt können über
rein statische Variablen nur unzureichend abgebildet
werden. Eine Möglichkeit, die Dynamikin der Analyse
anzunähern, istüber die BetrachtungvonVeränderungen
für Individuen zwischen zwei Zeitpunkten gegeben.
In der folgenden Darstellung werden Änderungen der
Hauptaktivität (Erwerbstätigkeit – Vollzeit, Teilzeit;
Arbeitslosigkeit; Nicht-Erwerbsaktivität) quantifiziert.
Dabei wird ersichtlich, wie viel Prozent der Personen
von einem aufs nächste Jahr ihren Erwerbsstatus nicht
ändern und wie viele ihn ändern. Von jenen die ihn
ändern wird auch ersichtlich in welchen Erwerbsstatus
sie übertreten. Übersicht 20 zeigt die individuellen
Veränderungen im Erwerbsstatus zwischen jeweils
zwei Jahren für den Zeitraum 2008 bis 2011 in Prozent
der Hauptaktivität des Ausgangsjahres.
Übersicht 20: Änderungen im Erwerbsstatus im Vergleich zum Vorjahr
Ausgangsjahr
J-1
Folgejahr
J
2008 2009 2010 2011
Übergänge in %
Von: Erwerbstätigkeit In: Erwerbstätigkeit 92 90 91 92
Vollzeit Teilzeit 5 4 6 4
Teilzeit Vollzeit 17 14 14 18
Nicht-Erwerbsaktivität 6 6 6 5
Arbeitslosigkeit 3 4 3 3
Von: Nicht-Erwerbsaktivität In: Nicht-Erwerbsaktivität 85 83 86 85
Erwerbstätigkeit 13 13 12 12
Arbeitslosigkeit 2 4 3 4
Von: Arbeitslosigkeit In: Arbeitslosigkeit 40 52 43 49
Erwerbstätigkeit 36 29 39 35
Vollzeit 26 17 28 27
Teilzeit 11 12 10 9
Nicht-Erwerbsaktivität 24 19 19 16
Q: Eurostat, EU-SILC 2007-2011.
Personen zwischen 16 und 64 Jahren, die in jeweils zwei aufeinanderfolgenden Jahren befragt wurden.
Änderung der aktuellen Hauptaktivität der 16- bis 64-Jährigen von Jahr J-1 auf Jahr J als Prozent der Hauptaktivität in J-1, für alle Personen im
jeweiligen zwei Jahreslängsschnitt. Hauptaktivität = Aktivität, die im Vorjahr mehr als die Hälfte der Monate ausgeübt wurde.
Lesebeispiel: Von den im Vorjahr (2007) Erwerbstätigen waren 92% auch 2008 erwerbstätig. Von den 2007 Vollzeit Erwerbstätigen wech-
selten 5% in eine Teilzeiterwerbstätigkeit.
ARMUTSGEFÄHRDUNG UND „WORKING POOR“ IN ÖSTERREICH
57
Nahezu unverändert beträgt der Anteil der im Vorjahr
erwerbstätigen Bevölkerung41
, die auch im nächsten
Jahr erwerbstätig ist, über 90%. Lediglich von 2008
auf 2009 ist die Erwerbsstabilität etwas geringer.
Von den Teilzeiterwerbstätigen wechselten 2008
und 2011 17% bzw. 18% in Vollzeitbeschäftigung, in
den Jahren 2009 und 2010 konnten demgegenüber
nur weniger Menschen ihre Arbeitszeit von Teilzeit
auf Vollzeit erhöhen (14%). Die Übertrittsrate von
Erwerbstätigkeit in Arbeitslosigkeit war von 2008 auf
2009 leicht erhöht und lag bei 4%. Eine angespannte
Arbeitsmarktsituation im Jahr 2009 zeigt sich auch
in der im Zeitvergleich geringsten Übertrittsrate von
Arbeitslosen in Beschäftigung: Konnten 2009 nur
29% eine Beschäftigung aufnehmen, lag der Anteil
derjenigen, die von Arbeitslosigkeit in Beschäftigung
wechselten, in den anderen Jahren bei über einem
Drittel. Die Chance aus Arbeitslosigkeit in Vollzeit-
beschäftigung zu wechseln lag sogar nur bei 17%.
Die Zahlen spiegeln die größere Instabilität der ös-
terreichischen Wirtschaft und des Arbeitsmarktes im
Zuge der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise vor
allem 2009 wider. Die Chancen auf einen ausreichen-
den Lebensstandard hängen, wie gezeigt, eng mit
den Erwerbsmöglichkeiten zusammen. Daher sind
erzwungene Übergänge in Teilzeit- oder Kurzarbeit
und in Arbeitslosigkeit oft mit sozialem Stress und
ökonomischen Konsequenzen verbunden. Auch hier
gilt, dass prinzipiell ein Ausgleich auf Haushalts-
ebene hergestellt werden kann. Wie aber bereits
die Ergebnisse aus EU-SILC 2010 nahelegen, ist
generell die Überlappung der Problembereiche
Erwerbslosigkeit oder geringe Erwerbsteilnahme,
Armutsgefährdung und Deprivation in den letzten
Jahren gestiegen (vgl. BMASK/ Statistik Austria
2011, S. 101ff).
Übertritte in undausgering entlohnten Beschäftigungen
können prinzipiell nach dem gleichen Muster wie in
obiger Darstellung analysiert werden. Diejenigen, die
sich in einem Jahr in gering entlohnten Beschäftigun-
gen befinden, können diesen Zustand beibehalten,
in höher entlohnte Positionen aufsteigen oder aus
der Erwerbstätigkeit ausscheiden. Umgekehrt können
Personen aus all diesen Erwerbsstati in ein gering
entlohntes Beschäftigungsverhältnis wechseln. Über-
sicht 21 zeigt beispielhaft, wie sich der Erwerbsstatus
in Kombination mit der Einkommenshöhe von 2010
auf 2011 geändert hat. Als „niedriges Einkommen“
wird hier – um Aussagen trotz der geringen Stich-
probengröße treffen zu können – eine relativ breite
Gruppe festgelegt: all jene mit Einkommen unter 2/3
des Medianstundenlohns.42
Von den Erwerbstätigen mit niedrigem Einkommen
2010 sind 94% im Folgejahr noch erwerbstätig. Die
Hälfte verbleibt bei den niedrigen Einkommen, die
andere Hälfte scheint nicht mehr in dieser Gruppe
auf, hat also bei den Stundenlöhnen aufgeholt. Von
denjenigen mit höheren Einkommen verbleiben 92%
in Erwerbstätigkeit, die allermeisten auch in dieser
Einkommenskategorie. Individuelle Abstiegevon einer
finanziell abgesicherten Ausgangsposition sind also
selten. Vom Ausgangspunkt niedriger Einkommen
gelingt zwischen 2010 und 2011 rund der Hälfte ein
Aufstieg über die hier als Schwellenwert definierte
Stundenlohngrenze von 2/3 des Medianlohns. Dies
lässtaufgrundrelativkonstanter Querschnittzahlen um
die 400.000 bis 460.000 Menschen mit derart niedri-
gen Einkommen in den vergangenen vier Jahren den
Schlusszu, dass pro Jahr rund die Hälfte der Personen
aus Nicht-Erwerbstätigkeit (Arbeitslosigkeit, Nicht-
Erwerbsaktivität) in niedrige Einkommen wechseln.
Für Detailanalysen der individuellen Übergänge aus
41 Anders als in den übrigen Analysen wird hier der Berechnung Eurostats folgend 16 Jahre als Altersuntergrenze herangezogen.
42 Bei den 18- bis 64-Jährigen sind das 2011 429.000 Personen, die Fallzahl verringert sich durch die Einschränkung auf Personen, die in
den beiden Jahren 2010 und 2011 im Datensatz vorkommen, noch etwas.
ARMUTSGEFÄHRDUNG UND „WORKING POOR“ IN ÖSTERREICH
58
der Gruppe der Arbeitslosen undNicht-Erwerbsaktiven
eignet sich die Stichprobenerhebung EU-SILC jedoch
fallzahlbedingtnicht.DieFrage,obnungeringentlohnte
Beschäftigung eher einSprungbrettin besser bezahlte
Jobs darstellt oder ein Pendeln zwischen Arbeitslosig-
keit und gering entlohnten Jobs stattfindet und sich
damit eine schlechte Position auf dem Arbeitsmarkt
verfestigt, kann hier nicht zuverlässig beantwortet
werden. Es können aber aus einer längerfristig und
von der Datenbasis größer angelegten Studie mit
dem Fokus auf derartige individuelle Übertritte für
Österreich folgende Schlüsse gezogen werden (vgl.
eine Studie des WIFO von Lutz/ Mahringer 201043
):
» Persistenz im jeweiligen Erwerbszustand zeigt
sich vor allem für Männer und in höher ent-
lohnter Beschäftigung eher als bei Niedriglohn-
verdienenden.
» Die geringere Verbleibrate der Niedriglohnver-
dienenden in ihrem Anfangsstatus ist jedoch
nicht auf (vergleichsweise selten vorkommen-
de) Übertritte in höher entlohnte Beschäftigun-
gen als vielmehr auf eine höhere Wahrschein-
lichkeit, im Folgejahr arbeitslos zu werden,
zurückzuführen (no-pay-low-pay Kreislauf).
» Für Frauen ist die Persistenz in Niedriglohnbe-
schäftigung höher als für Männer.
» Aus der Arbeitslosigkeit heraus finden Frauen
wesentlich häufiger nur Niedriglohnarbeitsplät-
ze als Männer. Männer haben aber insgesamt
größere Probleme, die Arbeitslosigkeit wieder
zu verlassen.
43 Darin wurden anonymisierte Individualdaten des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger für den Zeitraum 1998
bis 2006 in Kombination mit Daten des AMS, des Mikrozensus und der Volkszählung verwendet. Die Aussagen betreffen im Wesentlichen
Vollzeitbeschäftigte im Alter von 25 bis 54 Jahren (ohne öffentlichen Sektor). Niedriglohn ist wie in der in EU-SILC verwendeten Definition
von „niedrigen Einkommen“ als 2/3 des Medianlohns festgelegt.
Übersicht 21: Änderungen im Erwerbsstatus von 2010 auf 2011 für niedrige und höhere
Einkommen
Ausgangsjahr
2010
Folgejahr
2011
2011
Übergänge in %
Von:
Erwerbstätigkeit und niedriges Einkommen
(unter 2/3 des Medianstundenlohns)
In: Erwerbstätigkeit 94
auch niedriges Einkommen 47
höheres Einkommen 47
Nicht-Erwerbsaktivität (4)
Arbeitslosigkeit (1)
Von: Erwerbstätigkeit und höheres Einkommen In: Erwerbstätigkeit 92
niedriges Einkommen 4
auch höheres Einkommen 88
Nicht-Erwerbsaktivität 5
Arbeitslosigkeit 2
Q: STATISTIK AUSTRIA, EU-SILC 2007-2011.
Personen zwischen 18 und 64 Jahren, die in jeweils 2 aufeinanderfolgenden Jahren befragt wurden.
Änderung der aktuellen Hauptaktivität der 18- bis 64-Jährigen von 2010 auf 2011 als Prozent der Hauptaktivität 2010, für Personen im
jeweiligen zwei Jahreslängsschnitt. Hauptaktivität = Aktivität, die im Vorjahr mehr als die Hälfte der Monate ausgeübt wurde. - Niedriges
Einkommen: Der Stundenlohn für Unselbständige ohne Lehrlinge beträgt weniger als 2/3 des Medianstundenlohns (das sind in EU-SILC
2011 12,54 Euro). - Höhere Einkommen: Einkommen über den als niedrig definierten Einkommen.
Zahlen in Klammern beruhen auf geringen Fallzahlen. Sind in der Randverteilung weniger als 50 oder in der Zelle weniger als 20 Fälle vor-
handen, wird geklammert.
Lesebeispiel: Von den 2010 Erwerbstätigen mit niedrigem Einkommen waren 94% auch 2011 erwerbstätig - 47% hatten auch im Folgejahr
ein niedriges Einkommen, 47% ein höheres; 4% bzw. 1% wechselten in Nicht-Erwerbsaktivität bzw. Arbeitslosigkeit.
ARMUTSGEFÄHRDUNG UND „WORKING POOR“ IN ÖSTERREICH
59
» Die Persistenz von Arbeitslosigkeit wie auch
von Niedriglohnbeschäftigung nimmt mit dem
Alter zu.
» Ausländische Staatsangehörige haben über-
proportional hohe Anteile an Niedriglohn-
arbeitsplätzen, Übergänge sowohl in höher
entlohnte Beschäftigung wie auch in Arbeitslo-
sigkeit sind seltener als für ÖsterreicherInnen.
» Je höher die Bildung, desto geringer sind die
Anteile von Personen in Niedriglohnbeschäf-
tigung. Für Niedriglohnbeschäftigte, sinkt das
Risiko in Folge arbeitslos zu werden mit stei-
gendem Bildungsniveau.
Der Beitrag folgert, dass Niedriglohnbeschäftigung
am ehesten für Jüngere und höher Qualifizierte als
Sprungbrett in dauerhafte, besser bezahlte Tätigkeiten
dient. Merkmale nachteiliger Erwerbschancen wie
geringe Qualifikation, Betreuungspflichten, nicht
österreichische Staatsbürgerschaft usw. sind auch für
einen längerenVerbleib in Niedriglohnbeschäftigungen
oder ein Pendeln zwischen Niedriglohnbeschäftigung
und Arbeitslosigkeit ausschlaggebend.
Als zusammenfassendes Ergebnis aus den SILC Da-
ten lässt sich zu den Übergängen 2010 auf 2011 von
Erwerbstätigen nach Einkommenshöhe feststellen:
Von den Erwerbstätigen mit niedrigem Einkommen–
ihr Einkommen beträgt weniger als 2/3 des Median-
stundenlohns – verbleibt rund die Hälfte in diesem
Status.44
Die andere Hälfte hat im Folgejahr höhere
Einkommen, es gelingt ihr ein Aufstieg über die hier
als Schwellenwert definierte Stundenlohngrenze
von 2/3 des Medianlohns. Da jedoch die Zahl von
Menschen mit niedrigen Einkommen jährlich in etwa
gleich bleibt, muss es also eine Gruppe geben, die
diese individuellen Aufstiege ausgleicht und in den
Status der Erwerbstätigkeit mit niedrigen Einkommen
übertritt. Diese Übertritte aus der Vorjahresposition
der Nicht-Erwerbstätigkeit (Arbeitslosigkeit, Nicht-
Erwerbsaktivität) machen rund die Hälfte der aktuell
Erwerbstätigen mit niedrigem Einkommen aus. Ein
no-pay-low-pay Kreislauf ist hingegen im Gegensetz
zur oben zitierten Studie, die über einen längeren
Zeitraum erfolgt ist, anhand einer Betrachtung über
zwei Folgejahre für SILC nicht nachweisbar.
3.2.5 Schlussfolgerungen
In einer abschließenden Betrachtung lassen sich fol-
gende Gründe als am wichtigsten für die Entstehung
von „Working Poor“ ausmachen:
» Niedrige Erwerbseinkommen: Diese betreffen
22% der „Working Poor“, wenn der Indikator
Stundenlöhne unter 2/3 des Medianstunden-
lohns herangezogen wird.
» Niedrige persönliche Erwerbsintensität: wie im
Fall von Teilzeit oder nicht ganzjähriger Be-
schäftigung; 49% aller „Working Poor“ fallen
darunter.
» Niedrige Erwerbsintensität in Mehrpersonen-
haushalten: etwa wenn sich im gleichen Haus-
halt arbeitslose oder aus anderen Gründen
nicht erwerbstätige Personen im Erwerbsalter
befinden und das Erwerbspotenzial nicht voll
ausgeschöpft wird – dies ist für 59% der „Wor-
king Poor“ ein zutreffender Grund.45
Insgesamt treffen auf 82% der „Working Poor“ einer
oder mehrere dieser drei Gründe zu.46
Weiters hat die Haushaltszusammensetzung einen
bedeutenden Einfluss auf den Status „Working
44 Es handelt es sich jedoch nicht um die über Haushaltseinkommen definierten „Working Poor“, eine noch kleinere Gruppe, die auf Grund
der geringen Fallzahlen nur unzureichend im Längsschnitt darstellbar ist; eine ähnliche Beweglichkeit ist jedoch auch für sie anzunehmen.
45 Mehrpersonenhaushalte, die weniger als 85% des Erwerbspotenzials ausschöpfen.
46 Auf 6% treffen alle drei Gründe, auf 36% zwei Gründe und auf 40% trifft ein Grund zu.
ARMUTSGEFÄHRDUNG UND „WORKING POOR“ IN ÖSTERREICH
60
Poor“: Für 11% dieser Gruppe ist die Anzahl der
Nicht-Erwerbspersonen (Kinder und andere Ange-
hörige) ausschlaggebend für die Armutsgefährdung
trotz Erwerbstätigkeit.
„Working Poor“ ist ein Phänomen, das nicht mono-
kausal erklärt werden kann. Es wird vielmehr durch
ein Zusammenspiel von Arbeitsmarkt- und sozial-
politischen Faktoren, Haushaltszusammensetzung
und individuellen Erwerbschancen bestimmt. Nicht
nur die Analyse des Problems, auch Maßnahmen
zu dessen Reduktion müssen daher auf all diesen
Ebenen ansetzen: Qualifizierte Erwerbstätigkeit geht
mit geringerem Risiko für Niedriglöhne und in der
Folge „Working Poor“ auf Haushaltsebene einher
und kann über entsprechende Bildungsmaßnah-
men erhöht werden. Bildung wird bereits als eines
der fünf Kernziele der Strategie „Europa 2020“
angeführt, konkrete Ziele wie das Senken der Zahl
früher SchulabgängerInnen haben unmittelbare
Auswirkungen im Kernziel „Teilhabemöglichkeiten“.
Mit Maßnahmen auf dem Arbeitsmarkt kann Nied-
riglöhnen und prekarisierten Arbeitsbedingungen
begegnet werden. Der Lebensstandard von Famili-
en, bei denen insbesondere Alleinerziehende und
kinderreiche Familien „working poor“-gefährdet
sind, kann über eine höhere Erwerbseinbindung
von Frauen gesichert werden. Dies wiederum wird
durch eine Verbesserung des Betreuungsangebots
für Kinder erleichtert.
Weitere Längsschnittanalysen von „Working Poor“-Be-
troffenen wären wünschenswert, über eine Kenntnis
längerfristiger Verläufe während des Erwerbslebens
könnte die dahinterliegende Dynamik besser ver-
ständlich gemacht werden.
ERHEBLICHE MATERIELLE DEPRIVATION
61
4. ERHEBLICHE MATERIELLE DEPRIVATION (EU-DEFINITION47
)
Neben der Definition von Armutsgefährdung über
niedriges Einkommen relativ zu einem mittleren
Lebensstandard kann Armut auch direkt über absolute
Indikatoren einer benachteiligten Lebenslage erfasst
werden. Hierfür hat sich der Begriff der Deprivation
etabliert.48
Der einkommenszentrierte Ansatz unter-
stellt gleiche Wirkung des gleichen Einkommens – was
faktisch nicht gegeben ist. Denn Menschen haben je
nach Lebenslage verschiedene Bedürfnisse und auch
unterschiedliche Möglichkeiten zu wirtschaften. Bei
Deprivation steht im Gegensatz zum einkommensba-
sierten Ansatz vielmehr die tatsächliche Wirkung der
Ressourcen im Vordergrund. Die jeweiligen Ansätze
betonen also andere Aspekte.
Die Armutsgefährdungsschwelle wird in jedem Land
relativ zum mittleren Lebensstandard berechnet
und fällt in den verschiedenen EU-Staaten, beson-
ders nach den Erweiterungen 2004 und 2007, sehr
unterschiedlich aus. Ein direkter Vergleich des Le-
bensstandards ist auch nach Kaufkraftbereinigung
nicht zulässig. Generell bleiben die spezifischen
Lebenshaltungskosten der Haushalte bei dieser
Definition unberücksichtigt. Armutsgefährdung
kann, muss aber nicht zwangsläufig mit Deprivation
einhergehen und umgekehrt. Armutslagen können
zum Beispiel auch bei Haushaltseinkommen über
dem Median auftreten, wenn die monatlichen Aus-
gaben eines Haushalts (etwa für Wohnen, Heizung,
Medikamente oder Kreditrückzahlungen) zu hoch
sind. So macht es einen großen Unterschied, ob
man abbezahltes Wohnungseigentum besitzt oder
Miete für eine Wohnung bezahlen muss. Beim in-
ternationalen Vergleich spielt auch die Versorgung
mit öffentlichen Gütern und Dienstleistungen eine
große Rolle. Wer für Gesundheitsdienste, Bildung
oder Kinderbetreuung extra bezahlen muss, hat
höhere Ausgaben als jemand, dem diese Leistungen
kostenfrei zugänglich sind. Eine Armutsdefinition
basierend auf einer relativen Einkommensschwelle
kann die relativen Teilhabechancen innerhalb einer
Gesellschaft erfassen. Ein Vergleich zwischen unter-
schiedlichen Ländern ausschließlich auf der Basis
des monetären Einkommens kann aber irreführend
sein, da die Wohlstandsniveaus der einzelnen Länder
sehr unterschiedlich sind.
Indikatoren zur Leistbarkeit von Grundbedürfnissen
und zu den Einschränkungen in der täglichen Le-
bensführung aufgrund mangelnder Ressourcen sind
daher ebenso wichtig wie die Einkommensseite. Die
europäischenStaats- und RegierungschefInnen haben
im Sommer 2010 beschlossen, die Strategie für Eu-
ropa bis ins Jahr 2020 auch auf die Verringerung der
sogenannten materiellen Deprivation auszurichten
(vgl. Europäische Kommission 2010).
ERHEBLICHE MATERIELLE DEPRIVATION:
Der Indikator bedeutet nach EU-Definition, dass ein Haushalt sich mindestens vier von neun festgelegten Grund-
bedürfnissen aus finanziellen Gründen nicht leisten kann. Für die in EU-SILC befragten Haushalte wird dies anhand
von Fragen nach der Einschätzung zur Leistbarkeit von Grundbedürfnissen ermittelt. Eine Person gilt damit als
erheblich materiell depriviert, wenn sie in einem Haushalt lebt, in dem zumindest vier dieser Merkmale zutreffen:
» Zahlungsrückstände (bei Miete, Betriebskosten oder Krediten),
47 Dieses Kapitel behandelt detailliert erhebliche materielle Deprivation nach der EU-Definition. Die bisher in Österreich übliche Definition
für „finanzielle Deprivation“ wird weiterhin als nationaler Eingliederungsindikator verwendet (Kapitel 5).
48 Vgl. z.B. Lamei, N./Till-Tentschert, U. 2005.
ERHEBLICHE MATERIELLE DEPRIVATION
62
Erhebliche materielle Deprivationsquote in
Österreich und der EU
Im Vergleich mit den 27 EU-Staaten hat Österreich
2011 die sechstniedrigste erhebliche materielle Depri-
vationsquote: 4% der Bevölkerung sind in Österreich
nach EU-Definition erheblich materiell depriviert (mit
95% Vertrauenswahrscheinlichkeit zwischen 3,2%
und 4,6%). In Luxemburg ist der Anteil der erheblich
materiell Deprivierten mit rund 1% am niedrigsten,
am höchsten ist er in Bulgarien, wo mehr als 40%
der Bevölkerung betroffen sind. EU-weit liegt die
Deprivationsquote bei rund 8% – damit leben in
der EU 42 Mio. Menschen, die sich eine Vielzahl an
Grundbedürfnissen aus finanziellen Gründen nicht
leisten können (Grafik 10). Im Zeitverlauf sind das
zehn Mio. weniger Personen als im Jahr 2005, jedoch
stagniert die EU-weite erhebliche Deprivationsquote
seit dem Jahr 2008.
Wie Übersicht 22 zeigt, sind in Österreich 325.000
Personen49
mit erheblicher materieller Deprivation
konfrontiert. Darunter ist praktisch niemand, der un-
erwartete Ausgaben in Höhe von 950 Euro – etwa für
eine Reparatur oder eine Zahnbehandlung – bezahlen
oder auf Urlaub fahren könnte. Von den erheblich
» unerwartete Ausgaben in Höhe von 950 Euro nicht leistbar,
» einmal im Jahr Urlaub (eine Woche für alle) nicht leistbar,
» Wohnung angemessen warm halten nicht leistbar,
» regelmäßig Fleisch, Fisch oder vergleichbare vegetarische Speise essen nicht leistbar,
» PKW nicht leistbar,
» Farbfernsehgerät nicht leistbar,
» Waschmaschine nicht leistbar,
» weder Telefon noch Handy leistbar.
Die Auswahl der Merkmale gilt alsvorläufig und basiert auf den zurzeitverfügbaren Informationen für alle europäischen
Länder in EU-SILC. 2009 wurde ein vertiefendes Modul über materielle Deprivation in EU-SILC durchgeführt, mit dem
Ziel, weitere Merkmale für materielle Deprivation empirisch zu testen. Angestrebt wird eine Liste aus Merkmalen
mit größtmöglicher Vergleichbarkeit zwischen den EU-Mitgliedstaaten und zusätzlich kinderspezifische Merkmale
für materielle Deprivation. Für 2015 ist geplant, die Kernelemente der Indikatoren zu materieller Deprivation von
EU-SILC im Kontext der mittelfristigen Revision der Europa 2020-Strategie zu überarbeiten (vgl. Gordon et al 2012).
Der Indikator nach EU-Definition unterscheidet sich von dem bisher in Österreich etablierten Indikator zur Defini-
tion von finanzieller Deprivation. Statistik Austria berücksichtigt gegenüber der EU-Definition eine für Österreich
relevante Liste von sieben Merkmalen und nimmt Deprivation bereits bei zwei oder mehr Einschränkungen an. Die
Nichtleistbarkeit von Fernseher, Waschmaschine und Telefon wird wegen der hohen Verfügbarkeit in Österreich
nicht als Deprivationsmerkmal verwendet. Ebenso wurde Urlaub in der nationalen Definition nicht berücksichtigt,
da sich gezeigt hat, dass hier die Notwendigkeit im ländlichen Raum deutlich geringer eingeschätzt wird (vgl. Till-
Tentschert/ Weiss 2008). Umgekehrt wird im urbanen Raum nur eine geringe Notwendigkeit für den Besitz eines
PKWs angegeben. Dafür wurde in die nationale Definition auch die Leistbarkeit von Arztbesuchen und Einladungen
von Freunden aufgenommen.
49 Mit 95% Vertrauenswahrscheinlichkeit zwischen 268.000 und 382.000 Personen.
ERHEBLICHE MATERIELLE DEPRIVATION
63
materiell deprivierten Personen sind 195.000 (60%) in
den letzten Monaten zumindest einmal in Zahlungs-
verzug bei Miete, Strom, Gas, Krediten etc. geraten.
Mehr als ein Drittel können es sich nicht leisten,
regelmäßig Fleisch, Fisch oder eine vergleichbare
vegetarische Speise zu essen.
Grafik 10: Erheblich materiell deprivierte Personen in den EU-27-Staaten – Quote
0
5
10
15
20
25
30
35
40
45
Luxem
burg
Schweden
Niederlande
Dänem
arkFinnlandSpanien
Österreich
Großbritannien
Frankreich
DeutschlandBelgien
Tschechien
Slowenien
M
altaIrland*PortugalEstlandSlowakeiZypernItalien
Polen
GriechenlandLitauenUngarn
Rum
änienLettlandBulgarien
ErheblichematerielleDeprivationin%der
Gesamtbevölkerung
EU-27**
Q: Eurostat 2012, EU-SILC 2010 und 2011. Datenbank zum Stand 11.01.2013, eigene Darstellung.
* Aktuellste Zahlen stammen aus 2010.
** Eurostat Schätzung.
Übersicht 22: Bestimmungsmerkmale für erhebliche materielle Deprivation
Personen in …
erheblich materiell deprivierten
Haushalten
anderen Haushalten
in 1.000 Anteil in % in 1.000 Anteil in %
Insgesamt 325 100 7.991 100
Unerwartete Ausgaben nicht bezahlen können 321 99 1.573 20
Nicht auf Urlaub fahren können 322 99 1.478 18
Nicht regelmäßig Fleisch essen können * 226 70 376 5
Zahlungsrückstände ** 195 60 416 5
Kein Auto leisten können 211 65 253 3
Wohnung nicht warm halten können 133 41 86 1
Kein Farbfernsehgerät leisten können 21 6 21 0
Keine Waschmaschine leisten können (17) (5) (14) (0)
Kein Telefon oder Handy leisten können (4) (1) (6) (0)
Q: STATISTIK AUSTRIA, EU-SILC 2011.
Personen in Privathaushalten.
* Fleisch, Fisch oder vergleichbare vegetarische Speisen.
** Zahlungsrückstände bei Miete, Gas, Strom oder Kreditkarten.
Zahlen in Klammern beruhen auf geringen Fallzahlen: Sind in der Randverteilung weniger als 50 oder in der Zelle weniger als 20 Fälle vor-
handen, wird geklammert. Zahlen, die auf Randverteilungen <20 beruhen, werden nicht ausgewiesen.
ERHEBLICHE MATERIELLE DEPRIVATION
64
Nach Schwere der Deprivation (vgl. Grafik 11) zeigt
sich, dass die große Mehrheit der erheblich materiell
Deprivierten von maximal fünf Deprivationslagen be-
troffen ist: 65% sind gleichzeitig in vier, 26% in fünf
Bedürfnislagen depriviert. Deprivation in einzelnen
Dimensionen trifft auch viele Menschen, die nichtzum
Kreis der erheblich materiell Deprivierten zählen. Rund
ein Drittel von ihnen ist in einem bis drei Merkmalen
mit finanziellen Einschränkungen konfrontiert. Von
jenen, die weniger als vier Deprivationsmerkmale
aufweisen und daher nach dieser Definition noch
nicht als erheblich materiell depriviert gelten, haben
beispielsweise rund 1,5 Millionen Menschen Proble-
me, unerwartete Ausgaben in der Höhe von 950 Euro
bezahlen zu können, aber darunter sind auch knapp
580.000 Personen, die angeben, sich zumindest
eine Woche Urlaub pro Jahr leisten zu können.50
Die
Mehrfachbelastung macht daher den entscheidenden
Unterschied. So sind Personen in erheblich materiell
deprivierten Haushalten durchschnittlich in 4,5, andere
Haushalte dagegen in durchschnittlich 0,5 Problem-
lagen belastet. Während 70% der erheblich materiell
Deprivierten bei ihrer Ernährung sparen müssen und
60% mindestens einmal im Jahr ihre Rechnungen
nicht termingerecht begleichen können, ist die Be-
völkerung in anderen Haushalten wesentlich geringer
– zu je 5% – mit diesen Problemlagen konfrontiert.
Auch geraten 41% der deprivierten Haushalte in die
Lage, aus Kostengründen ihre Wohnung nicht mehr
angemessen warm halten zu können, wohingegen
nur 1% der anderen Haushalte mit dieser Situation
konfrontiert sind.
Die Merkmale zur Leistbarkeit eines Farbfernsehge-
rätes, einer Waschmaschine oder einesTelefons sind
zwar in den ärmeren EU-Staaten durchaus relevant, in
Österreich haben die erheblich materiell deprivierten
Personen jedoch vergleichsweise selten ein Problem,
sich diese Dinge leisten zu können.
Die Leistbarkeit eines PKW ist vor allem unter Berück-
sichtigung des Wohnortes für Deprivation relevant
oder eben nicht. Wer in einer entlegenen Gegend
wohnt, ist dabei stärker auf ein Auto angewiesen
als in der Stadt. So haben in kleinen Gemeinden
unter 10.000 EinwohnerInnen 93% ein Auto, in
Wien sind es 66%. Unter den Deprivierten haben
in Wien 16% ein Auto, während rund die Hälfte der
Deprivierten in kleinen Gemeinden ein Auto hat. In
anderen Haushalten haben rund 72% in Wien und
94% in den kleinen Gemeinden ein Auto. Dieses
Merkmal ist für Deprivation nicht nur wegen der
unterschiedlichen Bedeutung je nach Wohngegend
umstritten, sondern auch wegen der gleichzeitig
mit den sozialen Zielen formulierten europäischen
Klimaschutzziele. Zusätzlich zu jenen, die sich ein
Auto nicht leisten können, verzichten viele auch aus
anderen Gründen darauf.
Grafik 11: Prozentsatz der erheblich mate-
riell deprivierten Personen und Personen in
anderen Haushalten nach Anzahl der Depri-
vationsmerkmale
0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100
in %
erheblich materiell depriviert
in anderen Haushalten
In keinem Deprivationsmerkmal
betroffen
in 1 in 2 in 3
in 5 in 6 in 7in 4 Deprivationsmerkmalen
betroffen
Q: STATISTIK AUSTRIA, EU-SILC 2011.
50 Würde man bei der Definition von Deprivation die Schwelle bei drei oder mehr aus neun Einschränkungen legen, wären in Österreich
793.000 Personen depriviert, wenn zwei oder mehr aus den neun Einschränkungen berücksichtigt würden, sogar 1.570.000.
ERHEBLICHE MATERIELLE DEPRIVATION
65
Entwicklung der erheblichen materiellen
Deprivation 2004 und 2008-2011
Im Jahr 2004 waren mit erheblicher materieller
Deprivation noch 308.000 Personen konfrontiert,
das entspricht 3,8% der Bevölkerung (mit einer
statistischen Schwankungsbreite von +/- 54.000
Personen bzw. 0,7 Prozentpunkten). Bis zum Jahr
2008, also noch vor der Wirtschaftskrise, ist die
Zahl der erheblich materiell Deprivierten auf das
Doppelte angestiegen, ihr Anteil erreichte 6,4% an
der Bevölkerung. Seither ist die erhebliche Depri-
vationsquote wieder rückläufig und befindet sich
inzwischen wieder nahezu auf dem Niveau von
2004. Diese Abweichung liegt jedoch innerhalb
der statistischen Schwankungsbreite. Signifikant
hingegen waren der Anstieg 2007-2008 und der
Rückgang 2008-2009.51
Zahlungsrückstände waren das wichtigste Element
für den Anstieg der erheblichen Deprivationsquote
im Jahr 2008. Es ist davon auszugehen, dass dafür
auch eine Änderung der Erfassung mitverantwortlich
ist. Der Indikator für Zahlungsrückstände beruhte bis
2007 auf fünf Fragen zu Rückständen in den letzten
zwölf Monaten bei Miete, Wohnungs- bzw. Hauskre-
diten, Wohnnebenkosten und sonstigen Zahlungen.
Ab 2008 wurde die Antwortmöglichkeit von „ja/nein“
erweitert, indem bei allen Fragen zwischen einmaligen
und mehrmaligen Rückständen in den letzten zwölf
Monaten unterschieden wurde. Es ist denkbar, dass
dadurch Zahlungsrückstände besser erfasst wurden,
da es weniger schwer fällt, bei dieser Methode Rück-
stände zuzugeben als nach den dichotomisierten
Fragen.52
Die Zahl der Personen mit Zahlungsrück-
ständen hat sich im Jahr 2008 verdoppelt. In dieser
Größenordnung sind Einflüsse der Frageformulierung
für Zahlungsrückstände auf die erhebliche materi-
elle Deprivation jedenfalls auszuschließen. Auch
alle anderen Merkmale zeigen im Jahr 2008 einen
sprunghaften Anstieg der Deprivation.53
Zahlungsrückstände sind das einzige Deprivations-
merkmal mit einem expliziten Referenzzeitraum in
der Vergangenheit. Bei der Leistbarkeit von Nah-
rungsmitteln oder eines PKWs ist der Bezugspunkt
der Zeitpunkt der Befragung, bei Urlauben oder dem
Warmhalten der Wohnung müssen sich die Befragten
hingegen auf einen längeren Zeitraum beziehen. Für
den Deprivationsindikator werden also Informationen
aus unterschiedlichen Zeiträumen kombiniert, auch
dieser Aspekt ist bei der Interpretation von Verände-
rungen zu beachten.
Nach 2008 ist die Quote bei allen Deprivationsmerk-
malen – ausgenommen bei Zahlungsrückständen
– wieder deutlich zurückgegangen.54
Dieser Trend
setzt sich auch 2011 weiter fort. Dabei ist von 2010
51 95% Konfidenzintervall, geschätzt mit der SAS-Prozedur Survey Frequencies unter Berücksichtigung des Stichprobendesigns (Schichtung
nach Bundesländern sowie Klumpung für Haushalte) und der Gewichtung. Um die Signifikanz des Unterschieds zwischen zwei Ergeb-
nissen näherungsweise zu beurteilen, kann überprüft werden, ob sich die Konfidenzintervalle überlappen oder nicht. Bei Vergleichen
unterschiedlicher Erhebungsjahre, wo der zeitliche Abstand vier oder weniger Jahre beträgt, müsste aufgrund des Rotationsdesigns der
Verbundenheit der Stichproben Rechnung getragen werden. Das bedeutet, dass aufgrund kleinerer Standardfehler Veränderungen eher
als signifikant beurteilt werden könnten, als es bei unabhängigen Stichproben der Fall ist.
52 Vgl. Statistik Austria 2009, S. 17f.
53 Warum Deprivation ausgerechnet vor dem Krisenjahr 2009 so deutlich angestiegen und im Krisenjahr wieder zurückgegangen ist, kann
allenfalls durch eine eingehendere Untersuchung der EU-SILC Längsschnittdaten beantwortet werden. Die Querschnittdaten spiegeln
jedenfalls auch einige relevante Entwicklungen der gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen wider. Anzunehmen ist, dass mehrere
Faktoren wie die Entwicklung des Einkommens, der Schuldenbelastung und der Inflation relevant waren. Näheres hierzu siehe BMASK/
Statistik Austria (2011, S. 86,113ff).
54 Im Jahr 2008 wurde die gesamte Feldarbeit erstmals durch Statistik Austria übernommen. Die Vollständigkeit der Angaben und die
Teilnahmebereitschaft der Befragten konnten deutlich gesteigert werden. Aus Kostengründen wurden verstärkt telefonische Interviews
(CATI) durchgeführt. Der Anstieg der Deprivationsquote für die im Panel telefonisch befragten Haushalte fällt geringer aus als bei Erstbe-
fragungshaushalten. Der Anstieg der Deprivation im Jahr 2008 kann durch diese methodischen Effekte eventuell verstärkt worden sein,
der Rückgang im Jahr 2009 ist dadurch aber nicht erklärbar.
ERHEBLICHE MATERIELLE DEPRIVATION
66
auf 2011 ein signifikanter Rückgang in den folgenden
beiden Deprivationsmerkmalen zu verzeichnen: 2011
können es sich wieder etwas mehr Menschen in der
Gesamtbevölkerung leisten, unerwartete Ausgaben
zu tätigen oder regelmäßig Fleisch, Fisch oder eine
vergleichbare vegetarische Speise zu essen. Auch
hinsichtlich der Leistbarkeit, in den Urlaub zu fahren,
gibt es Hinweise auf Besserung. Zwar befindet sich die
Änderung am Anteil jener Menschen, die sich keinen
Urlaub leisten können, innerhalb der statistischen
Schwankungsbreite; dieses Deprivationsmerkmal
erreicht 2011 aber seinen historischen Tiefststand,
wenngleich auf immer noch relativ hohem Niveau.
Für den Zeitraum 2008 bis 2011 zeichnet sich aller-
dings im Vergleich der Haushalte, die mit erheblicher
materieller Deprivation konfrontiert sind, und jenen,
die es nicht sind, bei zwei der Deprivationsmerkmale
eine unterschiedliche Entwicklung ab: Während die
Leistbarkeit eines PKWs wie auch jene, die Wohnung
angemessen warm zu halten, für die erheblich mate-
riell Deprivierten tendenziell schwieriger zu werden
scheint (Anstieg von 56% auf 65% bzw. von 37%
auf 41%), bleiben diese Bereiche für die anderen
Haushalte relativ konstant.
4.1 Zusammensetzung der Zielgruppe
In Österreich leben derzeit 131.000 Frauen und
96.000 Männer ab 20 Jahren sowie 98.000 Kinder
und Jugendliche (unter 20 Jahren) in Haushalten mit
erheblicher materieller Deprivation. Im Vergleich zur
sozialen Zusammensetzung in anderen Haushalten
wird deutlich: Jüngere Menschen sind stärker von
erheblicher materieller Deprivation betroffen als
Ältere und Frauen häufiger als Männer. So befinden
sich unter den erheblich materiell Deprivierten 30%
Kinder und Jugendliche (unter 20 Jahren), während
in anderen Haushalten 21% Personen in diesem
Alter leben. Umgekehrt lebt in erheblich materiell
deprivierten Haushalten ein deutlich kleinerer Anteil
(9%) an Personen im Alter von 65 oder mehr Jahren
als in anderen Haushalten; dort sind es 17%. Unter
Berücksichtigung des Geschlechts zeigt sich, dass
Übersicht 23: Betroffenheit der Gesamtbevölkerung in den Bestimmungsmerkmalen
erheblicher materieller Deprivation im Zeitverlauf
2004 2008 2009 2010 2011
in % in % +/- ***
Erhebliche materielle Deprivation 3,8 6,4 4,8 4,3 3,9 0,7
Unerwartete Ausgaben 21,5 29,5 24,8 25,0 22,8 1,4
Nicht auf Urlaub fahren 26,5 28,3 24,6 22,4 21,6 1,4
Fleisch essen* 9,8 13,4 10,1 8,7 7,2 0,9
Zahlungsrückstände ** 3,5 7,3 7,4 7,0 7,4 1,0
Auto 5,6 7,1 5,3 5,9 5,6 0,7
Wohnung warm halten 2,3 4,0 2,9 3,8 2,6 0,6
Farbfernsehgerät 0,4 0,5 0,4 0,4 0,5 0,2
Waschmaschine 1,0 0,7 0,4 0,4 0,4 0,2
Telefon/Handy 0,7 0,5 0,2 0,1 0,1 0,1
Q: STATISTIK AUSTRIA, EU-SILC 2004, 2008-2011.
* Fleisch, Fisch oder vergleichbare vegetarische Speisen.
** Zahlungsrückstände bei Miete, Gas, Strom oder Kreditkarten.
*** Statistische Schwankungsbreite bei 95%-Vertrauenswahrscheinlichkeit.
ERHEBLICHE MATERIELLE DEPRIVATION
67
vor allem die Frauen in der Altersgruppe der 20- bis
39-Jährigen überdurchschnittlich starkmit erheblicher
materieller Deprivation konfrontiert sind. DesWeiteren
ist auffällig, dass knapp ein Drittel der erheblich ma-
teriell Deprivierten – 100.000 Menschen – Personen
mit nicht österreichischer Staatsbürgerschaft sind.
Unter den erheblich materiell Deprivierten lebt die
große Mehrheit (57%) in Wien, nur 17% kommen aus
Gemeinden mit weniger als 10.000 EinwohnerInnen.
Im Vergleich zu anderen Haushalten zeigt sich somit
der Zusammenhang von Urbanität und erheblicher
materieller Deprivation. Mit Blick auf die Haushalts-
konstellationen fällt der vergleichsweise geringe
Anteil (10%) an Haushalten mit Pensionen auf. Von
den 292.000 Personen in Haushalten ohne Pension,
die von Deprivation betroffen sind, stammt die mit
165.000 Menschen zahlenmäßig größte Gruppe aus
Haushalten mit Kindern. Jedoch fällt die Deprivati-
onsquote je nach Kinderzahl unterschiedlich hoch
aus: Während Alleinerziehende und Personen in
Mehrpersonenhaushalten mit drei oder mehr Kin-
dern vergleichsweise deutlich stärker betroffen sind,
geraten Mitglieder von Mehrpersonenhaushalten
mit einem Kind oder zwei Kindern seltener in eine
erhebliche materielle Deprivationslage. Des Weite-
ren zeigt sich: Unter der Gruppe der mit erheblicher
materieller Deprivation Konfrontierten lebt die Hälfte
in einem Haushalt, dessen Haupteinkommensquelle
aus Sozialleistungen besteht.
Übersicht 24: Erheblich materiell deprivierte Personen nach soziodemographischen
Merkmalen
erheblich materiell depriviert in anderen Haushalten
in 1.000 Anteil in % in 1.000 Anteil in %
Insgesamt 325 100 7.991 100
Alter
Bis 19 Jahre 98 30 1.678 21
20 bis 39 Jahre 91 28 1.973 25
40 bis 64 Jahre 107 33 2.949 37
65 Jahre und älter 28 9 1.390 17
Männer (ab 20 Jahren)
Zusammen 96 30 3.052 38
20 bis 39 Jahre 38 12 990 12
40 bis 64 Jahre 50 16 1.465 18
65 Jahre und älter (8) (2) 597 7
Frauen (ab 20 Jahren)
Zusammen 131 40 3.261 41
20 bis 39 Jahre 53 16 983 12
40 bis 64 Jahre 57 18 1.485 19
65 Jahre und älter 20 6 793 10
Staatsbürgerschaft
Österreich 225 69 7.170 90
darunter eingebürgert (Nicht EU/EFTA) 25 8 264 3
Nicht Österreich 100 31 821 10
davon EU/EFTA 18 5 342 4
davon sonstiges Ausland 83 26 479 6
Q: STATISTIK AUSTRIA, EU-SILC 2011.
Sind in der Randverteilung weniger als 50 oder in der Zelle weniger als 20 Fälle vorhanden, wird geklammert. Zahlen, die auf Randverteilun-
gen <20 beruhen, werden nicht ausgewiesen.
ERHEBLICHE MATERIELLE DEPRIVATION
68
4.2 Armutsgefährdung und erhebliche materielle Deprivation
Zwischen Armutsgefährdung und Deprivation besteht
ein enger Zusammenhang. Mit einem Anteil von 17%
sind deutlich mehr Personen in armutsgefährdeten
Haushalten mit erheblicher materieller Deprivation
konfrontiert als Personen in anderen Haushalten
(2%). Demnach sind in Österreich 180.000 Personen
gleichzeitig armutsgefährdet und erheblich materiell
depriviert. DerZusammenhangzeigtsich auch aufEbe-
ne der einzelnen Deprivationsmerkmale:Wie in Grafik
12 zu sehen ist, können sich Armutsgefährdete alle
Grundbedürfnisse,diezurBestimmungvonDeprivation
herangezogen werden, wesentlich seltener leisten als
Personen in nicht armutsgefährdeten Haushalten.So
können es sich beispielsweise mehr als die Hälfte der
Armutsgefährdetennichtleisten,unerwarteteAusgaben
zu tätigen oder in den Urlaub zu fahren. Nichtsdesto-
Übersicht 25: Erheblich materiell deprivierte Personen nach Haushaltsmerkmalen
erheblich materiell depriviert in anderen Haushalten
in 1.000 Anteil in % in 1.000 Anteil in %
Insgesamt 325 100 7.991 100
Gemeindegrößenklasse
Wien 184 57 1.515 19
Andere Gemeinden > 100.000 Einw. 27 8 681 9
Gemeinden >10.000 und <=100.000 Einw. 59 18 1.214 15
Gemeinden <=10.000 Einw. 55 17 4.582 57
Haushalte mit Pension
Zusammen 33 10 1.497 19
Alleinlebende Männer (5) (1) 124 2
Alleinlebende Frauen 16 5 288 4
Mehrpersonenhaushalt 12 4 1.085 14
Haushalte ohne Pension
Zusammen 292 90 6.494 81
Alleinlebende Männer 38 12 395 5
Alleinlebende Frauen 39 12 421 5
Mehrpersonenhaushalt ohne Kinder 51 16 1.912 24
Haushalte mit Kindern 165 51 3.766 47
Ein-Eltern-Haushalt 41 13 226 3
Mehrpersonenhaushalt + 1 Kind 16 5 1.424 18
Mehrpersonenhaushalt + 2 Kinder 39 12 1.459 18
Mehrpersonenhaushalt + mind. 3 Kinder 70 22 657 8
Haupteinkommensquelle
Unselbständige Arbeit 120 37 4.916 62
Selbständige Arbeit (6) (2) 681 9
Sozialleistungen 162 50 659 8
Pensionen 33 10 1.599 20
Private Einkommen (4) (1) 136 2
Q: STATISTIK AUSTRIA, EU-SILC 2011.
Zahlen in Klammern beruhen auf geringen Fallzahlen: Sind in der Randverteilung weniger als 50 oder in der Zelle weniger als 20 Fälle vor-
handen, wird geklammert. Zahlen, die auf Randverteilungen <20 beruhen, werden nicht ausgewiesen.
ERHEBLICHE MATERIELLE DEPRIVATION
69
trotz treten Deprivation und Armutsgefährdung nicht
notwendigerweise gemeinsam auf. Das wird zuerst
darin deutlich, dass mit der Definition für erhebliche
materielle Deprivation ein wesentlich kleinerer Kreis
(325.000 Personen) zu den Betroffenen gezählt wird
alsmitder Definition für Armutsgefährdung (rundeine
Million). Es zeigt sich aber insbesondere dann, wenn
die Zusammensetzung der Haushalte mit erheblicher
materieller Deprivation hinsichtlich ihrer Armuts-
gefährdung betrachtet wird: 2011 leben etwa 145.000
deprivierte Personen miteinem Haushaltseinkommen
über der Armutsgefährdungsschwelle. Damitistknapp
die Hälfte (45%) der mit Deprivation konfrontierten
Haushalte nicht armutsgefährdet.
Es gibt zahlreiche Gründe, warum Deprivation ohne
Armutsgefährdungmöglichist.DieanerkanntesteThese
lautet, dass der Lebensstandard erst eingeschränkt
wird, wenn Ersparnisse aufgebraucht sind und damit
Deprivationzeitverzögertin Erscheinung tritt(vgl. Gor-
don et al. 2000). Sie kann nach einer längeren Phase
mit geringem Einkommen auch fortdauern, bis durch
höheresEinkommenwiedergenügendReservenvorhan-
den sind. Andererseits sind aber auch konzeptionelle
Annahmen des verwendeten Einkommenskonzepts
beispielsweise bei der Festsetzung des Schwellen-
werts für Armutsgefährdung zu berücksichtigen. Die
aktuelle Methode basiert auf dem Medianwert der
Einkommensverteilung, wobei nur laufende Einkom-
men, aber keine Vermögen berücksichtigt werden,
ohne einen Bezug zu den Kosten der Lebensführung
herzustellen. Diese relative Bezugsgröße istabhängig
vondendurchdieÄquivalenzskala55
implizitgetroffenen
Annahmen über die z.B. durch Kinder entstehenden
Mehrkosten. Die Einkommenssituation liefert daher
ein verzerrtes Bild, wenn entweder die Bedürfnisse
durch die Festsetzung der Gefährdungsschwelle nicht
ausreichend berücksichtigt werden, oder Vorteile,
die durch den Besitz von Vermögen oder durch nicht
monetäre Sozialleistungen entstehen, ausgeblendet
werden.BMASK/StatistikAustria(2011,S.80ff)konnten
Grafik 12: Ausgewählte Deprivationsmerkmale bei armutsgefährdeten Personen
0 10 20 30 40 50 60
Erhebliche materielle Deprivation
% können sich nicht leisten…
Wohnung warm halten
Rechnungen zahlen
(Miete, Strom, Gas, Kredite etc.)
Fleisch oder Fisch* essen
Auto besitzen
Unerwartete Ausgaben** tätigen
Auf Urlaub fahren
17
9
19
20
23
57
58
2
2
6
5
3
18
16
in anderen Haushalten
armutsgefährdet
in %
Q: STATISTIK AUSTRIA, EU-SILC 2011.
* oder eine vergleichbare vegetarische Speise
** in Höhe von 950 Euro
55 EU-Skala – siehe dazu im Detail Abschnitt 3.1.
ERHEBLICHE MATERIELLE DEPRIVATION
70
beispielsweise zeigen, dass Personen auch in nicht
armutsgefährdeten Haushalten häufiger erheblich
materiell depriviert sind, wenn sie über kein oder nur
sehrniedrigesKapitaleinkommenbzw.keinWohnungs-
eigentumverfügen, relativzum Haushaltseinkommen
hoheKostenbelastungen(fürKinderbetreuung,Wohnen,
Kreditrückzahlungen etc.) zu tragen haben oder sich
in schlechtem Gesundheitszustand befinden.
4.3 „Working Poor“ und erhebliche materielle Deprivation
Im Folgenden sollen die in Kapitel 3.2 im Detail
analysierten „Working Poor“ hinsichtlich erheblicher
materieller Deprivation und deren Bestimmungsmerk-
male dargestellt werden.
Während insgesamt 4% der Bevölkerung erheblich
materiell depriviert sind, stellt sich die Situation für
die Erwerbstätigen56
wie folgt dar: Insgesamt waren
2% erheblich materiell depriviert – diejenigen,
die nicht armutsgefährdet waren, zu 1%, „Working
Poor“ zu 13%. Verglichen mit den 17% insgesamt
Armutsgefährdeten und gleichzeitig von erheb-
licher materieller Deprivation Betroffenen sind die
Erwerbstätigen also zwar etwas seltener gleichzeitig
in diesen beiden Bereichen benachteiligt, aber
erhebliche materielle Deprivation ist dennoch für
insgesamt 26.000 „Working Poor“ Teil ihrer Lebens-
Übersicht 26: Erhebliche materielle Deprivation und deren Bestimmungsmerkmale für
„Working Poor” und nicht armutsgefährdete Erwerbstätige
erwerbstätig und nicht
armutsgefährdet
„Working Poor“
in 1.000 Anteil in % in 1.000 Anteil in %
Insgesamt 3.470 100 198 100
Erhebliche materielle Deprivation 50 1 26 13
Unerwartete Ausgaben nicht bezahlen können 564 16 101 51
Nicht auf Urlaub fahren können 489 14 91 46
Nicht regelmäßig Fleisch essen können* 139 4 29 15
Zahlungsrückstände** 181 5 33 17
Kein Auto leisten können 88 3 34 17
Wohnung nicht warm halten können 41 1 17 9
Kein Farbfernsehgerät leisten können (6) (0) (3) (2)
Keine Waschmaschine leisten können (6) (0) (4) (2)
Kein Telefon oder Handy leisten können (3) (0) - -
Q: STATISTIK AUSTRIA, EU-SILC 2011.
„Working Poor“: Personen zwischen 18 und 64 Jahren, die mehr als die Hälfte des Referenzjahres (2010) erwerbstätig waren und armuts-
gefährdet sind.
* Fleisch, Fisch oder vergleichbare vegetarische Speisen.
** Zahlungsrückstände bei Miete, Gas, Strom oder Kreditkarten.
Zahlen in Klammern beruhen auf geringen Fallzahlen: Sind in der Randverteilung weniger als 50 oder in der Zelle weniger als 20 Fälle vor-
handen, wird geklammert. Zahlen, die auf Randverteilungen <20 beruhen, werden nicht ausgewiesen.
56 Zwischen 18 und 64 Jahren und im vergangenen Jahr hauptsächlich, das heißt mehr als sechs Monate erwerbstätig.
ERHEBLICHE MATERIELLE DEPRIVATION
71
realität. Zählt man deren Angehörige dazu, erhöht
sich die Zahl auf 53.000.
Wie auch für die Bevölkerung insgesamt ist das Unver-
mögen, unerwartete Ausgaben zu begleichen sowie
auf Urlaub zu fahren, bei den „Working Poor“ – jeweils
rund die Hälfte ist betroffen – die am häufigsten
genannte Einschränkung. Die übrigen Merkmale für
einen eingeschränkten Lebensstil zeigen für die ar-
mutsgefährdeten Erwerbstätigen in etwa das gleiche
Muster wie für die Armutsgefährdeten insgesamt,
sind jedoch zumeist etwas seltener.
72
PERSONEN IN HAUSHALTEN MIT KEINER ODER SEHR NIEDRIGER ERWERBSINTENSITÄT
73
5. PERSONEN IN HAUSHALTEN MIT KEINER ODER SEHR NIEDRIGER
ERWERBSINTENSITÄT
Die Relevanzvon Beschäftigung für die Armutsreduktion
wurde bereitsin den Abschnitten 3.1 und3.2. ausführlich
dargestellt. Wie gezeigt wurde, ist eine ausreichende
Erwerbsintensität im Haushalt eines der wichtigsten
Mittel, um den Lebensstandard sicherzustellen. Es
genügt nicht, die Beschäftigungszahl insgesamt zu
erhöhen. Denn obwohl sich die Beschäftigtenquote
der EU-15-Staaten zwischen 1998 und 2011 um rund
fünf Prozentpunkte auf zuletzt 65,4% (für 15- bis
64-Jährige) erhöht hat, ist gleichzeitig die Armuts-
gefährdungsquote unverändert bei 16,5% geblieben.
Um messbare Fortschritte bei der Eingliederung zu
erzielen, müssen neben der Quantität der Beschäfti-
gung auch deren Qualität und die in den Arbeitsmarkt
integrierten bzw. noch nicht ausreichend integrierten
Gruppen berücksichtigt werden. Welche Folgen sich
aus fehlender Erwerbsbeteiligung ergeben, hängt
von der Erwerbsbeteiligung der anderen Haushalts-
mitglieder ab. In der prekärsten Position befinden
sich zweifellos jene arbeitsmarktfernen Personen,
bei denen auch sonst niemand im Haushalt einer
Erwerbsarbeit nachgeht. In der Europa 2020-Stra-
tegie haben die Staats- und RegierungschefInnen
daher vereinbart, besonderes Augenmerk auf ar-
beitsmarktferne Bevölkerungsgruppen zu legen und
die Zahl der Personen in Haushalten mit keiner oder
sehr niedriger Erwerbsintensität zu verringern. Auch
im österreichischen Reformprogramm werden als
wichtigste Maßnahme zur Erreichung des Ziels der
Armutsreduktion spezifische Beschäftigungsziele
genannt: die Erhöhung der Arbeitsmarktbeteiligung
von älteren ArbeitnehmerInnen, von Frauen, Jugend-
lichen, Personen mit Migrationshintergrund und von
Niedrigqualifizierten sowie die Verbesserung der
Qualität der Arbeit (vgl. Europäische Kommission
2011, S. 12).
In Österreich ist die Quote der unter 60-Jährigen,
die in Haushalten mit keiner oder sehr niedriger
Erwerbsintensität leben, 2011 mit 8% (bzw. mit 95%
Grafik 13: Keine oder sehr niedrige Erwerbsintensität in den EU-27-Staaten
0
5
10
15
20
25
Zypern
Luxem
burg
Tschechien
Rum
änien
Schweden
Polen
SlowenienSlowakei
ÖsterreichPortugalM
alta
Niederlande
FrankreichFinnlandEstlandItalienBulgarien
Deutschland
Dänem
ark
Großbritannien
GriechenlandUngarnSpanienLettlandLitauenBelgienIrland*
Unter60-JährigeinHaushaltenmitkeineroder
sehrniedrigerErwerbsintensitätin%der
Gesamtbevölkerung
EU-27**
Q: Eurostat 2012, EU-SILC 2010 und 2011. Datenbank zum Stand 11.01.2013, eigene Darstellung.
* Aktuellste Zahlen stammen aus 2010.
** Eurostat Schätzung.
PERSONEN IN HAUSHALTEN MIT KEINER ODER SEHR NIEDRIGER ERWERBSINTENSITÄT
74
Vertrauenswahrscheinlichkeit zwischen 7% und 9%)
vergleichsweise gering. Am niedrigsten ist sie in der
Schweiz mit 4%. Die EU-Staaten mit der niedrigsten
Quote von Personen in Haushalten ohne oder mit
geringer Erwerbstätigkeit sind Zypern (5%) und Lu-
xemburg (6%). Am höchsten ist sie in Irland (23%).
Bezogen auf den gesamten EU-27-Raum leben 2011
10% der unter 60-Jährigen, d.h. rund 38 Mio. Men-
schen, in Haushalten mit keiner oder sehr niedriger
Erwerbsintensität. Damiterreichtder EU-27-Durchschnitt
wieder den Wert von 2005, nachdem er sich bis 2009
im Sinken befunden hatte.
5.1 Zusammensetzung der Zielgruppe
In Österreich leben rund eine halbe Million Personen57
unter 60 Jahren in einem Haushalt mit keiner oder
sehr geringer Erwerbsintensität. Damit ist die Größe
dieses Personenkreises seit 2006 nahezu unverändert,
HAUSHALTE MIT KEINER ODER SEHR NIEDRIGER ERWERBSINTENSITÄT:
Zum EU-Indikator zählen alle unter 60-jährigen Personen, die in Haushalten mit geringer Erwerbsintensität leben.
Geringe Erwerbsintensität wird angenommen, wenn die 18- bis 59-jährigen Haushaltsmitglieder (ohne Studierende,
inkl. PensionistInnen unter 59) zusammen maximal 20% des Vollzeit-Erwerbspotenzials ausschöpfen.
Die Befragten geben für jeden Monat des vergangenen Kalenderjahres (für SILC 2011 also 2010) ihre jeweilige
Haupttätigkeit nach eigener Zuordnung an. Dabei kann es vorkommen, dass beispielsweise Studierende ihre Aus-
bildung als Haupttätigkeit werten, obwohl sie gleichzeitig einer Erwerbstätigkeit nachgehen. Für die Berechnung
der Erwerbsintensität werden unter 18-Jährige und Studierende unter 24 Jahren nicht berücksichtigt. Gezählt wird,
wie viele Monate eine Person selbständig oder unselbständig erwerbstätig war. Diese Zahl wird für alle Personen
im gemeinsamen Haushalt summiert.
Monate, in denen nur eine Teilzeittätigkeit ausgeübt wurde, werden anteilig berücksichtigt. Ist die Person auch zum
Erhebungszeitpunkt erwerbstätig, dann wird dazu die aktuelle Zahl der Wochenstunden durch 40 dividiert und mit
der Anzahl der Teilzeitmonate multipliziert. Für Personen, die zum Erhebungszeitpunkt nicht (mehr) erwerbstätig
sind, ist die Zahl der Wochenstunden nicht verfügbar, und der Durchschnittswert fürTeilzeitbeschäftigte nach Alter
und Geschlecht wird berücksichtigt.
Das Erwerbspotenzial ergibt sich aus Multiplikation der Zahl der Personen im Alter zwischen 18 und 59 Jahren mit
12. Die Erwerbsintensität ergibt sich durch Division der Erwerbsmonate durch das Erwerbspotenzial. Liegt das
Ergebnis unter 0,2, dann gilt der Haushalt als (nahezu) erwerbslos (typischerweise bei weniger als drei Erwerbs-
monaten). Zur Zielgruppe zählen dann alle in diesem Haushalt lebenden Haushaltsmitglieder unter 60 Jahren,
also auch Kinder und Studierende.
Berechnungsbeispiel für einen Haushalt mit drei Personen zwischen 18 und 59 Jahren: Person 1 war das gesamte
Jahr über Vollzeit erwerbstätig (= 12 Monate), Person 2 war 6 Monate Vollzeit erwerbstätig (= 6 Monate), und Per-
son 3 war 2010 ganzjährig Teilzeit erwerbstätig, aktuell arbeitet sie 24 Wochenstunden (24/40*12=7,2 Monate).
Das Erwerbspotenzial beträgt insgesamt 36 Monate (12*3), tatsächlich wurden insgesamt 25,2 Monate gearbeitet
(12+6+7,2). Die Erwerbsintensität des Haushalts beträgt somit 0,7.
57 Mit einer 95%-Vertrauenswahrscheinlichkeit zwischen 454.000 und 583.000 Personen.
PERSONEN IN HAUSHALTEN MIT KEINER ODER SEHR NIEDRIGER ERWERBSINTENSITÄT
75
sieht man von einem Tiefststand im Jahr 2009 ab. Ver-
glichen mit 2004 leben 2011 allerdings 92.000 mehr
unter 60-Jährige in Haushalten mit keiner oder sehr
niedriger Erwerbsintensität, anteilmäßig entspricht
dies einem Anstieg um 1,3 Prozentpunkte (vgl. hierzu
auch Kapitel 2.3).
Von den Personen in einem Haushalt mit keiner
oder sehr niedriger Erwerbsintensität sind 113.000
unter 20 Jahre alt sowie 229.000 Frauen und 176.000
Männer zwischen 20 und 59 Jahre alt (vgl. Übersicht
27 und Grafik 14). Zusätzlich leben etwa 104.000
Haushaltsangehörige über 59 Jahre in Haushalten
mit keiner oder sehr niedriger Erwerbsintensität, sie
werden jedoch nicht zur Zielgruppe gezählt.
20% der Zielgruppe, das sind 105.000 Menschen,
haben eine nicht österreichische Staatsbürgerschaft.
Damit hat dieser Personenkreis im Vergleich zu jenen
Personen mit österreichischerStaatsbürgerschaftzwar
ein erhöhtes Risiko, in einem Haushalt mit keiner oder
sehr niedriger Erwerbsintensität zu leben. Jedoch ist
der Anteil der Personen mit nicht österreichischer
Staatsbürgerschaft an dieser Zielgruppe kleiner als
an den anderen beiden Zielgruppen, den Armuts-
gefährdeten und den erheblich materiell Deprivierten.58
Übersicht 27: Personen in Haushalten mit keiner oder sehr niedriger Erwerbsintensität
nach Alter, Geschlecht und Staatsbürgerschaft
in Haushalten mit keiner oder sehr niedriger
Erwerbsintensität
in anderen Haushalten
in 1.000 Anteil in % in 1.000 Anteil in %
Insgesamt 519 100 5.932 100
Alter
Bis 19 Jahre 113 22 1.663 28
20-39 Jahre 137 26 1.928 32
40-59 Jahre 269 52 2.342 39
Männer (ab 20 Jahre)
Zusammen 176 34 2.154 36
20-39 Jahre 68 13 961 16
40-59 Jahre 109 21 1.194 20
Frauen (ab 20 Jahre)
Zusammen 229 44 2.115 36
20-39 Jahre 70 13 967 16
40-59 Jahre 160 31 1.148 19
Staatsbürgerschaft
Österreich 414 80 5.193 88
darunter eingebürgert (Nicht EU/EFTA) 26 5 219 4
Nicht Österreich 105 20 739 12
davon EU/EFTA 18 3 301 5
davon sonstiges Ausland 87 17 437 7
Q: STATISTIK AUSTRIA, EU-SILC 2011.
58 Dies zeigt sich sehr anschaulich in den Odds-Ratios: Das Risiko, armutsgefährdet (bzw. erheblich materiell depriviert) zu sein, ist unter
Personen mit nicht österreichischer Staatsbürgerschaft 3,4 (bzw. 4) mal so hoch wie unter Personen mit österreichischer Staatsbürger-
schaft. Demgegenüber ist das Risiko, in einem Haushalt mit keiner oder sehr niedriger Erwerbsintensität zu leben, unter Personen mit
nicht österreichischer Staatsbürgerschaft „nur“ 2,2 mal so hoch wie unter Personen mit österreichischer Staatsbürgerschaft.
PERSONEN IN HAUSHALTEN MIT KEINER ODER SEHR NIEDRIGER ERWERBSINTENSITÄT
76
Dieser Befund liefert einen Hinweis darauf, dass Per-
sonen mit nicht österreichischer Staatsbürgerschaft
bei gleicher Erwerbsintensität stärker von niedrigen
Lebensstandards betroffen sind als Personen mit
österreichischer Staatsbürgerschaft.
Nach Alter fällt auf, dass rund die Hälfte der Zielgruppe
im Alter zwischen 40 und 59 Jahre ist. Grafik 14 stellt
die Quote von Personen in Haushalten mit keiner oder
sehr geringer Erwerbsintensität nach verschiedenen
Altersgruppen dar. Dabei wird zweierlei deutlich: Ers-
tens sinkt mit dem Alter die Quote derjenigen, die in
Haushalten mit keiner oder sehr niedriger Erwerbsin-
tensität leben, für Personen im Alter zwischen 50 und
59 Jahren ist sie jedoch stark erhöht. 17% der 50- bis
59-Jährigen leben in Haushalten mit keiner oder sehr
niedriger Erwerbsintensität. Dies ist hauptsächlich
durch die bereits hohe Zahl der PensionistInnen in
dieser Altersgruppe zu erklären.59
Würde man den
Indikator nur anhand der Erwerbsbeteiligung der 18-
bis 49-Jährigen berechnen, läge er statt bei 8% bei
rund 6%. Zweitens gibt es einen Geschlechterunter-
schied, der insbesondere in dieser Altersgruppe der
50- bis 59-Jährigen sehr deutlich ausfällt. Während
13% der 50- bis 59-jährigen Männer in Haushalten mit
keiner oder sehr niedriger Erwerbsintensität leben,
befinden sich 21% der 50- bis 59-jährigen Frauen in
derartigen Haushalten. Interessanterweise besteht
der Geschlechterunterschied auch weiterhin, wenn
der Pensionsbezug berücksichtigt wird.60
Die Festlegung des Indikators auf die Erwerbs-
beteiligung der 18- bis unter 60-Jährigen steht
der Tatsache eines faktisch niedrigeren Pensions-
antrittsalters in Österreich gegenüber. Dieses lag
2011 durchschnittlich bei 59,2 Jahren für Männer
und bei 57,3 Jahren für Frauen, was vor allem auf
Grafik 14: Personen in Haushalten mit keiner oder sehr niedriger Erwerbsintensität nach
Altersgruppen und Geschlecht
0
2
4
6
8
10
12
14
16
18
20
22
24
<= 19 20 - 29 30 - 39 40 - 49 50 - 59
Gesamt
Frauen
Männer
PersoneninHaushaltenmitkeinerodersehr
niedrigerErwerbsintensität(in%)
Alter in Jahresgruppen
Q: Eurostat, EU-SILC 2010 und 2011.
59 Von den Personen in einem Haushalt mit keiner oder niedriger Erwerbsintensität, die zwischen 50 und 59 Jahre alt sind, geben 43% als
Hauptaktivität Pension an – davon sind etwa zwei Drittel Frauen.
60 Von den Frauen im Alter zwischen 50 und 59 Jahren, deren Hauptaktivität im Referenzjahr 2010 Pension war, leben 69% in Haushalten
mit keiner oder sehr niedriger Erwerbsintensität. Demgegenüber stehen 45% der Männer in diesem Alter mit Hauptaktivität Pension, die
in derartigen Haushalten leben.
PERSONEN IN HAUSHALTEN MIT KEINER ODER SEHR NIEDRIGER ERWERBSINTENSITÄT
77
die niedrigen durchschnittlichen Antrittsalter bei
den Invaliditätspensionen – rund 23% aller 2011
neu zuerkannten Pensionen fielen in diese Kate-
gorie – zurückzuführen ist, die bei 53,7 Jahren für
Männer bzw. 50,1 Jahren für Frauen liegen (vgl.
BMASK 2012, S. 89). Daher ist die Aussagekraft des
Indikators „keine oder niedrige Erwerbsintensität“
in Österreich für diese Altersgruppe eingeschränkt.
Vor dem Hintergrund der Bestrebungen zur Hebung
des effektiven Pensionsantrittsalters, dürfte er aber
in den nächsten Jahren zunehmende Relevanz auch
für ältere Erwerbstätige erlangen.
Der Zusammenhang von niedriger individueller Er-
werbstätigkeit und mangelnder Erwerbsbeteiligung
des Haushalts wird in Übersicht 28 deutlich. Von den
18- bis 59-Jährigen in Haushalten mit keiner oder
sehr niedriger Erwerbsintensität waren im Lauf des
Referenzjahres 2010 143.000 Personen für mindestens
sechs Monate arbeitslos und 233.000 in Pension
oder nicht erwerbsaktiv. Lediglich 41.000 Personen
waren zumindest teilzeitbeschäftigt.
Übersicht 29 zeigt weitere Strukturmerkmale für Per-
sonen in Haushalten mit keiner oder sehr niedriger
Erwerbsintensität. Regional ist der Personenkreis
mit einem Anteil von 42% überwiegend auf Wien
konzentriert. Wenngleich ein Drittel in Gemeinden
mit weniger als 10.000 Einwohnern wohnt, ist das
Risiko keiner oder sehr niedriger Erwerbsintensität
dort wesentlich geringer. Dass Erwerbslosigkeit vor
allem im späten Erwerbsalter (50- bis 59-Jährige) im
Zusammenhang mit frühzeitiger Pensionierung auftritt,
zeigt sich auch in der Haushaltszusammensetzung:
Bei 60% der Betroffenen leben keine Kinder (mehr)
im Haushalt. Knapp die Hälfte davon lebt allein.
Definitionsgemäß stammt das Haushaltseinkommen
dieser Personen nur in den seltensten Fällen aus
Erwerbstätigkeit. Folglich leben knapp 90% haupt-
sächlich von Sozialleistungen oder Pensionen. Dabei
spielt auch das Einkommen der nicht zur Zielgruppe
gerechneten Haushaltsangehörigen über 59 Jahren
eine wichtige Rolle.
Die Einkommensverteilung in Grafik 15 zeigt, dass
Personen in Haushalten mit keiner oder sehr niedriger
Erwerbsintensität in der Regel nur einen sehr einge-
schränktenLebensstandardhaben.Dezilgruppenteilen
die nach ihrem standardisierten Haushaltseinkommen
gereihte Gesamtbevölkerung in zehn gleich große
Gruppen. Die unterste Dezilgruppe mitdem niedrigsten
Lebensstandard umfasst in der Gesamtbevölkerung
genau 10%. In Haushalten mit keiner oder sehr nied-
riger Erwerbsintensität fällt dagegen fast die Hälfte
(47%) der unter 60-Jährigen in diese Gruppe.
Übersicht 28: Hauptaktivität der 18- bis 59-Jährigen nach Erwerbsintensität des Haushalts
in Haushalten mit keiner oder sehr niedriger
Erwerbsintensität
in anderen Haushalten
in 1.000 Anteil in % in 1.000 Anteil in %
18- bis 59-Jährige insgesamt 417 100 4.509 100
Hauptaktivität im Referenzjahr 2010*
Erwerbstätig 41 10 3.777 84
Arbeitslos 143 34 203 4
Pension 108 26 72 2
Sonstige 125 30 457 10
Q: STATISTIK AUSTRIA, EU-SILC 2011.
* Erwerbstätig ist, wer mindestens einen Monat hauptsächlich in Beschäftigung und höchstens fünf Monate hauptsächlich arbeitslos war.
Die Gruppe der Arbeitslosen enthält keine Erwerbstätigen, ebenso sind bei Personen in Pension weder Arbeitslose noch Erwerbstätige
enthalten.
PERSONEN IN HAUSHALTEN MIT KEINER ODER SEHR NIEDRIGER ERWERBSINTENSITÄT
78
Übersicht 29: Ausgewählte Haushaltsmerkmale der unter 60-Jährigen nach Erwerbs-
intensität
in Haushalten mit keiner oder sehr niedriger
Erwerbsintensität
in anderen Haushalten
in 1.000 Anteil in % in 1.000 Anteil in %
Insgesamt 519 100 5.932 100
Gemeindegrößenklassen
Wien 219 42 1.120 19
Andere Gemeinden > 100.000 Einw. 36 7 528 9
Gemeinden >10.000 und <=100.000 Einw. 83 16 920 16
Gemeinden <=10.000 181 35 3.365 57
Haushaltstyp
Alleinlebende Männer 74 14 327 6
Alleinlebende Frauen 75 15 260 4
Mehrpersonenhaushalt ohne Kinder 157 30 1.688 28
Ein-Eltern-Haushalt 52 10 216 4
Mehrpersonenhaushalt + 1 Kind 47 9 1.370 23
Mehrpersonenhaushalt + 2 Kinder 40 8 1.429 24
Mehrpersonenhaushalt + mind. 3 Kinder 74 14 642 11
Haupteinkommensquelle
Unselbständige Arbeit 32 6 4.797 81
Selbständige Arbeit 13 2 609 10
Sozialleistungen 350 68 300 5
Pensionen 97 19 156 3
Private Einkommen 26 5 70 1
Q: STATISTIK AUSTRIA, EU-SILC 2011.
Grafik 15: Verteilung der unter 60-Jährigen in Haushalten mit keiner oder sehr niedriger
Erwerbsintensität auf Dezilgruppen des äquivalisierten Nettohaushaltseinkommens
Einkommensgruppe
derGesamtbevölkerung
% der Personen in Haushalten mit keiner oder sehr niedriger Erwerbsintensität
0 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50
höchste
Dezilgruppe
9
8
7
6
5
4
3
2
niedrigste
Dezilgruppe
1
2
3
3
2
7
9
8
18
47
(1)
(2)
Q: STATISITK AUSTRIA, EU-SILC 2011.
Zahlen in Klammern beruhen auf einer Fallzahl von weniger als 20 und sind daher nur eingeschränkt interpretierbar.
PERSONEN IN HAUSHALTEN MIT KEINER ODER SEHR NIEDRIGER ERWERBSINTENSITÄT
79
5.2 Niedrige Erwerbsintensität und Armutsgefährdung
Die Armutsgefährdung von Personen in Haushalten
mit keiner oder sehr niedriger Erwerbsintensität hängt
beinahe ausschließlich von der Höhe der erhaltenen
Sozialleistungen ab:61
Während ohneSozialleistungen
in dieser Gruppe 96% armutsgefährdet wären, sind
es mitSozialleistungen deutlich weniger, wenngleich
immer noch mehr als die Hälfte (54%). Im Vergleich
zu anderen Haushalten, die nach Sozialleistungen
zu 8% armutsgefährdet sind, zeigt sich für Perso-
nen in Haushalten mit keiner oder sehr niedriger
Erwerbsintensität letztlich dennoch ein deutlich
höheres Armutsrisiko.
Der jeweilige Wirkungsgrad von Maßnahmen zur Ver-
ringerung der Zahl der Ausgrenzungsgefährdeten hängt
vom Zusammenhang zwischen Armutsgefährdung und
Erwerbslosigkeit ab. Würden beispielsweise die Sozi-
alleistungen für die 282.000 Personen in Haushalten
mit keiner oder sehr niedriger Erwerbsintensität auf
das Niveau der Armutsgefährdungsschwelle ange-
glichen, wäre damit die Armutsgefährdungsquote
um rund ein Viertel gesenkt. Sofern dabei aber keine
Aktivierung auf dem Arbeitsmarkt erfolgt, trägt dies
nicht zur Verringerung des insgesamt zur Zielgruppe
zählenden Personenkreises bei.
5.3 Spezifische Entstehungszusammenhänge niedriger Erwerbsintensität
Bezogen auf die rund 6,5 Mio. Menschen im Alter
von weniger als 60 Jahren beträgt die Risikoquote,
in einem Haushalt mit keiner oder sehr niedriger
Erwerbsintensität zu leben, für Personen in dieser
Altersgruppe 8%. Dieser Wert ist für die mitbetrof-
fenen Kinder und Erwachsene annähernd gleich. Im
Gegensatz zur Armutsgefährdung, wo das Einkommen
auf die Haushaltsgröße bezogen wird, fließt die Zahl
der Personen im Haushalt nicht in die Definition die-
ses Indikators ein. Trotzdem können beispielsweise
die Zahl der Kinder und damit zusammenhängende
Betreuungspflichten indirekt eine zentrale Rolle für
die Erwerbsintensität spielen. Um die spezifischen
Entstehungszusammenhänge bei Erwachsenen besser
sichtbar zu machen, werden in Übersicht 30 Risiko-
quoten für die Altersgruppe der 18- bis 59-Jährigen
dargestellt.
Hinsichtlich des Haushaltstypszeigt sich ein ähnliches
Bild wie schon bei der Armutsgefährdung und Depri-
vation: Alleinlebende und Alleinerziehende haben
ein überdurchschnittlich hohes Risiko, in Haushalten
mit keiner oder sehr niedriger Erwerbsintensität zu
leben; dieses Risiko ist bei alleinlebenden Frauen,
von denen knapp ein Viertel in solchen Haushalten
wohnt, am höchsten. Auffällig ist, dass der Zusam-
menhang hinsichtlich der Kinderzahl von Mehrperso-
nenhaushalten nicht mehr so linear ausfällt wie bei
den anderen beiden Zielgruppen. Zwar haben auch
hier Mehrpersonenhaushalte mit einem Kind eine
sehr geringe Risikoquote; dasselbe gilt aber auch für
Mehrpersonenhaushalte mit zwei Kindern und auch
für Mehrpersonenhaushalte mit mindestens drei
Kindern ist das Risiko, in einem Haushalt mit keiner
oder niedriger Erwerbsintensität zu leben, immerhin
nicht überdurchschnittlich hoch. Es konnte jedoch in
Kapitel 3.2 gezeigt werden, dass die Erwerbsintensität
in Haushalten mit drei und mehr Kindern vor allem
aufgrund der Teilzeiterwerbstätigkeit der Frauen sehr
wohl eingeschränkt ist. Es liegt daher an der sehr
61 Siehe Statistik Austria (2012b, Tab. 5.1b).
PERSONEN IN HAUSHALTEN MIT KEINER ODER SEHR NIEDRIGER ERWERBSINTENSITÄT
80
geringen Grenze von 20% der Erwerbsintensität, dass
bei diesem Indikator nicht mehr Personen dieses
Haushaltstyps darunterfallen.
Die Grundlage für die spätere Erwerbslosigkeit wird
in vielen Fällen bereits mit dem frühzeitigen Ende
einer Bildungskarriere gelegt. Bei Personen, deren
höchste abgeschlossene Schulbildung ein Pflicht-
schulabschluss ist, erreicht die Risikoquote mit 17%
einen etwa viermal so hohen Wert wie bei Personen
mit Hochschulabschluss (4%). Über den formalen
Bildungsabschluss hinaus wird Erwerbslosigkeit von
der beruflichen Qualifikation und Erfahrung bestimmt.
Wer im letzten Beruf HilfsarbeiterIn (22%) oder noch
nie erwerbstätig war (17%), hat ein mindestens vier-
mal höheres Risiko, in einem Haushalt mit keiner
oder sehr niedriger Erwerbsintensität zu leben, als
jemand, der als Angestellter (4%) tätig war.
Des Weiteren ist ein außerordentlich starkausgepräg-
ter Zusammenhang mit dem Gesundheitszustand zu
erkennen. Wer einen sehr schlechten Gesundheitszu-
stand hat, trägt ein mehr als zehnmal höheres Risiko,
in einem Haushalt mit keiner oder sehr niedriger
Erwerbsintensität zu leben, wie jemand mit sehr
gutem Gesundheitszustand.
Übersicht 30: Risiko von 18- bis 59-Jäh-
rigen, in einem Haushalt mit keiner oder
sehr niedriger Erwerbsintensität zu leben
In Haushalten mit keiner
oder sehr niedriger
Erwerbsintensität
in 1.000 Quote in %
Insgesamt 417 8
Haushaltstyp
Alleinlebende Männer 74 19
Alleinlebende Frauen 75 23
Mehrpersonenhaushalt ohne Kinder 156 9
Ein-Eltern-Haushalt 21 15
Mehrpersonenhaushalt + 1 Kind 34 3
Mehrpersonenhaushalt + 2 Kinder 27 3
Mehrpersonenhaushalt + mind.
3 Kinder
29 9
Derzeitige Hauptaktivität 2011
Erwerbstätig 42 1
Ausbildung 44 13
PensionistIn 114 52
Haushalt 45 20
Arbeitslos 123 36
Aus gesundheitlichen Gründen nicht
erwerbstätig
34 64
Aus anderen Gründen nicht erwerbs-
tätig
16 8
Letzte berufliche Funktion
Nie erwerbstätig 60 17
HilfsarbeiterInnen 79 22
FacharbeiterInnen 96 9
Angestellte 116 6
Vertragsbedienstete 11 4
BeamtInnen 17 6
Selbständig* 36 7
Allgemeiner Gesundheitszustand
Sehr gut 83 4
Gut 103 5
Mittelmäßig 120 15
Schlecht 82 37
Sehr schlecht 28 50
Q: STATISTIK AUSTRIA, EU-SILC 2011.
* Selbständig inkludiert hier freie DienstnehmerInnen und land-
wirtschaftlich Tätige.
Lesebeispiel: Von allen 18- bis 59-jährigen alleinlebenden Män-
nern in österreichischen Privathaushalten leben 19% in einem
Haushalt mit keiner oder sehr niedriger Erwerbsintensität.
ÜBERSCHNEIDUNGEN IN DEN PROBLEMBEREICHEN SOZIALER ARMUTS- ODER AUSGRENZUNGSGEFÄHRDUNG
81
6. ÜBERSCHNEIDUNGEN IN DEN PROBLEMBEREICHEN SOZIALER
ARMUTS- ODER AUSGRENZUNGSGEFÄHRDUNG
Innerhalb derSozialzielgruppe „Armuts- oder Ausgren-
zungsgefährdete“ gibt es Personen, die gleichzeitig
von mindestens zwei der drei Problembereiche – Ar-
mutsgefährdung, erhebliche materielle Deprivation
und keine/ sehr niedrige Erwerbsintensität – betrof-
fen sind. Da sich diese Ausgrenzungsgefährdeten in
multiplen Gefährdungslagen befinden, werden sie
im Folgenden als Mehrfach-Ausgrenzungsgefährdete
bezeichnet. Wie in Kapitel 2.3.1 deutlich wurde, ist
die Gruppe der Mehrfach-Ausgrenzungsgefährdeten
im Vergleich zu 2004 starkerhöht, sodass sich heute
388.000 Personen in mindestens zwei Problemberei-
chen sozialer Armuts- oder Ausgrenzungsgefährdung
befinden. Das entspricht einem Anteil von rund 5%
der österreichischen Gesamtbevölkerung bzw. 28%
der Armuts- oder Ausgrenzungsgefährdeten. Auch
im Vergleich zum Vorjahr 2010 ist kein Rückgang der
multiplen Ausgrenzungsgefährdung zu beobachten.
Daher soll die Gruppe der Mehrfach-Ausgrenzungsge-
fährdeten in diesem Abschnitt in den Fokus gerückt
und ihr Lebensstandard im Detail beschrieben werden.
Nahezu die Hälfte aller Mehrfach-Ausgrenzungsgefähr-
deten – 181.000 Personen bzw. 2,2% der Gesamtbe-
völkerung – leben in einem Haushalt, der gleichzeitig
von Armutsgefährdung und keiner oder sehr niedriger
Erwerbsintensität betroffen ist. Die zweitgrößte Über-
schneidungsgruppe sind Personen, die von allen drei
Problembereichen betroffen sindundderen Lage daher
als besonders prekär zu bezeichnen ist: Auch hier
handelt es sich um Menschen in Haushalten, die von
Armutsgefährdung undvon keiner oder sehr niedriger
Erwerbsintensität betroffen sind; hinzu kommt, dass
sie erheblich materiell depriviert sind, d.h. in ihrem
Lebensstandard aufgrund finanzieller Schwierigkei-
ten stark eingeschränkt sind. Die Gleichzeitigkeit
von Armutsgefährdung und erheblicher materieller
Deprivation (ohne mangelnde Erwerbseinbindung
des Haushalts) tritt vergleichsweise etwas seltener
auf und betrifft 80.000 Menschen in Österreich.62
Deutlich seltener tritt keine oder sehr niedrige Er-
werbsintensitätgemeinsam miterheblicher materieller
Deprivation ohne gleichzeitige Armutsgefährdung
auf: 26.000 Personen in Österreich befinden sich in
einer solchen Lage.
Grafik 16: Teilgruppen der Mehrfach-Aus-
grenzungsgefährdeten
ADE
26%
100.000
ED
7%
26.000
AD
20%
80.000
AE
47%
181.000
Q: STATISTIK AUSTRIA, EU-SILC 2011.
Mehrfach-Ausgrenzungsgefährdete: Ausgrenzungsgefährdete Per-
sonen, die gleichzeitig von mindestens zwei der drei Problemberei-
che „Armutsgefährdung“, „erhebliche materielle Deprivation“ und
„keine/ sehr niedrige Erwerbsintensität“ betroffen sind.
AE = Armutsgefährdet (A) und in einem Haushalt mit keiner/sehr
niedriger Erwerbsintensität (E) lebend; AD = Armutsgefährdet und
erheblich materiell depriviert (D); ED = Erheblich materiell depri-
viert und in einem Haushalt mit keiner/sehr niedriger Erwerbsinten-
sität lebend; ADE = Von allen drei Ausgrenzungsgefährdungslagen
betroffen.
62 Zu beachten ist jedoch, dass der Indikator „keine oder sehr niedrige Erwerbsintensität“ nur für Personen unter 60 Jahren definiert ist.
ÜBERSCHNEIDUNGEN IN DEN PROBLEMBEREICHEN SOZIALER ARMUTS- ODER AUSGRENZUNGSGEFÄHRDUNG
82
6.1 Lebensstandard der Mehrfach-Ausgrenzungsgefährdeten
Grafik17 zeigt den Lebensstandard der Mehrfach-Aus-
grenzungsgefährdeten entlang ausgewählter nationaler
Eingliederungsindikatoren imVergleich zu den Einfach-
und Nicht-Ausgrenzungsgefährdeten. Es zeigt sich,
dass Personen in multipler Ausgrenzungsgefährdung
durchwegs höhere Betroffenheitsquoten aufweisen
als jener Personenkreis, der von ausschließlich einem
Problembereich betroffen ist. Im Vergleich zu dem
nicht ausgrenzungsgefährdeten Teil der Bevölkerung
ist die Betroffenheit von prekären Lebensstandards
wesentlich – bis zu sieben Mal – höher. Die Gruppe
der Mehrfach-Ausgrenzungsgefährdeten ist somit im
Vergleich zur Restbevölkerung in ihrem Lebensstan-
dard derart häufig von Einschränkungen betroffen,
dass anzunehmen ist, dass sie auch in ihrer sozialen
Teilhabe bereits stark eingeschränkt ist.
Das äquivalisierte Haushaltseinkommen der Mehr-
fach-Ausgrenzungsgefährdeten beträgt im Median
9.705 Euro im Jahr. Ihre Armutsgefährdungslücke
liegt somit bei 26%, während sie bei den Einfach-
Ausgrenzungsgefährdeten bei 17% liegt. Zieht man
einen anderen Schwellenwert als Grenze für einen
akzeptablen Lebensstandard heran, so bietet sich
als politisch definierte Grenze etwa die Bedarfso-
rientierte Mindestsicherung an (siehe Kapitel 3.1).
Sie definiert für einen Ein-Personenhaushalt das
Mindesteinkommen mit 9.035 Euro jährlich. 43% der
Mehrfach-Ausgrenzungsgefährdeten müssen jedoch
ihren Lebensunterhalt mit weniger bestreiten. Dies ist
mit ein Grund, weshalb sich 70% der von multipler
Ausgrenzungsgefährdung Betroffenen mindestens
zwei Grundbedürfnisse für einen angemessenen Le-
bensstandard in Österreich nicht leisten können, wie
es der nationale Indikator „Finanzielle Deprivation“63
zum Ausdruckbringt. Im Durchschnitt fehlt es diesen
Personen an drei Grundbedürfnissen; fast alle sind
finanziell nicht in der Lage, unerwartete Ausgaben
in Höhe von 950 Euro zu tätigen (95%), viele können
es sich nicht leisten, einmal im Monat Freunde oder
Verwandte zum Essen einzuladen (69%) und jeden
zweiten Tag Fleisch, Fisch oder eine vergleichbare
vegetarische Speise zu essen (62%) oder sich bei
Bedarf neue Kleider zu kaufen (58%).
Anhand des nationalen Indikators „Mehrfache ge-
sundheitliche Einschränkungen“64
wird zudem der
enge Zusammenhang von Gesundheit und (multipler)
Ausgrenzungsgefährdung deutlich: Während 7% der
Nicht-Ausgrenzungsgefährdeten ab 16 Jahren und 15%
der Einfach-Ausgrenzungsgefährdeten gesundheitlich
beeinträchtigt sind, trifft dies auf 23% der Mehrfach-
Ausgrenzungsgefährdeten zu. Damit trifft bei ca.
jeder vierten von multipler Ausgrenzung betroffenen
Person eine gesundheitliche Beeinträchtigung in
mindestens zwei der drei Merkmale „sehr schlechter
allgemeiner Gesundheitszustand in der subjektiven
Einschätzung“, „chronische Krankheit“, „starke Ein-
schränkung bei der Verrichtung alltäglicher Arbeiten
durch eine gesundheitliche Beeinträchtigung seit
mindestens einem halben Jahr“ zu. Es bleibt jedoch
ungeklärt, in welchem Ausmaß die gesundheitlichen
Einschränkungen zu Ausgrenzungsgefährdung oder
umgekehrt der niedrige Lebensstandard zu gesund-
heitlichen Problemen führen.
Der Lebensstandard wird letztlich auch durch die
Wohnqualität und die Wohnumgebung bestimmt.
Benachteiligungen hierin werden in den Indikatoren
„PrekäreWohnqualität“ und„Belastung der Wohnum-
63 Zur Definition und einer Analyse der zeitlichen Entwicklung des Indikators „Finanzielle Deprivation“ für die Gesamtbevölkerung siehe
Kapitel 8.1.
64 Zur Definition und einer Analyse der zeitlichen Entwicklung des Indikators „Mehrfache gesundheitliche Einschränkungen“ für die Ge-
samtbevölkerung siehe Kapitel 8.5.
ÜBERSCHNEIDUNGEN IN DEN PROBLEMBEREICHEN SOZIALER ARMUTS- ODER AUSGRENZUNGSGEFÄHRDUNG
83
gebung“deutlich.65
WenngleichauchhierdieMehrfach-
Ausgrenzungsgefährdeten eine höhere Betroffenheit
zeigen alsdie beidenVergleichsgruppen, istder Anteil
anBetroffenenaufniedrigeremNiveau.DieWohnqualität
ist für 10% der Mehrfach-Ausgrenzungsgefährdeten
alsprekär einzustufen, und20% erfahren mindestens
zwei Belastungen wie Lärm, Umweltverschmutzung
oder Kriminalität in ihrer Wohnumgebung.
6.2 Risikofaktoren für mehrfache Ausgrenzungsgefährdung
Obwohl die Haushaltseinkommen der Mehrfach-
Ausgrenzungsgefährdeten fast immer (93%) unter
der Armutsgefährdungsschwelle liegen, haben ar-
mutsgefährdete Personen im Vergleich zu erheblich
materiell Deprivierten und Personen in Haushalten
mit keiner oder sehr niedriger Erwerbsintensität das
geringste Risiko, in mehrfache Benachteiligung zu
geraten: 34% der Armutsgefährdeten befinden sich
Grafik 17: Lebensstandard der Mehrfach-Ausgrenzungsgefährdeten im Vergleich
Prekäre Wohnqualtität
Nicht-Ausgrenzungsgefährdet
Einfach-Ausgrenzungsgefährdet
Mehrfach-Ausgrenzungsgefährdet
Finanzielle Deprivation
Belastung durch Wohnumgebung Mehrfache gesundheitliche Einschränkungen*
Haushaltseinkommen unter der
Mindestsicherung
70%
80%
60%
50%
40%
30%
20%
10%
0%
Q: STATISITK AUSTRIA, EU-SILC 2011.
Anteil Betroffenheit in Prozent der jeweiligen Ausgrenzungsgefährdungsgruppen.
Einfach-Ausgrenzungsgefährdete: Ausschließlich von einem der drei Problembereiche „Armutsgefährdung“, „erhebliche materielle Depriva-
tion“ und „keine/ sehr niedrige Erwerbsintensität“ betroffen; Mehrfach-Ausgrenzungsgefährdete: Von mindestens zwei der drei Problembe-
reiche betroffen; Definitionen der jeweiligen Indikatoren des Lebensstandards siehe Kapitel 8.
* Nur Personen ab 16 Jahren.
Lesebeispiel: 70% aller mehrfach ausgrenzungsgefährdeten Personen sind von finanzieller Deprivation betroffen, während 9% der Nicht-Aus-
grenzungsgefährdeten von finanzieller Deprivation betroffen sind.
65 Zur Definition und einer Analyse der zeitlichen Entwicklung der nationalen Indikatoren zum Thema Wohnen für die Gesamtbevölkerung
siehe Kapitel 8.3.
ÜBERSCHNEIDUNGEN IN DEN PROBLEMBEREICHEN SOZIALER ARMUTS- ODER AUSGRENZUNGSGEFÄHRDUNG
84
in multipler Ausgrenzungsgefährdung, während
dies bei rund 64% bzw. 60% der beiden anderen
Zielgruppen der Fall ist. Dies weist darauf hin, dass
ein Haushaltseinkommen unter der Armutsgefähr-
dungsschwelle nicht unmittelbar zu einer prekären
Lebenslage mit multiplen Problemlagen führt, und es
stellt sich die Frage, welche Faktoren zusätzlich zur
Armutsgefährdung das Risiko erhöhen.
Anhand der in Übersicht 31 abgebildeten Quote
wird das Risiko der verschiedenen soziodemogra-
phischen Untergruppen deutlich, in mehrfache
Ausgrenzungsgefährdung zu geraten. Hierbei zeigt
sich zwischen Männern und Frauen kein Unterschied.
Eine statistisch gesicherte Aussage für das Mehrfach-
Ausgrenzungsgefährdungsrisiko nach Altersgruppen
zu treffen, ist aufgrund der geringen Fallzahlen der
über 64-Jährigen erschwert. Die Befunde deuten aber
darauf hin, dass Personen im Alter von 65 und mehr
Jahren eher seltener von multipler Ausgrenzungs-
gefährdung betroffen sind als Jüngere. Dabei ist zu
berücksichtigen, dass über 60-jährige Personen per
Definition eine geringere Wahrscheinlichkeitaufweisen,
in Ausgrenzungsgefährdung zu geraten, da für sie der
Indikator “keine/ sehr niedrige Erwerbsintensität”
nicht berechnet wird.
Nach Haushaltstyp zeigt sich, dass alleinlebende
Menschen, Ein-Eltern-Haushalte und Mehrpersonen-
haushalte mit mindestens drei Kindern ein deutlich
höheres Mehrfach-Ausgrenzungsgefährdungsrisiko
haben als andere Haushaltsformen. Mit einer Quote
von 16% sind Ein-Eltern-Haushalte am stärksten von
multipler Ausgrenzung gefährdet.
Personen, die maximalüber einen Pflichtschulabschluss
verfügen, sind eher mehrfach ausgrenzungsgefähr-
det als Personen mit höheren Bildungsabschlüssen.
Auch nach Staatsbürgerschaft zeigen sich deutliche
Unterschiede: Personen mit nicht österreichischer
Staatsbürgerschaft haben ein drei Mal so hohes Ri-
siko (12%), in multiple Ausgrenzungsgefährdung zu
geraten, als österreichische StaatsbürgerInnen (4%).
Übersicht 31: Mehrfach-Ausgrenzungs-
gefährdete nach soziodemographischen
Merkmalen
Mehrfach-Ausgren-
zungsgefährdet
in
1.000
Anteil
in %
Quote
in %
Insgesamt 388 100 5
Männer ab 20 Jahren
Zusammen 128 33 4
20-39 Jahre 52 13 5
40-64 Jahre 72 19 5
65 Jahre und älter (5) (1) (1)
Frauen ab 20 Jahren
Zusammen 151 39 4
20-39 Jahre 57 15 5
40-64 Jahre 87 22 6
65 Jahre und älter (8) (2) (1)
Haushaltstyp
Alleinlebende Männer 65 17 12
Alleinlebende Frauen 68 18 9
Mehrpersonenhaushalt ohne Kinder 71 18 2
Ein-Eltern-Haushalt 44 11 16
Mehrpersonenhaushalt + 1 Kind 19 5 1
Mehrpersonenhaushalt + 2 Kinder 35 9 2
Mehrpersonenhaushalt + mind.
3 Kinder
84 22 12
Höchster Bildungsabschluss
Max. Pflichtschule 134 34 8
Lehre/mittlere Schule 108 28 3
Matura 49 13 4
Universität 13 3 2
Staatsbürgerschaft
Österreich 273 70 4
Nicht Österreich 115 30 12
Q: STATISITK AUSTRIA, EU-SILC 2011.
Zahlen in Klammern beruhen auf geringen Fallzahlen. Sind in der
Randverteilung weniger als 50 oder in der Zelle weniger als 20
Fälle vorhanden, wird geklammert.
UMVERTEILUNGSWIRKUNG DER SOZIALLEISTUNGEN
85
7. UMVERTEILUNGSWIRKUNG DER SOZIALLEISTUNGEN
Das folgende Kapitel untersucht die Wirkung von
Sozialleistungen auf die Haushaltseinkommen und
stellt dar, wie die Armutsgefährdung von Sozial-
leistungen beeinflusst wird. Geldleistungen der öf-
fentlichen Hand können bewusst zur Armutsreduktion
eingesetzt werden, wie etwa Mindestsicherung oder
Ausgleichszulage, oder sie stellen Ersatzleistungen
dar (Pensionen, Arbeitslosenleistungen etc.), die
indirekt das Armutsrisiko senken. Zum Teil können
durch Sozialleistungen zudem hohe Kosten ausge-
glichen werden, die mit bestimmten Lebenssitua-
tionen einhergehen, wie etwa Ausgaben für Kinder
oder der Aufwand für Versorgung bei Krankheit oder
Behinderung. Für Haushalte mit niedrigem Haushalts-
einkommen stellen Sozialleistungen einen wichtigen
Einkommensbestandteil dar. Auch wenn der Lebens-
standard gemessen am Haushaltseinkommen trotz
der Sozialleistungen oft unterdurchschnittlich bleibt,
bewahren diese eine große Bevölkerungsgruppe vor
einem noch stärkeren Absinken ihres Lebensstan-
dards. Auch Sachleistungen desSozialsystems tragen
zur Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen
bei. In Österreich machen Sachleistungen 26% der
Ausgaben der öffentlichen Hand für Sozialschutz
aus.66
Diese Leistungen werden in den folgenden
Analysen nicht berücksichtigt.
7.1 Anteil der Sozialleistungen und Pensionen am Haushaltseinkommen
Sozialleistungen machen 17% des verfügbaren
Haushaltseinkommens67
der Privathaushalte in
Österreich aus (Übersicht 32). Pensionen bilden
im Durchschnitt 19% des Haushaltseinkommens,
sodass insgesamt 36% des verfügbaren Haushalts-
einkommens aus Leistungen der öffentlichen Hand
stammen. Laut EU-SILC 2011 machen die Pensionen
in Summe 35,0 Mrd. Euro des Nettoeinkommens
der privaten Haushalte aus, Sozialleistungen 17,4
Mrd. Euro.68
SOZIALLEISTUNGEN:
Berücksichtigt werden alle Sozialleistungen und Pensionen der öffentlichen Hand: Familienleistungen (Famili-
enbeihilfe, Wochengeld, Kinderbetreuungsgeld, staatliche Unterhaltsvorschüsse), Arbeitslosenleistungen (Ar-
beitslosengeld, Notstandshilfe, Leistungen zur Deckung des Lebensunterhalts, vorzeitige Alterspension wegen
Arbeitslosigkeit vor Erreichen des gesetzlichen Pensionsalters), Gesundheitsleistungen (Krankengeld; Unfallrente,
Pflegegeld, Invaliditätspension vor Erreichen des gesetzlichen Pensionsalters; sonstige Unfall- und Krankenleis-
tungen), Bildungsleistungen (Stipendien und Studienbeihilfen, sonstige Bildungsleistungen), Wohnbeihilfen und
Bedarfsorientierte Mindestsicherung/Sozialhilfe. Als Pensionen gelten Unfallrenten, Invaliditätspensionen, vor-
zeitige Alterspension wegen Arbeitslosigkeit und Pflegegeld für Personen im Pensionsalter (Frauen ab 60, Männer
ab 65 Jahre), Eigenpensionen sowie Hinterbliebenenpensionen.
66 Vgl. http://www.statistik.at/web_de/statistiken/soziales/sozialschutz_nach_eu_konzept/sozialausgaben/020177.html (30.11.2012)
67 Der relative Anteil wird nicht vom äquivalisierten Haushaltseinkommen auf Personenebene, sondern vom verfügbaren Haushaltseinkom-
men auf Haushaltsebene berechnet.
68 Ohne Sachleistungen. Vgl. Tabelle 11.1b im Tabellenband zu EU-SILC 2011 (Statistik Austria 2012).
UMVERTEILUNGSWIRKUNG DER SOZIALLEISTUNGEN
86
Übersicht 32: Anteil der Sozialleistungen und Pensionen am verfügbaren Haushalts-
einkommen
Haushaltstyp
Anzahl
Personen
in 1.000
Median des
verfügbaren
Haushaltsein-
kommens pro
Jahr in Euro
Relativer Anteil am verfügbaren Haushalts-
einkommen
Sozial-
leistungen
Pensionen
Sozial-
leistungen plus
Pensionen
in %
Insgesamt 8.316 31.759 17 19 36
Haushalte mit Pension 1.530 25.927 5 88 93
Davon nicht armutsgefährdet 1.326 28.277 5 87 92
Davon armutsgefährdet 204 11.681 7 90 97
Alleinlebende Männer 128 20.433 2 95 97
Alleinlebende Frauen 304 17.858 12 86 98
Mehrpersonenhaushalte 1.097 33.060 4 87 91
Haushalte ohne Pension 6.786 34.844 20 3 23
Davon nicht armutsgefährdet 5.938 39.392 15 4 19
Davon armutsgefährdet 847 11.700 50 2 52
Alleinlebende Männer 432 21.000 22 0 22
Alleinlebende Frauen 459 17.550 33 7 40
Mehrpersonenhaushalt ohne Kinder 1.963 43.695 12 6 18
Haushalte mit Kindern 3.931 44.480 22 2 24
Ein-Eltern-Haushalt 267 25.487 34 0 34
Mehrpersonenhaushalt + 1 Kind 1.440 46.351 15 3 18
Mehrpersonenhaushalt + 2 Kinder 1.498 47.143 21 2 23
Mehrpersonenhaushalt + mind. 3 Kinder 727 46.281 32 2 34
Haushalt mit jüngstem Kind…
Bis 3 Jahre 1.125 40.122 31 2 33
4 bis 6 Jahre 618 39.819 24 1 25
Über 6 Jahre 2.242 48.166 16 4 20
Haushalte mit …
Behinderung (im Erwerbsalter) 707 29.761 34 15 49
Kurzzeit -Arbeitslosigkeit <6 Monate 937 33.380 23 3 26
Langzeit -Arbeitslosigkeit >= 12 Monate 624 25.540 46 7 53
Ausl. Mitglied (Nicht EU/EFTA) 914 31.203 30 4 34
Eingebürgerten (ohne ausländ. Mitglied) 348 29.828 28 12 40
Q: STATISTIK AUSTRIA, EU-SILC 2011.
Personen in Haushalten.
Behinderung: Subjektiv wahrgenommene starke Einschränkung bei Tätigkeiten des normalen Alltagslebens seit mindestens sechs Monaten.
Arbeitslosigkeit: Insgesamt gibt es 716.000 Personen, die 2010 mindestens 1 Monat Hauptaktivität „Arbeitslos“ angaben. In diesen Haus-
halten leben 1,74 Mio. Menschen. Für die Übersicht wurden nur die Extreme ausgewählt, das heißt, jene Haushalte sind nicht enthalten, in
denen nur Arbeitslose leben, die 7 bis 11 Monate arbeitslos waren. 19.000 Personen leben in Haushalten, in denen Kurz- und Langzeitar-
beitslose nach den in der Übersicht ausgewiesenen Kategorien zusammenleben.
Haushalte mit ausländischen Mitgliedern und Haushalte mit Eingebürgerten sind nicht überschneidend: Haushalte mit Eingebürgerten
(aus Nicht-EU/EFTA) enthalten per Definition keine AusländerInnen.
Sozialleistungen umfassen Familien-, Bildungs-, Arbeitslosen-, Gesundheitsleistungen, Sozialhilfe/Mindestsicherung und Wohnbeihilfen
sowie Hinterbliebenenleistungen und Pensionen von Personen im Erwerbsalter.
UMVERTEILUNGSWIRKUNG DER SOZIALLEISTUNGEN
87
Je nach Haushaltstyp schwanken die Anteile der Pen-
sionen undSozialleistungen am Haushaltseinkommen
beträchtlich. In Haushalten, deren Haupteinkom-
mensquelle Pensionen darstellen, machen diese
88% des verfügbaren Haushaltseinkommens aus.
Zusammen mit Sozialleistungen werden insgesamt
93% aus sozialstaatlichen Leistungen abgedeckt.
Bei alleinlebenden Frauen mit Pension ist der Anteil
aus Sozialleistungen mit 12% wesentlich höher als
bei alleinlebenden Männern mit Pension (2%) oder
bei Mehrpersonenhaushalten mit Pension (4%), da
sie seltener über eine eigene Alterspension verfügen.
Besonders hoch ist der Anteil von Sozialtransfers
und Pensionen bei alleinlebenden Personen und
Armutsgefährdeten (97% bzw. 98%). Personen mit
einem äquivalisierten Haushaltseinkommen über der
Armutsgefährdungsschwelle oder in Mehrpersonen-
haushalten lebende Personen mit Pension beziehen
neben ihren Pensionen undSozialleistungen noch 8%
bzw. 9% ihres Haushaltseinkommens aus anderen
Quellen.
In den übrigen Haushaltstypen machen Pensionen mit
3% nur einen geringen Anteil am Haushaltseinkommen
aus, ein Fünftel des verfügbaren Haushaltseinkom-
mens kommt jedoch ausSozialleistungen. In armuts-
gefährdeten Haushalten machen Sozialleistungen
50% des Haushaltseinkommens aus. Insbesondere
alleinlebende Frauen, Ein-Eltern-Haushalte und
Mehrpersonenhaushalte mit mindestens drei Kindern
beziehen über 30% ihres Haushaltseinkommens aus
Sozialleistungen. Unterdurchschnittliche Anteile an
Sozialleistungen beziehen Mehrpersonenhaushalte
ohne oder mit einem Kind (12% bzw. 15%). In Haushal-
ten mit Kindern nimmt der Anteil der Sozialleistungen
mit dem Alter des jüngsten Kindes ab: Ist das jüngste
Kind drei Jahre oder jünger, erhalten die Haushalte
31% ihres Einkommens aus Sozialleistungen, bei
über Sechsjährigen nur noch 16%.
Haushalte, dieSozialleistungen als Einkommensersatz
bei Behinderung oder Arbeitslosigkeit beziehen, sind
durch verringerte Erwerbsmöglichkeiten zu einem
hohen Grad von diesen Bezügen abhängig. Sozi-
alleistungen und Pensionen machen für Haushalte
mit behinderten Mitgliedern im Erwerbsalter knapp
die Hälfte des Haushaltseinkommens aus, für Haus-
halte mit Langzeitarbeitslosen 53%. Bei kurzzeitiger
Arbeitslosigkeit eines Haushaltsmitglieds wird rund
ein Viertel des Haushaltseinkommens durch Sozial-
leistungen und Pensionen getragen.
In Haushalten mit ausländischen Mitgliedern spielen
Pensionen mit einem Anteil von 4% nur eine geringe
Rolle für das gesamte Haushaltseinkommen. Gibt es
eingebürgerte Personen im Haushalt, kommt mit 12%
ein etwas größerer Anteil des Haushaltseinkommens
ausPensionen.Sozialleistungen machen in Haushalten
mit ausländischen oder eingebürgerten Mitgliedern
30% bzw. 28% des Haushaltseinkommens aus.
7.2 Armutsgefährdung nach Haupteinkommensquelle
Wenn ein Haushalt aufSozialleistungen als Hauptein-
kommensquelle angewiesen ist, werden meist nur
niedrige Haushaltseinkommen erzielt. Dement-
sprechend hoch ist für diese Gruppe mit 51% die
Armutsgefährdungsquote (Grafik 18). Kommt das
Haushaltseinkommen zum Großteil aus Pensionen
oder selbständigem Erwerbseinkommen, liegt das
Armutsrisiko im Durchschnitt bei 13% bzw. 12%, bei
unselbständigem Einkommen sogar deutlich niedriger
(6%). Ein erhöhtes Armutsrisiko haben hingegen Per-
sonen, deren Haushalt vor allem private Einkommen
wie Unterhaltszahlungen, Kapitaleinkommen oder
Privatpensionen bezieht (40%).
UMVERTEILUNGSWIRKUNG DER SOZIALLEISTUNGEN
88
7.3 Armutsgefährdung vor und nach Sozialleistungen und Pensionen
Entsprechend ihrem Anteil am Haushaltseinkommen
und der Höhe der ausbezahlten Beträge können
Sozialleistungen und Pensionen das Einkommen
eines Haushalts über die Armutsgefährdungsschwel-
le anheben. Um diesen Effekt abzubilden, wird die
„Armutsgefährdungsquote vor Sozialleistungen und
Pensionen“ mit einem Haushaltseinkommen ohne
Sozialleistungen und Pensionen berechnet, wobei
die gleiche Schwelle von 1.066 Euro für einen Ein-
personenhaushalt angewendet wird. Im Haushalts-
einkommen werden demnach nur Einkünfte aus
Arbeit und Vermögen (Faktoreinkommen) und aus
privaten Zahlungen berücksichtigt. Ebenso können
die Auswirkungen einzelner Gruppen von Sozial-
leistungen getrennt betrachtet werden, indem sie
einzeln vom Haushaltseinkommen abgezogen werden
(Übersicht 33). Vor Sozialleistungen und Pensionen
liegt die Armutsgefährdungsquote insgesamt bei
44%, nach Sozialleistungen und Pensionen bei 13%.
Das entspricht einer Verringerung des Armutsrisikos
um rund 70%. In absoluten Zahlen hätten 2,5 Mio.
Menschen ohne Pensionen undSozialleistungen ein
Einkommen unter der Armutsgefährdungsschwelle.
ARMUTSGEFÄHRDUNG VOR SOZIALLEISTUNGEN UND PENSIONEN:
Armutsgefährdung nach Abzug von Sozialtransfers und Pensionen vom Haushaltseinkommen, unter Beibehaltung
der Armutsgefährdungsschwelle inklusive Sozialleistungen und Pensionen bei 60% des Medians. Die Armutsge-
fährdung beträgt in der Gesamtbevölkerung laut EU-SILC 2011 13%. Würde man bei gleichbleibender Schwelle die
Armutsgefährdung anhand des Einkommens ohne Sozialleistungen und Pensionen berechnen, würde sie 44%
betragen (nur ohne Pensionen und Hinterbliebenenleistungen 32% bzw. nur ohne Sozialleistungen 25%). Ohne
Familien- und Bildungsleistungen, aber mit allen anderen Leistungen würde die Armutsgefährdung 20% betragen,
Grafik 18: Armutsgefährdungsquote nach Haupteinkommensquelle des Haushalts
0
10
20
30
40
50
60
Gesamt Unselbständige
Arbeit
Selbstständige
Arbeit
Sozial-
leistungen
Pensionen Private
Einkommen
13
6
12
51
13
40
Armutsgefährdungsquotein%
Haupteinkommensquelle
Armutsgefährdete
1.051 287 80 417 212 55Personen in 1.000
Q: STATISTIK AUSTRIA, EU-SILC 2011.
UMVERTEILUNGSWIRKUNG DER SOZIALLEISTUNGEN
89
ohne Arbeitslosenleistungen 16% usw. Es handelt sich um eine rein fiktive Berechnung, da sich bei Wegfall der
Sozialleistungen auch der Median des Haushaltseinkommens ändern würde. Unter der Annahme einer gleich-
bleibenden Schwelle kann der Einfluss von Sozialleistungen für unterschiedliche Gruppen und Lebensphasen
dargestellt werden (vgl. Übersicht 33).
Übersicht 33: Armutsgefährdung vor und nach Sozialleistungen und Pensionen nach Haus-
haltszusammensetzung
Anzahl
Personen
in 1.000
Armutsgefährdungsquote
nach
Sozial-
leistun-
gen und
Pensio-
nen
in %
vor …
Pensio-
nen u.
Sozial-
leistun-
gen
Pensio-
nen u.
Hinter-
bliebe-
nenleis-
tungen
Sozial-
leistun-
gen
Famili-
en-/Bil-
dungs-
leistun-
gen
Arbeitslo-
senleis-
tungen
Gesund-
heitsleis-
tungen
Sozialhil-
fe/Wohn-
beihilfe
in %
Insgesamt 8.316 13 44 32 25 20 16 15 13
Haushalte mit Pension 1.530 13 96 95 16 14 15 15 14
Alleinlebende Männer 128 13 97 97 13 13 13 13 13
Alleinlebende Frauen 304 26 99 99 28 26 27 26 28
Mehrpersonenhaushalt 1.097 10 95 94 13 10 12 12 10
Haushalte ohne Pension 6.786 12 32 17 27 21 16 15 13
Alleinlebende Männer 432 23 33 23 33 23 28 26 24
Alleinlebende Frauen 459 26 51 45 34 27 30 29 29
Mehrpersonenhaushalt
ohne Kinder
1.963 7 22 12 16 8 11 12 8
Haushalte mit Kindern 3.931 12 34 16 31 26 16 13 13
Ein-Eltern-Haushalt 267 24 53 26 50 43 30 25 30
Mehrpersonenhaushalt
+ 1 Kind
1.440 5 22 9 18 13 9 7 6
Mehrpersonenhaushalt
+ 2 Kinder
1.498 10 34 14 30 25 13 11 11
Mehrpersonenhaushalt
+ mind. 3 Kinder
727 26 53 29 50 49 28 27 27
Haushalte mit dem jüngsten Kind
Bis 3 Jahre 1.125 15 48 18 45 43 19 15 16
4 bis 6 Jahre 618 21 43 24 40 37 24 22 22
Über 6 Jahre 2.242 8 27 14 20 15 12 10 9
Q: STATISTIK AUSTRIA, EU-SILC 2011.
Personen in Haushalten.
Pensionen: Alters- und Hinterbliebenenleistungen. - Familienleistungen: Familienbeihilfe, Wochengeld, Kinderbetreuungsgeld, staatl.
Unterhaltsvorschüsse. - Bildungsleistungen: Stipendien und Studienbeihilfen, sonstige Bildungsleistungen. - Arbeitslosenleistungen: Ar-
beitslosengeld, Notstandshilfe, Altersteilzeit (Betrag vom AMS), Leistung zur Deckung des Lebensunterhalts, vorzeitige Alterspension we-
gen Arbeitslosigkeit, andere Arbeitslosenleistungen. - Gesundheitsleistungen: Krankengeld, Unfallrente, Pflegegeld, Invaliditätspension
von Personen unterhalb des Pensionsalters, sonstige Unfall- und Krankenleistungen. - Sozialhilfe: Einmalzahlungen und Dauerleistungen,
Bedarfsorientierte Mindestsicherung.
Lesehilfe: Die Armutsgefährdung beträgt in der Gesamtbevölkerung laut EU-SILC 2011 13%. Würde man bei gleichbleibender Schwelle die
Armutsgefährdung anhand des Einkommens ohne Sozialtransfers und Pensionen berechnen, würde sie 44% betragen (nur ohne Pensionen
und Hinterbliebenenleistungen 32% bzw. nur ohne Sozialtransfers 25%). Ohne Familien- und Bildungsleistungen, aber mit allen anderen
Leistungen würde die Armutsgefährdung 20% betragen, ohne Arbeitslosenleistungen 16% usw.
UMVERTEILUNGSWIRKUNG DER SOZIALLEISTUNGEN
90
In Haushalten mit der Haupteinkommensquelle aus
Pensionen besteht das Haushaltseinkommen fast
vollständig aus Pensionen, und es stehen nur in
geringem Ausmaß andere Einkommensquellen zur
Verfügung (vgl. Übersicht 32). Dementsprechend ist
diese Gruppe vor Pensionen und Hinterbliebenen-
leistungen fast zur Gänze armutsgefährdet (96%),
während die anderen Sozialleistungen deutlich
weniger Einfluss auf die Armutsgefährdungsquote
dieser Haushalte haben. Für andere Haushalte ohne
Kinder tragen vor allem Arbeitslosen- und Gesund-
heitsleistungen zu einem geringeren Armutsrisiko
bei, für alleinlebende Frauen auch Hinterbliebe-
nenleistungen. Leben Kinder im Haushalt, sind
Familien- und Bildungsleistungen wesentliche
Einkommensbestandteile, die das Haushaltseinkom-
men über die Armutsgefährdungsschwelle heben.
So beträgt das Armutsrisiko nach Sozialleistungen
und Pensionen für Haushalte mit Kindern 12%, vor
Familien- und Bildungsleistungen 26%. Rechnet
man alle Sozialleistungen und Pensionen heraus,
ergibt sich ein Armutsrisiko von 34%.
Besondere Bedeutung haben Sozialleistungen für
Ein-Eltern-Haushalte und Mehrpersonenhaushalte
mit mindestens drei Kindern, die vor Sozialleistungen
zu 50% armutsgefährdet sind. Sie verzeichnen aber
auch nach Sozialleistungen und Pensionen noch
eine Armutsgefährdungsquote von 24% bzw. 26%.
Neben Familienleistungen sind für diese Gruppe auch
Bedarfsorientierte Mindestsicherung bzw. Sozial-
hilfe, Wohnbeihilfe und Arbeitslosenleistungen für
die Aufrechterhaltung eines Lebensstandards über
der Armutsgefährdungsschwelle von besonderer
Bedeutung.
Für Personen mit Behinderung stellen Sozialleistun-
gen wie etwa das Pflegegeld, Invaliditätspension
oder erhöhte Familienbeihilfe einen Ausgleich für
zusätzliche Ausgaben aufgrund der Behinderung
und die verringerte oder gänzlich unmögliche Er-
werbsbeteiligung dar. Dementsprechend groß ist die
Verringerung des Armutsrisikos durch diese Leistun-
gen, das vor Sozialleistungen und Pensionen 62%
beträgt (Übersicht 34). Ganz ausgeglichen werden
diese Belastungen durch Sozialleistungen jedoch
nicht, die Armutsgefährdungsquote ist auch nach
Sozialleistungen und Pensionen mit 20% überdurch-
schnittlich hoch.
Vor Sozialleistungen und Pensionen sind 74% der
Personen in Haushalten mit Arbeitslosigkeit von
mindestens zwölf Monaten armutsgefährdet. Arbeits-
losenleistungen als Einkommensersatz für fehlendes
Erwerbseinkommen sind für diese Haushalte wesent-
licher Bestandteil des Haushaltseinkommens. Ohne
diese Leistungen wären bei Langzeitarbeitslosigkeit
im Haushalt 58% der Personen armutsgefährdet, im
Vergleich zu 39% nach Sozialleistungen und Pensio-
nen. Ohne Familien- und Bildungsleistungen wären
49% dieser Haushaltsmitglieder armutsgefährdet,
aber auch Sozialhilfe und Gesundheitsleistungen
spielen in diesen Haushalten eine stärkere Rolle
für die Reduktion des Armutsrisikos. Bei Kurzzeitar-
beitslosigkeit eines Mitglieds sind die Haushalte in
deutlich geringerem Ausmaß von Sozialleistungen
abhängig als bei Langzeitarbeitslosigkeit. Vor Ar-
beitslosenleistungen sind etwa 22% der Personen
in diesen Haushalten armutsgefährdet, vor Familien-
und Bildungsleistungen 25%. Nach Sozialleistungen
und Pensionen liegt die Armutsgefährdungsquote
der Haushalte mit Kurzzeitarbeitslosigkeit mit 13%
hingegen im Durchschnitt.
Haushalte mit ausländischen oder (aus Nicht-EU/
EFTA-Staaten) eingebürgerten Mitgliedern sind vor
Sozialleistungen und Pensionen zu 60% armuts-
gefährdet. Besonders hoch ist ihr Armutsrisiko vor
Familienleistungen (48% bzw. 37%) und vor Arbeits-
losenleistungen (36 %). Die staatlichen Transferleis-
tungen verringern ihr Armutsrisiko auf immer noch
überdurchschnittliche 28% bzw. 25%.
UMVERTEILUNGSWIRKUNG DER SOZIALLEISTUNGEN
91
7.4 Umverteilungswirkung der Sozialleistungen im europäischen
Vergleich
Sozialleistungen und Pensionen tragen im gesamten
europäischen Raum deutlich zur Verringerung des
Armutsrisikosbei, wie der Ländervergleich in Grafik19
zeigt. MitAusnahmevon Bulgarien wirddie Armutsge-
fährdungsquote durch Pensionen undSozialleistungen
inallendargestelltenLändernummindestensdieHälfte
reduziert, der EU-Schnitt liegt bei einer Reduktion um
62%.IndenLändernmitderstärkstenVerringerungwird
die Armutsgefährdungsquote um biszu 75% gesenkt,
wenn auch von sehr unterschiedlichen Niveaus aus-
gehend: in Ungarn etwavon 52% auf14%, imVergleich
zu Niederlande von 37% auf 11%. In Österreich ist bei
einer Reduktion um 71% dieSituationvergleichbar mit
den Niederlanden oder Luxemburg. Pensionen geben
dabei in den meisten Ländern den größten Ausschlag
zurVerringerung desArmutsrisikos. Ausnahmen Irland
Übersicht 34: Armutsgefährdung vor und nach Sozialleistungen und Pensionen in ausge-
wählten Risikogruppen
Anzahl
Personen
in 1.000
Armutsgefährdungsquote
nach
Sozial-
leistungen
und Pensi-
onen
in %
vor …
Pensionen
u. Sozial-
leistungen
Pensio-
nen u.
Hinterblie-
benenleis-
tungen
Sozial-
leistungen
Familien/
Bildungs-
leistungen
Arbeits-
losen-
leistungen
Gesund-
heitsleis-
tungen
Sozialhil-
fe/Wohn-
beihilfe
in %
Insgesamt 8.316 13 44 32 25 20 16 15 13
Haushalt mit …
Behinderung
(im Erwerbsalter)
707 20 62 34 50 28 31 32 21
Arbeitslosigkeit
Kurzzeit <6 Monate 937 13 43 19 36 25 22 16 14
Langzeit >= 12 M. 624 39 74 49 67 49 58 42 43
ausl. Mitglied
(Nicht EU/EFTA)
914 28 60 33 56 48 36 30 30
Eingebürgerten
(ohne ausl. Staatsb.)
348 25 60 36 48 37 36 27 28
Q: STATISTIK AUSTRIA, EU-SILC 2011.
Personen in Haushalten, in denen mindestens eine Person mit dem angeführten Merkmal lebt.
Behinderung: Subjektiv wahrgenommene starke Einschränkung bei Tätigkeiten des normalen Alltagslebens seit mindestens sechs Monaten.
Arbeitslosigkeit: Insgesamt gibt es 716.000 Personen, die 2010 mindestens 1 Monat Hauptaktivität Arbeitslos angaben. In diesen Haus-
halten leben 1,74 Mio. Menschen. Für die Übersicht wurden nur die Extreme ausgewählt, das heißt, jene Haushalte sind nicht enthalten, in
denen nur Arbeitslose leben, die 7 bis 11 Monate arbeitslos waren. 19.000 Personen leben in Haushalten, in denen Kurz- und Langzeitar-
beitslose nach den in der Übersicht ausgewiesenen Kategorien zusammenleben.
Haushalte mit ausländischen Mitgliedern und Haushalte mit Eingebürgerten sind nicht überschneidend: Haushalte mit Eingebürgerten
(aus Nicht-EU/EFTA) enthalten per Definition keine AusländerInnen.
Pensionen: Alters- und Hinterbliebenenleistungen. Familienleistungen: Familienbeihilfe, Wochengeld, Kinderbetreuungsgeld, staatl. Un-
terhaltsvorschüsse. - Bildungsleistungen: Stipendien und Studienbeihilfen, Studiengebührenrückerstattung, sonstige Bildungsleistungen.
- Arbeitslosenleistungen: Arbeitslosengeld, Notstandshilfe, Altersteilzeit (Betrag vom AMS), Leistungen zur Deckung des Lebensunterhalts,
vorzeitige Alterspension wegen Arbeitslosigkeit, andere Arbeitslosenleistungen. - Gesundheitsleistungen: Krankengeld, Unfallrente, Pfle-
gegeld, Invaliditätspension von Personen unterhalb des Pensionsalters, sonstige Unfall- und Krankenleistungen. Sozialhilfe: Einmalzah-
lungen und Dauerleistungen.
UMVERTEILUNGSWIRKUNG DER SOZIALLEISTUNGEN
92
und Großbritannien, woSozialleistungen die Armuts-
gefährdung stärker beeinflussen.
Zwischen den Ländern gibt es in der Armutsgefähr-
dungsquote vor Sozialleistungen und Pensionen
größere Unterschiede in der Quote als nach Sozial-
leistungen und Pensionen. ZumTeil werden auch sehr
hohe Quoten vor Sozialleistungen und Pensionen auf
durchschnittliche Werte reduziert, wie in Ungarn, Irland
und Deutschland. In Portugal, Estland und Bulgarien
ist hingegen die Armutsgefährdungsquote vor Sozi-
alleistungen und Pensionen unterdurchschnittlich,
liegt aber nach Berücksichtigung dieser Leistungen
über dem EU-Schnitt.
Grafik 19: Armutsgefährdung vor und nach Sozialleistungen und Pensionen der
EU-27-Staaten
0
10
20
30
40
50
60
70
80
TschechienUngarn
Österreich
Niederlande
Luxem
burgIrland*
Frankreich
Dänem
ark
SchwedenFinnlandSlovenienSlowakei
DeutschlandBelgien
GroßbritannienLitauen
PolenLettland
M
altaPortugalEstlandZypern
ItalienRum
änien
GriechenlandSpanienBulgarien
Armutsgefährdungsquote nach
Sozialleistungen und Pensionen
nur vor Sozialleistungen armutsgefährdet
nur vor Pensionen armutsgefährdet
Verringerung der Armutsgefährdungsquote
durch Sozialleistungen und Pensionen in %
inProzent
EU-27
Q: Eurostat, EU-SILC 2010 und 2011. Datenbank zum Stand 19.12.2012, eigene Darstellung.
Reihung von der höchsten zur geringsten prozentuellen Verringerung der Armutsgefährdungsquote durch Sozialleistungen und Pensionen.
* Aktuellste Zahlen stammen aus 2010.
ÖSTERREICHS INDIKATOREN FÜR SOZIALE EINGLIEDERUNG
93
8. ÖSTERREICHS INDIKATOREN FÜR SOZIALE EINGLIEDERUNG
Das Ziel der Bundesregierung zur Verringerung
von Armut bezieht sich heute auf eine Kennzahl:
den Leitindikator der Europa 2020-Strategie für
Armuts- oder Ausgrenzungsgefährdung. Nach den
gemeinsamen EU-Kriterien sind rund 1,4 Millionen
Menschen betroffen. Das für Österreich im Nationa-
len Reformprogramm (BKA 2012) festgeschriebene
Ziel ist eine Reduktion dieser Zahl um mindestens
235.000 Personen innerhalb von zehn Jahren. Bezogen
auf das Jahr 2008 entspricht das einer Reduktion
um 15,3% bzw. 1,5% pro Jahr. Armut ist eine nor-
mative Frage, die immer die Wertmaßstäbe einer
Gesellschaft spiegelt. Der gemeinsame Beschluss
der europäischen Staats- und Regierungschefs aus
dem Jahr 2010 hat es den Mitgliedstaaten deshalb
grundsätzlich freigestellt, alternative Kriterien für
nationale Zielsetzungen heranzuziehen. Diese
Möglichkeit wurde von Österreich bisher nicht in
Anspruch genommen. Ergänzend zur EU-Definition
hat Statistik Austria im Auftrag des BMASK aber einen
Katalog von 20 Indikatoren für fünf Lebensbereiche
entwickelt, die im Juni 2012 von der Nationalen
Plattform gegen Armut angenommen wurden. Dafür
wurden die bereits seit dem Jahr 2008 bestehenden
Eingliederungsindikatoren überarbeitet und ergänzt
(BMASK 2012).
8.1 20 Nationale Indikatoren
Die nachfolgende Tabelle bietet eine Übersicht des
gesamten Indikatorenkatalogs. Dargestellt sind die
jeweiligen Absolutzahlen bzw. Anteilswerte für jeden
Indikator. Selbstverständlich hängt es immer davon
ab, wie ein Indikator definiert ist, wie viele Menschen
als benachteiligt oder sogar arm angesehen werden.
Über manche Definitionen wurde sogar über Jahrzehn-
te diskutiert, bevor auf EU-Ebene ein Kompromiss
gefunden werden konnte und auch den nationalen
Indikatoren ging ein aufwendiger Konsultations- und
Entscheidungsprozess voraus. Dabei ist die Frage,
welche Kriterien das „richtige“ Ergebnis liefern vor
allem von ideologischem Interesse. Wenn man sich
einmal auf eine Definition geeinigt hat, sind nur
Vergleiche wirklich sinnvoll. Das gilt natürlich insbe-
sondere für internationale Vergleiche. Für nationale
Indikatoren sind besonders Vergleiche über die Zeit
interessant. Im Jahr 2011 hat sich die Zahl der Perso-
nen, die von monetärer Armutsgefährdung betroffen
waren, nicht signifikant gegenüber dem Jahr 2008
verändert. Diese Aussage gilt auch bei alternativen
Schwellenwerten für monetäre Armutsgefährdung.69
Sie gilt aber nicht für den zentralen EU-Indikator der
Armuts- oder Ausgrenzungsgefährdung, der neben
dem Einkommen auch Konsumeinschränkungen (De-
privation) und die Erwerbsintensität berücksichtigt.
Es gibt demnach Bereiche, die sich besser entwickelt
haben als andere. Genau solche Unterschiede nä-
her herauszuarbeiten, ist Aufgabe der nationalen
Eingliederungsindikatoren.
Die folgende Übersicht zeigt die EU-Leitindikatoren
sowie alle nationalen Indikatoren für die Gesamtbe-
völkerung in den Jahren 2008 bis 2011. Diese Zahlen
bilden die Grundlage für die Detailanalysen und
Indexdarstellungen zu den einzelnen Indikatoren.
69 Im Jahr 2011 stiegt die Armutsgefährdungsquote von 12,4 auf 12,6%. Sowohl Eurostat als auch Statistik Austria (vgl. Kap 3.1) publizieren
auch Ergebnisse für Schwellenwerte von 40%, 50% oder 70% des Medianeinkommens. Nach diesen Schwellenwerten wären im Jahr 2011
anstatt 12,6% jeweils 3,0%, 7,1% oder 20,6% der Gesamtbevölkerung armutsgefährdet. Alle dieseWerte sind höher als die Vergleichswerte
für 2008 2,4% 5,8%, 12,4% bzw. 20,1%. Dabei ist die Zunahme umso stärker je strenger die Definition des Schwellenwertes ist. Bei der
niedrigsten Schwelle lag der Zuwachs bei 25% während bei der 70%-Schwelle nur um 2,5% Personen mehr betroffen waren als im Jahr 2008.
ÖSTERREICHS INDIKATOREN FÜR SOZIALE EINGLIEDERUNG
94
Übersicht 35: Österreichs Indikatoren für soziale Eingliederung
2008 2009 2010 2011
in % in 1.000 in % in 1.000 in % in 1.000 in % in 1.000
Nationale Indikatoren
Lebensstandard
1) Manifeste Armut 6,0 492 5,9 488 6,2 511 5,2 431
2) Standard. preisber. Medianeinkommen
(Steigerung zum Vorjahr/Euro)
2,4* 19.010* 1,4* 19.272* 3,2* 19.889* 1,6* 20.189*
3) Einkommenslücke (Prozent vom BIP/Mio.) 0,6 1.752 0,7 2.048 0,7 2.004 0,9 2.570
4) Verfestigte Deprivation 9,0 713 11,9 957 10,6 855 9,7 781
5) Massive Zahlungsprobleme n.v. n.v. n.v. 145* n.v. 151* n.v. 155*
Wohnraum
6) Überbelag in Mehrpersonenhaushalten 7,1 583 6,9 567 5,5 453 5,3 444
7) Sehr hoher Wohnungsaufwand 16,8* 1.387* 16,0* 1.325* 17,6* 1.460* 18,2* 1.511*
8) Prekäre Wohnqualität 3,6 294 3,5 292 3,3 273 2,8 229
9) Belastung durch Wohnumgebung 9,3 768 10,4* 859* 10,2 842 9,5* 790*
10) Registrierte Wohnungslosigkeit
(in Prozent/Gesamtzahl)
0,1* 11.399* 0,2* 12.309* 0,2* 12.266* n.v. n.v.
Erwerbsleben
11) Arbeitsmarktfernenquote 17,2* 750* 15,3* 665* 16,9* 747* 16,9* 751*
12) Haushaltseinkommen aus Erwerbsarbeit
unter Armutsgefährdungsschwelle 1
)
17,7* 1.086* 17,1* 1.056* 18,2* 1.126* 20,0* 1.243*
13) Löhne unter 2/3 des Bruttomedianlohns 15,2* 462* 14,9* 446* 13,7* 417* 14,3* 435*
14) Erwerbshindernisse durch Betreuungspflichten 1,9 78 2,0 85 2,0 82 1,8* 77*
15) Langzeitbeschäftigungslose n.V. 54* n.v. 58* n.V. 74* n.v. 74*
Bildungschancen
16) Bildungsaktivität 34,2* 2.347* 35,3* 2.438* 36,3* 2.520* 37,6* 2.632*
17) Besuch vorschulischer Bildungseinrichtungen 42,0* 167* 44,4* 175* 45,7* 179* 46,9* 184*
18) Bildungsferne Jugendliche
(Prozent des Jahrgangs/Gesamtzahl)
7,4* 7.251* 7,6* 7.410* 7,2* 6.926* 6,8* 6.320*
Gesundheit
19) Mehrfache gesundheitliche Einschränkung 9,9* 677* 9,1* 631* 9,1* 630* 8,8* 618*
20)Soziale Lebenserwartungsdifferenzen
(Männer und Frauen gesamt)
4,2 Jahre *
EU-Indikatoren
Armuts- oder Ausgrenzungsgefährdung 18,6* 1.532* 17,0* 1.406* 16,6* 1.373* 16,9* 1.407*
Armutsgefährdung 12,4* 1.018* 12,0* 993* 12,1* 1.004* 12,6* 1.051*
Haushalte mit keiner/niedriger Erwerbsintensität 2
) 7,8 503 7,2 461 7,8 497 8,1 519
Erhebliche materielle Deprivation 6,4 524 4,8 395 4,3 356 3,9 325
Q: STATISTIK AUSTRIA, EU-SILC, Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen, Kreditschutzverband von 1860, Statistik des Bevölkerungsstan-
des, Mikrozensus-Arbeitskräfteerhebung, Arbeitsmarktservice, Kindertagesheimstatistik, Schulstatistik, Verknüpfung von Volkszählun-
gen/Proberegisterzählung 2006 mit Todesursachenstatistik.
* Präzise Schätzungen: Schwankungsbreite nicht größer als 10% des Schätzwerts oder Wert basierend auf Gesamtzählungsdaten.
Keine Hervorhebung: Schwankungsbreite liegt zwischen 10% und 20% des Schätzwerts.
1) Anteil bezieht sich auf Personen in Erwerbshaushalten.
2) Anteil bezieht sich auf Personen im Alter von 0 bis 59 Jahren.
ÖSTERREICHS INDIKATOREN FÜR SOZIALE EINGLIEDERUNG
95
Indikatoren für die Europa 2020-Zielgruppe
Vorrangige Aufgabe der nationalen Indikatoren
ist es auch, die reale Lebenssituation der Betrof-
fenen und die Intensität von Armutslagen besser
einschätzen zu können, als dies ausschließlich auf
Basis von gemeinsamen EU-Kriterien möglich ist.
Tatsächlich können sich die Lebensbedingungen
für Armutsbetroffene auch dann entscheidend ver-
ändern, wenn sich die Größe der Zielgruppe nicht
verändert. Zum Beispiel liegt das Leistungsniveau
der Mindestsicherung derzeit deutlich unterhalb
der Armutsgefährdungsschwelle und kann daher
nicht unmittelbar zu einer Verringerung von Armuts-
oder Ausgrenzungsgefährdung beitragen. Auch die
öffentliche Gesundheitsversorgung, Kinderbetreuung
oder die Entwicklung der Lebens- und vor allem
Wohnkosten spiegeln sich nicht automatisch in der
Zahl der Gefährdeten, können aber große Bedeutung
für die Betroffenen haben.
Übersicht 36: Indikatoren für soziale Eingliederung (Armuts-/ Ausgrenzungsgefährdete)
2008 2009 2010 2011
in % in 1.000 in % in 1.000 in % in 1.000 in % in 1.000
Nationale Indikatoren
Lebensstandard
1) Manifeste Armut 32,1 492 34,7 488 37,2 511 30,7 431
2) Standard. preisber. Medianeinkommen
(Steigerung zum Vorjahr/Euro)
5,0* 10.480* -2,1* 10.260* 2,3* 10.498* 1,1* 10.611*
3) Einkommenslücke (Prozent vom BIP/Mio.) 0,6 1.752 0,7 2.049 0,7 2.004 0,9 2.570
4) Verfestigte Deprivation 32,6 469 41,0 580 40,5 542 33,7 455
Wohnraum
6) Überbelag in Mehrpersonenhaushalten 18,6 285 16,1 226 13,4 184 11,7 165
7) Sehr hoher Wohnungsaufwand 43,2* 661* 45,3* 638* 49,2* 675* 53,7* 755*
8) Prekäre Wohnqualität 7,7 118 8,5 120 7,1 98 5,4 76
9) Belastung durch Wohnumgebung 12,6 193 14,1 198 15,1 207 13,1 184
Erwerbsleben
11) Arbeitsmarktfernenquote 48,2* 354* 49,0* 314* 54,0* 344* 56,6* 363*
12) Haushaltseinkommen aus Erwerbsarbeit
unter Armutsgefährdungsschwelle 1
)
76,7* 624* 80,3* 604* 81,9* 589* 88,3* 639*
13) Löhne unter 2/3 des Bruttomedianlohns 41,7 125 37,7 86 39,9 86 39,0 78
Bildungschancen
16) Bildungsaktivität 25,7 323 26,0 303 29,1 324 29,5 336
Gesundheit
19) Mehrfache gesundheitliche Einschränkung 18,5 233 18,7 218 15,6 174 16,8* 192*
EU-Indikatoren
Armuts- oder Ausgrenzungsgefährdung 100,0* 1.532* 100,0* 1.406* 100,0* 1.373* 100,0* 1.407*
Armutsgefährdung 66,5* 1.018* 70,6* 993* 73,1* 1.004* 74,7* 1.051*
Haushalte mit keiner/niedriger Erwerbsintensität 2
) 40,9 503 42,4 461 46,2 497 47,8 519
Erhebliche materielle Deprivation 34,2 524 28,1 395 25,9 356 23,1 325
Q: STATISTIK AUSTRIA, EU-SILC, die Indikatoren 5,10,14,15,17,18,20 basieren nicht auf EU-SILC und können daher nicht separat für die Grup-
pe der Armuts- oder Ausgrenzungsgefährdeten ausgewiesen werden.
* Präzise Schätzungen: Schwankungsbreite nicht größer als 10% des Schätzwerts oder Wert basierend auf Gesamtzählungsdaten.
1) Anteil bezieht sich auf Personen in ausgrenzungsgefährdeten Erwerbshaushalten.
2) Anteil bezieht sich auf Ausgrenzungsgefährdete im Alter von 0 bis 59 Jahren.
Keine Hervorhebung: Schwankungsbreite liegt zwischen 10% und 20% des Schätzwerts.
Lesebeispiel: Im Jahr 2011 waren 30,7% bzw. 431.000 Armuts- oder Ausgrenzungsgefährdete von manifester Armut betroffen.
ÖSTERREICHS INDIKATOREN FÜR SOZIALE EINGLIEDERUNG
96
In diesem Kapitel wird die Entwicklung von allen
20 nationalen Eingliederungsindikatoren präsentiert,
im Mittelpunkt steht aber die Aktualisierung jener
13 Kennzahlen, die auf Basis von EU-SILC berechnet
werden können. Da diese Indikatoren separat für die
Gruppe der Armuts- oder Ausgrenzungsgefährdeten
berechnet werden können, lässt sich an ihnen die
Veränderung der Intensität von Benachteiligungen
innerhalb der Zielgruppe ablesen. Weiterführende
Analysen zu den jeweiligen sozialen Differenzierun-
gen bzw. Risikogruppen sind möglich und werden
in einem separaten Bericht veröffentlicht (Statistik
Austria 2013).
Indexwerte als Kennzahlen für Veränderung
Um die zeitliche Entwicklung hervorzuheben, werden
in den folgenden Grafiken Indexzahlen dargestellt.
Der Indexzeigt dann jeweils die relative Veränderung
im Vergleich zum Jahr 2008, dem Ausgangspunkt für
das Europa 2020-Ziel. Die Indexierung erleichtert
auch die Gegenüberstellung von Entwicklungen
bei Indikatoren, die sich auf völlig unterschiedliche
Größenordnungen beziehen. Eine Veränderung der
Zahl der derzeit rund 1,4 Millionen Armuts- oder
Ausgrenzungsgefährdeten um 10.000 Personen ent-
spricht einer Verschiebung um weniger als 1% und
wäre kaum als statistisch signifikante Veränderung zu
werten. Würde sich aber beispielsweise die Zahl der
registrierten Wohnungslosen unerwartet um 10.000
erhöhen, dann hätte sich die Zahl der Betroffenen
bereits nahezu verdoppelt, und Handlungsbedarf
wäre offenkundig.
Ein Indexwertvon 110 besagt nun beispielsweise, dass
der Wert des jeweiligen Indikators im Vergleich zum
Jahr 2008 um 10% angestiegen ist. Um zu entschei-
den, ob ein Indikator auffällig oder problematisch ist,
empfiehlt es sich, diese Indexzahl jeweils in Hinblick
auf die Zielsetzung der Bundesregierung zu interpre-
tieren, wonach der EU-Leitindikator innerhalb von
zehn Jahren um mindestens 15% verringert werden
soll. Die Personen in der Europa 2020-Zielgruppe
schneiden auch bei den nationalen Eingliederungs-
indikatoren durchwegs wesentlich schlechter ab als
nicht armuts- oder ausgrenzungsgefährdete Personen.
In den Verlaufsdarstellungen wird dieser Unterschied
aber ausgeblendet. Der Fokus liegt demnach darauf,
ob sich die Entwicklung der Armuts- oder Ausgren-
zungsgefährdeten von jener der Gesamtbevölkerung
unterscheidet. Wenn eine Annäherung stattfinden
soll, müssen die Verbesserungen in der Zielgruppe
überdurchschnittlich stark sein.
8.2 Kaufkraftgewinne und Erholung bei manifester Armut
Der Kreis der Armuts- oder Ausgrenzungsgefähr-
deten nach EU-Definition ist in den letzten Jahren
kleiner geworden. Auch die mittlere Kaufkraft eines
Privathaushalts hat in Österreich seit dem Jahr 2004
kontinuierlich zugenommen. Die Einkommenslücke
für Armutsgefährdete ist hingegen seit 2008 deutlich
angewachsen. Eine kontinuierliche Verschlechterung
desLebensstandardsvon armutsgefährdeten Menschen
bis zum Jahr 2010 zeigt der Indikator für manifeste
Armut, und die Quote der verfestigten Deprivation hat
sich in diesem Zeitraum sogar verdoppelt. Allerdings
gab es im letzten Jahr bei diesen beiden Indikatoren
wieder eine deutliche Erholung.
Median-Haushaltseinkommen
Laut EU-SILC 2011 lag die Steigerungsrate der mittle-
ren Einkommen (standardisiert und preisbereinigt)
gegenüber dem Vorjahr bei 1,5%. Gegenüber dem
Jahr 2008 sind die mittleren Einkommen damit real
ÖSTERREICHS INDIKATOREN FÜR SOZIALE EINGLIEDERUNG
97
um insgesamt 6,2% angestiegen (nominell 12,1%).
Auch die Einkommen der Armuts- oder Ausgrenzungs-
gefährdeten sind in diesem Zeitraum angestiegen,
ihr Kaufkraftgewinn fiel aber deutlich hinter den
Gesamtdurchschnitt zurück. Gegenüber dem Vorjahr
lag der preisbereinigte Einkommenszuwachs bei
1,1% und gegenüber dem Jahr 2008 bei insgesamt
nur 1,3%.
MEDIAN-HAUSHALTSEINKOMMEN (PREISBEREINIGT UND STANDARDISIERT):
Das Haushaltseinkommen wird aus sämtlichen Einkünften aller Personen im Haushalt im Laufe des vergangenen
Kalenderjahres unter Abzug von Sozialbeiträgen, Steuern und allfälligen geleisteten Transferzahlungen an andere
Haushalte (z.B. Alimente) berechnet. Berücksichtigt werden insbesondere Erwerbseinkommen, Kapitaleinkom-
men, Pensionen und alle anderen Transferleistungen. Das Haushaltseinkommen von Mehrpersonenhaushalten
wird dann standardisiert auf einen Einpersonenhaushalt. Für jede erwachsene Person wird nach der EU-Skala ein
Konsumäquivalent von 0,5 und für Kinder unter 14 Jahren ein Bedarf von 0,3 Einpersonenhaushalten angenommen.
Das mittlere Einkommen (Median) wird aus der Verteilung von Personen in Privathaushalten berechnet, so dass
jeweils die Hälfte der jeweiligen Bevölkerungsgruppe ein Einkommen unter dem Medianwert hat. Die nominellen
Beträge lassen ohne Beachtung der Inflation keine Beurteilung der realen Kaufkraft zu. Deshalb wird der Betrag zu
konstanten Preisen (Basis 2007) ausgedrückt. Das preisbereinigte Einkommen für EU-SILC 2011 ergibt sich aus VPI
2007 x (EU-SILC 2011/VPI 2010). Verkettet wird mit dem VPI 2005. Das nominelle standardisierte Medianeinkommen
aus EU-SILC 2011 beträgt 21.318 Euro. Das preisbereinigte Einkommen von 20.189 Euro ergibt sich aus der Division
des nominellen Wertes 21.318/109,5 (Indexwert 2010 = Referenzperiode der EU-SILC Einkommensmessung 2011)
multipliziert mit 103,7 (Indexwert des Jahres 2007 = Referenzjahr EU-SILC 2008). Angenommen wird hier dieselbe
Preisentwicklung für alle Einkommensschichten. Unberücksichtigt bleibt beispielsweise die deutlich größere
Bedeutung von Preissteigerungen bei Wohnen und Energie für ärmere Haushalte; sowie die Möglichkeit der Sub-
stitution durch Billigprodukte bei ärmeren und Preisersparnisse durch Vorratskäufe bei reicheren Haushalten.
Diese Methode erlaubt zwar nur eine grobe Annäherung an die reale Kaufkraftentwicklung (z.B. ist der Verbrau-
Grafik 20: Median-Haushaltseinkommen
(standardisiert und preisbereinigt)
60
70
80
90
100
110
120
130
140
2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011
Insgesamt
Armuts- oder
Ausgrenzungsgefährdete
Index,Basisjahr2008=100
Basisjahr
2008
106,2
101,3
Q: STATISTIK AUSTRIA, EU-SILC. VPI 2005.
Im Jahr 2008 lag das mediane Haushaltseinkommen (standardisiert
und preisbereinigt) der Gesamtbevölkerung bei 19.010 Euro, und
bei Armuts- oder Ausgrenzungsgefährdeten lag der Medianwert bei
10.480 Euro (=100).
ÖSTERREICHS INDIKATOREN FÜR SOZIALE EINGLIEDERUNG
98
Einkommenslücke
Die monetäre Armutsgefährdungsquote (vgl. Kapitel
3.1) zeigt im Berichtszeitraum keine signifikanten
Veränderungen und liegt zwischen 12% und 13%
der Bevölkerung. Ein Anstieg von Armutsgefährdung
in Folge der Krise war bisher nicht erkennbar.70
Ein
differenzierteres Bild zeigt der nationale Indikator zur
absoluten Einkommenslücke. Er fasst das Ausmaß
und die Intensität der Armutsgefährdung in einer
Kennzahlzusammen. Biszur EU-SILCErhebung im Jahr
2008 (Einkommen 2007) hat sich – bei etwa gleich-
bleibender Armutsgefährdungsquote – die Intensität
der monetären Armutsgefährdung kontinuierlich
verringert, seither steigt sie jedoch an. In der EU-SILC
Erhebung im Jahr 2011 (Einkommen 2010) hat sich
diese Kennzahl um 566 Millionen auf 2,6 Milliarden
Euro bzw. 0,86% des Bruttoinlandsproduktes (BIP)
deutlich erhöht. Die Armutslücke ist also angestiegen,
obwohl der Lebensstandard bzw. die Einkommen
zugenommen haben und der Anteil der Armutsge-
fährdeten zuletzt nur geringfügig zugenommen hat,
Dies weist auf eine wachsende Polarisierung zwischen
Armutsgefährdeten und Nicht-Gefährdeten hin (wie
auch die unterschiedlichen Steigerungsraten in den
Einkommensdezilen). Trotz des Konjunktureinbruchs
blieb die Einkommenslücke relativ zum BIP allerdings
noch immer unter dem Niveau des Jahres 2004 (Ein-
kommen 2003).
cherpreisindex aufgrund der höheren Sparquote bei den oberen Einkommensschichten nur bedingt anwendbar),
insbesondere bei jährlich stark schwankenden Inflationsraten ist dadurch aber eine realistischere Einschätzung
der Einkommensentwicklung gewährleistet als bei den nominellen Beträgen.
EINKOMMENSLÜCKE:
Die Einkommens- oder auch Armutsgefährdungslücke entspricht dem zusätzlichen Einkommen, das ein armuts-
gefährdeter Haushalt benötigen würde, um ein Einkommen über der Armutsgefährdungsschwelle zu erzielen.
Zählt man die Einkommenslücken aller Haushalte zusammen, dann ergibt sich ein Gesamtmaß für Intensität und
Ausmaß von Armutsgefährdung. Dieser Indikator ist umso höher, je mehr Menschen betroffen sind und je größer
ihr Abstand zur Armutsgefährdungsschwelle ist. Die Zahl wird auch als Anteil am Bruttoinlandsprodukt im Jahr
der Erhebung ausgewiesen. Dann verringert sich die relative Lücke auch durch größere Wirtschaftsleistung. Die
70 Aufgrund der Einkommenserfassung für das jeweilige Kalenderjahr vor der Erhebung wird die Situation des Krisenjahres 2009 erst in
EU-SILC 2010 berücksichtigt.
Grafik 21: Einkommenslücke 2004 bis 2011
40
50
60
70
80
90
100
110
120
130
140
2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011
Lücke in % des BIP (indexiert)
Lücke in Mrd. (indexiert)
Index,Basisjahr2008
Basisjahr
2008
143
128
120
112
100
120
113
138
Q: STATISTIK AUSTRIA. EU-SILC, Volkswirtschaftliche Gesamtrech-
nungen.
Im Jahr 2008 betrug die Einkommenslücke 1,8 Mrd. Euro bzw. 0,6%
des Bruttoinlandsproduktes (=100).
ÖSTERREICHS INDIKATOREN FÜR SOZIALE EINGLIEDERUNG
99
Manifeste Armut
Indikatoren, die auf das Einkommen abzielen, lassen
nur indirekte Schlüsse auf den Lebensstandard zu.
Ergänzend erhebt die EU-SILC Befragung auch direkt
die Lebensbedingungen, und zwar – im Unterschied
zur Armutsgefährdung – zum Zeitpunkt der Erhebung.
Konkret werden die Haushalte gefragt, ob sie finanzi-
ell in der Lage sind, ausgewählte Grundbedürfnisse
zu erfüllen. Die Antworten der Haushalte bilden die
Grundlage für die Definition von Deprivation (Ent-
behrung). Anhand dieser Kriterien sieht man, dass
sich nicht nur die Einkommenslücke vergrößert hat,
sondern sich auch der Lebensstandard innerhalb der
Gruppe der Armutsgefährdeten bis zum Jahr 2010
laufend verschlechtert hat. Von 2004 bis 2010 stieg
die Zahl jener Armutsgefährdeten an, die auch von
finanzieller Deprivation (zumindest zwei von sieben
nationalen Merkmalen) betroffen sind. Der Höhepunkt
wurde im Jahr 2010 mit 511.000 Betroffenen bzw.
6,2% der Gesamtbevölkerung in manifester Armut
erreicht. Im Jahr 2011 gab es wieder eine deutliche
Entspannung, die Zahl der Betroffenen beträgt nun
431.000 bzw. 5,2% der Bevölkerung.71
Kontinuierlich angestiegen ist manifeste Armut beson-
ders innerhalb der Europa 2020-Zielgruppe. Im Jahr
2004 war nur etwa ein Viertel der Zielgruppe (25,2%)
gleichzeitig von Armutsgefährdung und finanzieller
Deprivation betroffen, im Jahr 2010 waren es bereits
mehr als ein Drittel (37,2%). Im Jahr 2011 (30,7%)
fiel manifeste Armut aber auch für die Gruppe der
Armuts- oder Ausgrenzungsgefährdeten unter das
Niveau des Jahres 2008 (32,3%).
Der zuletzt deutliche Rückgang manifester Armut
(und auch der verfestigten Deprivation) ist ohne
weiterführende Analyse nicht erklärbar.
Entwicklung von Einkommensveränderungen wird in EU-SILC jedoch immer zeitverzögert für das Vorjahr erfasst.
Die Lücke für das Jahr 2011 spiegelt somit die Verhältnisse im Jahr 2010. Ein ähnlicher Indikator ist auf EU-Ebene
definiert als Medianwert der Einkommenslücke der Armutsgefährdeten in Prozent der Armutsgefährdungsschwelle
(vgl. Kap 3.1.1).
71 Der Anstieg von Deprivation bei Armutsgefährdeten bis zum Jahr 2010 bestätigt sich auch dann, wenn aus Armutsgefährdung und den
gemeinsamen EU-Kriterien ein Indikator analog zur nationalen Definition für manifeste Armut gebildet wird. Die Zahl der Armutsgefähr-
deten, die zusätzlich nach EU-Definition „materiell depriviert“ sind (drei aus neun Merkmalen) stieg von 136.000 (1,7%) im Jahr 2004
auf 197.000 (2,4%), bei der ebenfalls verwendeten Definition für „erhebliche materielle Deprivation“ (vier aus neun Merkmalen), gab es
unter den Armutsgefährdeten einen Anstieg von 268.000 (3,3%) auf 407.000 (4,9%) im Jahr 2010. Beide Indikatoren bestätigen auch,
dass sich im Jahr 2011 die Situation der Armutsgefährdeten wieder verbessert hat.
Grafik 22: Manifeste Armut
40
50
60
70
80
90
100
110
120
130
140
2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011
Insgesamt
Armuts- oder
Ausgrenzungsgefährdete
Index,Basisjahr2008=100
Basisjahr
2008
96
87
Q: STATISTIK AUSTRIA, EU-SILC.
Anmerkung: 2008 waren 6,0% der Gesamtbevölkerung bzw. 32,3%
der Armuts- oder Ausgrenzungsgefährdeten betroffen (=100).
ÖSTERREICHS INDIKATOREN FÜR SOZIALE EINGLIEDERUNG
100
Verfestigte Deprivation
Entscheidend ist die zeitliche Perspektive für die
Betroffenen, also ob eine Benachteiligung chronisch
oder vorrübergehend ist. Ein Indikator dafür ist die
Quote für verfestigte Deprivation. Im Jahr 2011 lag
diese Quote bei 9,7% bzw. 781.000 Menschen.
Aufgrund der unterschiedlichen Definition von De-
MANIFESTE ARMUT:
Armutsgefährdung bedeutet nicht zwangsläufig eine akute Armutslage, zum Beispiel wenn Ersparnisse oder
Wohnungseigentum vorhanden sind oder die Lebenshaltungskosten sehr gering gehalten werden können (z.B.
aufgrund einer sehr günstigen Miete). Erst wenn ein Haushalt nicht nur von monetärer Armutsgefährdung, sondern
auch noch von finanzieller Deprivation betroffen ist, spricht man von manifester Armut. Wie viele Menschen unter
diese Definition fallen, hängt davon ab, welche Kriterien und welche Grenzwerte festgelegt werden. In Österreich
wird eine Liste von sieben Grundbedürfnissen verwendet, von denen sich ein Haushalt mindestens zwei finanziell
nicht leisten kann. Diese Kriterien sind etwas anders als jene, die auf EU-Ebene ausgewählt wurden. Merkmale,
die sowohl bei der EU-Definition als auch der österreichischen Definition vorkommen, sind:
» Die Wohnung angemessen warm zu halten,
» Unerwartete Ausgaben zu finanzieren,
» Jeden zweiten Tag Fleisch oder Fisch (oder vegetarische Speisen) zu essen,
» Zahlungen (z.B. Miete) in den letzten zwölf Monaten rechtzeitig zu begleichen.
Nur in der nationalen Definition berücksichtigt werden:
» Notwendige Arzt- oder Zahnarztbesuche,
» Neue Kleidung zu kaufen,
» Freunde oder Verwandte einmal im Monat zum Essen einzuladen.
Die österreichische Definition berücksichtigt nur Grundbedürfnisse, die von der Mehrheit der Bevölkerung sowie von
Fachleuten und Armutsbetroffenen als „absolut notwendig“ für einen angemessenen Lebensstandard in Österreich
bewertet wurden. Vor allem ältere Menschen schätzen die Notwendigkeit von manchen Merkmalen weit geringer
ein als Familien (vgl. Till-Tentschert/Weiss 2008). Urlaub und PKW sind deshalb nicht in der nationalen Definition
enthalten. Auch die in Österreich sehr weit verbreiteten Konsumgüter wie Telefon, Fernseher und Waschmaschine
werden im nationalen Indikator nicht berücksichtigt.
Um eine Fehleinschätzung auf Basis eines einzelnen Merkmals zu vermeiden, müssen für die Definition von
finanzieller Deprivation immer mehrere Merkmale gleichzeitig zutreffen. Für Österreich wurde eine Grenze von
mindestens zwei der oben angeführten sieben Merkmale festgelegt. Diese Festlegung wurde im Frühjahr 2008 in
einem Beirat, an dem u.a. alle Sozialpartnerorganisationen beteiligt waren, getroffen. Erst ein Jahr später gab es
auf EU-Ebene eine Einigung für gemeinsame Deprivationsmerkmale, wobei zunächst eine Grenze von mindestens
drei Merkmalen aus einer Liste von neun Merkmalen beschlossen wurde. Als im Jahr 2010 die Staats- und Regie-
rungschefInnen die gemeinsame Europa 2020-Strategie beschlossen haben, wurde eine weitere EU-Definition für
erhebliche materielle Deprivation mit einem strengeren Schwellenwert (vier aus neun Merkmalen) eingeführt. Die
verschiedenen Definitionen für Deprivation sind nicht zu verwechseln mit dem Begriff der manifesten Armut. Dieser
bezieht stets (monetäre) Armutsgefährdung und Deprivation gemeinsam ein und ist neben Österreich zum Beispiel
auch in Irland („consistent poverty“) seit vielen Jahren etabliert. Auf EU-Ebene gibt es derzeit keine Definition für
manifeste Armut.
ÖSTERREICHS INDIKATOREN FÜR SOZIALE EINGLIEDERUNG
101
privation zählen nicht alle Personen mit verfestigter
Deprivation automatisch auch zur EU-Zielgruppe. Der
Anteil der Armuts- oder Ausgrenzungsgefährdeten mit
verfestigter Deprivation ist aber mit 33,7% mehr als
dreimal so hoch wie im Bevölkerungsdurchschnitt.
Zwischen 2005 und 2009 hat sich der Anteil jener, die
sich in zumindest zwei aufeinanderfolgenden Jahren
bei Grundbedürfnissen einschränken mussten, von
5,1% auf 11,9% mehr als verdoppelt. Der seit 2010
wieder rückläufige Trend hat sich auch im Jahr 2011
fortgesetzt. Gegenüber dem Jahr 2008 bleibt die Quote
der finanziellen Deprivation allerdings noch immer
um 8% statistisch signifikant erhöht. Auch wenn ein-
zelne Merkmale, wie beispielsweise die Leistbarkeit
von Arztbesuchen sich etwas deutlicher verbessert
haben als andere, kann der Rückgang nicht auf ein
einzelnes Merkmal zurückgeführt werden. Durch die
Kombination mehrerer Merkmale zu einem robusten
Deprivationsindex werden auch allfällige Effekte der
Fragestellung minimiert (vgl. Kapitel 4).
Für die Gruppe der Armuts- oder Ausgrenzungsgefähr-
deten entwickelte sich der Indikator nahezu parallel
zum Gesamtdurchschnitt. Im Jahr 2005 waren 16,7%
der Armuts- oder Ausgrenzungsgefährdeten auch
von verfestigter Deprivation betroffen, diese Quote
stieg bis 2009 auf 41,0% und erreichte zuletzt wieder
annähernd das Niveau des Jahres 2008.
Zahlungsprobleme
Ein weiterer Indikator zum Lebensstandard bezieht
sich auf die Zahl der Personen mit massiven Zahlungs-
problemen. Dieser Indikator wird nicht aus EU-SILC
berechnet und kann daher für die Europe 2020Sozial-
zielgruppen nicht gesondert dargestellt werden. Laut
Kleinkreditevidenz des Kreditschutzverbandes (vgl.
BMASK 2012, S. 321) waren im August 2011 155.165
Personen mit Klagen, Fälligstellungen von Krediten
VERFESTIGTE DEPRIVATION:
Anteil der Bevölkerung, die seit mindestens zwei Jahren mit finanzieller Deprivation konfrontiert ist. Als finanziell
depriviert gelten Personen, die Probleme bei mindestens zwei aus einer Liste von sieben Kriterien für den in Österreich
absolut notwendigen Mindestlebensstandard haben (siehe Definition manifeste Armut). Für diesen Längsschnitt-
indikator können nur jene Personen berücksichtigt werden, die in diesen zwei Jahren auch in Österreich ansässig
waren. Personen, die in diesem Zeitraum geboren wurden oder zugewandert sind, werden nicht berücksichtigt.
Der Indikator kann erstmalig für das Jahr 2005 berechnet werden. Die mit EU-SILC erhobenen Verlaufsdaten gehen
weit über die bis Anfang der 1990er-Jahre übliche, rein statische Betrachtung von Armutslagen hinaus. Insbeson-
dere ist es möglich, chronische Armuts- oder Ausgrenzungsprozesse von vorübergehenden Problemlagen (z.B. bei
Studierenden) zu unterscheiden.
Grafik 23: Verfestigte Deprivation
40
50
60
70
80
90
100
110
120
130
140
2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011
Insgesamt
Armuts- und
Ausgrenzungsgefährdete
Index,Basisjahr2008=100
Basisjahr
2008
108
103
Q: Statistik Austria, EU-SILC.
Anmerkung: 2008 waren 9,0% der Gesamtbevölkerung bzw. 32,6%
der Armuts- oder Ausgrenzungsgefährdeten betroffen (=100).
ÖSTERREICHS INDIKATOREN FÜR SOZIALE EINGLIEDERUNG
102
etc. konfrontiert. Die Zahl der Personen mit massiven
Zahlungsproblemen ist von 2009 bis 2011 leicht an-
gestiegen (+7%). Aufgrund veränderter Löschfristen
sind die Daten von 2008 nicht mit späteren Daten
vergleichbar und werden daher nicht für die nationa-
len Indikatoren herangezogen. Überschuldung ist ein
häufiger Grund für Deprivation bei Personen, deren
Einkommen über der Armutsgefährdungsschwelle liegt.
8.3 Wohnen wird besser, aber auch teurer
Indikatoren zur Wohnraumversorgung zeigen ei-
nerseits eine qualitative Verbesserung und damit
verbunden eine deutlich erhöhte Kostenbelastung
der privaten Haushalte, die sich durch die Ent-
wicklung der Immobilien- und Energiepreise weiter
verstärken kann. Bei den Indikatoren für Überbelag,
Wohnkostenanteil und Qualität waren Armuts- oder
Ausgrenzungsgefährdete mit einem zwei bis drei
Mal über dem Durchschnitt liegenden Anteil be-
troffenen. Längerfristige Polarisierungstendenzen
in der Wohnumgebung haben sich zuletzt etwas
abgeschwächt.
Überbelag
Insgesamt lebten laut EU-SILC2011 5,3% der Personen
in Mehrpersonenhaushalten bzw. 444.000 Menschen
in einer überbelegten Wohnung. Die Quote war bei
Armuts- oder Ausgrenzungsgefährdeten mit 11,7%
mehr als doppelt so hoch. Die Überbelagsquote ist
weiterhin rückläufig. Vor allem bei den Armuts- oder
Ausgrenzungsgefährdeten ist seit 2008 (18,6%) eine
deutliche Verbesserung zu bemerken.
ÜBERBELAG:
Der Indikator berücksichtigtnur Haushalte mitmindestenszwei Personen undorientiertsich am Kriterium der Gemeinde
Wien bei der Vergabe von Gemeindewohnungen. Als überbelegt zählt ein Haushalt, wenn die Wohnfläche weniger
als 16m² beträgt, im Mittel weniger als 8m² pro Wohnraum zur Verfügung stehen oder die Anzahl der Wohnräume im
Verhältnis zur Zahl der Personen im Haushalt zu gering ist: ein Raum für zwei Personen, weniger als drei Räume für
drei oder vier Personen, weniger als vier Räume für fünf oder sechs Personen, weniger als fünf Räume für sieben oder
acht Personen, weniger als sechs Räume für mehr als acht Personen. Küchen werden nicht als Wohnräume gezählt.
Grafik 24: Überbelag
40
50
60
70
80
90
100
110
120
130
140
2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011
Insgesamt
Armuts- oder
Ausgrenzungsgefährdete
Index,Basisjahr2008=100
Basisjahr
2008
75
63
Q: STATISTIK AUSTRIA, EU-SILC.
Anmerkung: Im Jahr 2008 betrug die Überbelagsquote für Mehr-
personenhaushalte insgesamt 7,1% und für Armuts- oder Ausgren-
zungsgefährdete 18,6% (=100).
ÖSTERREICHS INDIKATOREN FÜR SOZIALE EINGLIEDERUNG
103
Prekäre Wohnqualität
Im Jahr 2011 lebten 2,8% der Bevölkerung bzw.
229.000 Menschen in einer prekären Wohnsituation.
Für Armuts- oder Ausgrenzungsgefährdete war diese
Quote mit 5,4% nahezu doppelt so hoch. Die Qualität
des Wohnraums spiegelt dabei teilweise das Angebot
bzw. den Bestand an Substandardwohnungen wider
und ist vor allem im urbanen Bereich eher länger-
fristigen Entwicklungen bei Wohnungsanierung und
-neubau unterworfen. Besonders für Armuts- oder
Ausgrenzungsgefährdete hat sich die Situation ab
dem Jahr 2009 zügig verbessert und erreichte im Jahr
2011 den besten Wert der gesamten Periode.
Belastende Wohnumgebung
Im Jahr 2011 waren 9,5% der Bevölkerung bzw. 790.000
Menschen von Kriminalität, Lärm oder Umweltbelas-
tungen in der Wohnumgebung betroffen. Die Quote
war mit 13,1% für Armuts- oder Ausgrenzungsgefähr-
dete deutlich über dem Durchschnitt. In den Jahren
vor 2010 ist diese Zahl vor allem für Armuts- oder
Ausgrenzungsgefährdete stetig angestiegen. Im Jahr
2010 lag die Quote der Betroffenen bei Armuts- oder
Ausgrenzungsgefährdeten bereits bei 15,1% gegenüber
10,2% im Bevölkerungsdurchschnitt. Im Jahr 2004 war
hingegen praktisch kein signifikanter Unterschied in
den Wohngegenden erkennbar. Aus den EU-SILCDaten
2011 war jedoch wieder ein Rückgang – in etwa auf
das Niveau des Jahres 2008 – abzulesen, gegenüber
dem Jahr 2005 (10,3%) bleibt der aktuelle Wert ins-
besondere für Armuts- oder Ausgrenzungsgefährdete
jedoch deutlich erhöht.
PREKÄRE WOHNQUALITÄT:
Anteil von Personen, die von zwei oder mehr der
folgenden Wohnprobleme betroffen sind:
» kein WC oder Badezimmer in der Wohnung,
» Feuchtigkeit, Schimmelbildung,
» dunkle Wohnräume,
» weder Waschmaschine noch Waschküche
vorhanden.
Grafik 25: Prekäre Wohnqualität
40
50
60
70
80
90
100
110
120
130
140
2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011
Insgesamt
Armuts- oder
Ausgrenzungsgefährdete
Index,Basisjahr2008=100
Basisjahr
2008
78
70
Q: STATISTIK AUSTRIA, EU-SILC.
Anmerkung: Im Jahr 2008 betrug die Quote für prekäre Wohnquali-
tät insgesamt 3,6% und für Armuts- oder Ausgrenzungsgefährdete
7,7% (= 100).
Grafik 26: Belastende Wohnumgebung
40
50
60
70
80
90
100
110
120
130
140
2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011
Insgesamt
Armuts- oder
Ausgrenzungsgefährdete
Index,Basisjahr2008=100
Basisjahr
2008
104
102
Q: STATISTIK AUSTRIA, EU-SILC.
Anmerkung: Im Jahr 2008 betrug die Quote für Wohnumgebungsbe-
lastungen insgesamt 9,3% und für Armuts- oder Ausgrenzungsge-
fährdete 12,6% (=100).
ÖSTERREICHS INDIKATOREN FÜR SOZIALE EINGLIEDERUNG
104
Sehr hoher Wohnungsaufwand
Die deutlichen Verbesserungen beim Wohnungsbelag
und teilweise auch der Wohnungsausstattung waren
mit erheblich gestiegenen Wohnungskosten verbun-
den. Mit 18,2% der Gesamtbevölkerung in Haushalten
mit einem sehr hohen Wohnungsaufwand ist dieser
Indikator im Jahr 2011 auf einen neuen Höchstwert
angestiegen. Insbesondere Armuts- oder Ausgrenzungs-
gefährdete waren von steigenden Energiekosten und
Mietpreisen in den letzten Jahren überdurchschnittlich
betroffen. Die Quote der Belasteten stieg von 43,2%
im Jahr 2008 auf 53,7%.
Die isolierte Betrachtung von Belagssituation, Wohn-
qualität und -umgebung einerseits und Wohnkosten
andererseits ist problematisch. Eine Verbesserung
der Wohnungsqualität hat in der Regel zunehmende
Kostenbelastungen zur Folge.Somit kann jeder Aspekt
für sich genommen unzureichend für eine gesamthafte
Beurteilung der Wohnsituation sein. Ein möglicher
Ansatz besteht daher darin, die Zahl jener Menschen
zu ermitteln, die in mindestens einem dieser Bereiche
von Benachteiligungen betroffen sind. Für das Jahr
2011 waren insgesamt 30,3% der Gesamtbevölkerung
von einem der vier Wohnprobleme betroffen. Dieser
Anteil blieb seit 2004 (30,5%) praktisch unverändert.72
BELASTUNG DURCH WOHNUMGEBUNG:
Anteil von Personen, die sich durch mindestens zwei der folgenden Probleme in der Wohnumgebung belastet fühlen:
» Kriminalität,
» Lärm,
» Umweltverschmutzung.
Die Berücksichtigung von Problemen in der Wohnumgebung unterstützt das Monitoring der sozialen Eingliederung
in Bezug auf räumliche Ungleichheiten und Segregationstendenzen. Die Datenlage ist hinsichtlich der Infrastruk-
turversorgung aber eher ungünstig.
72 Ein solcher Überblicksindikator für Wohnintegration (vgl. Till 2005) ist derzeit noch nicht in dem von der Österreichischen Plattform gegen
Armut verabschiedeten Indikatorenkatalog enthalten.
SEHR HOHER WOHNKOSTENANTEIL:
Anteil der Personen, deren Wohnungsaufwand ein Viertel des jährlich verfügbaren Haushaltseinkommens übersteigt.
Wohn- oder Mietbeihilfen werden vom Wohnungsaufwand abgezogen und auch beim Haushaltseinkommen nicht
berücksichtigt. Einbezogen werden alle Ausgaben für Miete, Betriebskosten, Heizung, Energie und Instandhaltung
Grafik 27: Sehr hoher Wohnkostenanteil
40
50
60
70
80
90
100
110
120
130
140
2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011
Insgesamt
Armuts- oder
Ausgrenzungsgefährdete
Index,Basisjahr2008=100
Basisjahr
2008
124
108
Q: STATISTIK AUSTRIA, EU-SILC.
Anmerkung. Im Jahr 2008 betrug der Anteil der Personen mit sehr
hohem Wohnungsaufwand insgesamt 16,8% und für Armuts- oder
Ausgrenzungsgefährdete 43,2% (=100).
ÖSTERREICHS INDIKATOREN FÜR SOZIALE EINGLIEDERUNG
105
Registrierte Wohnungslosigkeit
Die EU-SILC Berichterstattung kann ausschließlich
jene Bevölkerungsgruppen repräsentieren, die in
Privathaushalten gut erreichbar sind. Die in der
Armutsplattform vertretenen Organisationen haben
deshalb im Rahmen der Nationalen Plattform gegen
Armut eine Ergänzung von Indikatoren zur Wohnungs-
losigkeit eingefordert. Ein solcher Indikator wurde im
Sozialbericht 2012 (BMASK 2012) erstmals veröffent-
licht. Demnach gab es im Jahr 2010 12.266 registrierte
Wohnungslose. Das sind um 8% (bzw. 867 Personen)
mehr als im Basisjahr 2008, wo 11.399 Personen als
wohnungslos erfasst waren. Diese Menschen verfüg-
ten entweder über eine Hauptwohnsitzbestätigung
als obdachlos oder waren in einer Einrichtung für
Wohnungslose gemeldet.
DievorliegendenDatenbelegeneineerheblicheDynamik
vonWohnungslosigkeit. Personen, die imVorjahr keine
Meldung alsobdachlosoder eine Hauptwohnsitzbestä-
tigung an einer Einrichtung für Wohnungslose hatten,
können als Neuzugänge aufgefasst werden. Auf Basis
der Daten 2008 bis 2010 waren im Jahr 2009 5.666
und im Jahr 2010 5.534 Neuzugänge identifizierbar.
Da die Gesamtzahl nur in geringem Maß angestiegen
ist, kann davon ausgegangen werden, dass jedes
Jahr annähernd die Hälfte aller Wohnungslosen ihre
Situation verbessern kann, aber zumindest ebenso
viele Personen in Wohnungslosigkeit geraten.
REGISTRIERTE WOHNUNGSLOSIGKEIT:
Der Indikator „Registrierte Wohnungslosigkeit“ berücksichtigt nur die derzeit statistisch erfassten und gesicherten
Fälle von Wohnungslosigkeit und markiert die Untergrenze der im Lauf eines Jahres betroffenen Personen. Exaktere
Ergebnisse wird die im Jahr 2013 vorliegende Registerzählung für den Stichtag 31.10.2011 liefern. In jedem Fall ist
aber von einer deutlich größeren „Dunkelziffer“ versteckter Wohnungslosigkeit bei temporären Unterbringungen
in Pensionen, bei Bekannten o.Ä. auszugehen.
Für den Indikator wurden Personen mit einer Hauptwohnsitzbestätigung als obdachlos (Meldung mit „O“ im Zentra-
len Melderegister) und Personen, die in einer von 58 Einrichtungen für Wohnungslose mit Hauptwohnsitz gemeldet
sind, zusammengezählt. Jede Person wird dabei jeweils nur einmal gezählt.
Die Daten der Meldungen stammen für jedes Jahr aus vier stichtagbezogenen Abzügen der aus dem Zentralen Melde-
register für die Wanderungsstatistikerstellten Statistikdes Bevölkerungsstandes. Doppelmeldungen von Personen,
die während eines Jahres zu mehreren Stichtagen gemeldet waren, wurden aufgrund ihrer bereichsspezifischen
Personenkennzahl ausgeschlossen. Pro Stichtag (Quartal) sind jeweils ungefähr 5.000 Personen obdachlos und
3.000 Personen in den hier berücksichtigten Einrichtungen für Wohnungslose gemeldet. Die Jahresgesamtzahl
beläuft sich im Jahr 2010 hingegen auf 8.909 Obdachlose und 5.052 Personen in Einrichtungen für Wohnungs-
lose. Von den 12.266 Wohnungslosen waren demnach rund 41% zumindest zu einem der vier Stichtage in einer
Einrichtung für Wohnungslose untergebracht. Die genannten Zahlen stellen eine Untergrenze dar, da Meldefälle
zwischen den Stichtagen nicht berücksichtigt werden.
(abzüglich allfälliger Wohn- oder Mietbeihilfen) sowie Zinszahlungen für Kredite zur Schaffung oder Sanierung von
Wohnraum. Der Indikator berücksichtigt explizit die Entwicklung der Lebenshaltungskosten, die bei der Messung
von Armutsgefährdung sonst keine Rolle spielen. Energie- und Instandhaltungskosten werden aus der Konsumer-
hebung getrennt nach Rechtsverhältnis geschätzt. Unterschiede bei Energieverbrauch und -effizienz oder Tarifen
können daher in diesem Indikator nicht berücksichtigt werden.
ÖSTERREICHS INDIKATOREN FÜR SOZIALE EINGLIEDERUNG
106
8.4 Erwerbsbeteiligung und Löhne steigen mäßig
Die Folgen der Wirtschaftskrise für die Beteiligung am
Erwerbsleben waren in Österreich bisher moderater
als in anderen EU-Staaten. Der Kreis der Armuts- oder
Ausgrenzungsgefährdeten hat sich verkleinert, die
Indikatoren für den Arbeitsmarkt sind aber ambi-
valent. Keiner der nationalen Indikatoren weist auf
eine deutliche Verbesserung hin. Vor allem die aus
Erwerbsarbeit lukrierten Einkommen können oft
erst durch zusätzliche Transferleistungen über die
Armutsgefährdungsschwelle gebracht werden.
Arbeitsmarktferne
Insgesamt waren im Jahr 2011 16,9% bzw. 751.000
18- bis 59-Jährige (ohne Pensionsbeziehende und
Studierende) arbeitsmarktfern. Bei den Armuts- oder
Ausgrenzungsgefährdeten in dieser Altersgruppe war
die Quote mit 56,6% mehr als dreimal so hoch wie im
Durchschnitt. In den letzten drei Jahren hat sich die
Quote der Arbeitsmarktfernen, besonders innerhalb
der Europa 2020-Zielgruppe, eher erhöht.
ARBEITSMARKTFERNENQUOTE:
Diese Quote bezeichnet jenen Anteil von Personen von 18 bis 59 Jahren, die maximal 20% des Jahres vollzeiter-
werbstätig sind. Personen in Mutterschutz oder Elternkarenz, Studierende und PensionistInnen werden bei der
Berechnung nicht einbezogen. Die Definition folgt weitgehend jener für die entsprechende Europa 2020-Zielgruppe,
Die Anstalten für Wohnungslose wurden aus einer vorläufigen Anstaltsliste der Registerzählung 2011 (Stand Mai
2012) entnommen, welche die Objektnummern der jeweiligen Anstalten enthält. Diese Liste umfasst insgesamt 132
Anstalten für Wohnungslose, darunter befinden sich zehn Anstalten für Betreutes Wohnen (z.B. für alte Menschen,
Flüchtlinge, Obdachlose), 52 Anstalten, in denen Frauen bzw. Kinder gemeldet sind (d.h. vor allem Frauenhäuser),
und 70 Anstalten, die eindeutig für Wohnungslose bestimmt sind. Von diesen 70 Anstalten wurden nur jene 58
Anstalten für die Analyse herangezogen, deren Gebäude ausschließlich als Einrichtung für Wohnungslose genutzt
werden. Es ist zu beachten, dass die Anzahl der in Einrichtungen registrierten Wohnungslosen durch die Kapazi-
tät gesteuert wird. Gibt es mehr Startwohnungen, so können mehr Übergangswohnplätze an Personen vergeben
werden, die sonst auf temporäre Unterbringung in Notschlafstellen angewiesen waren.
Grafik 28: Arbeitsmarktfernenquote
40
50
60
70
80
90
100
110
120
130
140
2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011
Insgesamt
Armuts- oder
Ausgrenzungsgefährdete
Index,Basisjahr2008=100
Basisjahr
2008
117
98
Q: STATISTIK AUSTRIA, EU-SILC.
Nur Personen im Alter von 18 bis 59 Jahren, ohne Studierende und
Pensionsbeziehende.
Anmerkung: Im Jahr 2008 waren insgesamt 15,5%, bei Armuts- oder
Ausgrenzungsgefährdeten 44,8% betroffen (=100).
ÖSTERREICHS INDIKATOREN FÜR SOZIALE EINGLIEDERUNG
107
Haushaltseinkommen aus Erwerbsarbeit
unter der Armutsgefährdungsschwelle
Die Arbeitseinkommen einer wachsenden Zahl von
HaushaltenbleibenunterderArmutsgefährdungsschwel-
le. Dabei handelt es sich nicht um die individuellen
Erwerbseinkommen, sondern um das im Haushalt
insgesamtverfügbare Einkommen einschließlich Fami-
lienleistungen. Diese Personen sind zu unterscheiden
von den „Working Poor“, da das Gesamteinkommen
dieser Haushalte aufgrund andererTransferleistungen
(z.B. Arbeitslosenunterstützungen) oder Pensionen
letztlich über der Armutsgefährdungsschwelle bleibt.
Im Jahr 2011 waren insgesamt 20% der Bevölkerung
in Erwerbshaushalten bzw. 1,2 Millionen Menschen
betroffen. Unter den Armuts- oder Ausgrenzungs-
gefährdeten liegt die Quote der Personen ohne
armutsfestes Erwerbseinkommen bei 88,3%. Dieser
Anteil ist gegenüber dem Jahr 2008 um insgesamt
13% und für Armuts- oder Ausgrenzungsgefährdete
um 15% angestiegen.
HAUSHALTSEINKOMMEN AUS ERWERBSARBEIT UNTER DER ARMUTSGEFÄHRDUNGSSCHWELLE:
Der Indikator „Haushaltseinkommen aus Erwerbsarbeit unter der Armutsgefährdungsschwelle“ bezieht sich
auf den Anteil der Personen in Erwerbshaushalten, in denen die Summe der Netto-Erwerbseinkommen plus
Familienleistungen im Haushalt geringer ist als die Armutsgefährdungsschwelle. Familienleistungen (Kinderbe-
treuungs- und Wochengeld sowie Familienbeihilfen und Kinderabsetzbetrag) werden zum Erwerbseinkommen
hinzugerechnet. Erwerbshaushalte sind Haushalte mit Einkommen aus selbständiger oder unselbständiger
Tätigkeit. Ausgenommen sind jene Haushalte, die mehr als 50% des Einkommens aus Pensionen beziehen,
sowie Studierendenhaushalte (alle 18- bis 64-Jährigen im Haushalt befinden sich in Ausbildung). Der Indikator
identifiziert Haushalte mit geringem Erwerbseinkommen bzw. geringen Familienleistungen. Das verfügbare
Einkommen einschließlich sozialer Transferzahlungen und anderer Einkünfte liegt aber in vielen Fällen über
der Armutsgefährdungsschwelle. Diese Gruppe ist daher größer als jene die in Kapitel 3.2 als „Working Poor“
bezeichnet wird.
allerdings wird die Erwerbsbeteiligung anderer Haushaltsmitglieder (und PensionistInnen im Erwerbsalter) nicht
berücksichtigt. So werden insbesondere auch Frauen in die Berechnung einbezogen, die mit einem Alleinverdie-
ner zusammenleben. Der Indikator ergänzt damit den EU-Indikator zu Haushalten ohne oder mit sehr geringer
Erwerbsintensität sowie die Erwerbs- und Erwerbstätigenquote.
Grafik 29: Haushaltseinkommen aus Er-
werbsarbeit unter Gefährdungsschwelle
40
50
60
70
80
90
100
110
120
130
140
2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011
Insgesamt
Armuts- oder
Ausgrenzungsgefährdete
Index,Basisjahr2008=100
Basisjahr
2008
115
113
Q: STATISTIK AUSTRIA, EU-SILC.
Anmerkung: Die Quote im Jahr 2008 lag insgesamt bei 17,7% der
Personen in Erwerbshaushalten bzw. bei 76,7% in der Gruppe der
Armuts- oder Ausgrenzungsgefährdeten (=100).
ÖSTERREICHS INDIKATOREN FÜR SOZIALE EINGLIEDERUNG
108
Stundenlöhne unter 2/3 des Medianlohns
Laut EU-SILC 2011 und der ILO Schwelle für niedrige
Erwerbseinkommen hatten insgesamt 14,3% der
Beschäftigten in Österreich bzw. 435.000 Personen
einen Bruttostundenlohn von weniger als 8,25 Euro
(zwei Drittel des Medianwertes). Bei den Armuts- oder
Ausgrenzungsgefährdeten ist dieser Anteil mit 39%
annähernd dreimal so hoch. Nach Vereinbarung der
Sozialpartner sollten spätestens ab dem Jahr 2009
alle Kollektivverträge den Mindestlohn von 1.000 Euro
bei Vollzeitbeschäftigung garantieren. Dies entspricht
den jährlichen Steigerungen des Medianlohns nur
bedingt. In den Jahren bis 2008 gab es sogar eine
leichte Zunahme des Anteils von Löhnen unter 2/3
des Medianwertes. Erst seit dem Jahr 2009 hat sich
dieser Anteil wieder etwas verringert und zwar für
Armuts- oder Ausgrenzungsgefährdete in demselben
Ausmaß wie für die Beschäftigten insgesamt.
Erwerbshindernisse und Langzeitbeschäfti-
gungslosigkeit
Die hier präsentierten EU-SILC Indikatoren zur Er-
werbssituation werden ergänzt durch spezifische
Kennzahlen des Arbeitsmarktservice zur Langzeit-
beschäftigungslosigkeit sowie durch Ergebnisse der
Mikrozensus-Arbeitskräfteerhebung zur Zahl der
Personen mit Erwerbshindernissen. Laut Arbeitsmarkt-
service hat die Zahl der Langzeitbeschäftigungslosen
von 54.416 im Jahr 2008 auf 73.629 im Jahr 2011
deutlich zugenommen. Dieselbe Größenordnung,
nämlich 77.000 Personen (darunter 75.000 Frauen),
sehen sich durch Betreuungspflichten gegenüber
ERWERBSHINDERNISSE:
Anteil der Personen von 18 bis 59 Jahren, die nur
teilzeitbeschäftigt oder nicht erwerbstätig sind, weil
keine geeignete Betreuungseinrichtung für Kinder
oder pflegebedürftige Erwachsene zur Verfügung
steht. Studierende und Personen in Pension werden
– wie in der Definition für Arbeitsmarktferne – nicht
berücksichtigt.
LÖHNE UNTER 2/3 DES BRUTTOMEDIANLOHNS:
Anteil der Personen mit Erwerbseinkommen, die unter dem jeweiligen Schwellenwert von 2/3 des Bruttomedianlohns
liegen. Die Berechnung erfolgt auf Vollzeitbasis einschließlich Sonderzahlungen und bezahlter Urlaubszeiten. Der
Schwellenwert lag 2011 bei 8,25 Euro pro Stunde. Bei 40 Stunden Vollzeitbeschäftigung entspricht das einem Mo-
natslohn von 1.429 Euro brutto monatlich, 14 x pro Jahr. In die Berechnung gehen nur unselbständig Erwerbstätige
ohne Lehrlinge mit einer Normalarbeitszeit von mindestens zwölf Wochenstunden ein.
Grafik 30: Löhne unter 2/3 des Brutto-
medianlohns
40
50
60
70
80
90
100
110
120
130
140
2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011
Insgesamt
Armuts- oder
Ausgrenzungsgefährdete
Index,Basisjahr2008=100
Basisjahr
2008
94
Q: STATISTIK AUSTRIA, EU-SILC.
In % der unselbständig Erwerbstätigen, mindestens 12h, ohne Lehr-
linge. Anmerkung: Im Jahr 2008 waren 15,2% der Beschäftigten
insgesamt und 41,7% der Armuts- oder Ausgrenzungsgefährdeten
betroffen (=100).
ÖSTERREICHS INDIKATOREN FÜR SOZIALE EINGLIEDERUNG
109
Kindern oder pflegebedürftigen Angehörigen an der
Teilnahme am Erwerbsleben gehindert. Diese Zahl
hat sich gegenüber dem Jahr 2005 nicht verändert.
8.5 Steigende Bildungsaktivität
Alle drei nachstehend vorgestellten Bildungsindi-
katoren zeigen Verbesserungen an. Die allgemeine
Bildungsaktivität ist besonders bei der Gruppe der
Armuts- oder Ausgrenzungsgefährdeten überdurch-
schnittlich angestiegen. Die Quote der jugendlichen
SchulabgängerInnen ist besonders bei Personen mit
nicht deutscher Umgangssprache spürbar zurückge-
gangen. Gleichzeitig ist die Quote der 0- bis 4-Jährigen
in vorschulischen Bildungseinrichtungen besonders
bei Kindern ohne österreichische Staatsbürgerschaft
weiter angestiegen.
Bildungsaktivität
Der österreichische EU-SILCFragebogen wurde im Jahr
2008 um zusätzliche Fragen zur Bildungsaktivität im
vorangegangenen Kalenderjahr ergänzt und erlaubt
nun die Berechnung von Indikatoren. Berücksichtigt
LANGZEITBESCHÄFTIGUNGSLOSE:
Personen, bei denen die Dauer der registrierten Arbeits-
losigkeit, Lehrstellensuche undSchulungsteilnahme
365 Tage überschreitet. Eine Unterbrechung von 62
Tagen beendet die Langzeitarbeitslosigkeit (längere
Krankheit oder Arbeitsaufnahme, AMS-Schulungen
zählen nicht als Unterbrechung).
Grafik 31: Erwerbshindernisse und Lang-
zeitbeschäftigungslosigkeit
40
50
60
70
80
90
100
110
120
130
140
2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011
Erwerbshindernisse
Langzeitbeschäftigungslose
Index,Basisjahr2008=100
Basisjahr
2008
95
135
Q: Statistik Austria, Mikrozensus-Arbeitskräfteerhebung, AMS.
Anmerkung: Im Jahr 2008 waren 1,9% der 18- bis 59-Jährigen von
Erwerbshindernissen betroffen und 54.416 Personen langzeitbe-
schäftigungslos (=100).
Grafik 32: Bildungsaktivität
40
50
60
70
80
90
100
110
120
130
140
2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011
Insgesamt
Armuts- oder
Ausgrenzungsgefährdete
Index,Basisjahr2008=100
Basisjahr
2008
110
115
Q: STATISTIK AUSTRIA, EU-SILC.
Anmerkung: Im Jahr 2008 waren 34,2% der Personen ab 16 Jahren
bildungsaktiv bzw. 25,7% unter den Armuts- oder Ausgrenzungsge-
fährdeten (=100).
ÖSTERREICHS INDIKATOREN FÜR SOZIALE EINGLIEDERUNG
110
manalleformalenundinformellenBildungsaktivitäten,
so waren laut EU-SILC 2011 2,6 Millionen Menschen
bzw. 37,6% der über 15-Jährigen bildungsaktiv. Bei
den Armuts- oder Ausgrenzungsgefährdeten war die-
ser Anteil bedeutend geringer und lag bei 29,5%. Die
Bildungsaktivitätistseitdem Jahr 2008 kontinuierlich
angestiegen. Dabei konnten Armuts- oder Ausgren-
zungsgefährdetedeutlichaufholen.HeuteistderAnteil
der Menschen mit Bildungsaktivitäten in der Europa
2020-Zielgruppe um 15% höher alsnoch im Jahr 2008.
Bildungsferne Jugendliche
Der Anteil der Personen mit Bildungsaktivität ist
bei Menschen mit Matura mindestens doppelt so
hoch wie bei Personen, die keinen weiterführenden
Schulabschluss besitzen. Demnach kann ein früher
Abbruch einer Bildungskarriere nachhaltige Beein-
trächtigungen bis ins Erwachsenenalter zur Folge
haben. Auf Basis der Schulstatistik können diese
Prozesse sehr genau erfasst werden. Im Schuljahr
2011 waren 6.320 14-jährige SchülerInnen des Schul-
jahres 2009/10 ohne weitere Ausbildung 2010/11.
Das entspricht 6,8% des gesamten Jahrgangs von
92.507 Jugendlichen. Von den 16.273 SchülerInnen
dieses Jahrgangs mit nicht deutscher Umgangssprache
haben 2.104 oder 12,9% im Folgejahr keine Schule
mehr besucht. Der Anteil der bildungsfernen Jugend-
lichen hat sich seit dem Jahr 2008 besonders bei
SchülerInnen mit nicht deutscher Umgangssprache
deutlich verringert.
BILDUNGSAKTIVITÄT:
Im Fokus des Indikators „Bildungsaktivität“ steht der Anteil der Personen ab 16 Jahren, die sich im Verlauf des
Vorjahrs der Befragung in schulischer oder beruflicher Aus- oder Weiterbildung befanden oder an freizeitbezogenen
Kursen teilnahmen. Der Indikator setzt sich aus drei unterschiedlichen Variablen in EU-SILC zusammen:
» Formale Bildungsaktivitäten im Vorjahr: darunter fallen Schule, Berufsschule, Universität oder Fachhoch-
schule;
» Berufsbezogene Aus- oder Weiterbildung im Vorjahr: gefragt wird nach berufsbezogener Aus- oder Weiterbil-
dung, Teilzeitkursen, Kurzseminaren und Praktika;
» Freizeitaktivitäten und -kurse: gefragt wird nach Kursen, Lehrgängen oder Workshops, deren Inhalte sich
auf Freizeitaktivitäten oder Hobbys bezogen haben. Darunter fallen zum Beispiel Sprachkurse, Musikunter-
richt, Tenniskurse, Fahrschule usw. Bildungsaktivität wird somit weit gefasst und berücksichtigt neben der
Vermittlung von Qualifikation dezidiert auch soziale Aspekte der Bildungsbeteiligung.
Grafik 33: Bildungsferne Jugendliche
40
50
60
70
80
90
100
110
120
130
140
2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011
Insgesamt
mit nicht deutscher Umgangssprache
Index,Basisjahr2008=100
Basisjahr
2008
86
92
Q: STATISTIK AUSTRIA, Schulstatistik.
Amerkung: Im Schuljahr (2007/)2008 haben insgesamt 7,4% der
14-jährigen Schülerinnen und Schüler des Schuljahres (2006/)2007
keine weitere Ausbildung mehr besucht, bei Jugendlichen mit nicht
deutscher Umgangssprache waren es 15,0% (=100).
ÖSTERREICHS INDIKATOREN FÜR SOZIALE EINGLIEDERUNG
111
Besuch vorschulischer Bildungs-
einrichtungen
Deutlich erhöht haben sich die Besuchsquoten vor-
schulischer Bildungseinrichtungen. In der Gruppe der
0- bis4-Jährigen waren 2010 184.431 Kinder bzw. 46,9%
in Einrichtungen dieser Art. Die Vorschulbildungsquo-
te lag im Jahr 2006 noch bei 38,4%. Vergleichbare
Zahlen nach Staatsbürgerschaft für ganz Österreich
liegen nur für die Jahre 2010 und 2011 vor. In diesem
Zeitraum ist die Besuchsquote bei ausländischen
Kindern besonders deutlich angestiegen und liegt
nun bei 44,1% der 0- bis 4-Jährigen.
BILDUNGSFERNE JUGENDLICHE:
Für den Indikator der bildungsfernen Jugendlichen wird die Gruppe jener Jugendlichen herangezogen, die nach
Vollendung der Schulpflicht keine weitere Ausbildung in Anspruch nehmen. Konkret wird im Berichtsjahr der Anteil
jener Jugendlichen, die sich nicht in Ausbildung befinden und im vorangegangenen Jahr 14 Jahre alt waren, ausge-
geben. Im Indikator sind somit sowohl jene Personen abgebildet, welche die Sekundarstufe I erreicht haben, als
auch jene, die sie nicht erreicht haben. Im Schuljahr 2010/11 umfasste der Jahrgang der 14-Jährigen des Vorjahres
92.507 Personen. 1,5% der Gesamtgruppe erreichten nicht den Abschluss der Sekundarstufe I, 5,4% erzielten
diesen Abschluss, blieben aber dennoch weiteren Bildungsaktivitäten fern.
BESUCH VORSCHULISCHER BILDUNGS-
EINRICHTUNGEN:
Der Indikator bildet den Anteil der Kinder bis vier
Jahre, die einen Kindergarten, eine Kinderkrippe
oder alterserweiterte Betreuungseinrichtung besu-
chen, an allen Kindern dieser Altersgruppe ab. Der
Besuch einer vorschulischen Bildungseinrichtung
begünstigt den individuellen Bildungserfolg. Dies gilt
speziell für Kinder mit nicht deutscher Muttersprache
und kann hier auch besonders zur Entlastung der
weiterführenden Bildungseinrichtungen beitragen.
Da das Merkmal der Muttersprache in der Kinderta-
gesheimstatistik nicht erfasst ist, wird der Indikator
nach der Staatsbürgerschaft der Kinder ausgewiesen.
Bei der Interpretation zu beachten ist, dass die für die
Chancen am Arbeitsmarkt insbesondere von jungen
Müttern erforderliche Betreuung von Kindern auch
außerhalb der hier berücksichtigten Betreuungs-
einrichtungen (z.B. durch Verwandte, Tagesmütter,
Babysitter) erfolgt.
Grafik 34: Besuch von vorschulischen
Bildungseinrichtungen
40
50
60
70
80
90
100
110
120
130
140
2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011
Zusammen
nicht österreichische
Staatsbürgerschaft
Index,Basisjahr2008=100
Basisjahr
2008
111
119
Q: STATISTIK AUSTRIA, Kindertagesheimstatistik.
Anmerkung: Im Jahr 2008 lag die Besuchsquote für vorschulische
Bildungseinrichtungen bei insgesamt 42,0% (=100). Erst seit dem
Jahr 2010 liegen erstmals Staatsbürgerschaftsdaten für alle Bun-
desländer vor, erst ab diesem Zeitpunkt wird die Reihe für Auslände-
rInnen dazuverkettet. Im Jahr 2010 lag die Besuchsquote für Auslän-
derInnen bei 40,2% gegenüber dem Gesamtwert von 45,7% (=109).
ÖSTERREICHS INDIKATOREN FÜR SOZIALE EINGLIEDERUNG
112
8.6 Gesundheitsungleichheiten bleiben bestehen
Die beiden Indikatoren zum Thema Gesundheit im
Set der nationalen Eingliederungsindikatoren bele-
gen, dass Gesundheit und sogar die Lebensdauer
in Österreich weiterhin sehr stark von der sozialen
Lage abhängig sind.
Mehrfache Gesundheitseinschränkungen
Der erste Indikator umfasst drei Informationen zum
Gesundheitszustand, u.a. auch eine Bewertung zur
subjektiven Wahrnehmung der eigenen Gesundheit.
Über die Jahre bleibt dieser Indikator konstant.Speziell
die großen Ungleichheiten fallen hier ins Gewicht.
2011 waren insgesamt 8,8% der Bevölkerung ab 16
Jahren mehrfach gesundheitlich beeinträchtigt. Ar-
muts- oder Ausgrenzungsgefährdete (2011: 16,8%)
waren im gesamten Beobachtungszeitraum wesentlich
häufiger betroffen.
MEHRFACHE GESUNDHEITSEINSCHRÄNKUNGEN:
Als mehrfach gesundheitlich beeinträchtigt gelten Personen, auf die mindestens zwei der drei Merkmale „sehr
schlechter allgemeiner Gesundheitszustand in der subjektiven Einschätzung“, „chronische Krankheit“, „starke Ein-
schränkung bei der Verrichtung alltäglicher Arbeiten durch eine gesundheitliche Beeinträchtigung seit mindestens
einem halben Jahr“ zutreffen. Diese Fragen sind Teil der EU-SILC Befragung, und es liegen jährliche Daten ab 2004
vor. Im Jahr 2008 ist jedoch ein Zeitreihenbruch zu verzeichnen: In der österreichischen Erhebung von EU-SILC 2008
wurden die Fragestellungen zum Bereich „Gesundheit“ an die österreichische Gesundheitsbefragung (AT-HIS)
angepasst. Das Ziel der Harmonisierung der Erfassung des Gesundheitszustands war neben der Angleichung der
Messung in den verschiedenen Ländern auch die Angleichung an die europäische Gesundheitsbefragung (EHIS).
Durch die Änderungen der Fragestellung muss bei der Interpretation der Daten und den Vergleichen zwischen den
Jahren eine mögliche Veränderung des Antwortverhaltens der Befragten und damit ein Einfluss auf die Messung
von Deprivation beachtet werden. Die größten Veränderungen zwischen den Jahren weisen die Ergebnisse zur
chronischen Krankheit auf. Die genauere Erläuterung von chronischer Krankheit im Fragetext könnte um etwa die
Hälfte mehr 20- bis 64-jährige Befragte dazu bewogen haben, sich als chronisch krank einzustufen. In der Alters-
gruppe ab 65 Jahren haben sich 2008 rund ein Viertel mehr Personen als dauerhaft krank eingestuft als im Jahr
2007 (vgl. Statistik Austria 2010, S. 19).
Grafik 35: Mehrfache Gesundheitsein-
schränkungen
40
50
60
70
80
90
100
110
120
130
140
2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011
Insgesamt
Armuts- oder
Ausgrenzungsgefährdete
Index,Basisjahr2008=100
Basisjahr
2008
89
91
Q: STATISTIK AUSTRIA, EU-SILC.
Anmerkung: Im Jahr 2008 lag der Anteil der Personen ab 16 Jahren,
die von mehrfachen Gesundheitseinschränkungen betroffen waren,
bei 9,9%, bei Armuts- oder Ausgrenzungsgefährdeten waren es
18,5% (=100).
ÖSTERREICHS INDIKATOREN FÜR SOZIALE EINGLIEDERUNG
113
Soziale Lebenserwartungsdifferenzen
Die fernere Lebenserwartung ist seit den 1980er-Jahren
sowohl für höhere als auch für niedrige Bildungs-
schichten deutlich gestiegen. Allerdings bestehen
weiterhin klare Unterschiede zwischen den Bil-
dungsschichten. Für Männer ist die Differenz nach
erreichtem Bildungsniveau deutlich größer als für
Frauen. Die fernere Lebenserwartung für Männer
mit Hochschulbildung ist um 6,0 Jahre höher als für
Männer mit Pflichtschulbildung, für Frauen beträgt
der Unterschied 2,3 Jahre.
LEBENSERWARTUNGSDIFFERENZEN:
Abstand (in Jahren) zwischen der noch zu erwartenden
Lebensdauer von Personen mit Hochschulbildung
und der noch zu erwartenden Lebensdauer von Per-
sonen mit Pflichtschulbildung (gerechnet ab dem
35. Geburtstag). Die Berechnung erfolgt auf Basis
von Periodensterbetafeln, getrennt nach Geschlecht.
Unterschiede in der ferneren Lebenserwartung zwi-
schen verschiedenen Bildungsniveaus können nur
in größeren Zeitabständen berechnet werden (vgl.
Klotz 2007).
Grafik 36: Fernere Lebenserwartung mit 35 Jahren 1981/82 bis 2006/07
0
10
20
30
40
50
60
1981/82 1991/92 2001/02 2006/07 1981/82 1991/92 2001/02 2006/07
36
38
40
42 43
45
47 48
42
44
46
48
46
48 49 50
Hochschulbildung Pflichtschulbildung
Jahre
Männer Frauen
Q: STATISTIK AUSTRIA, Volkszählungen, Proberegisterzählung 2006, Todesursachenstatistik.
114
ANHANG
115
9. ANHANG
9.1 Methodisches zu EU-SILC
Die zentrale Datengrundlage desvorliegenden Berichts
ist EU-SILC (European CommunityStatistics on Income
and Living Conditions), eine jährliche Statistik über
Einkommen und Lebensbedingungen von Privathaus-
halten in Europa, die eine wichtige Grundlage für die
Europäische Sozialstatistik bildet. Zentrale Themen
sind Einkommen, Beschäftigung und Wohnen sowie
subjektive Fragen zu Gesundheit und finanzieller Lage,
die es ermöglichen, die Lebenssituation von Menschen
in Privathaushalten abzubilden. EU-SILC ist auch die
zentrale Quelle zur Erhebung der vom Europäischen
Rat verabschiedeten Indikatoren zur Messung von
Armut und sozialer Eingliederung (vormals bekannt
als Laeken-Indikatoren). EU-Verordnungen und eine
nationaleVerordnung des BMASKbilden die rechtliche
Grundlage für die Erhebung, die seit 2008 zu 100%
vom BMASK finanziert wird.73
In Österreich wurde EU-SILC erstmals 2003 als ein-
malige Querschnitterhebung von Statistik Austria
durchgeführt. Ergebnisse werden seitdem jährlich in
Form eines Berichts sowie als Artikel zu Schwerpunkt-
themen in den Statistischen Nachrichten publiziert.
Zudem werden die anonymisierten Mikrodaten an
interessierte ForscherInnen weitergegeben, seit
2008 sind sie für Forschung und Lehre kostenfrei
zu beziehen.
Im Jahr 2004 begann EU-SILC als integrierte Längs-
und Querschnitterhebung. Das heißt, jeweils rund
drei Viertel der Haushalte werden auch im Folgejahr
wieder befragt, ein Viertel der Stichprobe kommt
jährlich neu hinzu. Im Jahr 2007 wurde die integrierte
Quer- und Längsschnitterhebung erstmals voll im-
plementiert, sodass mit dem Datensatz 2004-2007
erstmals ein vierjähriger Längsschnitt auswertbar
war. Im Jahr 2011 wurde das Rotationsdesign wie
gehabt fortgesetzt.
Auswahlrahmen für EU-SILC ist das Zentrale Melde-
register (ZMR). Stichtag für die Ziehung der Erstbe-
fragungsstichprobe 2011 war der 30.09.2010. Die
Erstbefragungsstichprobe wurde auf Basis einer
einstufigen, geschichteten Wahrscheinlichkeitsaus-
wahl mit disproportionaler Allokation gezogen. Die
Stichprobe der Folgebefragung ergibt sich aus den
erfolgreich befragten Haushalten im Jahr 2010.
Die Stichprobe von EU-SILC 2011 umfasst brutto 8.106
Adressen, 2.949 davon für die Erstbefragung, 5.157
für die Folgebefragung. Die um qualitätsneutrale
Ausfälle (leer stehende Wohnungen oder Haushalte,
deren Haushaltsmitglieder ins Ausland verzogen sind
bzw. nicht mehr in einem Privat-Haushalt wohnen)
bereinigte Bruttostichprobe besteht insgesamt aus
7.936 Adressen. Davon konnte in 6.204 Haushalten
die Befragung erfolgreich abgeschlossen werden.
In 17 Fällen mussten die erhobenen Daten aufgrund
von Qualitätsmängeln ausgeschlossen werden, für
die Analyse verbleiben somit 6.187 Haushalte. Die
Ausschöpfung liegt in EU-SILC 2011 in der Erstbe-
fragung bei rund 62%, in der Folgebefragung bei
rund 86%.
Die Datenerhebung durch Erhebungspersonen von
Statistik Austria fand von März bis August 2011
statt. 3.548 Haushalte wurden face-to-face (CAPI)
befragt, in 2.639 Haushalten wurde die Befragung
73 Die Verordnungen können über die Website der StatistikAustria http://www.statistik.at/web_de/frageboegen/private_haushalte/eu_silc/
index.html#index2 abgerufen werden.
ANHANG
116
9.2 Literatur
Altzinger, W./ Lamei, N./ Rumplmaier, B. /Schneebaum, A. (2013): Intergenerationelle soziale Mobilität. In:
Statistische Nachrichten 01/2013, S. 48-62. Wien.
BKA (2012): Nationales Reformprogramm Österreich 2012. Abrufbar unter: http://www.bka.gv.at/DocView.
axd?CobId=47619 (29.11.2012).
BMASK/ StatistikAustria (2009): Armutsgefährdung in Österreich: EU-SILC 2008 – Eingliederungsindikatoren.
In: Sozialpolitische Studienreihe des Bundesministeriums für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz.
Band 2. Wien.
BMASK/ Statistik Austria (2011): Armuts- und Ausgrenzungsgefährdung in Österreich. Ergebnisse aus EU-SILC
2010. In: Sozialpolitische Studienreihe des Bundesministeriums für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz.
Band 8. Wien.
BMASK (2012): Sozialbericht 2011-2012. Wien.
telefonisch durchgeführt (CATI). Für 11.408 Perso-
nen, die mindestens 16 Jahre alt waren, wurde ein
Personenfragebogen ausgefüllt. Davon wurden 1.236
Personenfragebögen mittels Proxy Interview (durch
Fremdauskünfte) erhoben. 67 Interviews mussten
vollständig imputiert werden. In 75 Haushalten wurde
das Interview in einer Fremdsprache geführt, davon
kamen in 38 Fällen übersetzte Fragebögen (Türkisch
oder Bosnisch, Kroatisch, Serbisch) zum Einsatz.
Die zur Auswertung zur Verfügung stehenden Daten
werden umfangreichen Plausibilitätskontrollen un-
terzogen. Bereits in der Erhebungssituation werden
durch Checks und Warnungen Erfassungsfehler und
unplausible Antworten minimiert. In der Datenauf-
bereitung werden die Daten auf Vollständigkeit und
Konsistenzgeprüftundplausibilisiert. In der Mikroplaus
werden die Datensätze auf unplausible, inkonsistente
und fehlende Antworten geprüft. Die Makroplaus
umfasst Häufigkeitsauszählungen zur Prüfung der
Verteilungen, Kontrollen von Extremwerten und den
Vergleich von Aggregaten mit den Ergebnissen der
Vorjahre und externen Datenquellen. Das mehrstufige
Gewichtungsverfahren folgte in den Grundzügen der
bereits seit EU-SILC 2006 angewendeten Methodik.
Die Stichprobe wurde getrennt nach den vier Rotati-
onen gewichtet.
EU-SILC ist eine Stichprobenerhebung mit für Öster-
reich repräsentativen Ergebnissen – je kleiner die
untersuchten Gruppen, desto ungenauer sind die auf
die Grundgesamtheit hochgerechneten Werte. Auf die
gebotene Vorsicht bei der Interpretation, auch bei
Jahresvergleichen, muss ausdrücklich hingewiesen
werden. Mitunter sehr deutliche Unterschiede zum
Vorjahr können in Hinblick auf die statistische
Schwankungsbreite nicht signifikant sein.
Detaillierte methodische Informationen zur Erhebung
bietet dieStandarddokumentation zu EU-SILC2011, die
auf der Homepage der Statistik Austria abrufbar ist.
Die anonymisierten Mikrodaten, die diesem Bericht
zugrunde liegen, sind seit Anfang 2013 verfügbar.
ANHANG
117
Bock-Schappelwein, J./ Mühlberger, U. (2008): Beschäftigungsformen in Österreich: Rechtliche und quantitative
Aspekte. In: WIFO-Monatsbericht 12/2008, S. 941-951. Wien.
Europäische Kommission (2010): Europa 2020 – Eine Strategie für intelligentes, nachhaltiges und integratives
Wachstum. KOM (2010) 2020, Brüssel.
Europäische Kommission (2011): Europa 2020 – Österreichisches Reformprogramm 2011. Abrufbar unter :
http://ec.europa.eu/europe2020/pdf/nrp/nrp_austria_de.pdf (27.11.2012).
Europäischer Rat (2000): Schlussfolgerungen desVorsitzes Europäischer Rat, Lissabon, 23. und 24. März 2000.
Fusco, A./ Guio, A./ Marlier, E. (2010): Income poverty and material deprivation in European countries. Eurostat
Methodologies and Workingpapers. Abrufbar unter: http://epp.eurostat.ec.europa.eu/cache/ITY_OFFPUB/
KS-RA-10-030/EN/KS-RA-10-030-EN.PDF (26.11.2012).
Geisberger, T./ Knittler, K. (2010): Niedriglöhne und atypische Beschäftigung in Österreich. In: Statistische
Nachrichten 06/2010, S. 448-461. Wien.
Gordon, D. et al (2000): Poverty and Social Exclusion in Britain. Joseph Rowntree Foundation. York.
Gordon, D./ Guio, A./ Marlier, E. (2012): Measuring Material Deprivation in the EU. Indicators for the whole
population and child-specific indicators. Eurostat. Luxemburg. Abrufbar unter: http://epp.eurostat.ec.europa.
eu/cache/ITY_OFFPUB/KS-RA-12-018/EN/KS-RA-12-018-EN.PDF (20.11.2012).
Guger, A./ Agwi, M./ Buxbaum, A./ Festl, E./ Knittler, K./ Halsmayer, V./ Pitlik, H./ Sturn, S./ Wüger, M. (2009):
Umverteilung durch den Staat in Österreich. WIFO-Monografie, Juli 2009.
Klotz, J. (2007): Soziale Unterschiede in der Sterblichkeit. Bildungsspezifische Sterbetafeln 2001/2002. In:
Statistische Nachrichten 4/2007, S. 296-311. Wien.
Lamei, N./ Till-Tentschert, U. (2005): Messung von Armutsgefährdung und Deprivation. In: Statistische
Nachrichten 04/2005, S. 349-359. Wien.
Lamei, N./ Skina-Tabue M. (2011): Armut und Gender. Eine aktuelle Analyse ökonomischer Ungleichheiten
zwischen den Geschlechtern. In: Verwiebe, R. (Hrsg.), Armut in Österreich. Bestandsaufnahme, Trends,
Risikogruppen, S. 125-148. Wien.
Lutz, H./ Mahringer, H. (2010): Niedriglohnbeschäftigung – Brücke in dauerhafte Beschäftigung oder
Niedriglohnfalle? WIFO, Februar 2010. Abrufbar unter: http://www.wifo.ac.at/wwa/jsp/index.jsp?fid=23923
&id=38901&typeid=8&display_mode=2 (14.11.2012).
ANHANG
118
Mader, K./ Schneebaum, A./ Skina-Tabue, M./ Till-Tentschert, U. (2012, im Erscheinen): Intrahaushaltsverteilung
von Ressourcen. Geschlechterspezifische Verteilungen von Einkommen und Entscheidungsmacht. In:
Statistische Nachrichten 12/2012, S. 983-994. Wien.
Rechnungshof (2012): Allgemeiner Einkommensbericht 2012. Wien.
Statistik Austria (2009): Einkommen, Armut und Lebensbedingungen. Ergebnisse aus EU-SILC 2007. Wien.
Statistik Austria (2010): Methoden und Vergleiche zu EU-SILC 2008. Wien.
Statistik Austria (2011): Arbeitskräfteerhebung. Ergebnisse des Mikrozensus 2010. Wien.
Statistik Austria (2012a, im Erscheinen): Standard-Dokumentation Metainformationen. Definitionen,
Erläuterungen, Methoden, Qualität. Abrufbar unter: http://www.statistik.at/web_de/dokumentationen/
Soziales/index.html
Statistik Austria (2012b): Tabellenband EU-SILC 2011. Einkommen, Armut und Lebensbedingungen. Wien.
Statistik Austria (2012c): Arbeitskräfteerhebung. Ergebnisse des Mikrozensus 2011. Wien.
Till, M.(2005): Assessing the housing dimension of social inclusion on six European countries, Innovation,
V 18/2, P 153-181.
Till-Tentschert, U./ Weiss, H. (2008): Armutslagen und Chancen für Eingliederung in Österreich. Arbeitspapier 1.
Merkmale deprivierter Lebensführung in Österreich. Wien
Verma, V. (2001): EU-SILC Sampling Guidelines. EU-SILC doc 51/01. Eurostat. Luxemburg.
Studie der Statistik Austria im Auftrag des BMASK
ARMUTS- UND AUSGRENZUNGSGEFÄHRDUNG
IN ÖSTERREICH
Ergebnisse aus EU-SILC 2011
Einkommen
Manifeste Armut
Einkommenslücke
VerfestigteDeprivation
Zahlungsprobleme
Überbelag
Prekäre Wohnqualität
Belastende Wohnumgebung
Sehr hoher Wohnungsaufwand
Registrierte Wohnungslosigkeit
Arbeitsmarktferne
Haushaltseinkommen aus Erwerbsarbeit
unter der Armutsgefährdungsschwelle
WorkingPoor
Langzeitbeschäftigungslosigkeit
Bildungsaktivität
BildungsferneJugendliche
Gesundheitseinschränkungen
Soziale Lebenserwartungsdifferenzen
VorschulischeBildung
Lebensstandard
Wohnraum Erwerbsleben
Erwerbshindernisse
Bildungschancen
Gesundheit
Sehr niedrige
Erwerbsintensität
Mehrfach-Ausgrenzungsgefährdete
Erhebliche materielle Deprivation
Armutsgefährdung
SOZIALTELEFON
Bürgerservice des Sozialministeriums
Tel.: 0800 - 20 16 11
Mo bis Fr 08:00 - 12:00 Uhr
Do 08:00 - 16:00 Uhr
PFLEGETELEFON
Tel.: 0800 - 20 16 22
Mo bis Do 08:00 - 16:00 Uhr
Fr 8:00 - 13:00 Uhr
Fax: 0800 - 22 04 90
pflegetelefon@bmask.gv.at
BROSCHÜRENSERVICE
Tel.: 0800 - 20 20 74
broschuerenservice@bmask.gv.at
https://broschuerenservice.bmask.gv.at
ALLGEMEINE FRAGEN
post@bmask.gv.at
BUNDESMINISTERIUM FÜR
ARBEIT, SOZIALES UND
KONSUMENTENSCHUTZ
Stubenring 1, 1010 Wien
Tel.: +43 1 711 00 - 0
www.bmask.gv.at

Eu silc 2011armuts--und_ausgrenzungsgefaehrdung_in_oesterreich_hrsg._bmask_070577 kopie

  • 1.
    Studie der StatistikAustria im Auftrag des BMASK ARMUTS- UND AUSGRENZUNGSGEFÄHRDUNG IN ÖSTERREICH Ergebnisse aus EU-SILC 2011 Einkommen Manifeste Armut Einkommenslücke VerfestigteDeprivation Zahlungsprobleme Überbelag Prekäre Wohnqualität Belastende Wohnumgebung Sehr hoher Wohnungsaufwand Registrierte Wohnungslosigkeit Arbeitsmarktferne Haushaltseinkommen aus Erwerbsarbeit unter der Armutsgefährdungsschwelle WorkingPoor Langzeitbeschäftigungslosigkeit Bildungsaktivität BildungsferneJugendliche Gesundheitseinschränkungen Soziale Lebenserwartungsdifferenzen VorschulischeBildung Lebensstandard Wohnraum Erwerbsleben Erwerbshindernisse Bildungschancen Gesundheit Sehr niedrige Erwerbsintensität Mehrfach-Ausgrenzungsgefährdete Erhebliche materielle Deprivation Armutsgefährdung SOZIALTELEFON Bürgerservice des Sozialministeriums Tel.: 0800 - 20 16 11 Mo bis Fr 08:00 - 12:00 Uhr Do 08:00 - 16:00 Uhr PFLEGETELEFON Tel.: 0800 - 20 16 22 Mo bis Do 08:00 - 16:00 Uhr Fr 8:00 - 13:00 Uhr Fax: 0800 - 22 04 90 [email protected] BROSCHÜRENSERVICE Tel.: 0800 - 20 20 74 [email protected] https://broschuerenservice.bmask.gv.at ALLGEMEINE FRAGEN [email protected] BUNDESMINISTERIUM FÜR ARBEIT, SOZIALES UND KONSUMENTENSCHUTZ Stubenring 1, 1010 Wien Tel.: +43 1 711 00 - 0 www.bmask.gv.at
  • 2.
    IMPRESSUM Medieninhaber und Herausgeber:Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumenten- Redaktion: Nadja Lamei (Projektleitung EU-SILC), Matthias Till (Nationale Indikatoren für soziale Eingliederung), Marc Plate, Thomas Glaser, Richard Heuberger, Layout: Waltraud Unger (Sta- Lektorat: Verlags- und Herstellungsort: Druck: BMASK 1. Auflage: ISBN 978-3-85010-318-3 Alle Rechte vorbehalten: Zu beziehen bei BMASK-Bestellservice 0800/20 20 74 oder https://broschuerenservice.bmask.gv.at Jede Verwertung (auch auszugsweise) ist ohne schriftliche Zustimmung des Medieninhabers unzulässig. Dies gilt insbesondere für jede Art der Vervielfältigung, der Übersetzung, der Mikroverfilmung, der Wiedergabe in Fernsehen und Hörfunk, sowie der Verarbeitung und Einspeicherung in elektronische Medien, wie z. B. Internet oder CD-Rom.
  • 3.
    VORWORT Vorwort Die vorliegende Studiedokumentiert die Einkommens- und Lebensbedingungen in Österreich auf Basis der EU-SILC-Daten, die jährlich in allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union erhoben werden. Sie präsentiert neben der Einkommensarmut auch die Entwicklung der sozialen Ungleichheit, die Lebensbereiche Wohnen, Bildung und Gesundheit sowie die sozialen Teilhabechancen in Österreich. Die Ergebnisse zeigen, dass die Anzahl der armutsgefährdeten Menschen trotz Krise stabil blieb, vor allem wegen der Steuerreform 2008, der Lohnabschlüsse, der Einführung der Bedarfsorientierten Mindestsicherung und weiteren sozial- und beschäftigungspolitischen Maßnahmen. Gerade in wirtschaftlich schlechten Zeiten haben die Sozialleistungen eine stabilisierende Funktion für die individuellen und gesellschaftlichen Lebens- bedingungen. Sie verringern die Armutsgefährdung deutlich und tragen zur Aufrechterhaltung des privaten Konsums und damit letztlich auch zur wirtschaftlichen Erholung bei. Jede Person profitiert in den einzelnen Lebensabschnitten – als Kind, im Erwerbsalter und in der Pension – vom Sozialstaat. Wie bereits in den früheren Veröffentlichungen der EU-SILC-Daten in der Sozialpolitischen Studienreihe stellen die Indikatoren der Europa 2020-Strategie einen Schwerpunkt der Publikation dar. Mit dieser Strategie hat sich die EU das Ziel gesetzt, bis zum Jahr 2020 20 Millionen Menschen aus Armut und sozialer Ausgrenzung herauszuführen. Zur Umsetzung hat Österreich im Gegensatz zu anderen Mitgliedstaaten auch quantitative Ziele festgelegt: Die Zahl der von Armut oder Ausgrenzung bedrohten Menschen soll in diesem Zeitraum um 235.000 Personen verringert werden. Aktuelle Daten zeigen, dass Österreich auf einem guten Weg ist, dieses Ziel zu erreichen. Die im Jahr 2012 von Statistik Austria, der Österreichischen Armutsplattform und dem BMASK überarbeiteten nationalen Eingliederungsindikatoren vertiefen und ergänzen die Analysen mit spezifischen Informationen zur Entwicklung der Lebenssituation in Österreich. Verbesserungen gab es in den Bereichen Bildung und Gesundheit, in den anderen Bereichen Wohnraum, Erwerbsleben und Lebensstandard werden ambivalente Entwicklungen aufgezeigt. Die steigenden Armutsgefährdungsschwellen und sinkenden Zahlen von Niedrig- lohnbezieherInnen zeigen Verbesserungen der Einkommenssituation auf, während die Anstiege bei verfestigter Deprivation und Langzeitbeschäftigungslosigkeit auf Verschlechterungen für bestimmte Personengruppen hindeuten. Auch die Anzahl der von hohen Wohnkosten betroffenen Personen nimmt stetig zu. Aktuelle Daten weisen auch auf eine Verringerung der manifesten Armut hin. BMASK
  • 4.
    VORWORT Im Fokus dervorliegenden Studie stehen die sogenannten „Working Poor“, die armutsgefährdeten erwerbs- tätigen Personen. Ihr Anteil hat sich in Österreich seit 2005 kontinuierlich verringert und liegt derzeit mit 5,4% weit unter dem EU-27-Durchschnitt von 8,9%. Gründe für die positive Entwicklung sind die höhere Beschäftigungsquote von Frauen, der relativ geringe Anteil prekärer und gering entlohnter Beschäftigungs- formen und der hohe Anteil kollektivvertraglich geregelter Beschäftigungsverhältnisse. Mit Blickauf steigende Teilzeitquoten bei Frauen und Männern sowie auf immer noch bestehende bildungs- und geschlechtsspezi- fische Lohnungleichheiten stellen die „Working Poor“ jedoch eine bedeutende Zielgruppe einer gerechten Arbeits- und Sozialpolitik dar. Als Arbeits- und Sozialminister ist es mir ein wichtiges Anliegen, die Arbeitsmarktintegration weiter zu er- höhen, und damit auch monetäre Armut von vornherein zu vermeiden. Dabei sollen alle Personen, die eine spezielle Förderung zur Arbeitsmarktintegration benötigen, besonders unterstützt werden. Nur Erwerbsarbeit, die ausreichend bezahlt wird, kann die Spirale von Armut und sozialer Ausgrenzung verhindern. Gleichzeitig muss der Sozialstaat gesichert werden, um eine Wahrung und Verbesserung des Lebensstandards für alle Menschen in Österreich auch in Zukunft zu gewährleisten. Bundesminister Rudolf Hundstorfer
  • 5.
    VORWORT Vorwort Die vorliegende Publikationvon Statistik Austria widmet sich Gefährdungslagen sozialer Ausgrenzung und setzt damit die im Vorjahr begonnene Berichterstattung über die Sozialzielgruppe im Sinne der Europa 2020-Strategie fort. Ihre Zusammensetzung und zahlenmäßige Entwicklung in Österreich wird vor dem Hintergrund der europäischen und nationalen Ziele zur Reduktion von Armuts- oder Ausgrenzungsgefähr- dung dargestellt. Im Fokus der Analyse stehen diesmal die sogenannten „Working Poor“ – Menschen, die trotz regelmäßiger Erwerbstätigkeit armutsgefährdet sind. Ergänzend zu den europäisch vergleichbaren Indikatoren werden österreichspezifische Aspekte von sozialer Ausgrenzung im Monitoring des natio- nalen Indikatorensets zur sozialen Eingliederung präsentiert. Ziel des Berichts ist es somit, verschiedene Dimensionen von Ausgrenzungsgefährdung zu beschreiben und durch diese Gesamtschau an Indikatoren ein zuverlässiges Bild über die Lage der Ausgrenzungsgefährdeten sowie über (multiple) Betroffenheit von Problemlagen zu erhalten. Die EU-Strategie „Europa 2020“ für intelligentes, nachhaltiges und integratives Wachstum in Europa aus dem Jahr 2010 umfasst unter anderem Ziele zur Armutsbekämpfung. Die Mitgliedstaaten haben ihre Beiträge und Zielsetzungen festzulegen: In Österreich wurde das Reduktionsziel hinsichtlich von Armut oder Ausgrenzung bedrohter Personen mit 235.000 Personen bis zum Jahr 2020 angegeben. Um den Fortschritt messen zu können, wird der europäisch verbindliche Indikator „Armuts- oder Ausgrenzungsgefährdung“ herangezogen. Er umfasst die drei Zielgruppen „Armutsgefährdung“, „erhebliche materielle Deprivation“ und „Personen in Haushalten mit keiner oder sehr niedriger Erwerbstätigkeit“. Der umfassenden statistischen Analyse dieser Zielgruppen und einer zeitnahen Berichterstattung zu Problemlagen und Veränderungen kommt besondere Bedeutung zu. Neben den Charakteristika der jeweiligen Gruppen für Österreich stehen auch immer zeitliche Entwicklungen sowie Vergleiche auf europäischer Ebene im Mittelpunkt. Besonderes Augenmerk wird in der vorliegenden Studie der Schnittmenge zwischen Erwerbsarbeit und Ar- mutsgefährdung geschenkt. Trotz ihrer niedrigeren prozentuellen Betroffenheit stellen Erwerbstätige eine große Gruppe der Armutsgefährdeten dar. Möglichen Gründen für das Phänomen der „Working Poor“ wird nachgegangen. Die Berichterstattung zu den Europa 2020-Armutszielen wird um ein Kapitel zur Rolle der Sozialleistungen für Umverteilung und Armutsreduktion ergänzt. Der im Auftrag des BMASK erstellte und jährlich aktualisierte Katalog zu nationalen Eingliederungsindikatoren erweitert die Befunde zu Armut und sozialer Eingliederung in Österreich. STAT/APA-Fotoservice/Preiss
  • 6.
    VORWORT Grundlage des vorliegendenBerichts sind Daten aus der EU-SILC Erhebung 2011 zu Einkommen, Armut und Lebensbedingungen. Diese Erhebung wird seit 2003 jährlich von Statistik Austria im Auftrag des BMASK durchgeführt und ist seit 2010 in einer nationalen Verordnung (BGBl. II Nr. 277/2010) geregelt. Methodische Details und Kohärenzvergleiche der Studie sowie ein umfassender Tabellenband sind auf den Websites von Statistik Austria und des BMASK abrufbar. Dr. Konrad Pesendorfer Fachstatistischer Generaldirektor STATISTIK AUSTRIA
  • 7.
    INHALTSVERZEICHNIS 5 INHALTSVERZEICHNIS 1. AUFBAU UNDZUSAMMENFASSUNG DES BERICHTS 11 1.1 Aufbau des Berichts 11 1.2 Zusammenfassung 13 2. EUROPÄISCHE INDIKATOREN UND ZIELGRÖSSEN FÜR SOZIALE EINGLIEDERUNG IM RAHMEN DER STRATEGIE „EUROPA 2020“ 17 2.1 Aufbau der Strategie „Europa 2020“ 17 2.2 Definition der Europa 2020-Sozialzielgruppe: Armuts- oder Ausgrenzungs- gefährdete 19 2.3 Entwicklung und Struktur der Europa 2020-Sozialzielgruppe: Armuts- oder Ausgrenzungsgefährdete 19 2.3.1 Teilgruppen der Armuts- oder Ausgrenzungsgefährdung 20 2.3.2 Sozialstruktur der armuts- oder ausgrenzungsgefährdeten Personen 24 3. ARMUTSGEFÄHRDUNG UND „WORKING POOR“ IN ÖSTERREICH 29 3.1 Armutsgefährdung 29 3.1.1 Ausmaß und Intensität der Armutsgefährdung 30 3.1.2 Soziale Zusammensetzung der betroffenen Bevölkerung 36 3.1.3 Dauerhafte Armutsgefährdung zwischen 2008 und 2011 38 3.2 Im Fokus: Armutsgefährdung trotz Erwerbsarbeit – „Working Poor“ 40 3.2.1 Armutsgefährdung von Personen im Erwerbsalter 40 3.2.2 „Working Poor“ in Österreich und der EU 42 3.2.3 Das Zusammenspiel zwischen individuellen Erwerbsfaktoren und dem Haushaltskontext 45 3.2.4 „Working Poor“ in der Längsschnittbetrachtung 55 3.2.5 Schlussfolgerungen 59 4. ERHEBLICHE MATERIELLE DEPRIVATION (EU-DEFINITION) 61 4.1 Zusammensetzung der Zielgruppe 66 4.2 Armutsgefährdung und erhebliche materielle Deprivation 68 4.3 „Working Poor“ und erhebliche materielle Deprivation 70 5. PERSONEN IN HAUSHALTEN MIT KEINER ODER SEHR NIEDRIGER ERWERBSINTENSITÄT 73 5.1 Zusammensetzung der Zielgruppe 74 5.2 Niedrige Erwerbsintensität und Armutsgefährdung 79 5.3 Spezifische Entstehungszusammenhänge niedriger Erwerbsintensität 79
  • 8.
    INHALTSVERZEICHNIS 6 6. ÜBERSCHNEIDUNGEN INDEN PROBLEMBEREICHEN SOZIALER ARMUTS- ODER AUSGRENZUNGSGEFÄHRDUNG 81 6.1 Lebensstandard der Mehrfach-Ausgrenzungsgefährdeten 82 6.2 Risikofaktoren für mehrfache Ausgrenzungsgefährdung 83 7. UMVERTEILUNGSWIRKUNG DER SOZIALLEISTUNGEN 85 7.1 Anteil der Sozialleistungen und Pensionen am Haushaltseinkommen 85 7.2 Armutsgefährdung nach Haupteinkommensquelle 87 7.3 Armutsgefährdung vor und nach Sozialleistungen und Pensionen 88 7.4 Umverteilungswirkung der Sozialleistungen im europäischen Vergleich 91 8. ÖSTERREICHS INDIKATOREN FÜR SOZIALE EINGLIEDERUNG 93 8.1 20 Nationale Indikatoren 93 8.2 Kaufkraftgewinne und Erholung bei manifester Armut 96 8.3 Wohnen wird besser, aber auch teurer 102 8.4 Erwerbsbeteiligung und Löhne steigen mäßig 106 8.5 Steigende Bildungsaktivität 109 8.6 Gesundheitsungleichheiten bleiben bestehen 112 9. ANHANG 115 9.1 Methodisches zu EU-SILC 115 9.2 Literatur 116
  • 9.
    GRAFIKVERZEICHNIS 7 GRAFIKVERZEICHNIS Grafik 1: Armuts-oder Ausgrenzungsgefährdung in den EU-27-Staaten 20 Grafik 2: Überlappung von Problembereichen der Europa 2020-Zielgruppe armuts- oder ausgrenzungsgefährdeter Personen 21 Grafik 3: Teilgruppen der Ausgrenzungsgefährdung im Zeitverlauf 24 Grafik 4: Armutsgefährdung in den EU-27-Staaten 30 Grafik 5: Äquivalisiertes Haushaltseinkommen: Einkommensverteilung 2010 und 2011 31 Grafik 6: Armutsgefährdungslücke der äquivalisierten Medianeinkommen 36 Grafik 7: Armutsgefährdung von Erwerbspersonen in den EU-27-Staaten 43 Grafik 8: Armutsgefährdung von Erwerbspersonen und Arbeitslosenquoten in den EU-27-Staaten 44 Grafik 9: Zufriedenheit mit der Haupttätigkeit für „Working Poor“ und Personen in prekären Beschäftigungsformen 49 Grafik 10: Erheblich materiell deprivierte Personen in den EU-27-Staaten – Quote 63 Grafik 11: Prozentsatz der erheblich materiell deprivierten Personen und Personen in anderen Haushalten nach Anzahl der Deprivationsmerkmale 64 Grafik 12: Ausgewählte Deprivationsmerkmale bei armutsgefährdeten Personen 69 Grafik 13: Keine oder sehr niedrige Erwerbsintensität in den EU-27-Staaten 73 Grafik 14: Personen in Haushalten mit keiner oder sehr niedriger Erwerbsintensität nach Altersgruppen und Geschlecht 76 Grafik 15: Verteilung der unter 60-Jährigen in Haushalten mit keiner oder sehr niedriger Erwerbsintensität auf Dezilgruppen des äquivalisierten Nettohaushaltseinkommens 78 Grafik 16: Teilgruppen der Mehrfach-Ausgrenzungsgefährdeten 81 Grafik 17: Lebensstandard der Mehrfach-Ausgrenzungsgefährdeten im Vergleich 83 Grafik 18: Armutsgefährdungsquote nach Haupteinkommensquelle des Haushalts 88 Grafik 19: Armutsgefährdung vor und nach Sozialleistungen und Pensionen der EU-27-Staaten 92 Grafik 20: Median-Haushaltseinkommen (standardisiert und preisbereinigt) 97 Grafik 21: Einkommenslücke 2004 bis 2011 98 Grafik 22: Manifeste Armut 99 Grafik 23: Verfestigte Deprivation 101 Grafik 24: Überbelag 102 Grafik 25: Prekäre Wohnqualität 103 Grafik 26: Belastende Wohnumgebung 103 Grafik 27: Sehr hoher Wohnkostenanteil 104 Grafik 28: Arbeitsmarktfernenquote 106 Grafik 29: Haushaltseinkommen aus Erwerbsarbeit unter Gefährdungsschwelle 107 Grafik 30: Löhne unter 2/3 des Bruttomedianlohns 108
  • 10.
    GRAFIKVERZEICHNIS 8 Grafik 31: Erwerbshindernisseund Langzeitbeschäftigungslosigkeit 109 Grafik 32: Bildungsaktivität 109 Grafik 33: Bildungsferne Jugendliche 110 Grafik 34: Besuch von vorschulischen Bildungseinrichtungen 111 Grafik 35: Mehrfache Gesundheitseinschränkungen 112 Grafik 36: Fernere Lebenserwartung mit 35 Jahren 1981/82 bis 2006/07 113
  • 11.
    ÜBERSICHTSTABELLEN 9 ÜBERSICHTSTABELLEN Übersicht 1: Teilgruppender Armuts- oder Ausgrenzungsgefährdung 2004 und 2008 bis 2011 23 Übersicht 2: Soziale Zusammensetzung der Armuts- oder Ausgrenzungsgefährdeten 25 Übersicht 3: Ausgewählte Haushaltsmerkmale der Armuts- oder Ausgrenzungs- gefährdeten 27 Übersicht 4: Bestandteile des Haushaltseinkommens in EU-SILC 30 Übersicht 5: Armutsgefährdungsschwelle bei 60% des Medians für unterschiedliche Haushaltstypen 32 Übersicht 6: Armutsgefährdungsschwelle und Armutsgefährdungsquote im Zeitverlauf 33 Übersicht 7: Einkommen und Lücke der Armutsgefährdeten bei unterschiedlichen Schwellen 35 Übersicht 8: Armutsgefährdungsquote nach Geschlecht und Alter im Zeitverlauf 37 Übersicht 9: Armutsgefährdungsquote nach Haushaltstyp im Zeitverlauf 37 Übersicht 10: Häufigkeit des Auftretens von Armutsgefährdung 2008 bis 2011 39 Übersicht 11: Armutsgefährdung von Personen im Erwerbsalter nach Haupttätigkeit im Vorjahr 41 Übersicht 12: „Working Poor“ in Österreich 2004 und 2008 bis 2011 44 Übersicht 13: Soziodemographisches Profil von Erwerbstätigen im Erwerbsalter nach Armutsrisiko 47 Übersicht 14: Armutsgefährdung in prekären Beschäftigungsformen und bei niedrigem Einkommen (weniger als 2/3 des Medianstundenlohns) 49 Übersicht 15: „Working Poor“ nach Haushaltstyp 51 Übersicht 16: Erwerbsintensität des Haushalts und Armutsgefährdung 52 Übersicht 17: Erwerbstätigkeit der Frauen und Armutsgefährdung in Familien (in %) 53 Übersicht 18: Personen in „Working Poor“ Haushalten nach Haushaltsmerkmalen 54 Übersicht 19: Häufigkeit des Auftretens von „Working Poor“ 2008 bis 2011 55 Übersicht 20: Änderungen im Erwerbsstatus im Vergleich zum Vorjahr 56 Übersicht 21: Änderungen im Erwerbsstatus von 2010 auf 2011 für niedrige und höhere Einkommen 58 Übersicht 22: Bestimmungsmerkmale für erhebliche materielle Deprivation 63 Übersicht 23: Betroffenheit der Gesamtbevölkerung in den Bestimmungsmerkmalen erheblicher materieller Deprivation im Zeitverlauf 66 Übersicht 24: Erheblich materiell deprivierte Personen nach soziodemographischen Merkmalen 67 Übersicht 25: Erheblich materiell deprivierte Personen nach Haushaltsmerkmalen 68 Übersicht 26: Erhebliche materielle Deprivation und deren Bestimmungsmerkmale für „Working Poor” und nicht armutsgefährdete Erwerbstätige 70 Übersicht 27: Personen in Haushalten mit keiner oder sehr niedriger Erwerbsintensität nach Alter, Geschlecht und Staatsbürgerschaft 75
  • 12.
    ÜBERSICHTSTABELLEN 10 Übersicht 28: Hauptaktivitätder 18- bis 59-Jährigen nach Erwerbsintensität des Haushalts 77 Übersicht 29: Ausgewählte Haushaltsmerkmale der unter 60-Jährigen nach Erwerbs- intensität 78 Übersicht 30: Risiko von 18- bis 59-Jährigen, in einem Haushalt mit keiner oder sehr niedriger Erwerbsintensität zu leben 80 Übersicht 31: Mehrfach-Ausgrenzungsgefährdete nach soziodemographischen Merkmalen 84 Übersicht 32: Anteil der Sozialleistungen und Pensionen am verfügbaren Haushalts- einkommen 86 Übersicht 33: Armutsgefährdung vor und nach Sozialleistungen und Pensionen nach Haushaltszusammensetzung 89 Übersicht 34: Armutsgefährdung vor und nach Sozialleistungen und Pensionen in ausgewählten Risikogruppen 91 Übersicht 35: Österreichs Indikatoren für soziale Eingliederung 94 Übersicht 36: Indikatoren für soziale Eingliederung (Armuts-/ Ausgrenzungsgefährdete) 95
  • 13.
    AUFBAU UND ZUSAMMENFASSUNGDES BERICHTS 11 1. AUFBAU UND ZUSAMMENFASSUNG DES BERICHTS Die EU-Strategie „Europa 2020“ für intelligentes, nachhaltiges und integratives Wachstum in Europa aus dem Jahr 2010 umfasst Ziele in den Bereichen Beschäftigung, Bildung, Energieverbrauch, Inno- vation und Armutsbekämpfung, die allesamt dazu beitragen sollen, die Auswirkungen der Finanzkrise in den nächsten zehn Jahren zu überwinden.1 In den jährlichen Nationalen Reformprogrammen (NRP)2 sind die Beiträge und Zielsetzungen der einzelnen Staaten zur Realisierung dieser Kernziele zu nennen. Im NRP Österreichs für das Jahr 2011 wurde das Ziel hinsichtlich von Armut und/oder sozialer Ausgren- zung bedrohter Personen mit einer Reduktion um 235.000 Personen bis zum Jahr 2020 angegeben. Für die Messung des Fortschritts wird der europä- isch verbindlich festgelegte Indikator „Armuts- oder Ausgrenzungsgefährdung“ herangezogen. Er umfasst die drei Zielgruppen Armutsgefährdung, erhebliche materielle Deprivation und Personen in Haushalten mit keiner oder sehr niedriger Erwerbstätigkeit. 1.1 Aufbau des Berichts Der vorliegende Bericht beginnt mit einem Überblick über die Europa 2020-Strategie (Kapitel 2.1) und setzt mit der Definition der Sozialzielgruppe des fünften EU-Kernziels der Europa 2020-Strategie, die Reduktion der „Armuts- oder Ausgrenzungsgefährdeten“ (Kapitel 2.2) fort. Daraufhin erfolgt eine detaillierte Analyse der Struktur und Entwicklung dieser Sozialzielgruppe Armuts- oder Ausgrenzungsgefährdete (Kapitel 2.3) sowie der drei Zielgruppen Armutsgefährdete (Kapi- tel 3), Personen in erheblich materiell deprivierten Haushalten (Kapitel 4) und Personen in Haushalten mit keiner oder sehr niedriger Erwerbsintensität (Kapitel 5). Neben den Charakteristika der jeweiligen Gruppen für Österreich stehen immer auch zeitliche Entwicklungen sowie Vergleiche auf europäischer Ebene im Mittelpunkt. Der Fokus für die Berichter- stattung über Armutsgefährdung liegt diesmal auf den Erwerbstätigen, die armutsgefährdet sind, den sogenannten „Working Poor“, und ihren Haushalten (Kapitel 3.2). Ergänzend zu den Detailanalysen für das Jahr 2011 und Trendergebnissen seit 2004 werden auch Längsschnittergebnisse zur Armutsgefährdung für 2008 bis 2011 sowie zu armutsgefährdeten Er- werbstätigen präsentiert. Die Berichterstattung zu den Europa 2020-Armutszielen wird um eine Darstel- lung der Mehrfachbenachteiligungen innerhalb der Armuts- oder Ausgrenzungsgefährdeten (Kapitel 6) sowie einen Abschnitt zur Rolle der Sozialleistungen für Umverteilung und Armutsreduktion (Kapitel 7) er- gänzt. Der im Auftrag des BMASK erstellte und jährlich aktualisierte Katalog zu nationalen Eingliederungs- indikatoren erweitert im abschließenden Kapitel 8 die Befunde zu Armut und sozialer Eingliederung in Österreich. Informationen über die Datengrundlage und Methodik sind im Anhang des Berichts (Kapi- tel 9.1) zu finden. Der umfassende Tabellenband zu EU-SILC 2011 in- klusive der EU-Indikatoren zu Armut und sozialer Eingliederung wird als separate Publikation auf der 1 Die Datenbasis der Europa 2020-Indikatoren bilden EU-SILC 2008 bis 2018, deren endgültige Auswertungen im Jahr 2020 vorliegen werden. 2008 als letztverfügbares Jahr zum Zeitpunkt der Beschlussfassung bildet daher das Basisjahr für die SILC-Auswertungen zur Armuts- oder Ausgrenzungsgefährdung. 2 Die Nationalen Reformprogramme der jeweiligen Jahre können über die Website des Bundeskanzleramts http://www.bka.gv.at/site/4892/ default.aspx abgerufen werden.
  • 14.
    AUFBAU UND ZUSAMMENFASSUNGDES BERICHTS 12 Homepage von Statistik Austria und der des BMASK zur Verfügung gestellt: www.statistik.at > Statistiken > Soziales > Armut und so- ziale Eingliederung oder www.bmask.gv.at > Soziales > Allgemeine Sozialpolitik > Armut Der online publizierte „Tabellenband zu EU-SILC 2011“ umfasst folgende Themen: » Einkommensverteilung, » Ausstattung mit Konsumgütern und finanzielle Einschränkungen, » Wohnen, » Gesundheit, » Armutsgefährdung und soziale Ausgrenzung inkl. Tabellen zur Europa 2020-Zielgruppe und dauerhaften Armutsgefährdung, » Lebenszufriedenheit, » Bildung, » Kinderbetreuung, » Arbeit, » Risikogruppen in Bezug auf Armutsgefährdung, » Verteilung von Bestandteilen des Jahresein- kommens, » Intergenerationale Übertragung von Benachtei- ligungen (EU-SILC Modul 2011),3 » EU-Indikatoren zur sozialen Eingliederung aus EU-SILC 2011 und Vergleichswerte 2010, Des Weiteren enthält der Tabellenband zu EU-SILC 2011 das Kapitel „Erläuterungen und Definitionen“, welches die verwendeten Definitionen und Hinweise zur Berechnung der dargestellten Indikatoren und Gliederungsmerkmale sowie eine Übersicht über die wesentlichsten Änderungen im Vergleich zum Bericht zu EU-SILC 2010 enthält. Die anonymisierten Mikrodaten, die diesem Bericht zugrunde liegen, sind seit Anfang 2013 verfügbar. 3 Analysen dazu sind als Artikel „Intergenerationelle soziale Mobilität“ in den Statistischen Nachrichten veröffentlicht (Altzinger et al 2013).
  • 15.
    AUFBAU UND ZUSAMMENFASSUNGDES BERICHTS 13 1.2 Zusammenfassung Im Jahr 2011 umfasst die Europa 2020-Sozialziel- gruppe 1,4 Millionen Armuts- oder Ausgrenzungs- gefährdete in Österreich. Davon sind 1,05 Millionen Menschen armutsgefährdet. Der Schwellenwert für Armutsgefährdung liegt bei 1.066 Euro verfügbares Haushaltseinkommen pro Monat für Alleinlebende (Jahreswert mal 12 bzw. 914 Euro mal 14) plus 320 Euro pro Monat (bzw. 274 mal 14) für jedes Kind und 533 Euro pro Monat (bzw. 456 mal 14) für jeden weiteren Erwachsenen. Die Sozialzielgruppe Armuts- oder Ausgrenzungsgefährdete schließt zusätzlich 350.000 Personen mit Einkommen über der Armuts- gefährdungsschwelle ein. Sie sind erheblich materiell depriviert oder leben in Haushalten mit keiner oder sehr niedriger Erwerbsintensität. 1,4 Millionen Armuts- oder Ausgrenzungs- gefährdete in Österreich Die Zahl der Armuts- oder Ausgrenzungsgefährdeten wird in EU-SILC 2011 insgesamt um 34.000 Personen höher geschätzt als im Vorjahr, eine Veränderung, die innerhalb der statistischen Zufallsschwankung liegt. Verglichen mit 2008, dem Basisjahr der Euro- pa 2020-Strategie, konnte die Zahl der insgesamt Ausgrenzungsgefährdeten dennoch bedeutsam, nämlich um 125.000, reduziert werden. Betrachtet man die Armuts- oder Ausgrenzungsgefährdung im gesamten EU-SILC Zeitverlauf von 2004 bis 2011, so zeigen sich Zahl und Quote der Ausgrenzungsgefähr- dung relativ unverändert. 28% der Ausgrenzungsgefährdeten in mehr- fachen Benachteiligungen Verglichen mit dem Jahr 2004 haben sich jedoch die Überschneidungen in den Problembereichen der Ar- muts- oder Ausgrenzungsgefährdeten verändert: So ist die Gruppe jener Personen, die von mindestens zwei der drei Problembereichen – Armutsgefährdung, erhebliche materielle Deprivation und Haushalt mit keiner oder sehr niedriger Erwerbsintensität – betroffen sind, seit 2004 um 106.000 auf 388.000 Personen gewachsen. Ihr Anteil unter den Ausgrenzungsge- fährdeten stieg somit von 19% auf 28%. Verglichen mit dem Basisjahr der Europa 2020-Strategie, 2008, blieben die Mehrfach-Ausgrenzungsgefährdeten in ihrer Größe aber relativ unverändert und machen weiterhin 5% der Gesamtbevölkerung aus. Der Lebensstandard dieses Personenkreises ist im Ver- gleich zu dem nicht ausgrenzungsgefährdeten Teil der Bevölkerung als äußerst prekär einzustufen: 43% der Mehrfach-Ausgrenzungsgefährdeten haben ein Einkommen unter der Bedarfsorientierten Mindestsi- cherung (9.035 Euro jährlich) zur Verfügung, 70% sind per nationaler Definition finanziell depriviert, 23% mehrfach gesundheitlich beeinträchtigt, und 20% wohnen in einer Umgebung, die von mindestens zwei der drei Belastungen Lärm, Umweltverschmutzung und/oder Kriminalität geprägt ist. Hinsichtlich der Wohnausstattung ist die Wohnqualität jedoch bei nur 10% als prekär einzustufen. Haushaltseinkommen steigen unterschied- lich stark DasmittlereäquivalisierteHaushaltseinkommenbeträgt 2011 21.319 Euro jährlich. Damit hat ein Einpersonen- haushalt mit mittlerem Lebensstandard im Median ein um 3,4% höheres Einkommen zur Verfügung als im Vorjahr. Im Mittel sind die Haushaltseinkommen demnachstärkergestiegenalsdieInflation.Jedochfällt der Anstieg für die verschiedenen sozialen Gruppen unterschiedlich stark aus: Während der Median des äquivalisierten Haushaltseinkommens der unteren 30% der Einkommensbeziehenden einen unter- durchschnittlichen Anstieg um 1,3% erfuhr und die obersten 15% der Einkommensbeziehenden in ihrem Medianeinkommen nahezu konstant(-0,5%) blieben, stieg der Median des Haushaltseinkommens für die
  • 16.
    AUFBAU UND ZUSAMMENFASSUNGDES BERICHTS 14 Einkommensgruppe des30 bis85 Perzentils– die mitt- leren Einkommen – gegenüber demVorjahr um 4,1%. Einkommenssituation der Ausgrenzungsge- fährdeten verbessert sich nur schwach Der ungleich starke Anstieg der Einkommen hat zur Folge, dass sich der Unterschied in der Einkommenssi- tuation der Armuts- oder Ausgrenzungsgefährdeten und jener des restlichen Teils der Bevölkerung vergrößert. Dies wird erstens anhand des nationalen Indikators Kaufkraft, bei dem das äquivalisierte Haushaltsein- kommen um die Inflation preisbereinigt wird, deutlich: Während die Kaufkraft der Ausgrenzungsgefährde- ten im Vergleich zu 2008 um nur 1,3% stieg, ist der Anstieg der Kaufkraft der Gesamtbevölkerung um 6,2% ungleich höher ausgefallen. Zweitens kommt die Einkommensungleichheit auch in der Armutsge- fährdungslücke, die sich auf das mittlere Einkommen der Armutsgefährdeten bezieht, zum Ausdruck. Die Armutsgefährdungslücke ist seit 2008 von 15% auf 19% angestiegen. Demnach liegt 2011 das jährliche Haushaltseinkommen der Armutsgefährdeten im Mittel 2.429 Euro unter der Armutsgefährdungs- schwelle. In Summe bedürfte es 2,6 Mrd. Euro, um das Einkommen aller armutsgefährdeten Personen über die Armutsgefährdungsschwelle zu heben, das entspricht 0,86% des Bruttoinlandsprodukts. Sinkende Erwerbsbeteiligung der Ausgren- zungsgefährdeten Wie auch im Vorjahr bleibt der Anteil an Personen in Haushalten mit keiner oder sehr niedriger Erwerbsin- tensität auf dem Niveau von 2008: 8% bzw. 519.000 der in Österreich lebenden Menschen befinden sich in solchen Haushalten. Ihr Anteil an den Ausgren- zungsgefährdeten unter 60 Jahren stieg jedoch im selben Zeitraum von 41% auf 47% (bzw. bezogen auf die Gesamtgruppe der Ausgrenzungsgefährdeten von 33% auf 37%) an. Dieser Personenkreis ist besonders von Armut gefährdet, da sein Einkommen nahezu gänzlich von der Höhe der erhaltenen Sozialleis- tungen abhängt: Während ohne Sozialleistungen in dieser Gruppe 96% armutsgefährdet wären, sind es mit Sozialleistungen deutlich weniger, wenngleich immer noch mehr als die Hälfte (54%). Diese Gruppe der von Armutsgefährdung Betroffenen in Haushalten mit keiner oder sehr niedriger Erwerbsbeteiligung wuchs in den vergangenen Jahren stetig – wenngleich von Jahr zu Jahr schwach – an und erreicht 2011 den historischen Höchstwert von 281.000 Personen. Während insgesamt also der Anteil an Personen in Haushalten, deren Haushaltsmitglieder in Summe weniger als 20% der potenziellen Erwerbsintensität des Haushalts erwerbstätig sind, über die Jahre konstant bleibt, zeichnet sich für die Ausgrenzungs- gefährdeten ein Rückgang der Erwerbsbeteiligung auf individueller Ebene ab. Dies wird im nationalen Indikator Arbeitsmarktfernenquote sichtbar: Während sich die Arbeitsmarktfernenquote für die Gesamtbe- völkerung im Vergleich zu 2008 kaum verändert hat, ist sie für die Ausgrenzungsgefährdeten von 48,2% auf 56,6% gestiegen. Mehr Arbeitseinkommen unter der Armuts- gefährdungsschwelle bei gleichbleibender Zahl armutsgefährdeter Erwerbstätiger Im selben Zeitraum (2008 bis 2011) wächst auch die Anzahl an Haushalten, deren Arbeitseinkommen unter der Armutsgefährdungsschwelle liegen. Davon sind im Jahr 2011 20% der gesamten Bevölkerung in Erwerbshaushalten und 88% der Ausgrenzungsge- fährdeten in Erwerbshaushalten betroffen. Wird nicht nur das Einkommen aus Erwerbstätigkeit, sondern das gesamte Haushaltseinkommen inklusive staatlicher und privater Transferleistungen betrach- tet, bleibt die Gruppengröße armutsgefährdeter Erwerbstätiger im Zeitraum von 2008 bis 2011 relativ
  • 17.
    AUFBAU UND ZUSAMMENFASSUNGDES BERICHTS 15 unverändert: 5,4% aller regelmäßig Erwerbstätigen haben 2011 ein Haushaltseinkommen unter der Ar- mutsgefährdungsschwelle. Die Zahl dieser „Working Poor“ beträgt 198.000 Personen. Zählt man Angehörige dazu, leben 471.000 Personen in Haushalten, die mindestens ein erwerbstätiges Mitglied haben und armutsgefährdet sind. Ein Anstieg der Armutsgefährdung ausArbeitseinkom- menbeigleichzeitigkonstanterZahlarmutsgefährdeter Erwerbstätiger bei Berücksichtigung des gesamten Haushaltseinkommenslässtsichdadurcherklären,dass Transferleistungen für die Reduktion der Armutsgefähr- dungvon Erwerbstätigen an Bedeutungzunehmen.So führtenSozialleistungen und Pensionen im Jahr 2008 nochzu einer Reduktion der Armutsgefährdungsquote der Erwerbstätigen um 63,2%, während sie 2011 die Armutsgefährdungsquote um 70,1% reduzierten. Fortgesetzte Entspannung in der Leistbar- keit von Grundbedürfnissen Hinsichtlich der Einkommenssituation undder Erwerbs- beteiligung spitzt sich die Lage der Ausgrenzungs- gefährdeten im Vergleich zur Gesamtbevölkerung zu. Sie entspannt sich aber hinsichtlich der Leistbarkeit von Grundbedürfnissen. So leben 2011 wieder etwas weniger Menschen in deprivierten Haushalten als im Jahr zuvor und deutlich weniger als noch 2008. Zu diesem Ergebnis kommen sowohl der EU-Indikator für erhebliche materielle Deprivation, demzufolge sich die Gruppe von 6,4% auf 3,9% verringerte, als auch der österreichische Indikator für finanzielle Deprivation, demzufolge sich die Gruppe von 20,1% auf 15,0% verringerte. Rückgang der manifesten Armut und verfes- tigten Deprivation Auch der Personenkreis jener Menschen, die gleichzei- tig von monetärer Armutsgefährdung und finanzieller Deprivation (nationale Definition) betroffen sind, der sogenannten manifesten Armut, ist 2011 rückläufig. Der bedeutsame Rückgang um 80.000 Personen verglichen mit dem Vorjahr führt dazu, dass das Niveau der manifesten Armut erstmals wieder unter jenes von 2008 sinkt: 2011 betrifft manifeste Armut 5,2% der Bevölkerung, d.h. 431.000 Personen. Auch der Kreis jener Menschen, die seit mindestens zwei Jahren mit finanzieller Deprivation konfrontiert sind, wie es im nationalen Indikator verfestigte Deprivation zum Ausdruck kommt, verringert sich wie bereits im Jahr zuvor auch 2011 weiter. 9,7% der in Österreich lebenden Personen, 781.000 Menschen, sind aus finanziellen Gründen in der Erfüllung ihrer Grund- bedürfnisse in den letzten beiden Jahren erheblich eingeschränkt. Steigende Wohnqualität und Bildungsbetei- ligung der Ausgrenzungsgefährdeten Wohnenwirdbesser,aberauchteurer.Diesgiltsowohlfür die Gesamtbevölkerung alsauch für die Ausgrenzungs- gefährdeten: Wenngleich die Wohnüberbelagsquote mit 11,7% (gesamt: 5,3%) und die Quote für prekäre Wohnungsqualitität mit 5,4% (gesamt: 2,8%) für die Ausgrenzungsgefährdeten noch immer doppelt so hoch sindwie für die Gesamtbevölkerung,verzeichnen sie in den letzten Jahren einen stärkeren Rückgang als insgesamt. Auch die Mehrfachbelastung in der Wohnumgebung ist 2011 erstmals wieder zurückge- gangen, in etwa auf das Niveau von 2008 (13,1%). Demgegenüber stehen jedoch steigendeWohnkosten. Der Anteil der Personen, derenWohnungsaufwand ein Vierteldesjährlichverfügbaren Haushaltseinkommens übersteigt, befindet sich 2011 auf einem historischen Höchstwert. Insbesondere für die Gruppe der Ausgren- zungsgefährdeten ist er im Vergleich zu 2008 sehr stark gestiegen (von 43,2% auf 53,7%). Auch die non-formale und informelle Bildungsak- tivität ist seit 2008 im Steigen begriffen, für die
  • 18.
    AUFBAU UND ZUSAMMENFASSUNGDES BERICHTS 16 Ausgrenzungsgefährdeten sogar stärker als für die Gesamtbevölkerung. Inzwischen beteiligen sich 30% der Ausgrenzungsgefährdeten an Bildungsaktivitäten (gesamt: 38%). Soziodemographische Risikogruppen 17% aller in Österreich lebenden Personen sind von Armuts- oder Ausgrenzungsgefährdung betroffen. Bei der Gesamtbetrachtung der Indikatoren zur Europa 2020-Strategie zeichnen sich bestimmte soziodemographische Gruppen mit erhöhtem Aus- grenzungsgefährdungsrisiko ab. Kinder unter 16 Jahren sind mit einer Ausgrenzungsgefährdungsquote von 20% überdurchschnittlich stark betroffen. Auch Unterschiede zwischen den Geschlechtern bestehen, die überwiegend auf Ungleichheit in höherem Alter zurückzuführen sind: So haben Frauen ab 65 Jahren ein Ausgrenzungsgefährdungsrisiko von 21%, wäh- rend das Risiko von Männern in dieser Altersgruppe 12% beträgt. Des Weiteren weisen Personen, die über maximal einen Pflichtschulabschluss verfügen, und Personen mit nicht österreichischerStaatsbürgerschaft deutlich erhöhte Ausgrenzungsgefährdungsrisiken (27% bzw. 34%) auf. In Haushalten ohne Pension gilt: Unabhängig vom Geschlecht sind alleinlebende Menschen deutlich stärker von Ausgrenzungsgefährdung betroffen als der Durchschnitt. In Haushalten mit Pension bestehen bei den Alleinlebenden jedoch starke Geschlechter- unterschiede: 16% der alleinlebenden Männer mit Pensionsbezug sind ausgrenzungsgefährdet, während es bei den pensionsbeziehenden alleinlebenden Frauen 32% sind. Des Weiteren zeigt die Kinderanzahl in Mehrperso- nenhaushalten keinen linearen Zusammenhang mit Ausgrenzungsgefährdung: Mehrpersonenhaushalte ohne Kind, mit einem Kind und mitzwei Kindern haben durchwegs unterdurchschnittliche Gefährdungsrisiken; in einigen Indikatoren sind Mehrpersonenhaushalte mit einem Kind sogar weniger stark gefährdet als Mehrpersonenhaushalte ohne Kinder. Ein deutlich erhöhtes Risiko haben jedoch Alleinerziehende (36%) und Mehrpersonenhaushalte mit drei oder mehr Kindern (29%).
  • 19.
    EUROPÄISCHE INDIKATOREN UNDZIELGRÖSSEN FÜR SOZIALE EINGLIEDERUNG IM RAHMEN DER STRATEGIE „EUROPA 2020“ 17 2. EUROPÄISCHE INDIKATOREN UND ZIELGRÖSSEN FÜR SOZIALE EIN- GLIEDERUNG IM RAHMEN DER STRATEGIE „EUROPA 2020“ Im Jahr 2010 haben sich die europäischen Regierungen auf eine Strategie des intelligenten, nachhaltigen und integrativen Wachstums bis zum Jahr 2020 geeinigt. Diese „Europa 2020“ Strategie ist unter anderem darauf ausgerichtet, die Beschäftigung, Bildung und Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu verbessern. Erstmals wird darin eine quantitative Vorgabe für die Verringerung von Armut und sozialer Ausgrenzung auf europäischer Ebene genannt. Dieser Abschnitt gibt einen Überblick über die Strategie „Europa 2020“. Im zweiten Teil wird die Sozialzielgruppe „Armuts- oder Ausgrenzungsgefährdete“, die im Fokus des fünften Kernziels der Strategie „Europa 2020“ steht, bestimmt. 2.1 Aufbau der Strategie „Europa 2020“ Ausgehend von der Mitteilung der Europäischen Kom- mission „Europa 2020-Strategie für ein intelligentes, nachhaltiges und integratives Wachstum“ (2010) wurden fünf messbare Kernziele für die EU-Ebene beschlossen: 1. Beschäftigung: Unter den 20- bis 64-Jährigen wird eine Beschäftigungsquote von 75% angestrebt, unter anderem durch die vermehrte Einbeziehung von Jugendlichen, älteren ArbeitnehmerInnen, Geringqualifizierten sowie Personen mit Migra- tionshintergrund. 2. Innovation: Das öffentliche und private Investi- tionsvolumen für Forschung und Entwicklung soll insgesamt 3% des BIP erreichen. 3. Klimaschutz: Treibhausgasemissionen sollen um 20% gegenüber dem Niveau des Jahres 1990 verrin- gert werden, der Anteil der erneuerbaren Energien am Gesamtenergieverbrauch soll auf 20% steigen, und es wird eine Erhöhung der Energieeffizienz um 20% angestrebt. 4. Bildung: Der Anteil der frühen SchulabgängerInnen soll auf unter 10% gesenkt werden, und der Anteil der 30- bis 34-Jährigen, die ein Hochschulstudium abgeschlossen haben oder über einen gleichwerti- gen Abschluss verfügen, soll auf mindestens 40% ansteigen. 5. Armut und soziale Ausgrenzung: Die soziale Ein- gliederung soll insbesondere durch die Verminderung der Armut gefördert werden, wobei angestrebt wird, mindestens 20 Millionen Menschen aus Gefähr- dungslagen herauszubringen. Dies entspricht einer Reduktion um zwei Millionen pro Jahr. Derzeit sind 120 Millionen Menschen in der EU armuts- und/oder ausgrenzungsgefährdet. Die angestrebte Reduktion entspricht somit rund 1,5% (pro Jahr). Diese fünf EU-Kernziele sollen durch nationale Ziel- setzungen der Mitgliedstaaten umgesetzt werden. Zur Förderung des intelligenten, nachhaltigen und integrativen Wachstums wurden außerdem sieben Leitinitiativen formuliert. Für soziale Eingliederung ist das vor allem die sogenannte Plattform gegen Armut, welche die beteiligten AkteureInnen sowohl auf nati- onaler wie auch auf europäischer Ebene koordiniert. Die Europäische Kommission überprüft die Situation jährlich mit Hilfe von Indikatoren (s. Kapitel 2.3 zu den Europa 2020-Indikatoren zur Armuts- oder Aus- grenzungsgefährdung).
  • 20.
    EUROPÄISCHE INDIKATOREN UNDZIELGRÖSSEN FÜR SOZIALE EINGLIEDERUNG IM RAHMEN DER STRATEGIE „EUROPA 2020“ 18 In den jährlichen Nationalen Reformprogrammen der Mitgliedstaaten sind die konkreten Ziele, Maßnahmen und Budgetansätze enthalten, um die europäischen Kernziele zu realisieren. Diese bilden eine Grundlage für den jährlichen Wachstumsbericht der Europäischen Kommission. Die Ziele werden auf europäischer Ebene im Rahmen sogenannter Leitinitiativen verfolgt. Die Umsetzung von Zielen bleibt aber eine weitgehend nationale Angelegenheit. In bestimmten Bereichen oder Regi- onen werden die Mitgliedstaaten dabei etwa durch den Sozialfonds oder den Informationsaustausch im Rahmen der Offenen Methode der Koordinierung für Sozialschutz und soziale Eingliederung unterstützt. Die ersten Reformpläne zeigen, dass Ziele in manchen Ländern deutlich ehrgeiziger formuliert werden als in anderen. Die im Wachstumsbericht vom Dezember 2011 angegebenen nationalen Ziele lagen deutlich unter dem angestrebten Gesamtziel.4 Dies ist unter anderem damit begründet, dass nicht alle Mitglied- staaten quantifizierbare Zielgrößen anstreben oder sich nur auf bestimmte Teilgruppen konzentrieren. Im Nationalen Reformprogramm 2011 wird für Ös- terreich das Ziel formuliert, bis zum Jahr 2020 die Zahl der von Armut und/oder sozialer Ausgrenzung betroffenen Personen um 235.000 zu reduzieren. Das nationale Ziel entspricht damit einer Reduktion um 23.500 Personen pro Jahr bzw. etwa 1,5% der heute Ausgrenzungsgefährdeten. Das Erreichen dieses Ziels steht dabei in enger Verbindung mit dem Beschäfti- gungsziel, wobei Österreich eine Beschäftigungsquote von 77 bis 78% im Jahr 2020 erreichen will. Das Nationale Reformprogramm 2012 (BKA 2012) setzt folgende Schwerpunkte der Maßnahmen und Vorhaben: » Erhöhung der Arbeitsmarktbeteiligung von Älteren, Jugendlichen, Frauen, Niedrigqualifi- zierten und Menschen mit Migrationshinter- grund, » Bekämpfung von Langzeitarbeitslosigkeit, » Gesundheitsprävention und Arbeitsmarkt(re)- integration von Menschen mit Behinderungen und gesundheitlichen Einschränkungen, » Verbesserung der Qualität der Arbeit, » Abbau der Diskriminierung von Frauen bei Einkommen und Erwerbseinbindung, » Förderung von Vereinbarkeit von Familie und Beruf, » Bekämpfung von Kinderarmut und der Verer- bung von Armut. In Österreich wird die Zahl der Ausgrenzungsgefährde- ten auf Basis von EU-SILC 2011 auf etwa 1,4 Millionen Menschen (rund 17% der Bevölkerung) geschätzt.5 Gegenüber dem Jahr 2010 bedeutet dies einen leich- ten Anstieg, der jedoch innerhalb der statistischen Schwankungsbreite liegt. Seit 2008 ist die Zahl der Personen jedoch um 125.000 Personen bzw. die Quote um 1,7 Prozentpunkte gesunken. Auf europäischer Ebene konnten bisher noch keine Fortschritte bei der Reduktion der Zahl der von Armut und/oder sozialen Ausgrenzung gefährdeten Personen festgestellt werden. Kam es EU-weit zwischen 2008 und 2009 zu einer leichten Reduktion um 1,4 Mio. Personen, so stieg die Zahl der Betroffenen 2010 wieder an und liegt nun um rund 550.000 Personen über dem Ausgangswert 2008 (23% der gesamten Bevölkerung). Für 2011 ist erneut ein Anstieg zu verzeichnen, derzeit liegt die Zahl der Ausgrenzungs- gefährdeten in der EU bei 120 Millionen Personen (24% der Gesamtbevölkerung) und damit um rund 4,4 Millionen über dem Wert von 2008. 4 http://ec.europa.eu/europe2020/pdf/targets_en.pdf 5 Diese Zahl ist mit 95%iger Wahrscheinlichkeit in einem Bereich zwischen 1,3 und 1,5 Millionen bzw. zwischen 16% und 18% der Bevöl- kerung anzunehmen.
  • 21.
    EUROPÄISCHE INDIKATOREN UNDZIELGRÖSSEN FÜR SOZIALE EINGLIEDERUNG IM RAHMEN DER STRATEGIE „EUROPA 2020“ 19 Die Größenordnung der Zielgruppe macht deutlich, dass der Europa 2020-Indikator „Armuts- oder Ausgrenzungsgefährdung“ keineswegs auf eine kleine Minderheit abzielt, sondern breite Bevöl- kerungsschichten einschließt, die teilweise auch von mehreren Problemlagen betroffen sind, die in den drei Indikatoren abgebildet werden (siehe Kapitel 2.3). 2.2 Definition der Europa 2020-Sozialzielgruppe: Armuts- oder Ausgren- zungsgefährdete 2.3 Entwicklung und Struktur der Europa 2020-Sozialzielgruppe: Armuts- oder Ausgrenzungsgefährdete Die Europäische Kommission hat sich in der Europa 2020-Strategie6 zum Ziel genommen, bis zum Jahr 2020 die Anzahl der von Armuts- oder Ausgren- zungsgefährdung betroffenen Menschen EU-weit um 20 Millionen zu reduzieren.7 Die Ausgangsbasis bildet das Jahr 2008, in welchem rund 115 Millionen 6 Vgl. Europäische Kommission (2010). 7 Vgl. dazu auch die Abschnitte 2.1. und 2.2. ARMUTS- ODER AUSGRENZUNGSGEFÄHRDUNG: Als von Armut und sozialer Ausgrenzung bedroht gelten Personen, die mindestens eines der drei folgenden Kri- terien erfüllen: 1. Personen, deren Haushalt über ein Einkommen verfügt, das geringer ist als 60% des nationalen äquivalisierten Medianeinkommens (Armutsgefährdung). 2. Personen, deren Haushalt vier oder mehr der folgenden neun auf EU-Ebene festgelegten Merkmale für erhebliche materielle Deprivation aufweist: » Es bestehen Zahlungsrückstände bei Miete, Betriebskosten oder Krediten. » Es ist finanziell nicht möglich, unerwartete Ausgaben zu tätigen. » Es ist finanziell nicht möglich, einmal im Jahr auf Urlaub zu fahren. » Es ist finanziell nicht möglich, die Wohnung angemessen warm zu halten. » Es ist finanziell nicht möglich, jeden zweiten Tag Fleisch, Fisch oder eine vergleichbare vegetarische Speise zu essen. » Ein PKW ist finanziell nicht leistbar. » Eine Waschmaschine ist finanziell nicht leistbar. » Ein Farbfernsehgerät ist finanziell nicht leistbar. » Ein Telefon oder Handy ist finanziell nicht leistbar. 3. Personen, die jünger sind als 60 Jahre und in einem Haushalt mit keiner oder sehr niedriger Erwerbsintensität leben. Dazu zählen jene Haushalte, in denen Personen im Erwerbsalter (hier: 18- bis 59-jährige Personen, aus- genommen Studierende) nicht oder nur in geringem Ausmaß erwerbstätig sind (im Laufe eines Jahres insgesamt weniger als 20% ihres Erwerbspotenzials).
  • 22.
    EUROPÄISCHE INDIKATOREN UNDZIELGRÖSSEN FÜR SOZIALE EINGLIEDERUNG IM RAHMEN DER STRATEGIE „EUROPA 2020“ 20 Ausgrenzungsgefährdete in der EU lebten. Im Jahr 2011 ist die Zahl der Ausgrenzungsgefährdeten im Vergleich zu dieser Ausgangsbasis leicht gestiegen: 120 Millionen EU-BewohnerInnen werden zuletzt als ausgrenzungsgefährdet ausgewiesen. Der Anteil der Ausgrenzungsgefährdeten an der gesamten EU-Bevölkerung bleibt mit 24% gegenüber 2008 unverändert. : Österreich hat (gemeinsam mit Luxemburg) die viert- niedrigste Ausgrenzungsgefährdungsquote innerhalb der EU: Rund 17% der österreichischen Bevölkerung sind von Ausgrenzungsgefährdung betroffen (mit 95% Vertrauenswahrscheinlichkeit zwischen 15,7% und 18,3%). Die Quote der Ausgrenzungsgefährdeten ist mit rund 15% in Tschechien und den Niederlan- den am niedrigsten, gefolgt von Schweden (16%). Am höchsten ist sie in Bulgarien, dort befindet sich die Hälfte der Bevölkerung in einer ausgrenzungs- gefährdeten Lebenslage. 2.3.1 Teilgruppen der Armuts- oder Aus- grenzungsgefährdung Für Österreich ist von insgesamt rund 1,4 Millionen ausgrenzungsgefährdeten Menschen auszugehen (mit 95% Vertrauenswahrscheinlichkeit zwischen 1,3 und 1,5 Millionen). Die Zielgruppe der Ausgrenzungsge- fährdeten besteht aus insgesamt sieben Teilgruppen, die sich aus der Kombination der Problembereiche Einkommen, Deprivation undErwerbsintensitätergeben. Eine ausgrenzungsgefährdete Person gehört demnach immer genau einer der folgenden Teilgruppen an: » A Armutsgefährdung (ohne erhebliche ma- terielle Deprivation und nicht in Haushalten mit keiner oder sehr niedriger Erwerbsintensität lebend; 2011: 690.000, +/- 78.000 Personen), » D Erhebliche materielle Deprivation (ohne Armutsgefährdung und nicht in Haushalten mit keiner oder sehr niedriger Erwerbsintensität lebend; 2011: 118.000, +/- 33.000 Personen), » E In Haushalten mit keiner oder sehr niedri- ger Erwerbsintensität (ohne Armutsgefährdung und ohne erhebliche materielle Deprivation; Grafik 1: Armuts- oder Ausgrenzungsgefährdung in den EU-27-Staaten 0 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 Tschechien Niederlande Schweden Luxem burg ÖsterreichFinnland Dänem ark Frankreich Slowenien DeutschlandSlowakeiBelgien M alta GroßbritannienEstlandZypernPortugalSpanien Polen ItalienIrland* GriechenlandUngarnLitauenLettland Rum änienBulgarien EU-27** Ausgrenzungsgefährdungin%der Gesamtbevölkerung Q: Eurostat 2012, EU-SILC 2010 und 2011. Datenbank zum Stand 11.01.2013, eigene Darstellung. * Aktuellste Zahlen stammen aus 2010. ** Eurostat Schätzung
  • 23.
    EUROPÄISCHE INDIKATOREN UNDZIELGRÖSSEN FÜR SOZIALE EINGLIEDERUNG IM RAHMEN DER STRATEGIE „EUROPA 2020“ 21 2011: 211.000, +/- 37.000 Personen unter 60 Jahren), » AE Armutsgefährdung UND in Haushalten mit keiner oder sehr niedriger Erwerbsintensität lebend (ohne erhebliche materielle Deprivati- on; 2011: 181.000, +/- 41.000 Personen unter 60 Jahren), » AD Armutsgefährdung UND erhebliche ma- terielle Deprivation (nicht in Haushalten mit keiner oder sehr niedriger Erwerbsintensität lebend ; 2011: 80.000, +/- 30.000 Personen), » ED In Haushalten mit keiner oder sehr nied- riger Erwerbsintensität lebend UND erhebliche materielle Deprivation (ohne Armutsgefähr- dung; 2011: 26.000, +/- 11.000 Personen unter 60 Jahren), » ADE Armutsgefährdung UND erhebliche mate- rielle Deprivation UND in einem Haushalt mit keiner oder sehr niedriger Erwerbsintensität lebend (2010: 100.000, +/- 37.000 Personen unter 60 Jahren). Die Personen in Teilgruppen A, AE, AD und ADE leben allesamt unter der Armutsgefährdungsschwelle und gehören daherzurZielgruppe der rund1 Million Armuts- gefährdeten, die in Kapitel 3.1 dargestellt wird. Für die Europa 2020-Zielgruppe der Ausgrenzungsgefährdeten wird dieser Personenkreis um die Teilgruppen E, D und ED mit gemeinsam 356.000 Menschen, die zwar über der Armutsgefährdungsschwelle leben, aber von mindestens einem der beiden anderen Problembe- reiche8 betroffen sind, ergänzt. Zur Verdeutlichung der jeweiligen Überlappungen der Problembereiche sei auf Grafik 2 verwiesen. Fast drei Viertel (72%) der Ausgrenzungsgefährdeten sind ausschließlich von einem der drei Problem- bereiche betroffen. Die größte Teilgruppe (A) umfasst 8 Erhebliche materielle Deprivation, siehe Kapitel 4; Haushalt mit keiner oder sehr niedriger Erwerbsintensität, siehe Kapitel 5. Grafik 2: Überlappung von Problembereichen der Europa 2020-Zielgruppe armuts- oder ausgrenzungsgefährdeter Personen AD 6% D 8% ADE 7% ED 2% 1.051.000 Armutsgefährdete AE 13% 519.000 in Haushalten mit keiner/sehr niedriger Erwerbsintensität E 15% A 49% 325.000 erheblich materiell Deprivierte Q: Statistik Austria, EU-SILC 2011. Die Größenverhältnisse der Flächen entsprechen nicht exakt den Populationsgrößen.
  • 24.
    EUROPÄISCHE INDIKATOREN UNDZIELGRÖSSEN FÜR SOZIALE EINGLIEDERUNG IM RAHMEN DER STRATEGIE „EUROPA 2020“ 22 knapp die Hälfte (49%) der gesamten Zielgruppe und besteht aus Personen, die armutsgefährdet sind, aber weniger alsvier Deprivationsmerkmale aufweisen und nicht in einem Haushalt mit keiner oder sehr niedriger Erwerbsintensität leben. Die zweitgrößte Teilgruppe (E) besteht aus Personen, die in Haushalten mit keiner oder sehr niedriger Erwerbsintensität leben, aber von keinen weiteren Problembereichen betroffen sind. Sie machen 15% der Ausgrenzungsgefährdeten aus. Weitere 8% der Ausgrenzungsgefährdeten ge- hören zum Kreis der erheblich materiell deprivierten Personen (D), die weder armutsgefährdet sind noch in einem Haushalt mit keiner oder sehr niedriger Erwerbsintensität leben. Die übrigen 28% der Ausgrenzungsgefährdeten be- finden sich in besonders prekären Lebenslagen, da sie von mindestens zwei Problembereichen gleich- zeitig betroffen sind. Das betrifft in Summe 388.000 Menschen und entspricht einem Anteil von rund 5% der gesamten Bevölkerung in Österreich. Darunter befindet sich auch jener Personenkreis (ADE), der sich in allen drei Gefährdungslagen befindet – also in einem armutsgefährdeten, erheblich materiell deprivierten Haushalt mit keiner oder sehr niedri- ger Erwerbsintensität lebt. Diese am stärksten von sozialer Ausgrenzung bedrohte Teilgruppe macht 7% der Ausgrenzungsgefährdeten und 1,2% der Gesamt- bevölkerung aus – absolut betrachtet sind es um die 100.000 Personen. Die häufigste Überschneidung von Problembereichen besteht zwischen Armuts- gefährdung und keiner oder sehr niedriger Erwerbs- intensität (AE) mit 13% der Ausgrenzungsgefährdeten. Weitere 6% der Ausgrenzungsgefährdeten entfallen auf die Teilgruppe AD, jener Personenkreis also, der gleichzeitig von Armutsgefährdung und erheblicher materieller Deprivation betroffen ist, aber nicht in einem Haushalt mit keiner oder sehr niedriger Er- werbsintensität lebt. Lediglich 2% der Zielgruppe sind nicht armutsgefährdet, aber von keiner oder sehr niedriger Erwerbsintensität und erheblicher materieller Deprivation (ED) betroffen. Zeitliche Entwicklung von Armuts- oder Ausgrenzungsgefährdung und deren Teil- gruppen Die Zahl der Armuts- oder Ausgrenzungsgefährdeten wird in EU-SILC 2011 insgesamt um 34.000 Personen höher geschätzt als im Vorjahr. Der Zuwachs ist maß- geblich auf den Anstieg der ausschließlich Armuts- gefährdeten (A) um 50.000 zurückzuführen, der nicht zur Gänze durch die Reduktion der ausschließlich erheblich materiell Deprivierten (D) um 20.000 Per- sonen ausgeglichen wurde. Verglichen mit 2008, dem Basisjahr der Europa 2020-Strategie, konnte damit die Zahl der insgesamt Ausgrenzungsgefährdeten dennoch um 125.000 reduziert werden. Betrachtet man die Ausgrenzungsgefährdung im gesamten EU-SILC-Zeitverlauf von 2004 bis 2011, so zeigen sich Zahl und Quote der Ausgrenzungsgefährdung jedoch unverändert. Im längerfristigen Vergleich mit dem Jahr 2004 hat sich die Zahl der Armutsgefährdeten ohne weitere Problemlagen (A) um 97.000 auf nunmehr 690.000 Personen verringert. In Anbetracht der Zahlen aus dem Jahr 2008 ist diese Gruppe seit den letzten drei Jahren jedoch nicht weiter gesunken. Die Veränderung von 2008 auf 2011 um 27.000 mehr ausschließlich Armutsgefährdete deutet vielmehr einen Zuwachs an, der jedoch aufgrund der sta- tistischen Schwankungsbreite als nicht gesichert gilt. Sehr deutlich hat sich dagegen die Zahl der ausschließlich erheblich materiell Deprivierten (D) vom Jahr 2008 auf nunmehr 118.000 Personen verringert. Für Personen in Haushalten mit keiner oder sehr niedriger Erwerbsintensität, die ansons- ten von keinem anderen Problembereich betroffen sind (E), bleibt die Gruppengröße im Zeitverlauf unverändert. Für mehrfache Benachteiligung zeichnet sich im Zeitverlauf ein eindeutiges Bild. So ist die Gruppe jener Personen, die in mindestens zwei Problembe-
  • 25.
    EUROPÄISCHE INDIKATOREN UNDZIELGRÖSSEN FÜR SOZIALE EINGLIEDERUNG IM RAHMEN DER STRATEGIE „EUROPA 2020“ 23 Übersicht1:TeilgruppenderArmuts-oderAusgrenzungsgefährdung2004und2008bis2011 20042008200920102011 in 1.000 AnteilQuotein 1.000 AnteilQuotein 1.000 AnteilQuotein 1.000 AnteilQuotein 1.000 +/-in 1.000* AnteilQuote in%in%in%in%in% Ausgrenzungsgefährdunginsgesamt1.448100181.532100191.406100171.373100171.40710810017 TeilgruppenderAusgrenzungsgefährdung A(ArmutsgefährdungohneD,E)787541066343866848864147869078498 D(erheblichematerielleDeprivation, ohneA,E) 1531122631731701221381021183381 E(inHHmitkeiner/sehrniedriger Erwerbsintensität,ohneA,D) 22716320914322216321115321137153 MehrfachbenachteiligteTeilgruppen Zusammen**28219339726534525438328538863285 AE12692136921219116612218141132 AD816110371106819771803061 ED2210423121102010261120 ADE5341116819771100711003771 Q:STATISTIKAUSTRIA,EU-SILC2004;2008bis2011. A:ArmutsgefährdungOHNEEoderD. E:HaushaltmitkeinerodersehrniedrigerErwerbsintensitätOHNEAoderD. D:ErheblichematerielleDeprivationOHNEAoderE. AE:AundEundnichtD. AD:AundDundnichtE. ED:EundDundnichtA. ADE:AundDundE. *StatistischeSchwankungsbreitebei95%-Vertrauenswahrscheinlichkeit. **RundungsbedingtkanndieSummederTeilgruppenum+/-1.000Personenabweichen Lesebeispiel:ImJahr2011gabes181.000armutsgefährdeteMenschen,dieineinemHaushaltmitkeinerodersehrniedrigerErwerbsintensitätlebten(AE).DiePersonenderTeilgruppeAEstellen somit13%derSozialzielgruppe„Armuts-oderAusgrenzungsgefährdete“bzw.2%derGesamtbevölkerungdar.
  • 26.
    EUROPÄISCHE INDIKATOREN UNDZIELGRÖSSEN FÜR SOZIALE EINGLIEDERUNG IM RAHMEN DER STRATEGIE „EUROPA 2020“ 24 reichen betroffen sind,9 im Vergleich zu 2004 deutlich größer: 2011 befinden sich 106.000 mehr Menschen in mehrfachen Gefährdungslagen als 2004. Ihr An- teil unter den Ausgrenzungsgefährdeten stieg von 19% auf 28% an. Besonders deutlich entwickelte sich die Gruppe jener Menschen, die in allen drei Gefährdungslagen gleichzeitig betroffen sind: Trotz eines leichten – statistisch nicht signifikanten – Absinkens der armutsgefährdeten und erheblich materiell deprivierten Personen in Haushalten mit keiner oder sehr niedriger Erwerbsintensität (ADE) von 2008 auf 2011 hat sich ihre Anzahl im Vergleich zum Jahr 2004 verdoppelt. Für die Entwicklung der Ausgrenzungsgefährdung in Österreich im Zeitraum 2004 bis 2011 legen die Befunde somit die folgende Schlussfolgerung nahe: Trotz Wirtschaftskrise blieb die Zahl der Menschen, die von Ausgrenzungsgefährdung betroffen sind, unverändert bei rund 1,4 Millionen. Innerhalb der Ausgrenzungsgefährdeten verschärfen sich jedoch Überlappungen in den Problembereichen, sodass heute 388.000 Personen von mindestens zwei Ge- fährdungslagen betroffen sind. 2.3.2 Sozialstruktur der armuts- oder aus- grenzungsgefährdeten Personen In Österreich sind insgesamt 331.000 Kinder, Ju- gendliche und junge Erwachsene unter 20 Jahren sowie 622.000 Frauen und 455.000 Männer ab 20 Jahren von Ausgrenzungsgefährdung betroffen (sie- he Übersicht 2). Auffällig an der Altersstruktur der Ausgrenzungsgefährdeten ist, dass die Jüngeren (unter 20 Jahre) mit einem Anteil von 24% leicht überproportional vertreten sind (gegenüber 21% bei 9 Die mehrfach Benachteiligten setzen sich aus Personen der Teilgruppe AE + AD + ED + ADE zusammen. Grafik 3: Teilgruppen der Ausgrenzungsgefährdung im Zeitverlauf 0 100 200 300 400 500 600 700 800 900 A D E AE AD ED ADE 690 118 211 181 80 26 100 663 263 209 136 103 42 116 787 153 227 126 81 22 53 2004 2008 2011 TeilgruppenderAusgrenzungsgefährdeten in1.000 Q: STATISTIK AUSTRIA, EU-SILC 2004, 2008 und 2011. A: Armutsgefährdung OHNE E oder D. E: Haushalt mit keiner oder sehr niedriger Erwerbsintensität OHNE A oder D. D: Erhebliche materielle Deprivation OHNE A oder E. AE: A und E und nicht D. AD: A und D und nicht E. ED: E und D und nicht A. ADE: A und D und E.
  • 27.
    EUROPÄISCHE INDIKATOREN UNDZIELGRÖSSEN FÜR SOZIALE EINGLIEDERUNG IM RAHMEN DER STRATEGIE „EUROPA 2020“ 25 den Nicht-Ausgrenzungsgefährdeten). Betrachtet man diese Alterskohorte im Detail, so zeigt sich, dass Kinder unter 16 Jahren ein erhöhtes Risiko haben, in einem ausgrenzungsgefährdeten Haushalt zu leben: Für sie beträgt die Ausgrenzungsgefährdungsquote rund 20%, während sie für Personen ab 16 Jahren rund 16% beträgt. Auch nach Geschlecht zeigen sich Unterschiede: Frauen sind mit einer Quote von 18% häufiger von Ausgrenzungsgefährdung betroffen als Männer (14%). Sie befinden sich etwas öfter in den Teilgruppen der ausschließlich Armutsgefährdeten (A) und den Personen in Haushalten mit keiner oder sehr niedriger Erwerbsintensität (E).10 Einen überproportionalen Anteil unter den Aus- grenzungsgefährdeten stellen Personen mit nicht 10 Unterschiede in Personenmerkmalen beispielsweise Geschlechterunterschiede, sind bei Indikatoren wie Ausgrenzungsgefährdung, die im Haushaltszusammenhang berechnet werden, eingeschränkt erkennbar und auf Unterschiede in Einpersonenhaushalten zurückzuführen. Anmerkungen dazu siehe auch im Kapitel 3.1.2. Übersicht 2: Soziale Zusammensetzung der Armuts- oder Ausgrenzungsgefährdeten Merkmale Ausgrenzungsgefährdete Nicht-Ausgrenzungsgefährdete in 1.000 Anteil in % Quote in % in 1.000 Anteil in % Insgesamt 1.407 100 17 6.909 100 Alter Bis 19 Jahre 331 24 19 1.445 21 20 bis 39 Jahre 364 26 18 1.700 25 40 bis 64 Jahre 470 33 15 2.587 37 65 Jahre und älter 242 17 17 1.177 17 Männer (ab 20 Jahren) Zusammen 455 32 14 2.694 39 20 bis 39 Jahre 172 12 17 856 12 40 bis 64 Jahre 210 15 14 1.305 19 65 Jahre und älter 73 5 12 533 8 Frauen (ab 20 Jahren) Zusammen** 622 44 18 2.770 40 20 bis 39 Jahre 192 14 19 844 12 40 bis 64 Jahre 260 18 17 1.282 19 65 Jahre und älter 169 12 21 644 9 Staatsbürgerschaft Österreich 1.096 78 15 6.298 91 darunter eingebürgert (Nicht EU/EFTA) 85 6 30 203 3 Nicht Österreich 311 22 34 610 9 davon EU/EFTA 96 7 27 264 4 davon sonstiges Ausland 216 15 38 346 5 Höchster Bildungsabschluss* Max. Pflichtschule 480 34 27 1.289 19 Lehre/mittlere Schule 433 31 13 2.857 41 Matura 170 12 14 1.033 15 Universität 60 4 8 676 10 Q: STATISTIK AUSTRIA, EU-SILC 2011. * Kinder (0- bis 15-Jährige) sind in der Kategorie „Höchster Bildungsabschluss“ ausgeschlossen. ** Rundungsbedingt kann die Summe der Teilgruppen um +/- 1.000 Personen abweichen.
  • 28.
    EUROPÄISCHE INDIKATOREN UNDZIELGRÖSSEN FÜR SOZIALE EINGLIEDERUNG IM RAHMEN DER STRATEGIE „EUROPA 2020“ 26 österreichischer Staatsbürgerschaft (22%; unter den Nicht-Ausgrenzungsgefährdeten: 9%). Auch in dieser Gruppe sind es Kinder unter 16 Jahren, die ein noch- mals erhöhtes Risiko der Ausgrenzungsgefährdung haben, jedoch ist ihr Risiko ungleich höher als das der Kinder mit österreichischer Staatsbürgerschaft: 45% der Kinder unter 16 Jahren mit nicht österreichischer Staatsbürgerschaft leben in einem Haushalt, der von Ausgrenzungsgefährdung betroffen ist. ZumVergleich: 16% der Kinder mit österreichischerStaatsbürgerschaft leben in ausgrenzungsgefährdeten Haushalten. Rund ein Drittel der Ausgrenzungsgefährdeten (480.000 Menschen) verfügt maximal über einen Pflichtschulabschluss. Dass Bildung vor sozialer Ausgrenzung schützen kann, zeigt sich in der Aus- grenzungsgefährdungsquote nach Bildungsniveau: So sind Personen mit maximal einem Pflichtschul- abschluss zu 27% ausgrenzungsgefährdet, während Personen mit Universitätsabschluss nur zu 8% von Ausgrenzungsgefährdung betroffen sind. Übersicht 3 stellt ausgewählte Haushaltsmerkmale der Ausgrenzungsgefährdeten dar. Hierbei zeigt sich ein starker Zusammenhang von Ausgrenzungsgefährdung und Urbanität: Mit einem Drittel der Ausgrenzungs- gefährdeten leben überdurchschnittlich viele von ihnen in Wien. Zwar lebt die Mehrheit der Ausgren- zungsgefährdeten, das sind 589.000 Menschen, in Gemeinden mit weniger als 10.000 EinwohnerInnen, jedoch ist dieser Anteil mit 42% deutlich geringer als in nicht ausgrenzungsgefährdeten Haushalten (59%). Der Unterschied zeigt sich auch hinsichtlich mehrfacher Benachteiligungen, die inWien überdurch- schnittlich stark ausgeprägt sind: Rund 40% der in Wien lebenden Ausgrenzungsgefährdeten sind von mindestens zwei der Gefährdungslagen betroffen. Hinsichtlich der Haushaltskonstellationen zeigt sich: Personen in Haushalten mit Pension sind unter den Ausgrenzungsgefährdeten leicht überproportional vertreten (21% im Vergleich zu 18%). Ein überdurch- schnittliches Ausgrenzungsrisiko in Haushalten mit Pension betrifft jedoch einzig alleinlebende Frauen, von denen jede Dritte ausgrenzungsgefährdet ist. Alleinlebende Männer oder Mehrpersonenhaushalte mit Pension haben hier kein erhöhtes Risiko. Für Haushalte ohne Pension gilt: Lebt eine Person alleine, so steigt die Ausgrenzungsgefährdungs- quote stark an – für Männer auf 30%, für Frauen auf 34%. So stellen Alleinlebende ohne Pension mit 284.000 Personen auch einen beträchtlichen Anteil unter den Ausgrenzungsgefährdeten dar (20%). Leben Kinder im Haushalt, so führt das nur für bestimmte Haushaltskonstellationen zu einem erhöhten Ausgrenzungsrisiko. Es befinden sich unter den Ausgrenzungsgefährdeten zwar vergleichsweise wenige Mehrpersonenhaushalte ohne Kinder (15% im Vergleich zu 25%), noch seltener sind aber Mehr- personenhaushalte mit einem Kind vertreten (8% zu 19%). Auch Mehrpersonenhaushalte mit zwei Kindern haben ein unterdurchschnittliches Aus- grenzungsrisiko und stellen in der Zielgruppe einen Anteil von 14% dar. Umgekehrt verhält es sich mit Ein-Eltern-Haushalten und Mehrpersonenhaushalten mit mindestens drei Kindern; sie finden sich unter den ausgrenzungsgefährdeten Haushalten mehr als doppelt so oft wie in anderen Haushalten. Mehr als eine halbe Million Ausgrenzungsgefährdete leben in Haushalten, deren Einkommen haupt- sächlich aus Sozialleistungen bestehen. Haushalte mit Haupteinkommensquelle Sozialleistungen haben damit eine Ausgrenzungsgefährdungsquote von 68%. Das niedrigste Ausgrenzungsrisiko (8%) weisen Perso- nen in Haushalten mit Haupteinkommensquelle aus unselbständiger Arbeit auf. Nichtsdestotrotz beträgt ihr Anteil unter den Ausgrenzungsgefährdeten knapp 30%, das entspricht 388.000 Personen.
  • 29.
    EUROPÄISCHE INDIKATOREN UNDZIELGRÖSSEN FÜR SOZIALE EINGLIEDERUNG IM RAHMEN DER STRATEGIE „EUROPA 2020“ 27 Übersicht 3: Ausgewählte Haushaltsmerkmale der Armuts- oder Ausgrenzungs- gefährdeten Ausgrenzungsgefährdete Nicht-Ausgrenzungsgefährdete in 1.000 Anteil in % Quote in % in 1.000 Anteil in % Insgesamt 1.407 100 17 6.909 100 Gemeindegrößenklasse Wien 467 33 28 1.231 18 Andere Gemeinden > 100.000 Einw. 141 10 20 566 8 Gemeinden >10.000 und <=100.000 Einw. 210 15 16 1.063 15 Gemeinden <=10.000 Einw. 589 42 13 4.048 59 Haushalte mit Pension Zusammen 289 21 19 1.241 18 Alleinlebende Männer 20 1 16 108 2 Alleinlebende Frauen 96 7 32 209 3 Mehrpersonenhaushalt 173 12 16 924 13 Haushalte ohne Pension Zusammen 1.118 79 16 5.668 82 Alleinlebende Männer 128 9 30 304 4 Alleinlebende Frauen 156 11 34 303 4 Mehrpersonenhaushalt ohne Kinder 215 15 11 1.748 25 Haushalte mit Kindern 619 44 16 3.312 48 Ein-Eltern-Haushalt 97 7 36 170 2 Mehrpersonenhaushalt + 1 Kind 117 8 8 1.323 19 Mehrpersonenhaushalt + 2 Kinder 193 14 13 1.305 19 Mehrpersonenhaushalt + mind. 3 Kinder 213 15 29 514 7 Haupteinkommensquelle Unselbständige Arbeit 388 28 8 4.649 67 Selbständige Arbeit 92 7 13 594 9 Sozialleistungen 559 40 68 262 4 Pensionen 302 21 18 1.330 19 Private Einkommen 67 5 48 73 1 Q: STATISTIK AUSTRIA, EU-SILC 2011.
  • 30.
  • 31.
    ARMUTSGEFÄHRDUNG UND „WORKINGPOOR“ IN ÖSTERREICH 29 3. ARMUTSGEFÄHRDUNG UND „WORKING POOR“ IN ÖSTERREICH In diesem Kapitel erfolgt eine detaillierte Darstellung derArmutsgefährdunginÖsterreich.Dabeistehtsowohl die soziodemographischeStruktur alsauch diezeitliche Entwicklung desarmutsgefährdeten Bevölkerungsteils im Fokus der Analyse. Der zweite Abschnitt untersucht jene Personen, die trotz Erwerbstätigkeit von Armuts- gefährdung betroffen sind. Neben der Präsentation aktueller Zahlen für diese Gruppe der „Working Poor“ in Österreich soll auch den Gründen des Phänomens „Working Poor“ nachgegangen werden. 3.1 Armutsgefährdung Im Rahmen der Europa 2020-Strategie stellt die „Ar- mutsgefährdungsquote bei 60% des Medians“ einen der drei zentralen Indikatoren zum Monitoring des Leitziels „Teilhabemöglichkeiten“ dar. Auch davor war sie im Set der sogenannten Laeken-Indikatoren seit dem Jahr 2001 eine der wichtigsten Kenngrößen für soziale Eingliederung. EU-weit liegt die Armutsgefährdungsquote für das Jahr 2011 bei 16%. Österreich liegt, wie im Vorjahr, auch 2011 mit 13% Armutsgefährdung innerhalb der EU an drittniedrigster Stelle, die niedrigste Ar- mutsgefährdungsquote hat Tschechien mit 10%. Am höchsten ist der Prozentsatz der Armutsgefährdeten in Rumänien und Bulgarien, 2011 lebten dort rund 22% der Gesamtbevölkerung unter der jeweiligen nationalen Armutsgefährdungsschwelle. Der folgende Abschnitt informiert über das Ausmaß der Armutsgefährdung in Österreich 2011 und im Zeit- verlauf seit 2004. Alle dargestellten Ergebnisse gelten für Privathaushalte in Österreich. Anstaltshaushalte sind nicht Teil der Stichprobe, somit werden etwa Ar- mutslagen von Wohnungslosen, Menschen in Alten-, Pflege- oder Kinderheimen oder Asylwerbenden nicht erfasst. Andere Bevölkerungsgruppen wie MigrantIn- nen, Kranke oder Sozialhilfebeziehende sind in der EU-DEFINITION DER ARMUTSGEFÄHRDUNG: Die Armutsgefährdungsquote bei 60% des Medians weist den Anteil jener Personen an der Gesamtbevölkerung aus, deren äquivalisiertes Haushaltseinkommen einen bestimmten Schwellenwert unterschreitet. Zur Berechnung des Haushaltseinkommens wird die Summe aller Bruttoerwerbseinkommen im Haushalt zuzüglich Kapitalerträge und Pensionen sowie allfälliger Sozialtransfers gebildet. Nach Abzug von Steuern errechnet sich das Haushalts- nettoeinkommen. Das verfügbare Haushaltseinkommen ergibt sich dann nach Abzug und Hinzurechnung von Un- terhaltsleistungen und sonstigen Privattransfers zwischen den Haushalten. Die Äquivalisierung erfolgt anhand der international etablierten EU-Skala, welche die erste erwachsene Person im Haushalt mit einem Konsumäquivalent von 1, jeden weiteren Erwachsenen mit 0,5 und jedes Kind (bis 13 Jahre) mit 0,3 gewichtet. Dadurch wird jeder Person im Haushalt das gleiche Einkommen als Äquivalent für einen bestimmten Lebensstandard im Vergleich zu einem Einpersonenhaushalt zugerechnet. Der Eurostat Definition folgend wird die sogenannte Armutsgefährdungsschwelle auf Basis von 60% des Medians berechnet und an die jeweilige Haushaltszusammensetzung angepasst. So können Haushalte unterschiedlicher Zusammensetzung und Größe miteinander verglichen und Bevölkerungsgruppen mit niedrigem Lebensstandard identifiziert werden.
  • 32.
    ARMUTSGEFÄHRDUNG UND „WORKINGPOOR“ IN ÖSTERREICH 30 Erhebung aus Gründen erschwerter Erreichbarkeit unterrepräsentiert, was jedoch in der Hochrechnung berücksichtigt wird und so weitgehend ausgegli- chen werden kann. Die aus den Stichprobendaten hochgerechneten Ergebnisse sind Schätzungen für Verteilungen in der Grundgesamtheit und unterliegen einer Zufallsschwankung. Unterschiede zwischen Untergruppen und im Jahresvergleich müssen daher mit Rücksicht auf die Schwankungsbreiten interpre- tiert werden. 3.1.1 Ausmaß und Intensität der Armutsge- fährdung Zusammensetzung und Entwicklung der äquivalisierten Haushaltseinkommen Das hier verwendete Konzept der Armutsgefährdung orientiert sich zur Abbildung des materiellen Lebens- standards am Haushaltseinkommen von Personen in privaten Haushalten. Dieses setzt sich aus den folgenden Einkommensbestandteilen zusammen (siehe Übersicht 4): Grafik 4: Armutsgefährdung in den EU-27-Staaten 0 5 10 15 20 25 Tschechien Niederlande Österreich Dänem arkSlowakei Luxem burg SlowenienFinnlandUngarn Frankreich SchwedenZypernBelgien M alta DeutschlandIrland* GroßbritannienEstland PolenPortugalLettland ItalienLitauen GriechenlandSpanien Rum änienBulgarien Armutsgefährdungin%derGesamtbevölkerung EU-27** Q: Eurostat 2012, EU-SILC 2010 und 2011. Datenbank zum Stand 11.01.2013, eigene Darstellung. * Aktuellste Zahlen stammen aus 2010. ** Eurostat Schätzung Übersicht 4: Bestandteile des Haushalts- einkommens in EU-SILC Nettoeinkommen auf Personenebene* Unselbständigen Einkommen + Selbständigen Einkommen + Altersleistungen + Arbeitslosenleistungen + Hinterbliebenenleistungen + Krankenleistungen + Invaliditätsleistungen + Ausbildungsleistungen + Renten aus privaten Systemen Nettoeinkommen auf Haushaltsebene* + Einkommen aus Vermietung und Verpachtung + Familienleistungen + Sonstige Leistungen gegen soziale Ausgrenzung + Wohnungsbeihilfen + Erhaltene Transfers zwischen privaten Haushalten + Zinsen, Dividenden + Einkommen von Personen unter 16 Jahren Abzüge - Geleistete Transfers zwischen privaten Haushalten - Einkommensteuernachzahlungen/-erstattungen = Haushaltseinkommen Q: STATISTIK AUSTRIA, EU-SILC 2011. * Nach Steuern und SV-Beiträgen.
  • 33.
    ARMUTSGEFÄHRDUNG UND „WORKINGPOOR“ IN ÖSTERREICH 31 Werden die Einkommensbestandteile mit Hilfe der im obigen Abschnitt beschriebenen EU-Skala nach Anzahl der Haushaltsmitglieder gewichtet, so erhält man äquivalisierte Einkommensbestandteile.Sie erreichen in EU-SILC 2011 (bezogen auf das Einkommensjahr 2010) die folgenden Höhen:11 Das äquivalisierte Ein- kommen aus Arbeit, Kapital und Grundbesitz12 – das sogenannte Brutto-Markteinkommen – beträgt im Median 22.258 Euro. Zuzüglich der Pensionen13 beläuft sich das sogenannte Primäreinkommen (äquivalisiert) in Österreich im Median auf 24.845 Euro. Zieht man davon Steuern und Abgaben ab und berücksichtigt erhaltene Sozialleistungen14 , ergibt sich im Median ein äquivalisiertes Sekundäreinkommen von 21.120 Euro. Durch das Abziehen bzw. Hinzurechnen privater Transferzahlungen wird das verfügbare äquivalisierte Haushaltseinkommen – auf dem die Armutsgefähr- dung basiert – berechnet; dieses beträgt im Median 21.319 Euro. Der Median desäquivalisiertenverfügbaren Haushalts- einkommensliegtderBerechnungderArmutsgefährdung zugrundeundkannalsdasHaushaltseinkommeneines Einpersonenhaushalts mit mittlerem Lebensstandard 11 Für eine Verteilung des Haushaltseinkommens vor Äquivalisierung siehe Tabellenband zu EU-SILC 2011 (Statistik Austria 2012b): Tab. 1.1. und Tab. 11.1a-c. 12 Summe aus den folgenden Brutto-Einkommensbestandteilen: (Un)Selbständigen Einkommen, Zinsen und Dividenden, Vermietung und Verpachtung, Private Renten sowie Einkommen von Personen unter 16 Jahren. 13 Summe aus den folgenden Brutto-Einkommensbestandteilen: Altersleistungen und ab Erreichen des Pensionsalters Invaliditätspensionen. 14 Summe aus den folgenden Einkommensbestandteilen: Hinterbliebenenleistungen, Krankenleistungen, Invaliditätsleistungen, Ausbil- dungsleistungen, Familienleistungen, Arbeitslosenleistungen, sonstige Leistungen gegen soziale Ausgrenzung sowie Wohnungsbeihilfen. Grafik 5: Äquivalisiertes Haushaltseinkommen: Einkommensverteilung 2010 und 2011 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24 26 28 30 32 34 36 38 40 42 44 46 48 0 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 55 60 65 70 75 80 85 90 95 100 2010 2011 ÄquivalisiertesNettohaushaltseinkommen (in1.000EuroproJahr) % der Bevölkerung Armutsgefährdungsschwellen der jeweiligen Jahre Q: STATISITK AUSTRIA, EU-SILC 2010-2011. Lesebeispiel: 50% der Bevölkerung im Jahr 2011 haben ein äquivalisiertes Haushaltseinkommen von höchstens 21.319 Euro zur Verfügung.
  • 34.
    ARMUTSGEFÄHRDUNG UND „WORKINGPOOR“ IN ÖSTERREICH 32 interpretiert werden. Mit einer Höhe von 21.319 Euro pro Jahr hat demnach ein Einpersonenhaushalt 2011 pro Jahr im Mittel rund 700 Euro mehr zur Verfügung als im Jahr zuvor. Das entspricht einer Erhöhung um 3,4%. Doch zeigt sich mit Blick auf die gesamte Ein- kommensverteilung (siehe Grafik5), dass der Anstieg für bestimmte Einkommensgruppen unterschiedlich hoch ausfällt:Währendder Median desäquivalisierten Haushaltseinkommens der unteren 30% der Einkom- mensbeziehenden einen unterdurchschnittlichen Anstieg um 1,3% erfuhr und die obersten 15% Ein- kommensbeziehenden in ihrem Medianeinkommen nahezu konstant (-0,5%) blieben, stieg der Median desHaushaltseinkommensfür die Einkommensgruppe des 30 bis 85 Perzentils – die mittleren Einkommen – gegenüber dem Vorjahr um 4,1%. Bei einer Inflation von 1,9% im Jahr 2010 (auf welches sich die EU-SILC 2011 Einkommensdaten beziehen) bedeutet dies: Die preisbereinigten Einkommen der unteren 30% Einkommensbeziehenden sinken. Dieses Sinken fällt zwar schwächer als für die obers- ten 15%, eine Steigerung in den preisbereinigten Einkommen erfahren aber besonders die mittleren Einkommensgruppen (das 30 bis 85 Perzentil), diese dafür überdurchschnittlich stark. Der schwächere Anstieg der unteren Einkommen könnte zur Folge haben, dass 2011 mehr Menschen von Armutsgefährdung betroffen sind als im Jahr zuvor oder dass sich die Einkommenslage der Armutsge- fährdeten gegenüber demVorjahr verringert. Inwiefern sich diese Entwicklung tatsächlich vollzogen hat, lässt sich mithilfe von Armutsgefährdungsschwelle, -quote und -lücke zeigen. Armutsgefährdungsschwelle Der Wertvon 60% des Medianäquivalenzeinkommens bestimmt die Höhe der Armutsgefährdungsschwelle. Die Armutsgefährdungsschwelle aus EU-SILC2011 liegt für einen Einpersonenhaushalt bei 12.791 Euro pro Jahr. Dieser Betrag umfasst die Summe der Jahreseinkünfte aus Erwerbsarbeit, Sozialtransfers, Einkommen aus Unterhaltszahlungen und anderen Privateinkommen. Gehälter und Pensionen werden in Österreich meist 14-mal undSozialleistungen meist 12-mal ausbezahlt. Daher werden zur besseren Lesbarkeit auch Monats- werte der Armutsgefährdungsschwelle ermittelt: Ein Zwölftel des Jahresschwellenwerts beträgt 1.066 Euro. Ein Vierzehntel desSchwellenwerts liegt bei 914 Euro. Ein Einpersonenhaushalt mit einem monatlichen Erwerbseinkommen von weniger als 914 Euro ohne zusätzliche Einkünfte aus anderen Zahlungen wie Wohnbeihilfe, Zusatzverdienste, Prämien oder private Transfers läge mit seinem Haushaltseinkommen unter dem Schwellenwert und würde als armutsgefährdet gelten. Übersicht 5: Armutsgefährdungsschwelle bei 60% des Medians für unterschiedliche Haus- haltstypen Haushaltstyp Gewichtungsfaktor nach EU-Skala Jahreswert (in Euro) Monatswert 1/12 (in Euro) 1/14 (in Euro) Einpersonenhaushalt 1 12.791 1.066 914 1 Erwachsener + 1 Kind 1,3 16.628 1.386 1.188 2 Erwachsene 1,5 19.187 1.599 1.370 2 Erwachsene + 1 Kind 1,8 23.024 1.919 1.645 2 Erwachsene + 2 Kinder 2,1 26.861 2.238 1.919 2 Erwachsene + 3 Kinder 2,4 30.699 2.558 2.193 Q: STATISTIK AUSTRIA, EU-SILC 2011.
  • 35.
    ARMUTSGEFÄHRDUNG UND „WORKINGPOOR“ IN ÖSTERREICH 33 Im Folgenden wird der Monatswert immer als Jahres- zwölftel mit 1.066 Euro dargestellt. Verglichen mit dem in der Berichterstattung 2010 publizierten Wert von monatlich 1.031 Euro hat sich die Armutsgefähr- dungsschwelle um 3,4% erhöht; die Steigerung ist immer relativ zu der des medianen Einkommens im Jahresvergleich zu sehen (siehe Seite 31). Die Anpassung der Armutsgefährdungsschwelle für Mehrpersonenhaushalte erfolgt mittels Gewichtung anhand der international etablierten EU-Skala. Da- durch erhöht sie sich für jede weitere erwachsene Person im Haushalt um 533 Euro (Faktor 0,5) und für jedes Kind (unter 14 Jahren) um 320 Euro (Fak- tor 0,3) pro Monat. Übersicht 5 zeigt beispielhaft Armutsgefährdungsschwellen für unterschiedliche Haushaltstypen. Armutsgefährdungsquote Laut EU-SILC 2011 sind in Österreich 12,6% der Bevölkerung armutsgefährdet (bzw. mit 95% Vertrauenswahrscheinlichkeit zwischen 11,5% und 13,8%). Hochgerechnet auf die rund 8,32 Millionen Personen umfassende Gesamtbevölkerung liegt die Zahl der armutsgefährdeten Personen zwischen 957.000 und 1.146.000 Personen.15 Der Unterschied in den Armutsgefährdungsquoten aus EU-SILC 2010 und EU-SILC 2011 (2010: 12,1%; 2011: 12,6%) liegt im Bereich der statistischen Schwankungsbreite (Überschneidung der 95%-Konfidenzintervalle) und kann nicht von zufallsbedingten Veränderungen unterschieden werden.16 In Zeitreihenanalysen zeigt die Armutsgefährdungsquote über den gesamten Berichtszeitraum relative Konstanz. Dies gilt für Personen in Privathaushalten bei gleich bleibender Definition von Armutsgefährdung. Armutsgefährdung als einkommensbasierte Maßzahl berücksichtigt keine Veränderungen bei Kosten oder Bedarf wie etwa steigenden Lebenshaltungskosten. Übersicht 6 zeigt die Entwicklung der Armutsgefähr- dungsquoten und -schwellen seit 2004 und stellt zusätzlich dieSchwankungsbreiten der Ergebnisse dar. 15 Rundungsbedingt kann es je nach Berechnungsmethode zu kleineren Abweichungen kommen. 16 Die zugrunde liegende Fehlerrechnung ist eine im Normalfall hinreichende Annäherung an den tatsächlichen Wert. Aufgrund der teilwei- se verbundenen Stichproben ist der Vergleich zwischen den Erhebungswellen besser abgesichert, als wenn unabhängige Querschnitte verglichen würden. Für Differenzen zwischen zwei Jahren gelten daher etwa dieselben Schwankungsbreiten wie bei Vergleichen innerhalb derselben Querschnittstichprobe (vgl. Verma 2001, Statistik Austria 2012a). Übersicht 6: Armutsgefährdungsschwelle und Armutsgefährdungsquote im Zeitverlauf Jahr Armutsgefährdungs- schwelle in Euro Armutsgefährdung Konfidenzintervall 95% in % in 1.000 untere Grenze in 1.000 obere Grenze in 1.000 2004 10.119 13,0 1.047 954 1.139 2008 11.406 12,4 1.018 939 1.098 2009 11.931 12,0 993 903 1.083 2010 12.371 12,1 1.004 912 1.096 2011 12.791 12,6 1.051 957 1.146 Q: STATISTIK AUSTRIA, EU-SILC 2004; 2008 bis 2011. Armutsgefährdungsschwelle: Jahreswert bei 60% des Medians. Da für die Jahre 2004 bis 2008 rückwirkend Privatpensionen als Bestandteil des Haushaltseinkommens berücksichtigt wurden, weichen die ausgewiesenen Werte von den jeweiligen Jahrespublikationen ab.
  • 36.
    ARMUTSGEFÄHRDUNG UND „WORKINGPOOR“ IN ÖSTERREICH 34 Alternative Armutsgefährdungsschwellen Für eine EU-weite und vergleichbare Berichterstattung zu Armutsgefährdung wurde in der politischen Diskus- sion 60% des Medians des Äquivalenzeinkommens als kritischer Wert festgelegt.17 Dieser Festlegung liegt keine Bedarfsmessung zugrunde, daher können zur Beobachtung von Einkommensarmut auch andere Schwellenwerte definiert werden18 (siehe Übersicht 7): Bei Anwendung einer sehr niedrigenSchwelle von 40% des Medians des Äquvalenzeinkommens (entspricht 711 Euro pro Monat für einen Einpersonenhaushalt) liegt laut EU-SILC 2011 das Äquivalenzeinkommen von 3% der Bevölkerung darunter. Wird die Schwelle bei 50% des Medians festgelegt (888 Euro), haben 7,1% ein äquivalisiertes Haushaltseinkommen unter diesem Wert. 1.244 Euro entsprechen der Schwelle bei 70% des Medians – hier haben 21% der Bevölke- rung weniger zur Verfügung. Auch diese alternativen Armutsgefährdungsschwellen zeigen im Zeitverlauf 2004 bis 2011 relative Konstanz. Eine weitere Alternative bietetdiezeitlicheVerankerung des Armutsgefährdungsschwellenwerts: Hierbei wird die Armutsgefährdungsschwelle auseinem Referenzjahr mit der Inflationsrate fortgeschrieben. Bei zeitlicher Verankerung der Armutsgefährdungsschwelle des Jahres 2008 liegt der Schwellenwert 2011 bei 1.006 Euro monatlich – hier haben 10,6% der Bevölkerung ein geringeres Haushaltseinkommen zur Verfügung. Zudem bieten sich politisch festgelegte Schwellen- werte als Alternative zu konventionellen statistischen Armutsgefährdungsschwellen an. Ein solcher lässt sich beispielsweise auf Basis des Ausgleichszulagen- richtsatzes für Pensionen berechnen. Dieser beträgt 2011 793 Euro brutto 14-mal im Jahr, abzüglich der Krankenversicherung für Pensionsbeziehende (2011: 5,1%). Netto entspricht das 10.541 Euro pro Jahr oder (dividiert durch 12) 878 Euro pro Monat. 561.000 Personen bzw. 6,7% der Bevölkerung haben ein Äquivalenzeinkommen unter dem Schwellenwert in Höhe der Ausgleichszulage. Auch die Bedarfsorientierte Mindestsicherung19 (BMS) lässt sich als politischer Schwellenwert zur Bestim- mung niedrigen Einkommens heranziehen. Für einen Einpersonenhaushalt beträgt die Bedarfsorientierte Mindestsicherung im Jahr 2011 753 Euro pro Monat, darin inkludiert ist ein Wohnkostenanteil. Nicht be- 17 Beschluss des Europäischen Rates von Laeken, Dezember 2001. 18 Ein bedarfsgerechter Wert kann aus wissenschaftlicher Sicht weder durch einen einzigen Schwellenwert noch vergleichbar für verschie- dene Länder festgelegt werden. Die EU empfiehlt daher, mehrere Schwellenwerte als Richtwert zu niedrigem Einkommen darzustellen. 19 Die Bedarfsorientierte Mindestsicherung trat im September 2010 zunächst in Wien, Niederösterreich und Salzburg in Kraft, Oberösterreich führte sie als letztes Bundesland am 1. 10. 2011 ein. In den Bundesländern existieren teilweise unterschiedlich detaillierte Regelungen, was z.B. Richtsätze für Kinder oder Wohnkostenanteile betrifft. Siehe BMASK (2012, S 148ff). ARMUTSGEFÄHRDUNG IM ZEITVERLAUF: Um die zeitliche Entwicklung der Armutsgefährdung abzubilden, werden die Querschnittergebnisse aus EU-SILC 2004 bis 2011 ausgewiesen. Aufgrund von Zufallsschwankungen sind kleinere Veränderungen meist nicht interpretierbar. Erst wenn Ergebnisse über mehrere Jahre einen Trend verzeichnen, kann von einer realen Veränderung gesprochen werden. Aufgrund des Stichprobenfehlers und der damit verbundenen Schwankungsbreite der Schätzwerte wird im Folgenden auf die Darstellung von Nachkommastellen verzichtet. Geringe jährliche Veränderungen (etwa +/-1 Prozentpunkt bei der Armutsgefährdungsquote) sind nicht signifikant (95%-Signifikanzniveau) und daher nicht interpretierbar. Zwischen 2004 und 2005 sowie 2007 und 2008 hat ein Wechsel des Erhebungsinstituts statt- gefunden, Unterschiede sind damit z.T. erhebungsbedingt.
  • 37.
    ARMUTSGEFÄHRDUNG UND „WORKINGPOOR“ IN ÖSTERREICH 35 rücksichtigt sind in diesem Wert allfällige Ansprüche auf Miet- oder Wohnbeihilfe, auf Pflegegeld und für Haushalte mit Kindern auf Familienbeihilfe und den Kinderabsetzbetrag. Die BMS wird 12-mal im Jahr ausgezahlt, somit ergibt sich ein Jahreswert von 9.035 Euro für einen Einpersonenhaushalt. 364.000 Personen oder 4,4% der Bevölkerung hätten laut EU-SILC 2011 weniger äquivalisiertes Einkommen als diesen fiktiven Armutsgefährdungsschwellenwert zur Verfügung. Armutsgefährdungslücke Wie Grafik 6 zeigt, ist laut EU-SILC 2011 das Median- einkommen armutsgefährdeter20 Haushalte im Mittel um 19% geringer als die Armutsgefährdungsschwelle. Für Einpersonenhaushalte liegt die Armutsgefähr- dungslücke demnach bei 2.429 Euro pro Jahr; dividiert durch zwölf ergibt sich ein Monatswert von 202 Euro. Für 2010 betrug der Wert der Armutsgefährdungslücke 17%. Der Anstieg um zwei Prozentpunkte liegt inner- halb der statistischen Schwankungsbreite und ist daher mitVorsicht zu interpretieren. Nichtsdestotrotz liefert der Befund einen Hinweis darauf, dass sich die Lebenslage der Armutsgefährdeten hinsichtlich ihrer 20 Armutsgefährdung bei 60% des Medians als Armutsgefährdungsschwelle. ARMUTSGEFÄHRDUNGSLÜCKE: Die Armutsgefährdungslücke bildet die Intensität der Armutsgefährdung ab. Als Maß für die Streuung der Niedrig- einkommen um die Armutsgefährdungsschwelle drückt sie den Median der individuellen Abweichungen der Äquivalenzeinkommen (der Armutsgefährdeten) von der Armutsgefährdungsschwelle in Prozent dieser Schwelle aus. Sie misst so, ob die äquivalisierten Haushaltseinkommen der Armutsgefährdeten deutlich unter der Schwelle liegen oder nahe am Schwellenwert. Übersicht 7: Einkommen und Lücke der Armutsgefährdeten bei unterschiedlichen Schwellen Armutsgefährdung Armutsgefährdungs- schwelle Armutsgefährdung Median- einkom- men der Armutsge- fährdeten in Euro Armutsgefährdungs- lücke Jahres- wert Monats- wert* in % in 1.000 in % Jahreswert in Euro in Euro bei 40% des Medians 8.527 711 3,0 252 6.025 29 2.505 bei 50% des Medians 10.659 888 7,1 594 8.832 17 1.827 bei 60% des Medians 12.791 1.066 12,6 1.051 10.363 19 2.429 bei 70% des Medians 14.923 1.244 20,6 1.713 12.000 20 2.923 Schwelle auf Jahr 2008 verankert 12.066 1.006 10,6 879 9.727 19 2.339 Ausgleichszulage** 2011 netto 10.541 878 6,7 561 8.760 17 1.781 Bedarfsorientierte Mindestsicherung*** 2011 9.035 753 4,4 364 7.596 16 1.437 Q: STATISTIK AUSTRIA, EU-SILC 2011. * Monatswert entspricht 1/12 des Jahreswertes. ** Ohne zusätzliche Zahlungen wie Einmalzahlung und Energiekostenzuschuss. *** Inkl. Wohnkostenanteil, ohne eventuelle Ansprüche auf Wohnbeihilfe, Familienbeihilfe, Kinderabsetzbetrag etc.
  • 38.
    ARMUTSGEFÄHRDUNG UND „WORKINGPOOR“ IN ÖSTERREICH 36 Haushaltseinkommen sehr wahrscheinlich nicht zum Besseren gewendet hat.21 Zu diesem Schluss kommt auch die Betrachtung der Einkommenssituation der Gesamtbevölkerung.22 Um den monetären Aufwand für Maßnahmen gegen Armut und soziale Ausgrenzung zu beziffern, kann die Armutsgefährdungslücke auch als Prozentsatz des Bruttoinlandsprodukts (BIP) ausgedrückt werden. Demnach wären 2,57 Milliarden Euro oder 0,9% des BIP 2011 notwendig, um den materiellen Lebensstan- dard aller Armutsgefährdeten dem Schwellenwert von 60% des Medianeinkommens anzugleichen.23 Allen Armutsgefährdeten dieses „Mindest“-Einkommen in der Höhe der Armutsgefährdungsschwelle zu ermögli- chen, würde bedeuten, die Armutsgefährdungslücke zu schließen. Allerdings ist diese Berechnung statisch, etwaige Verhaltensänderungen, die durch derartige Transfers ausgelöst würden, werden nicht berück- sichtigt. Das Äquivalenzeinkommen ist lediglich ein indirektes Maß zur Bestimmung des materiellen Lebensstandards. Bei gleichem Einkommen sind abhängig von Teilhabechancen und Kostenstrukturen ganz unterschiedliche Lebensführungen möglich. 3.1.2 Soziale Zusammensetzung der betrof- fenen Bevölkerung 13% der Bevölkerung in Privathaushalten sind in Ös- terreich laut EU-SILC 2011 armutsgefährdet. Dies ist ein Durchschnittswert für die gesamte Bevölkerung – bestimmte Gruppen tragen ein deutlich höheres Armutsrisiko, während andere relativ gut abgesichert sind. Aufgrund der Konzeption von Armutsgefähr- dung als Haushaltsmerkmal ist die Identifikation individueller soziodemographischer Merkmale als Risikofaktoren nur eingeschränkt möglich. 21 Vgl. hierzu Kapitel 2.3 Strukturmerkmale und Entwicklung der Europa 2020-Zielgruppe. 22 Siehe Kapitel 3.1.1; Abschnitt „Zusammensetzung und Entwicklung der äquivalisierten Haushaltseinkommen“. 23 Siehe Kapitel 8.1. ARMUTSGEFÄHRDUNG NACH PERSONENMERKMALEN: Armutsgefährdung ist ein Haushaltsmerkmal – mit einem äquivalisierten Haushaltseinkommen unter der Armutsge- fährdungsschwelle gelten alle Haushaltsmitglieder als armutsgefährdet. Auf die Einkommensverteilung innerhalb des Haushalts und die tatsächliche Verfügungsmöglichkeit über finanzielle Ressourcen können keine Rückschlüsse gezogen werden. Daher ist das Armutsrisiko von Personen nach individuellen Merkmalen wie dem Geschlecht nur eingeschränkt vergleichbar. Zur Messung von Geschlechterdisparitäten im Lebensstandard bietet sich alternativ der Vergleich von Einpersonenhaushalten an. Zu einer Analyse der Intrahaushaltsverteilung von Einkommen sei auf Mader, K. et al. 2012 verwiesen. Grafik 6: Armutsgefährdungslücke der äquivalisierten Medianeinkommen 0 5.000 10.000 15.000 20.000 25.000 Medianeinkommen Gesamtbevölkerung Medianeinkommen Armutsgefährdete 21.319 10.363 MedianinEuro Armutsgefährdungsschwelle 12.791 EUR Armutsgefähr- dungslücke (19%)} Q: STATISTIK AUSTRIA, EU-SILC 2011. Eurobeträge sind Jahreswerte.
  • 39.
    ARMUTSGEFÄHRDUNG UND „WORKINGPOOR“ IN ÖSTERREICH 37 Die Gruppe der Armutsgefährdeten besteht aus 268.000 Kindern und Jugendlichen, 341.000 Män- nern und 443.000 Frauen im Alter von 20 und mehr Jahren.24 Frauen haben gegenüber den Männern ein um zwei Prozentpunkte erhöhtes Armutsgefährdungs- risiko (13% zu 11%). Hierbei sind es insbesondere alleinlebende Frauen ab 65 Jahren, die mit einer Armutsgefährdungsquote von 30% als Risikogruppe zu bezeichnen sind. Insgesamt sind 109.000 allein- lebende Frauen im Pensionsalter armutsgefährdet. Diese Gruppe trägt auch maßgeblich zum Phänomen der Altersarmut bei. Personen über 65 Jahre haben insgesamt eine Ar- mutsgefährdungsquote von 16%. Während Männer dieser Altersgruppe jedoch ein unterdurchschnitt- liches Armutsgefährdungsrisiko (11%) haben, sind Frauen mit einem Armutsgefährdungsrisiko von 19% im Alter deutlich überdurchschnittlich oft betroffen. Vergleichsweise stark von Armutsgefähr- dung betroffen sind auch Kinder und Jugendliche: 16% der Kinder im Alter von 0 bis 15 Jahren leben in einem armutsgefährdeten Haushalt.25 0- bis 15-Jährige, die in einem Ein-Eltern- Haushalt oder einem Mehrpersonenhaushalt mit mindestens drei Kindern leben, haben mit 31% bzw. 27% ein stark erhöhtes Armutsgefährdungsrisiko. Dieses fällt für 0- bis 15-Jährige in einem Mehrpersonenhaushalt mit einem Kind vergleichsweise gering (6%), in einem Mehrpersonenhaushalt mit zwei Kindern durchschnittlich (12%) aus. 24 Vgl. Statistik Austria (2012b, Tab 5.1a). 25 Vgl. Statistik Austria (2012b, Tab. 8.2). Übersicht 9: Armutsgefährdungsquote nach Haushaltstyp im Zeitverlauf Armutsgefährdungsquote in % 2004 2008 2009 2010 2011 Gesamt 13 12 12 12 13 Haushalt mit Pension Zusammen 15 16 16 15 13 Alleinlebende Männer (6) 16 11 13 13 Alleinlebende Frauen 24 24 28 26 26 Mehrpersonenhaus- halt 12 13 12 11 10 Haushalt ohne Pension Zusammen 13 12 11 11 12 Alleinlebende Männer 21 16 17 19 23 Alleinlebende Frauen 26 20 18 24 26 Mehrpersonenhaus- halt ohne Kinder 9 6 7 6 7 Haushalt mit Kindern Zusammen 13 13 11 12 12 Ein-Eltern-Haushalt 25 29 30 28 24 Mehrpersonenhaus- halt + 1 Kind 8 9 7 7 5 Mehrpersonenhaus- halt + 2 Kinder 9 10 7 11 10 Mehrpersonenhaus- halt + mind. 3 Kinder 23 20 20 18 26 Q: STATISTIK AUSTRIA, EU-SILC 2004; 2008 bis 2011. Personen in Privathaushalten. Übersicht 8: Armutsgefährdungsquote nach Geschlecht und Alter im Zeitverlauf Armutsgefährdungsquote in % 2004 2008 2009 2010 2011 Gesamt 13 12 12 12 13 Alter Bis 19 Jahre 15 15 13 14 15 20 bis 39 Jahre 12 11 12 12 13 40 bis 64 Jahre 11 11 10 9 10 65 Jahre und älter 17 15 15 15 16 Männer (ab 20 Jahren) 11 10 10 10 11 20 bis 39 Jahre 11 9 12 11 12 40 bis 64 Jahre 11 10 9 9 10 65 Jahre und älter 13 12 11 10 11 Frauen (ab 20 Jahren) 14 13 13 13 13 20 bis 39 Jahre 13 12 13 13 13 40 bis 64 Jahre 11 11 10 10 10 65 Jahre und älter 19 17 18 19 19 Q: STATISTIK AUSTRIA, EU-SILC 2004; 2008 bis 2011.
  • 40.
    ARMUTSGEFÄHRDUNG UND „WORKINGPOOR“ IN ÖSTERREICH 38 Nach Bildungsabschluss und Staatsbürgerschaft zeigt sich: Je höher der Bildungsabschluss, desto niedriger ist das Armutsgefährdungsrisiko. Wäh- rend Personen mit einem universitären Abschluss eine Armutsgefährdungsquote von 6% haben, sind Personen, die über maximal einen Pflichtschulab- schluss verfügen, zu 21% armutsgefährdet. Unter den Armutsgefährdeten stellt diese Gruppe formal niedrig Gebildeter mit 369.000 Betroffenen einen bedeutsamen Anteil dar. Ein noch stärkeres Ar- mutsgefährdungsrisiko haben Personen mit nicht österreichischer Staatsbürgerschaft. Von ihnen sind 29% armutsgefährdet, das sind 265.000 Betroffene.26 Personen mit nicht österreichischer Staatsbürgerschaft haben auch unter Berücksich- tigung des Bildungsniveaus eine höhere Armuts- gefährdung als österreichische StaatsbürgerInnen: Personen mit maximal Pflichtschulabschluss und nicht österreichischer Staatsbürgerschaft sind mit einer Armutsgefährdungsquote von 37% doppelt so stark von Armut betroffen wie Personen mit ma- ximal Pflichtschulabschluss und österreichischer Staatsbürgerschaft (18%). 3.1.3 Dauerhafte Armutsgefährdung zwi- schen 2008 und 2011 Seit 2007 kann auf Basis der Längsschnittkomponente von EU-SILC der Lebensstandard für ein jeweils vier- jähriges Panel dargestellt werden. So ist es möglich, das Armutsrisiko bestimmter Bevölkerungsgruppen über einen längeren Zeitraum zu analysieren. Im Folgenden wird Armutsgefährdung im Längsschnitt für das Panel 2008 bis 2011 dargestellt.27 Einkommen und Lebensstandard weisen vor allem dann einen deutlichen Zusammenhang auf, wenn das Einkommen über einen längeren Zeitraum gleich bleibt (vgl. BMASK/ Statistik Austria 2009, S. 108ff). Daher empfiehlt sich bei Verwendung des Äquiva- lenzeinkommens als Annäherung an den wahren Lebensstandard eine längerfristige Beobachtung. Der Lebensstandard eines Haushalts, dessen Einkommen 26 Vgl. Statistik Austria (2012b, Tab.5.1a). 27 Ab EU-SILC 2011 können erstmals auch im Längsschnitt Ergebnisse für den Zeitraum bis zum aktuellen Berichtsjahr (2008 bis 2011) dar- gestellt werden. Längsschnittergebnisse erfolgten bisher um ein Jahr zeitversetzt. LÄNGSSCHNITTANALYSEN: Für die Analyse relevant sind all jene Personen, die vier Jahre in Folge befragt wurden und für die in jedem Erhe- bungsjahr Daten zur Armutsgefährdung vorliegen. Dies trifft im Vier-Jahres-Panel der Erhebungen EU-SILC 2008 bis 2011 auf 2.453 Personen zu. Diese stammen aus 1.164 Haushalten, die am Ende des Panels im Datensatz verfügbar sind. Hochgerechnet entspricht das vierjährige Panel 7.825.000 Personen (in 3,583 Mio. privaten Haushalten) oder rund 94% der Querschnittbevölkerung. Die Differenz zur Gesamtbevölkerung in Privathaushalten 2011 liegt bei 491.000 Personen. Diese Personengruppe ist im Panel nicht erfasst, da sie im Zeitraum zwischen 2008 und 2011 geboren wurde oder starb bzw. zugezogen ist oder Österreich verlassen hat oder in einen Anstaltshaushalt übersiedelt ist. Die Bevölkerungsstruktur des Längsschnitts wurde mittels Gewichtung so weit wie möglich an die Querschnittbevölkerung 2011 angepasst. Geringe Abweichungen der Längsschnittergebnisse zu den Querschnitt- ergebnissen können sich aufgrund der oben beschriebenen strukturellen Unterschiede zwischen Querschnitt- und Längsschnittbevölkerung dennoch ergeben. Die Haushaltsmerkmale eines Längsschnitthaushalts (zum Beispiel Einkommen und Haushaltszusammensetzung) werden auf Basis des gesamten Querschnitthaushalts im letzten Paneljahr (hier 2011) ermittelt.
  • 41.
    ARMUTSGEFÄHRDUNG UND „WORKINGPOOR“ IN ÖSTERREICH 39 unter die Armutsgefährdungsschwelle sinkt, fällt erst allmählich, da Einkommenseinbußen kurzfristig abgefedert werden können: Das Aufbrauchen von Sparguthaben und Rücklagen oder das Verschieben von Anschaffungen usw. können niedrige laufende Einkommen eine Zeit lang ausgleichen. Demgegenüber macht sich eine verbesserte finanzielle Situation oft erst bei längerfristigem Verbleib auf einem höheren Einkommensniveau in einem höheren Lebensstan- dard bemerkbar, da größere Anschaffungen verzögert getätigt werden und möglicherweise auch Schulden zurückzuzahlen sind. Ein kurzfristiges Verweilen un- ter der Armutsgefährdungsschwelle hat also andere Implikationen für den Lebensstandard als niedriges Einkommen über einen längeren Zeitraum. Sowohl die Häufigkeit als auch die Dauer der Armutsgefähr- dung sollen daher im Rahmen der Möglichkeiten des Vier-Jahres-Panels 2008 bis 2011 untersucht werden. In den vier Jahren zwischen 2008 und 2011 waren rund drei Viertel der Längsschnittbevölkerung nie von Armutsgefährdung betroffen, das verbleibende Viertel war mindestens in einem Jahr armutsgefährdet (Übersicht 10). 4% der Bevölkerung hatten in allen vier Jahren ein äquivalisiertes Haushaltseinkommen unter der jeweiligen Armutsgefährdungsschwelle, 13% in nur einem einzigen der vier betrachteten Jahre. 6% der Längsschnittpopulation waren in zwei und 2% in drei aus vier Jahren armutsgefährdet, wobei es sich hierbei nicht um unmittelbar aufeinanderfolgende Jahre gehandelt haben muss. In der kumulierten Betrachtung28 waren 13% in mindestens zwei Jahren und 7% in mindestens drei Jahren seit dem Jahr 2008 armutsgefährdet. Im Beobachtungszeitraum 2008 bis 2011 lag das Äquivalenzeinkommen jeder vierten Person zumindest einmal unter der Armutsgefährdungsschwelle. Bei Armutsgefährdungsquoten zwischen 12% und 13% in den einzelnen Jahren bedeutet das, dass jährlich rund die Hälfte der Armutsgefährdeten neu hinzuge- kommen ist bzw. die Gruppe der Armutsgefährdeten verlassen hat, Einkommensarmut somit einer starken Dynamik unterliegt.29 28 Z.B. diejenigen, die drei Jahre armutsgefährdet waren, sind auch „zumindest ein Jahr“ und „zumindest zwei Jahre“ armutsgefährdet. 29 Vgl. BMASK/ Statistik Austria (2009 S.125ff). DAUERHAFTE ARMUTSGEFÄHRDUNG: Der EU-Eingliederungsindikator „dauerhafte Armutsgefährdung“ beobachtet Veränderungen im Lebensstandard längerfristig und weist dauerhafte Armutsphasen aus. Als dauerhaft armutsgefährdet wird jener Prozentsatz Übersicht 10: Häufigkeit des Auftretens von Armutsgefährdung 2008 bis 2011 Häufigkeit Prozent Kumuliert Prozent Nie 5.815 74 nie 74 In einem Jahr 1.014 13 zumindest 1 Jahr 26 In zwei Jahren 483 6 zumindest 2 Jahre 13 In drei Jahren 183 2 zumindest 3 Jahre 7 In vier Jahren 330 4 in vier Jahren 4 Insgesamt 7.825 100 Q: STATISTIK AUSTRIA, EU-SILC 2008 bis 2011. Nur Personen, die in allen vier Jahren im Panel waren.
  • 42.
    ARMUTSGEFÄHRDUNG UND „WORKINGPOOR“ IN ÖSTERREICH 40 3.2 Im Fokus: Armutsgefährdung trotz Erwerbsarbeit – „Working Poor“ Erwerbstätigkeit wurde bereits in zahlreichen Publi- kationen, u.a. auch in den Ergebnissen zu EU-SILC, als wirksamer Schutz vor Armutsgefährdung nach- gewiesen (vgl. z.B. BMASK/Statistik Austria 2011). Nach allgemeinem gesellschaftlichen Konsens sollen die aus Erwerbsarbeit erzielten Einkommen einen Le- bensstandard über der Armutsschwelle ermöglichen können. In der in Lissabon im Jahr 2000 beschlosse- nen Strategie für Europa gab es eine Verknüpfung der Ziele der Arbeitsmarktintegration und des sozialen Zusammenhalts, indem Qualität und Quantität von Arbeitsplätzen undsozialerZusammenhaltmiteinander in Zusammenhang gesetzt wurden (vgl. Europäischer Rat2000). Eine hohe Beschäftigungsquote undsozialer Zusammenhalt werden auch als Kernziele der Europa 2020-Strategie auf dem Weg zu einem intelligenten, nachhaltigen und integrativen Wachstum angeführt (vgl. Europäische Kommission 2010). Längst bezeichnet jedoch auch der aus den USA kommende Begriff „Working Poor“ (Armut trotz Arbeit), der ab Mitte der 1990er-Jahre Eingang in die europäische Armutsberichterstattung gefun- den hat, eine nicht zu vernachlässigende Realität. Diese Schnittmenge zwischen Armutsgefährdung und Erwerbstätigkeit steht im folgenden Abschnitt im Mittelpunkt. Ebenfalls gebräuchlich, um die Problemlage der Armutsgefährdung trotz Erwerbs- arbeit zu beschreiben, ist der englische Terminus „in-work-poverty“. In den folgenden Darstellungen werden diese Begriffe sowie „Armutsgefährdung trotz Erwerbsarbeit“ synonym verwendet. Neben der Präsentation aktueller Zahlen zu „Working Poor“ für Österreich und im EU-Vergleich sollen die unterschied- lichen Entstehungsebenen beleuchtet werden: die individuelle Ebene der Qualität der Erwerbstätigkeit und ihrer Prädiktoren wie Bildung sowie die Ebene der Haushalte, in denen sich die Kombination von Erwerbstätigkeit und Nicht-Erwerbstätigkeit ihrer Mitglieder im Lebensstandard niederschlägt. Weiters wird der Versuch unternommen, anhand der EU-SILC Daten die Dynamik und Persistenz von Erwerbstätig- keit zu untersuchen. 3.2.1 Armutsgefährdung von Personen im Erwerbsalter Zunächst soll der Zusammenhang zwischen Armutsge- fährdung und der (Nicht-)Teilnahme am Erwerbsleben empirisch belegt werden. Um diesen einordnen zu können, müssen allgemeine Daten zur Arbeitsmarkt- lage berücksichtigt werden. der Bevölkerung bezeichnet, der in Haushalten lebt, die am Ende des Beobachtungszeitraums, das heißt im aktuellsten Jahr und in mindestens zwei von drei vorhergehenden Jahren, ein Äquivalenzeinkommen unter der Armutsgefährdungsschwelle des jeweiligen Jahres hatten. Die jährlichen Armutsgefährdungsschwellen werden unverändert aus den Querschnittdaten übernommen. Dauerhaft armutsgefährdet für den Zeitraum 2008 bis 2011 sind gemäß dieser Definition nicht diejenigen, die in den ersten drei Jahren (2008-2010) armutsgefährdet waren und es nur im letzten Jahr (2011) nicht sind; sie wären aber für den Zeitraum 2007-2010 dauerhaft armutsgefähr- det. Ebenso wären auch jene, die 2010 und 2011 armutsgefährdet waren und dies auch 2012, also nach Ende des aktuellen Betrachtungszeitraums, sein werden, nicht dauerhaft armutsgefährdet für den Zeitraum 2008 bis 2011. 6% der hochgerechneten Längsschnittbevölkerung sind nach dieser EU-Definition dauerhaft armutsgefährdet. Das entspricht hochgerechnet 453.000 Personen.
  • 43.
    ARMUTSGEFÄHRDUNG UND „WORKINGPOOR“ IN ÖSTERREICH 41 In der Altersgruppe der 20- bis 64-Jährigen machen Einkommen aus unselbständiger und selbständiger Arbeit mit rund 75% Anteil am Gesamteinkommen die wichtigste Einkommensquelle aus. Dement- sprechend wird der Lebensstandard durch die Höhe und die Kontinuität des Erwerbseinkommens bestimmt. Übersicht 11 zeigt den Zusammenhang zwischen Armutsgefährdung und Haupttätigkeit für die Bevölkerung zwischen 20 und 64 Jahren. Ganzjährig Vollzeitbeschäftigte sind unter den Perso- nen im Erwerbsalter (20 bis 64 Jahre) diejenigen mit der geringsten Armutsgefährdung. Mit einer Armuts- gefährdungsquote von 4% tragen sie ein wesentlich geringeres Armutsrisiko als alle anderen Gruppen. Selbst ganzjährig Teilzeitbeschäftigte haben mit 8% eine unterdurchschnittliche Armutsgefährdung. Für Personen, die nicht ganzjährig einer Erwerbstätigkeit nachgehen, spiegelt sich die Diskontinuität in der DER ARBEITSMARKT 2010 IN FOLGE DES KRISENJAHRES 2009: Die in EU-SILC 2011 erfassten Einkommen beziehen sich auf das Jahr 2010, also das zweite Jahr mit Auswirkungen der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise für die österreichische Realwirtschaft. Laut Ergebnissen der Mikrozensus- Arbeitskräfteerhebung 2010 waren jedoch die Folgen für den Arbeitsmarkt in Österreich weniger starkals noch 2009, wo deutliche Rückgänge in der Beschäftigung und ein Anstieg der Arbeitslosigkeit gegenüber 2008 festzustellen waren. Die Zahl der Erwerbstätigen stieg im Jahresdurchschnitt 2010 leicht an (+19.000 Personen im Vergleich zu 2009), was vor allem auf einen Anstieg in selbständigen Arbeitsverhältnissen und bei den Unselbständigen in Teilzeitjobs zurückzuführen war, während Unselbständige in Vollzeitbeschäftigung zurückgingen. Die Zahl der Arbeitslosen sank im Vergleich zu 2009 um 16.000 Personen. Vom Rückgang der Arbeitslosenquote profitierten Männer wie Frauen in gleichem Maß, bei beiden Geschlechtern verringerte sich die Arbeitslosenquote 2010 um 0,4 Prozentpunkte gegenüber 2009 (vgl. Statistik Austria 2011, S. 23). Übersicht 11: Armutsgefährdung von Personen im Erwerbsalter nach Haupttätigkeit im Vorjahr Gesamt in 1.000 Armutsgefährdung in 1.000 Anteil in % Quote in % Insgesamt 5.122 558 100 11 Ganzjährig erwerbstätig 4.091.000 Erwerbsaktive 3.154 139 25 4 davon Vollzeit 2.545 92 16 4 davon Teilzeit 609 47 8 8 Nicht ganzjährig erwerbstätig 604 73 13 12 Arbeitslos (>= 6 Monate) 333 137 25 41 Ganzjährig nicht erwerbsaktiv 1.030 208 37 20 davon in Pension 1.030.000 nicht Erwerbsaktive 494 70 13 14 davon in Ausbildung 297 63 11 21 davon im Haushalt 170 46 8 27 davon aus gesundheitlichen od. sonsti- gen Gründen nicht erwerbstätig 69 29 5 42 Q: STATISTIK AUSTRIA, EU-SILC 2011. Personen im Erwerbsalter (20-64 Jahre). Ganzjährig erwerbstätig: zwölf Monate erwerbstätig. Nicht ganzjährig erwerbstätig: weniger als zwölf Monate erwerbstätig und nicht sechs Monate oder mehr arbeitslos.
  • 44.
    ARMUTSGEFÄHRDUNG UND „WORKINGPOOR“ IN ÖSTERREICH 42 Erwerbsbeteiligung im Lebensstandard – etwa 12% und damit drei Mal so viele wie bei den dauerhaft Vollzeiterwerbstätigen sind armutsgefährdet. Dem höchsten Armutsrisiko sind Langzeitarbeitslose (min- destens sechs Monate arbeitslos) ausgesetzt (41%). Über ein Drittel der Armutsgefährdeten zwischen 20 und 64 Jahren sind das gesamte Jahr 2010 über kei- ner Erwerbstätigkeit nachgegangen und waren auch nicht arbeitslos, der Großteil davon sind Personen in Ausbildung und Personen mit Pensionsbezug im Erwerbsalter. Bis auf Letztere sind nicht erwerbsaktive Personen im Erwerbsalter überdurchschnittlich häufig von Armutsgefährdung betroffen. Erwerbstätige haben also ein geringeresArmutsrisiko alsNicht-Erwerbstätige, aber: 213.000 Personen, die 2010 erwerbstätig und weniger als sechs Monate arbeitslos waren, bilden mit 38% die größte Gruppe der Armutsgefährdeten im Erwerbsalter – darunter sind 139.000 oder knapp zwei Drittel ganzjährig in Beschäftigung. 3.2.2 „Working Poor“ in Österreich und der EU Erwerbstätige Personen, deren Einkommen im Haus- halt – das heißt aus der Erwerbstätigkeit und aus anderen Einnahmequellen wie Sozialleistungen über alle Personen gerechnet und äquivalisiert – unter- halb der Armutsgefährdungsschwelle liegt, werden als „Working Poor“ bezeichnet. Um nur diejenigen Personen zu erfassen, die trotz regelmäßiger Er- werbstätigkeit von Armut gefährdet sind, wird in den folgenden Analysen die Gruppe der Erwerbstätigen auf jene eingeschränkt, die im Vorjahr mindestens sechs Monate erwerbstätig waren – dies sind 68% der 18- bis 64-Jährigen.30 In der EU beträgt die Quote der „Working Poor“ an allen Erwerbstätigen zwischen 18 und 64 Jahren 2011 9%. Österreich liegt deutlich unter diesem Durch- schnittswert (5%). Die Anordnung der Länder nach der Höhe ihrer „Working Poor“-Quote ergibt eine mit dem Ländervergleich für die gesamte Armutsgefähr- dungsquote weitgehend konsistente Reihung.31 Auf- fällig ist jedoch die höhere relative Spanne zwischen dem niedrigsten und dem höchsten Wert in der EU: Rumänien hat als das Land mit der bei Weitem höchs- ten Armutsgefährdungsquote von Erwerbspersonen (19%) einen um mehr als vier Mal so hohen Wert wie 30 Im Folgenden werden, wenn nicht anders angeführt, die Erwerbstätigen zwischen 18 und 64 Jahren betrachtet. Diese Anpassung ge- genüber den Vorjahren bei der Altersgrenze (jetzt: 18 bis 64 Jahre; früher: 20 bis 64 Jahre) und der Dauer der Erwerbstätigkeit (jetzt: im Vorjahr mindestens sechs Monate erwerbstätig; früher: im Vorjahr mindestens einen Monat erwerbstätig und weniger als sechs Monate arbeitslos) erfolgt, um eine mit Eurostat einheitliche „Working Poor“-Definition auszuweisen. Die bisherige Definition des Erwerbsalters mit der Untergrenze bei 20 Jahren wird im Tabellenband (Statistik Austria 2012b) fortgeführt. 31 Vgl. Kap. 3.1.1 „WORKING POOR“: Personen, denen trotz Erwerbstätigkeit kein äquivalisiertes Haushaltseinkommen über der Armutsgefährdungs- schwelle zur Verfügung steht, werden als „Working Poor“ bezeichnet. In EU-SILC sind jene armutsgefährdeten Personen im Erwerbsalter (18-64 Jahre) als „Working Poor“ definiert, die im Verlauf des Referenzjahres sechs Monate oder länger Vollzeit oder Teilzeit erwerbstätig waren. Demnach sind laut EU-SILC 2011 insgesamt 5% der Erwerbstätigen im Erwerbsalter „Working Poor“, das entspricht 198.000 Personen, davon 121.000 Männer (6%) und 77.000 Frauen (5%) (Übersicht 12). Ursachen für Armut trotz Erwerbstätigkeit können geringe Wochenarbeitszeit, nicht ganzjährige oder gering entlohnte Tätigkeit oder auch die Haushaltssituation sein, d.h. dass beispielweise mit einem Einkommen mehrere Personen erhalten werden müssen.
  • 45.
    ARMUTSGEFÄHRDUNG UND „WORKINGPOOR“ IN ÖSTERREICH 43 das Land mit der niedrigsten „Working Poor“-Quote (Finnland: 4%). Für die Armutsgefährdungsquote der Gesamtbevölkerung beträgt der Faktor zwischen niedrigstem (Tschechien: 10%) und höchstem Wert (Bulgarien: 22%) nur etwas mehr als das Zweifache. Das Armutsrisiko für die Erwerbsbevölkerung ist also innerhalb der europäischen Staaten weit ungleicher verteilt als für die Gesamtbevölkerung. Übersicht 12 zeigt die Entwicklung des Armutsrisi- kos von Erwerbstätigen in Österreich vom EU-SILC Startjahr 2004 und den letzten vier Jahren (2008 bis 2011). Betrug die Armutsgefährdungsquote der Erwerbstätigen zu Beginn des Beobachtungs- zeitraums rund 7%, so lag sie 2008 und 2009 bei 6%. 2010 war der bisherige Tiefststand von Armuts- gefährdung trotz Erwerbsarbeit zu verzeichnen, 181.000 oder 5% der Erwerbstätigen zwischen 18 und 64 Jahren waren „Working Poor“. Insgesamt ist von 2009 auf 2010 die Zahl der „Working Poor“ aufgrund der Übertritte eines Teils der „Working Poor“ in die Arbeitslosigkeit um 38.000 Personen gesunken.32 Der Anteil der Armutsgefährdeten un- ter Langzeitarbeitslosen (sechs und mehr Monate arbeitslos) hatte sich im Jahresvergleich 2009 bis 2010 um drei Prozentpunkte erhöht. Verglichen mit EU-SILC 2010 liegen 2011 sowohl die absolute An- zahl als auch die Quote der „Working Poor“ wieder etwas höher, die Steigerung um 17.000 Personen oder 0,4 Prozentpunkte entspricht jedoch keiner signifikanten Änderung. Nun ist die Zahl der Lang- zeitarbeitslosen geringer als 2010 und damit wieder auf dem gleichen Niveau wie 2009. 32 Diese Abnahme ist statistisch signifikant. Grafik 7: Armutsgefährdung von Erwerbspersonen in den EU-27-Staaten 0 5 10 15 20 Finnland TschechienBelgien Österreich Niederlande M alta SlowenienUngarnSlowakei Dänem ark SchwedenZypernIrland* Frankreich DeutschlandEstland GroßbritannienBulgarienLettland Luxem burgLitauenPortugalItalien Polen GriechenlandSpanien Rum änien „WorkingPoor”in%der18-bis64-jährigen Erwerbspersonen EU-27** Q: Eurostat 2012, EU-SILC 2010 und 2011. Datenbank zum Stand 11.01.2013, eigene Darstellung. * Aktuellste Zahlen stammen aus 2010. ** Eurostat Schätzung. „Working Poor“: Personen zwischen 18 und 64 Jahren, die mehr als die Hälfte des Referenzjahres (2010) erwerbstätig waren und armutsge- fährdet sind.
  • 46.
    ARMUTSGEFÄHRDUNG UND „WORKINGPOOR“ IN ÖSTERREICH 44 Zur Einschätzung der Auswirkungen des Phänomens „Working Poor“ scheint der Zusammenhang mit Ar- beitslosigkeit bedeutsam. Da für Österreich zwischen den „Working Poor“ und den Arbeitslosen für 2009 bis 2011 offenbar zumindest in der Aggregatbetrachtung ein Abtausch stattfand, soll auch im europäischen Vergleich untersucht werden, inwiefern hohe „Working Poor“-Quoten eventuell durch geringere Arbeitslosig- keit in einem Land ausgeglichen werden können und umgekehrt oder ob sich nachteilige Arbeitsmarktlagen eher kumulieren.33 Stellt man die Quote der armutsgefährdeten Erwerbs- personen und die Arbeitslosenquote für die EU-Staaten nebeneinander34 , zeigt sich, dass für die drei Länder mit den niedrigsten „Working Poor“-Quoten – Finnland, 33 Individuelle Übertritte von Arbeitslosen bzw. von „Working Poor“ werden im Abschnitt 3.2.4 untersucht. 34 Per definitionem ist es in EU-SILC nicht möglich, in einem Jahr als „Working Poor“ und hauptsächlich arbeitslos gezählt zu werden. Ar- beitslosenquoten werden hier aufgrund der größeren Stichprobe und daher höheren Genauigkeit dem Europäischen Labour Force Survey (entspricht in Österreich der Mikrozensus-Arbeitskräfteerhebung) entnommen, die Jahresdaten 2010 entsprechen dem Einkommensbe- zugszeitraum für EU-SILC 2011. Grafik 8: Armutsgefährdung von Erwerbspersonen und Arbeitslosenquoten in den EU-27-Staaten 0 5 10 15 20 25 Finnland TschechienBelgien Österreich Niederlande Slowenien M altaUngarnSlowakei Dänem ark SchwedenZypern FrankreichIrland* DeutschlandBulgarien GroßbritannienEstlandLettland Luxem burgLitauenPortugalItalien Polen GriechenlandSpanien Rum änien „Working Poor” Arbeitslosenquote in% EU-27 Durchschnitt Q: Eurostat 2012, EU-SILC 2010 und 2011, Labour Force Survey Jahresdurchschnitt 2010. Datenbank zum Stand 19.12.2012, eigene Darstellung. * Aktuellste Zahlen für „Working Poor“ stammen aus 2010. Übersicht 12: „Working Poor“ in Österreich 2004 und 2008 bis 2011 2004 2008 2009 2010 2011 in 1.000 in % in 1.000 in % in 1.000 in % in 1.000 in % in 1.000 in % Insgesamt 253 7,3 227 6,4 219 6,0 181 5,0 198 5,4 Männer 149 7,5 128 6,3 123 6,0 102 5,1 121 6,0 Frauen 104 7,0 99 6,4 97 5,9 79 4,8 77 4,7 Q: STATISTIK AUSTRIA, EU-SILC 2004; 2008 bis 2011. „Working Poor“: Personen zwischen 18 und 64 Jahren, die mehr als die Hälfte des Referenzjahres (2010) erwerbstätig waren und armuts- gefährdet sind.
  • 47.
    ARMUTSGEFÄHRDUNG UND „WORKINGPOOR“ IN ÖSTERREICH 45 Tschechien und Belgien – sich diese zu einem Teil mit etwas höheren (aber dennoch unterdurchschnitt- lichen) Arbeitslosenquoten abtauschen. Österreich hat mit einer Arbeitslosenquote von 4,4% für 2010 und einer „Working Poor“-Quote von 5% in beiden Bereichen verglichen mit dem EU-Durchschnitt sehr niedrige Werte. Während für viele Länder die Quoten der „Working Poor“ und jene für Arbeitslosigkeit etwa gleich hoch liegen, ist in einigen – darunter neben den bereits genannten in Ungarn, der Slowakei, Irland, Estland, Lettland, Litauen und Spanien – die Arbeitslosigkeit prozentuell ein größeres Problem als „Working Poor“. In nur wenigen Staaten Europas ist es umgekehrt: In Rumänien, dem Land mit der höchsten „Working Poor“-Quote, wird eine deutlich unter dem EU-Durchschnitt liegende Arbeitslosenquote berichtet. Ebenso verhält es sich in Luxemburg, wenngleich auf niedrigerem Niveau: Eine geringe Arbeitslosenquote steht einem rund doppelt so hohen Prozentsatz von „Working Poor“ entgegen. Bei unterschiedlichen Kom- binationsmustern in den EU-27-Staaten lässt sich also insgesamt festhalten, dass für die Beurteilung von Qualität und Quantität der Arbeitsmarkteinbindung eine gleichzeitige Betrachtung beider Indikatoren – zu Arbeitslosigkeit und zu Armutsgefährdung trotz Erwerbstätigkeit – anzuraten ist. 3.2.3 Das Zusammenspiel zwischen indi- viduellen Erwerbsfaktoren und dem Haushaltskontext Der Lebensstandard und mit ihm das Armutsrisiko sind neben dem persönlichen Einkommen auch vom jeweiligen Haushaltskontext – insbesondere der Erwerbsintensität innerhalb des Haushalts – und schließlich von den staatlichen Rahmenbedingungen wie den auf die Erwerbseinkommen entfallenden Steuern und Sozialversicherungsabgaben und den erhaltenen Sozialleistungen abhängig (Guger et al. 2009, Bock-Schappelwein et al. 2009, BMASK/Sta- tistik Austria 2011). Im folgenden Abschnitt sollen zunächst Fragen der individuellen Ausgestaltung der Arbeitsverhältnisse behandelt werden: Handelt es sich um dauerhafte Vollzeitarbeitsverhältnis- se oder um mit höheren Armutsrisiken behaftete Niedriglohnbeschäftigung, diskontinuierliche oder Teilzeitbeschäftigung? Wie hoch sind die „Working Poor“-Anteile unter diesen unterschiedlichen Bedin- gungen? Danach werden die im Haushalt kumulierten Erwerbseinkommen, dasVerhältnis erwerbstätigen zu nicht erwerbstätigen Personen sowie die Bedeutung der Erwerbstätigkeit von Frauen im Hinblick auf das Armutsrisiko von Erwerbstätigen und ihren Familien untersucht.35 Individuelle Faktoren: Ausmaß und Qualität der Erwerbstätigkeit, prekäre Beschäfti- gungsformen Die folgende Übersicht stellt „Working Poor“ und nicht von Armutsrisiko betroffene Erwerbstätige nach Geschlecht, Alter, Bildung, Erwerbssituation und Staatsbürgerschaft gegenüber und zeichnet so ein soziodemographisch vergleichendes Bild dieser beiden Gruppen. Nach dem Alter lässt sich eine leichte Benachteiligung der jüngeren Erwerbstätigen erkennen. Von den „Wor- king Poor“ sind etwas mehr als die Hälfte zwischen 18 und 39 Jahre alt (54% bei den Männern, 51% bei den Frauen), unter den nicht armutsgefährdeten Erwerbstätigen macht diese Altersgruppe nur etwa 40% aus. Die geringere „Working Poor“-Betroffenheit der Personen im mittleren bis höheren Erwerbsalter ist unter anderem durch das Senioritätsprinzip (vor allem für Männer),36 aber auch durch die geringere 35 Sozialabgaben bleiben hier ausgeklammert; vgl. dazu beispielsweise die Publikation zu EU-SILC 2007 (Statistik Austria 2009, S. 36). Die Reduktion des Armutsrisikos durch Sozialleistungen wird in Kapitel 4 behandelt. 36 Das Senioritätsprinzip – steigende Einkommen mit steigendem Alter – lässt sich durch einen Vergleich der Medianeinkommen in EU-SILC (vgl. Statistik Austria 2012b, Tab. 9.3) und beispielsweise im Allgemeinen Einkommensbericht nachweisen (vgl. Rechnungshof 2012).
  • 48.
    ARMUTSGEFÄHRDUNG UND „WORKINGPOOR“ IN ÖSTERREICH 46 Erwerbsbeteiligung Älterer37 erklärbar. Die höhere Arbeitslosigkeit in der Gruppe der jungen Erwerbstä- tigen (2011 7,6% für 20- bis 24- und 4,9% für 25- bis 29-Jährige gegenüber 4% im Durchschnitt–vgl.Statistik Austria 2012c, S. 239) wie auch die höhere „Working Poor“-Quote veranschaulicht die Schwierigkeit, für BerufseinsteigerInnen adäquat bezahlte Jobs zu finden. Eine detailliertere Gliederung – zum Beispiel eine Analyse der „Working Poor“ bei Berufseinstei- gerInnen mit Rücksichtnahme auf die Qualifikation – lässt sich aufgrund der geringen Stichprobengröße in EU-SILC nicht leisten. Mit steigender Qualifikation nimmt die Wahrschein- lichkeit eines relativ höheren Einkommens zu und das Armutsrisiko ab. Der Schlüssel für qualifizierte Berufstätigkeit ist die Bildung. Unter den „Working Poor“ hat ein Fünftel Matura oder einen Universi- tätsabschluss, unter den nicht armutsgefährdeten Erwerbstätigen machtdieser Anteil34% aus. Personen mit niedrigeren Bildungsabschlüssen und in gering qualifizierten Berufen sindhingegen bei den „Working Poor“ überrepräsentiert. HilfsarbeiterInnen sindmehr alsdoppeltso häufigvon Armutsgefährdung betroffen wie FacharbeiterInnen, die wiederum eine doppelt so hoheArmutsgefährdungsquoteaufweisenwieErwerbs- tätige mit mittlererTätigkeit. Unter Erwerbstätigen mit hochqualifizierterTätigkeittrittArmutsgefährdung sehr selten auf. Selbständige machen rund ein Viertel der „Working Poor“ aus, ihr Armutsrisiko beträgt 11% und ist damit höher als das für Unselbständige. Vollzeiterwerbstätigkeit minimiert das Armutsrisiko ebenfalls. Die „Working Poor“-Quote ist bei ganzjäh- rig Teilzeiterwerbstätigen mit 8% doppelt so hoch wie bei ganzjährig Vollzeiterwerbstätigen (4%), für nicht ganzjährig Erwerbstätige beträgt sie sogar das Dreifache (12%). Der Anteil der ohne Unterbrechun- gen Vollzeitbeschäftigten an den „Working Poor“ ist dennoch hoch, er beträgt 46 %. Mehr als ein Viertel der armutsgefährdeten Erwerbs- tätigen haben keine österreichische Staatsbürger- schaft, von den nicht Armutsgefährdeten hingegen lediglich ein Zehntel. Männer sind 2011 wie auch in allen anderen betrach- teten Jahren von den Absolutzahlen her gesehen öfter „Working Poor“ als Frauen. Der Anteil der von Armutsgefährdung betroffenen erwerbstätigen Frauen (das sind 77.000) an den „Working Poor“ (insge- samt 198.000 Personen) macht 2011 39% aus (vgl. Übersicht 12 und Übersicht 13). Frauen erscheinen anhand dieses Indikators gegenüber Männern also nicht benachteiligt, obwohl sie häufiger Niedriglöhne beziehen. Dies ist nur scheinbar paradox und ergibt sich aus der Berechnungsweise der „Working Poor“- Quote: Zum einen sind erwerbstätige Frauen häufig nicht die einzigen Lohn- und GehaltsempfängerInnen eines Haushalts, und ihr Verdienst – auch wenn es sich um einen Niedriglohn handelt – reicht oft aus, um das Haushaltseinkommen insgesamt über die Armutsschwelle zu heben. Zum anderen ist zu beach- ten, dass die Erwerbsquote von Frauen geringer ist als die von Männern und nicht erwerbstätige Frauen hier nicht berücksichtigt sind. Dass niedrige Einkommen einer der Gründe von „Working Poor“ sind, lässt sich an folgendem Vergleich der Stundenlöhne erkennen: Im Mittel beträgt der Brutto-Stundenlohn (inklusive anteilig eingerechneter Sonderzahlungen) bei den „Working Poor“ 9,06 Euro, bei nicht armutsgefährdeten Er- werbstätigen 12,95 Euro. Für Frauen liegt der Median 37 So beträgt etwa die Erwerbsquote für die 55- bis 64-jährigen Frauen nur mehr 33%, für Männer 51%. (http://www.statistik.at/web_de/ statistiken/arbeitsmarkt/erwerbstaetige/index.html, 30.11.2012).
  • 49.
    ARMUTSGEFÄHRDUNG UND „WORKINGPOOR“ IN ÖSTERREICH 47 der Stundenlöhne bei 7,75 Euro für „Working Poor“ gegenüber 11,80 bei nicht armutsgefährdeten Er- werbstätigen. Bei Männern ist er in beiden Gruppen höher, und der prozentuelle Unterschied zwischen den Stundenlöhnen für „Working Poor“ (9,42 Euro) und Nicht-„Working Poor“ (13,86) etwas geringer. Übersicht 13: Soziodemographisches Profil von Erwerbstätigen im Erwerbsalter nach Armutsrisiko Erwerbstätige im Erwerbsalter * Gesamt in 1.000 Nicht armutsgefährdet Armutsgefährdet „Working Poor“ in 1.000 Anteil in % in 1.000 Anteil in % Quote in % Insgesamt 3.667 3.470 100 198 100 5 Männer 2.025 1.904 100 121 100 6 18-39 Jahre 873 807 42 65 54 7 40-64 Jahre 1.152 1.097 58 55 46 5 Frauen 1.642 1.565 100 77 100 5 18-39 Jahre 664 624 40 39 51 6 40-64 Jahre 979 941 60 38 49 4 Bildung Max. Pflichtschule 504 450 13 53 27 11 Lehre/mittlere Schule 1.963 1.859 54 104 53 5 Matura 671 644 19 26 13 4 Universität 529 516 15 14 7 3 Erwerbsstatus 2010 Ganzjährig Vollzeit erwerbstätig 2.538 2.446 71 92 46 4 Ganzjährig Teilzeit erwerbstätig 608 562 16 47 24 8 Nicht ganzjährig erwerbstätig 413 361 10 52 26 12 Berufliche Stellung 2011 Unselbständig erwerbstätig 2.917 2.798 100 119 100 4 Hilfsarbeit 648 580 17 68 34 10 Facharbeit 724 696 20 28 14 4 Mittlere Tätigkeit, Meister 665 651 19 14 7 2 Höhere/hochqualifizierte Tätigkeit 880 871 25 (10) (5) (1) Selbständig 452 403 12 49 25 11 Aktuell nicht erwerbstätig 190 168 5 22 11 12 Staatsbürgerschaft Österreich 3.252 3.106 90 146 74 4 davon seit Geburt 3.083 2.961 85 122 62 4 davon eingebürgert 169 145 4 24 12 14 Nicht Österreich 415 363 10 52 26 13 davon EU/EFTA 191 170 5 20 10 11 davon sonstiges Ausland 225 193 6 32 16 14 Q: STATISTIK AUSTRIA, EU-SILC 2011. * Personen zwischen 18 und 64 Jahren, die mehr als die Hälfte des Referenzjahres (2010) erwerbstätig waren. Erwerbsstatus 2010: Ausmaß der Erwerbstätigkeit 2010. Berufliche Stellung 2011: Berufliche Stellung zum Befragungszeitpunkt 2011. Zahlen in Klammern beruhen auf geringen Fallzahlen. Sind in der Randverteilung weniger als 50 oder in der Zelle weniger als 20 Fälle vor- handen, wird geklammert.
  • 50.
    ARMUTSGEFÄHRDUNG UND „WORKINGPOOR“ IN ÖSTERREICH 48 Übersicht 14 stellt Erwerbstätige zwischen 18 und 64 Jahren in derartigen prekären Beschäftigungs- verhältnissen dar. Personen mit niedrigem Einkom- men (unter zwei Drittel des Medianstundenlohns; diese sind hier aufgrund der relativ weiten Definition nicht als „prekär“ subsummiert) sind zum Vergleich dargestellt. Eszeigen sich durchwegs erhöhte Armuts- gefährdungsquoten, wenn auch die Fallzahlen in diesem Bereich sehr klein sind. Rund ein Viertel der als „Working Poor“ bezeich- neten Personen befinden sich laut EU-SILC 2011 in einer prekären Beschäftigungsform: Selbst wenn je nach Haushaltszusammensetzung die Möglichkeit NIEDRIGE LÖHNE, ATYPISCHE BESCHÄFTIGUNG, PREKÄRE BESCHÄFTIGUNG: Niedrige Löhne werden in diesem Bericht über zwei Zugänge operationalisiert: als „Niedriglohn“ und als „niedriges Einkommen“. Für „Niedriglohn“ wird analog zu den Vorjahren die Grenze von unter 1.000 EUR brutto im Monat für Vollzeitbeschäftigung festgelegt, die von den Sozialpartnern als Zielwert definiert wurde. Das Entspricht einem Stundenlohn von unter 5,77 Euro brutto. In SILC betrifft „Niedriglohn“ 1% bzw. 64.000 Personen zwischen 18 und 64 Jahren. Lehrlinge und Personen mit einer Arbeitszeit unter 12 Wochenstunden sind nicht einbezogen. Als „ niedrige Einkommen“ gelten nach Vorschlägen der Europäischen Kommission, OECD und ILO Löhne unter der Grenze von 2/3 des Medianlohnes (dieser liegt bei 12,54 Euro brutto pro Stunde, Sonderzahlungen sind anteilig eingerechnet). Damit sind laut EU-SILC 2011 435.000 Personen bzw. eingeschränkt auf 18- bis 64-Jährige 429.000 Personen oder 8% konfrontiert (vgl. auch Kapitel 8). Aus Daten der Verdienststrukturerhebung – erfasst sind unselbständig Beschäftigte in Unternehmen mit zehn und mehr Beschäftigten im Produktions- und Dienstleistungsbereich ohne Lehrlinge – lassen sich auch eindeutige Geschlechterunterschiede erkennen (vgl. Geisberger/Knittler 2010, S. 455): Bei Frauen ist ein Erwerbseinkommen unter zwei Drittel des Medianlohnes ein weitaus häufigeres Phänomen als bei Männern. 24,2% der erwerbstä- tigen Frauen, aber nur 7,4% der Männer haben nach dieser Definition niedrige Einkommen. Betrachtet man nur Normalarbeitsverhältnisse, haben 18,2% der Frauen und 5,1% der Männer niedrige Einkommen. Frauen sind häu- figer atypisch beschäftigt als Männer (vgl. ebd., S. 452). Unter „atypische Beschäftigung“ fallen hier befristete Dienstverhältnisse (ohne Lehre), geringfügige Beschäftigung sowie Leih- und Zeitarbeit. 70% oder knapp 2,5 Mio. Beschäftigte sind in einem typischen oder Normalarbeitsverhältnis, 18% oder 637.000 Beschäftigte sind teilzeiter- werbstätig, aber nicht atypisch nach obiger Definition, und 12% oder 407.000 Personen sind atypisch beschäftigt. 14% der unselbständig erwerbstätigen Frauen und neun Prozent der Männer gelten als atypisch beschäftigt. Von den atypisch Beschäftigten sind 29,7% der Frauen und 20,7% der Männer Beschäftigte mit niedrigen Einkommen. Als „prekär beschäftigt“ gelten in den vorliegenden Analysen Beschäftigungsverhältnisse, die durch eines der drei folgenden Merkmale gekennzeichnet sind: Sie sind unregelmäßig, das heißt im vergangenen Jahr wurde weniger als zehn Monate Vollzeit oder Teilzeit gearbeitet bzw. es lag eine Beschäftigung als Werk-/DienstvertragsnehmerIn vor. Oder es handelt sich um eine Teilzeitbeschäftigung von weniger als 12 Wochenstunden. Oder es liegt Niedrig- lohnbeschäftigung nach oben genannter Definition (Stundenlohn unter 5,77 Euro brutto bzw. hochgerechnet auf Vollzeitbeschäftigung Monatslohn weniger als 1.000 Euro) vor. Der Terminus „prekäre Beschäftigung“ stellt nicht per se auf die Art des Beschäftigungsverhältnisses („typisch“ oder „atypisch“) als vielmehr auf damit einhergehende finanzielle Nachteile ab. Dennoch ist offenkundig, dass prekäre und das Armutsrisiko erhöhende Beschäftigungen vielfach jene sind, die mit mangelnder arbeitsrecht- licher Absicherung, geringen Arbeitszeiten, unsicheren Arbeitsverhältnissen und sehr geringen Stundenlöhnen verbunden sind.
  • 51.
    ARMUTSGEFÄHRDUNG UND „WORKINGPOOR“ IN ÖSTERREICH 49 Übersicht 14: Armutsgefährdung in prekären Beschäftigungsformen und bei niedrigem Einkommen (weniger als 2/3 des Medianstundenlohns) Gesamt in 1.000 Armutsgefährdung in 1.000 Quote in % Insgesamt 5.372 591 11 Prekäre Beschäftigung Unregelmäßig beschäftigt 603 96 16 Teilzeit <12h 122 18 15 Niedriglohnbeschäftigung (unter Mindestlohn von 1000 Euro/Monat bzw. 5,77 Euro/Stunde brutto) 64 (10) (16) Niedriges Einkommen (unter 2/3 des Medianstundenlohns, d.h. unter 8,36 Euro/Stunde brutto) 429 59 14 Q: STATISTIK AUSTRIA, EU-SILC 2011. Personen zwischen 18 und 64 Jahren. Unregelmäßig beschäftigt: Im vergangenen Jahr weniger als 10 Monate Vollzeit oder Teilzeit beschäftigt oder Werk-/Dienstvertragsneh- merIn. - Teilzeit < 12h: Aktuell weniger als zwölf Stunden beschäftigt - Niedriglohnbeschäftigung: Der Stundenlohn beträgt weniger als 5,77 Euro. Hochgerechnet auf Vollzeitbeschäftigung beträgt der Monatslohn weniger als 1.000 Euro. - Niedrige Einkommen: Der Stundenlohn für Unselbständige ohne Lehrlinge beträgt weniger als 2/3 des Medianstundenlohns (das sind in EU-SILC 2011 12,54 Euro, 2/3 davon sind 8,36 Euro). ). - „Working Poor“ ist überlappend mit den drei Kategorien prekärer Beschäftigung (unregelmäßig, Teilzeit < 12h, Niedriglohnbeschäf- tigung), die sich aber ihrerseits nicht überschneiden. Zahlen in Klammern beruhen auf geringen Fallzahlen. Sind in der Randverteilung weniger als 50 oder in der Zelle weniger als 20 Fälle vor- handen, wird geklammert. 0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100 Alle Erwerbstätigen (18-64 Jahre) „Working Poor” Unregelmäßig beschäftigt Teilzeit <12h Niedriglohnbeschäftigung 6 6 21 67 8 12 28 52 11 7 21 61 3 2 22 73 2 7 23 68 sehr/ziemlich unzufrieden eher unzufrieden eher zufrieden sehr/ziemlich zufrieden in % Q: STATISTIK AUSTRIA, EU-SILC 2011. Personen zwischen 18 bis 64 Jahren. * Wie zufrieden sind Sie gegenwärtig, alles in allem, mit Ihrer Hauptbeschäftigung? Sind Sie sehr zufrieden, ziemlich zufrieden, eher zufrie- den, eher unzufrieden, ziemlich unzufrieden, sehr unzufrieden? „Working Poor“: Personen zwischen 18 und 64 Jahren, die mehr als die Hälfte des Referenzjahres (2010) erwerbstätig waren und armutsge- fährdet sind. - Unregelmäßig beschäftigt: Im vergangenen Jahr weniger als zehn Monate Vollzeit oder Teilzeit beschäftigt oder Werk-/Dienst- vertragsnehmerIn. - Teilzeit < 12h: Aktuell weniger als zwölf Stunden beschäftigt - Niedriglohnbeschäftigung: Der Stundenlohn beträgt weniger als 5,77 Euro. Hochgerechnet auf Vollzeitbeschäftigung beträgt der Monatslohn weniger als 1.000 Euro. „Working Poor“ ist überlappend mit den drei Kategorien prekärer Beschäftigung (unregelmäßig, Teilzeit < 12h, Niedriglohnbeschäftigung), die sich aber ihrerseits nicht über- schneiden. Grafik 9: Zufriedenheit mit der Haupttätigkeit* für „Working Poor“ und Personen in prekä- ren Beschäftigungsformen
  • 52.
    ARMUTSGEFÄHRDUNG UND „WORKINGPOOR“ IN ÖSTERREICH 50 besteht, dass die Einkommen anderer Haushaltsmit- glieder Einkommen aus prekären Beschäftigungsver- hältnissen ausgleichen, ist die überdurchschnittlich hohe Armutsgefährdung der Betroffenen ersichtlich. Von den nicht armutsgefährdeten Erwerbstätigen ist mit 9% nur ein kleinerer Teil prekär beschäftigt. Ein niedriges Einkommen (von unter zwei Drittel des Medianstundenlohns) haben rund 22% der „Wor- king Poor“ und 10% der nicht armutsgefährdeten Erwerbstätigen. Da Stundenlöhne aus EU-SILC nur für Unselbständige berechnet werden können, ist die Situation der selb- ständig Erwerbstätigen hier untererfasst. Es konnte jedoch bereits nachgewiesen werden, dass sie mit 11% ein erhöhtes „Working Poor“-Risiko haben (vgl. Übersicht 13). Die Vermutung, dass schlecht bezahlte oder prekäre Arbeitsverhältnisse mit persönlicher Unzufriedenheit einhergehen, bestätigt sich nur zum Teil. Wie Grafik 9 zeigt, stellt sich die subjektive Zufriedenheit mit der Haupttätigkeit für „Working Poor“ schlechter dar als für alle Beschäftigten im Durchschnitt. Etwa die Hälfte gibt dennoch an, sehr oder ziemlich zufrieden mit ihrer Beschäftigung zu sein, insgesamt sind es zwei Drittel. Die größte Unzufriedenheit mit ihrer Situation äußern unregelmäßig Beschäftigte: 11% sind ziemlich bis sehr unzufrieden. Überdurchschnittlich zufrieden scheinen Personen in Beschäftigungsverhältnissen von weniger als zwölf Stunden zu sein – da jedoch nach der Zufriedenheit mit der Haupttätigkeit gefragt wurde, ist bei ihnen zweifelhaft, ob es sich angesichts ihrer geringen Arbeitsstunden überhaupt um eine Beurteilung der Erwerbstätigkeit handelt. Überra- schend ist festzustellen, dass Personen in Niedrig- lohnbeschäftigung nicht unzufriedener sind als alle Beschäftigten unabhängig von ihrem Einkommen. Erwerbsintensität, Frauenerwerbsbeteili- gung und Erwerbshindernisse aus der Haus- haltsperspektive Als Entstehungszusammenhang von Armutsge- fährdung relevant ist neben dem individuellen Einkommen die Zusammensetzung des Haushalts. Einerseits beeinflusst sie die Möglichkeiten einzelner Mitglieder, sich am Erwerbsleben zu beteiligen und zum gemeinsamen Haushaltseinkommen beizutra- gen, andererseits können niedrige oder fehlende individuelle Einkommen durch die Einkünfte an- derer Haushaltsmitglieder ausgeglichen werden. In Mehrpersonenhaushalten können außerdem aufgrund der gemeinsamen Haushaltsführung etwa beim Wohnen oder beim Kauf von Nahrungsmitteln Kosten gespart werden.38 Weil in Einpersonenhaus- halten keine Einsparungspotenziale aufgrund der gemeinsamen Haushaltsführung gegeben sind, verzeichnen alleinlebende Personen mit Ausnahme alleinlebender männlicher Pensionisten generell ein überdurchschnittlich hohes Armutsrisiko. An- ders als in Mehrpersonenhaushalten wirken sich Einkommensnachteile und soziale Risiken in Einper- sonenhaushalten unmittelbar auf den Lebensstan- dard aus. Gleichzeitig ist festzustellen, dass sich armutsgefährdete Erwerbstätige überproportional oft in Mehrpersonenhaushalten mit mindestens drei Kindern sowie in Ein-Eltern-Familien finden; geringer ist ihr Anteil in Mehrpersonenhaushalten ohne Kin- der bzw. mit bis zu einem Kind (vgl. Übersicht 15). Eine höhere Erwerbsbeteiligung – wie es einem Kern- ziel der Europa 2020-Strategie entspricht – kann sich positiv auf den Lebensstandard auswirken. Daher greift ein nur auf das individuelle Erwerbseinkommen gerichteter Blick zu kurz. Selbst ein „Niedriglohn“ kann je nach Haushaltskontext Unterschiedliches 38 Dieser Annahme wird in der den Berechnungen zugrunde liegenden Äquivalenzskala (EU-Skala) Rechnung getragen.
  • 53.
    ARMUTSGEFÄHRDUNG UND „WORKINGPOOR“ IN ÖSTERREICH 51 bewirken: In einem Einpersonenhaushalt geht er, wenn kein Ausgleich durch Sozialleistungen oder andere Einkommen wie Privattransfers erfolgt, mit erhöhtem Armutsrisiko einher. Ist er hingegen Zuverdienst in einem Haushalt mit einem anderen Haupteinkommen, kann das den entscheidenden Unterschied machen, um ein Leben jenseits der Armutsgefährdung zu ermöglichen. Teilzeit- und Niedriglohnjobs sind daher nicht per se „Armutsfallen“ – können es aber in bestimmten Haushaltskonstellationen sein: für alleinlebende Menschen, Alleinerziehende und ge- nerell in Haushalten, die sich auf diese Einkommen als Haupteinkommen stützen müssen (vgl. Lamei/ Skina-Tabue 2011, S. 134ff). Des weiteren sollte in diesem Zusammenhang bedacht werden, dass sich der positive Effekt derartiger Zuverdienste in Mehrpersonenhaushalten sehr schnell ins Gegenteil des „Working Poor“ verkehren kann. Dann nämlich, wenn die Haushaltskonstellation sich ändert – zum Beispiel, wenn im Fall einer Trennung eine weibliche Zuverdienerin zu einer Alleinerzieherin wird. Generell gilt in Mehrpersonenhaushalten: Je mehr Haushaltsmitglieder im Erwerbsalter einer Erwerbstä- tigkeit nachgehen, desto mehr finanzielle Ressourcen stehen dem Haushalt zur Verfügung. Zunächst gilt es, die Erwerbsintensität der Haushalte insgesamt zu betrachten, danach wird dem Faktor weibliche Erwerbsbeteiligung im Speziellen nachgegangen. In Haushalten mit Personen im Erwerbsalter, in de- nen eine hohe Erwerbsintensität (mindestens 85% der möglichen Erwerbszeit) erreicht wird, liegt das Armutsrisiko für Mehrpersonenhaushalte bei nur 3%. 8% der Einpersonenhaushalte mit voller Erwerbsin- tensität sind armutsgefährdet. Bei mittlerer Erwerbs- intensität (mehr als 20% und weniger als 85%) liegt das Armutsrisiko bei Mehrpersonenhaushalten – rund die Hälfte der Personen fällt in diese Kategorie – mit 12% im Durchschnitt, bei Einpersonenhaushalten ist bereits eine mittlere Erwerbsintensität mit einem doppelt so hohen Armutsrisiko (25%) behaftet. Mit keiner oder sehr niedriger Erwerbsintensität (bis zu maximal 20%; entspricht dem Indikator, der für Ausgrenzungsgefährdung verwendet wird) sind annähernd zwei von drei alleinlebenden Personen im Erwerbsalter armutsgefährdet, in Mehrpersonen- haushalten sind es 51%. Übersicht 15: „Working Poor“ nach Haushaltstyp Erwerbstätige im Erwerbsalter * Gesamt in 1.000 Nicht armutsgefährdet Armutsgefährdet „Working Poor“ in 1.000 Anteil in % in 1.000 Anteil in % Quote in % Insgesamt 3.667 3.470 100 198 100 5 Alleinlebende Männer 317 291 8 (27) (14) (8) Alleinlebende Frauen 252 233 7 (19) (10) (8) Mehrpersonenhaushalte ohne Kinder 1.381 1.340 39 41 21 3 Ein-Eltern-Haushalte 89 77 2 11 6 13 Mehrpersonenhaushalt + 1 Kind 781 753 22 28 14 4 Mehrpersonenhaushalt + 2 Kinder 584 546 16 37 19 6 Mehrpersonenhaushalt + mind. 3 Kinder 191 162 5 30 15 15 Haushalte mit Pension 72 68 2 (5) (3) (6) Q: STATISTIK AUSTRIA, EU-SILC 2011. „Working Poor“: Personen zwischen 18 und 64 Jahren, die mehr als die Hälfte des Referenzjahres (2010) erwerbstätig waren und armuts- gefährdet sind. * Personen zwischen 18 bis 64 Jahren, die mehr als die Hälfte des Referenzjahres (2010) erwerbstätig waren. Zahlen in Klammern beruhen auf geringen Fallzahlen. Sind in der Randverteilung weniger als 50 oder in der Zelle weniger als 20 Fälle vor- handen, wird geklammert.
  • 54.
    ARMUTSGEFÄHRDUNG UND „WORKINGPOOR“ IN ÖSTERREICH 52 Bei der Armutsreduktion in Familien kommt vor allem der Erwerbsbeteiligung von Frauen große Bedeutung zu. Sie tragen immer häufiger zum Haushaltsein- kommen bei, Betreuungs- und Versorgungspflichten sowie ein fehlendes Angebot an familienkompatiblen Arbeitsplätzen sind jedoch Gründe dafür, warum die Erwerbsbiographien vieler Frauen nach wie vor durch Teilzeitbeschäftigung charakterisiert sind. Übersicht 17 zeigt, wie sich Alter und Zahl der Kinder auf die Erwerbstätigkeit von Frauen auswirken: Liegt die Erwerbsquote von Frauen in Haushalten ohne Kinder bei 72%, sind in Haushalten mit mindestens drei Kin- dern nur 40% der Frauen erwerbstätig. Der Anteil der Vollzeit arbeitenden Frauen steigt mit zunehmenden Alter der Kinder: Ist das jüngste Kind sechs Jahre alt oder jünger, arbeiten nur 12% der Frauen Vollzeit, während in Haushalten mit dem jüngsten Kind im Schulalter (älter als sechs Jahre) ein Drittel der Frauen einer Vollzeitbeschäftigung nachgeht. Auch wenn in Mehrpersonenhaushalten potenziell die Möglichkeit besteht, niedrige oder fehlende Erwerbs- einkommen eines Haushaltsmitglieds (bzw. mehrerer Haushaltsmitglieder) durch Erwerbseinkommen anderer Personen und Einkünfte aus Sozialleistungen oder Privattransferszu ergänzen, ist dies oft nicht im selben Maß möglich, und die geringe Erwerbsbeteiligung eines Mitglieds kann sich nachteilig auf den Lebens- standard auswirken. In Mehrpersonenhaushalten ohne Kinder liegt das Armutsrisiko ohne Erwerbsbeteiligung der Frau bei 18%. Ist die Frau erwerbstätig, sind unterdurchschnittliche 3% der Personen in solchen ERWERBSINTENSITÄT DES HAUSHALTS: Um für Haushalte mit mehreren Personen im Erwerbsalter ein Äquivalent zur individuellen Arbeitszeit auszudrücken und gleichzeitig die Zahl der Erwerbsmonate im vergangenen Kalenderjahr einzubeziehen, wird ein Prozentsatz für die geleistete Erwerbstätigkeit an der maximal möglichen Erwerbszeit im Haushalt berechnet. Einbezogen sind nur Haushalte mit Personen im Erwerbsalter (hier entsprechend dem EU-Indikator: 18-59 Jahre, ohne Studierende). Teilzeiterwerbstätigkeit wird entsprechend dem aktuellen Stundenausmaß anteilsmäßig berücksichtigt. Keine oder sehr niedrige Erwerbsintensität: <=20%; mittlere Erwerbsintensität: >20% und <85% ; hohe Erwerbsintensität: >=85% jeweils an der maximal möglichen Erwerbszeit im Haushalt. Übersicht 16: Erwerbsintensität des Haushalts und Armutsgefährdung Personen in … Gesamtbevölkerung Armutsgefährdete in 1.000 Anteil in % in 1.000 Anteil in % Quote in % ... Einpersonenhaushalten Keine oder sehr niedrige Erwerbsintensität 150 20 93 58 62 Mittlere Erwerbsintensität 106 14 27 17 25 Hohe Erwerbsintensität 480 65 41 25 8 ... Mehrpersonenhaushalten Keine oder sehr niedrige Erwerbsintensität 369 6 188 31 51 Mittlere Erwerbsintensität 3.069 54 360 58 12 Hohe Erwerbsintensität 2.277 40 68 11 3 Q: STATISTIK AUSTRIA, EU-SILC 2011. Personen in Haushalten mit mindestens einer Person zwischen 18 und 59 Jahren. Erwerbsintensität des Haushalts (nur Personen bis 59 Jahre): Anteil der Erwerbsmonate aller Personen im Erwerbsalter (hier: 18-59 Jahre, ohne Studierende) an der maximal möglichen Erwerbszeit im Haushalt im Referenzjahr. Teilzeiterwerbstätigkeit wird entsprechend dem aktuellen Stundenausmaß anteilsmäßig berücksichtigt. Keine oder sehr niedrige Erwerbsintensität: <=20%; Mittlere Erwerbsintensität: >20% und <85% ; Hohe Erwerbsintensität: >=85%.
  • 55.
    ARMUTSGEFÄHRDUNG UND „WORKINGPOOR“ IN ÖSTERREICH 53 Mehrpersonenhaushalten armutsgefährdet. Bis auf Ein-Eltern-Haushalte und Haushalte mit drei oder mehr Kindern liegt das Armutsrisiko in Haushalten mit Kindern bei Erwerbstätigkeit der Frauen unter dem Durchschnitt. Den größten Effekt zeigt die Er- werbsbeteiligung von Frauen in Haushalten, wo es nur eine Verdienerin geben kann: Wenn Frauen in Ein-Eltern-Haushalten nicht erwerbstätig sind, liegt die Armutsgefährdungsquote bei 57%. Aber auch Erwerbseinkommen garantieren in solchen Fällen oft kein Äquivalenzeinkommen über der Armutsgefähr- dungsschwelle, bei Erwerbsbeteiligung der Mutter sind Kinder und ihre alleinerziehenden Mütter zu 18% armutsgefährdet. Ist ein Haushaltsmitglied erwerbslos oder sind von einem Erwerbseinkommen mehrere Angehörige im Haushalt zu erhalten, erhöht sich die Wahrschein- lichkeit, dass trotz Erwerbstätigkeit eines Haushalts- mitglieds der gesamte Haushalt als „Working Poor“ ausgewiesen wird. Die 198.000 „Working Poor“ und ihre Angehörigen verteilen sich auf 163.000 Haushalte, in knapp einem Fünftel aller Fälle leben zwei oder mehr Erwerbstätige in einem armutsgefährdeten Haushalt. Insgesamt leben 471.000 Personen in armutsgefährdeten Haus- halten – trotz Erwerbstätigkeit eines oder mehrerer Haushaltsmitglieder. 171.000 Kinder und 101.000 erwachsene Angehörige sind mitbetroffen (vgl. Übersicht 18). Von den erwachsenen Angehörigen in „Working Poor“ Haushalten, die nicht selbst „Working Poor“ sind, sind rund die Hälfte im Haushalt tätig (54%), 14% sind in Pension, 12% arbeitslos, und 5% befinden sich in Ausbildung. Etwa 17% sind aktuell erwerbstätig, waren es aber im Referenzzeitraum nicht oder nur bis zu einem halben Jahr, weshalb sie selbst nicht als „Working Poor“ gezählt werden. Erzwungene Erwerbslosigkeit bei einem oder meh- reren Haushaltsmitgliedern stellt in Mehrpersonen- haushalten eine der Hauptursachen für „Working Poor“-Betroffenheit des Haushalts dar. Ein großer Teil der „Working Poor“ Haushalte besteht neben mindes- tens einem Erwerbstätigen auch aus arbeitslosen bzw. Übersicht 17: Erwerbstätigkeit der Frauen und Armutsgefährdung in Familien (in %) Erwerbstätigkeit der Frau Armutsgefährdungsquote gesamt Vollzeit Teilzeit gesamt bei Erwerbs- tätigkeit der Frau ohne Erwerbs- tätigkeit der Frau Haushaltstyp Mehrpersonenhaushalt ohne Kinder 72 50 22 10 3 18 Mehrpersonenhaushalt + 1 Kind 65 30 35 5 4 14 Mehrpersonenhaushalt + 2 Kinder 53 20 33 10 6 21 Mehrpersonenhaushalt + mind. 3 Kinder 40 13 27 26 18 39 Ein-Eltern-Haushalt 66 35 31 25 18 57 Alter des jüngsten Kindes Bis 6 Jahre 43 12 31 17 10 27 Über 6 Jahre 67 33 34 9 6 23 Q: STATISTIK AUSTRIA, EU-SILC 2011. Personen in Mehrpersonenhaushalten ohne Pension, in denen mind. eine Frau zwischen 18 und 64 Jahren lebt. Erwerbstätigkeit: Voll- oder Teilzeiterwerbstätigkeit. Erwerbsbeteiligung: Anteil aktuell hauptsächlich erwerbstätiger (ohne Arbeitslose) an Frauen zwischen 18 und 64 Jahren in Haushalten ohne Pension. Teilzeit: Erwerbstätigkeit von weniger als 35 Stunden pro Woche.
  • 56.
    ARMUTSGEFÄHRDUNG UND „WORKINGPOOR“ IN ÖSTERREICH 54 39 118.000 Personen leben mit mindestens einer kurzzeitig (weniger als sechs Monate) arbeitslosen Person, 111.000 mit mindestens einer langzeitig (sechs Monate und mehr) arbeitslosen Person, wobei hier bei 30.000 Personen sowohl Kurz- als auch Langzeitarbeitslosigkeit im Haushalt vorkommt. 39.000 Personen leben in „Working Poor“ Haushalten mit gleichzeitig mindestens einer erwerbsfernen und einer langzeitarbeitslosen Person. aufgrund von Behinderung oder Betreuungspflichten nicht am Erwerbsleben teilhabenden Personen. Die Schwierigkeit, die Betreuung von Kindern und ande- ren Angehörigen mit einer (Vollzeit-)Erwerbstätigkeit zu vereinbaren, zeigt sich in einer Überrepräsentanz der Familien mit Kindern unter den „Working Poor“: 348.000 Personen – 74% der „Working Poor“ – leben in einem Haushalt mit Kindern. Insgesamt leben 47% der Bevölkerung in Familien mit Kindern. 207.000 oder 44% der Personen in „Working Poor“ Haushalten leben in Familien mit mindestens einem Kind im Alter bis sechs Jahren. Da „Working Poor“ als Haushaltsmerkmal definiert ist, lebt ein überproportional großer Anteil der „Working Poor“ in großen Haushalten. 199.000 Personen in „Working Poor“ Haushalten leben mit mindestens einer arbeitslosen Person zusammen und 220.000 Personen mit mindestens einer ganzjäh- rig nicht erwerbsaktiven Person. 62% der Personen in „Working Poor“ Haushalten (292.000 Personen) haben diesen Status, da es – neben mindestens ei- ner erwerbstätigen Person – auch erwerbsferne oder langzeitarbeitslose Haushaltsmitglieder gibt.39 Unter diesen durch eine Erwerbstätigkeit und gleichzeitig eine Arbeitsmarktexklusion eines anderen Haus- haltsmitglieds gekennzeichneten Haushalten finden sich überdurchschnittlich oft Personen in Familien mit Kindern (85%). 123.000 Personen leben ohne Kinder in „Working Poor“ Haushalten. 25.000 Personen in diesen Haushalten bzw. 20% sind vom Auftreten einer Behinderung eines Haushaltsmitglieds (mit)betroffen (gegenüber 13% unter Haushalten mit Personen im Erwerbsalter und unter „Working Poor“ insgesamt). Übersicht 18: Personen in „Working Poor“ Haushalten nach Haushaltsmerkmalen Haushaltsmerkmale Gesamt (=100%) in 1.000 Anteil in % Personen in "Working Poor" Haushalten 471 100 Person ist selbst "Working Poor" 198 42 Angehörige Person in "Working Poor" Haushalt 272 58 davon Kinder 171 36 davon Erwachsene 101 21 Haushaltstyp Haushalte ohne Kinder 123 26 Alleinlebende Männer (27) (6) Alleinlebende Frauen (19) (4) Mehrpersonenhaushalt ohne Kinder 68 14 Haushalt mit Pension (9) (2) Haushalte mit Kindern 348 74 Ein-Eltern-Haushalt 31 7 Mehrpersonenhaushalt + 1 Kind 63 13 Mehrpersonenhaushalt + 2 Kinder 137 29 Mehrpersonenhaushalt + mind. 3 Kinder 117 25 Mindestens eine Person im Haushalt ist… kurzzeitarbeitslos (<6 Monate) 118 25 langzeitarbeitslos (>=6 Monate) 111 24 ganzjährig nicht erwerbsaktiv 220 47 stark beeinträchtigt durch Behinderung 59 13 ein Kind bis 6 Jahre 207 44 Q: STATISTIK AUSTRIA, EU-SILC 2011. Personen in Haushalten mit „Working Poor“: Haushalt ist armuts- gefährdet, und in ihm befindet sich mindestens eine Person zwi- schen 18 und 64 Jahren, die mehr als die Hälfte des Referenzjah- res (2010) erwerbstätig war. Ganzjährig nicht erwerbsaktiv: im vergangenen Kalenderjahr in keinem Monat erwerbstätig oder arbeitslos. 118.000 Personen leben mit mindestens einer kurzzeitig (weniger als sechs Monate) arbeitslosen Person, 111.000 mit mind. einer langzeitig (sechs Monate und mehr) arbeitslosen Person, wobei davon bei 30.000 Personen sowohl Kurz- als auch Langzeitar- beitslosigkeit im Haushalt vorkommt. 39.000 Personen leben in „Working Poor“ Haushalten, mit gleichzeitig mindestens einer er- werbsfernen und einer langzeitarbeitslosen Person. Zahlen in Klammern beruhen auf geringen Fallzahlen: Sind in der Randverteilung weniger als 50 oder in der Zelle weniger als 20 Fälle vorhanden, wird geklammert.
  • 57.
    ARMUTSGEFÄHRDUNG UND „WORKINGPOOR“ IN ÖSTERREICH 55 3.2.4 „Working Poor“ in der Längsschnitt- betrachtung In diesem Abschnitt soll den Fragen nachgegangen werden, ob Armutsgefährdung bei gleichzeitiger Erwerbstätigkeit für die Betroffenen nur kurzfristig und einmalig auftritt oder länger andauert bzw. öfter vorkommt (Häufigkeit und Persistenz von „Working Poor“-Episoden) und welche Ein- und Ausstiegs- szenarien wahrscheinlich sind (Übertritte). Während Armutsgefährdung bei Erwerbspersonen sowohl aus der persönlichen Arbeitsmarktsituation als auch aus der Haushaltsperspektive untersucht wurde, sind die empirischen Analysen zum individuellen Verlauf von „Working Poor“- Karrieren hier schwerpunktmäßig auf die individuelle Perspektive der Erwerbstätigkeit mit geringem Einkommen bezogen. Häufigkeit und Persistenz von „Working Poor“ Wie in Übersicht 19 ersichtlich, waren 662.000 Per- sonen im Zeitraum 2008 bis 2011 mindestens einmal „working poor“. Näherungsweise prozentuiert auf die 2011 erwerbstätigen Personen im Erwerbsalter entspricht das einer Quote von 18%. Die Quote der „Working Poor“ ist also in der Betrachtung über den Vierjahreszeitraum mehr als drei Mal so groß wie im Querschnitt, was auf eine hohe Fluktuation der „Wor- king Poor“-Betroffenen hindeutet. Die überwiegende Mehrheit von ihnen (70%) war in einem Jahr „working poor“, 22% waren in zwei Jahren (wobei das keine Folgejahre sein müssen) „working poor“, und etwa 8% der jemals in dem Zeitraum als „working poor“ Klassifizierten waren es drei oder vier Jahre lang.40 Die Persistenz von „Working Poor“ ist relativ gering: In den zwei letzten aufeinanderfolgenden Jahren armuts- gefährdet trotz Arbeit waren im Betrachtungszeitraum 44.000 Personen oder 1% aller Erwerbspersonen. 40 Methodische Ungenauigkeiten ergeben sich neben den Einschränkungen durch den Panelausfall auch dadurch, dass sich die Bezugsgruppe für „Working Poor“ – die erwerbstätigen Personen im Erwerbsalter – über die vier Jahre verändert. 10% der Panelpersonen sind weniger als vier Jahre lang in der relevanten Altersgruppe (18 bis 64 Jahre) und haben daher gar nicht die theoretische Chance, für vier Jahre lang als „Working Poor“ klassifiziert zu werden. Daher stellen die präsentierten Zahlen lediglich einen größenordnungsmäßigen Überblick dar. Übersicht 19: Häufigkeit des Auftretens von „Working Poor“ 2008 bis 2011 Häufigkeit Häufigkeit in 1.000 Anteil in % an Erwerbspersonen im Erwerbsalter 2011 an jemals „Working Poor“ 2008 bis 2011 Jemals „Working Poor“ 2008 bis 2011 * 662 18 100 In einem Jahr 466 13 70 In zwei Jahren 143 4 22 In drei Jahren (34) 1 (5) In vier Jahren (18) 1 (3) 2010 und 2011 „Working Poor“ ** 44 1 - Erwerbspersonen zwischen 18 und 64 Jahren 2011 3.667 100 - Personen im Panel 2008 bis 2011 gesamt 7.801 Q: STATISTIK AUSTRIA, EU-SILC 2008 bis 2011. * Nur Personen, die in allen vier Jahren im Panel waren. ** Nur Personen, die 2010 und 2011 im Panel waren. Erwerbspersonen = Personen zwischen 18 und 64 Jahren, die mehr als die Hälfte des Referenzjahres (2010) erwerbstätig waren. „Working Poor“: Personen zwischen 18 und 64 Jahren, die mehr als die Hälfte des Referenzjahres (2010) erwerbstätig waren und armuts- gefährdet sind.
  • 58.
    ARMUTSGEFÄHRDUNG UND „WORKINGPOOR“ IN ÖSTERREICH 56 Änderungen im Erwerbsstatus und Über- gänge aus Erwerbstätigkeiten mit niedrigen Einkommen Ausstiege aus und Einstiege in Armutsgefährdung trotz Erwerbstätigkeit können sich durch veränderte persönliche Erwerbsfaktoren (zum Beispiel andere Arbeitsstunden, höheres/niedrigeres Einkommen im selben oder anderen Job, Ausscheiden aus dem Erwerbsleben etc.), eine geänderte Zusammensetzung des Haushalts oder die geänderte Beschäftigungs- und Einkommenssituation von anderen Haushalts- angehörigen ergeben. Aufgrund dieser Verknüpfung von Lebensstandard des Haushalts und individueller Erwerbstätigkeit eignet sich das Konzept „Working Poor“ nicht dazu, über individuelle Veränderungen erklärt zu werden. Daher wird hier die Analyse nur auf Personen mit niedrigem Einkommen und damit aus- schließlich die individuelle Ebene bezogen. Gemeint sind Personen mit Erwerbseinkommen unter 2/3 des Medianlohns(vgl.zu den Querschnittergebnissen Über- sicht 14). Zunächst sollen individuelle Veränderungen im Erwerbsstatus zwischen 2008 und 2011 allgemein und dann bezogen auf die Erwerbsbevölkerung mit niedrigen Einkommen dargestellt werden. Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt können über rein statische Variablen nur unzureichend abgebildet werden. Eine Möglichkeit, die Dynamikin der Analyse anzunähern, istüber die BetrachtungvonVeränderungen für Individuen zwischen zwei Zeitpunkten gegeben. In der folgenden Darstellung werden Änderungen der Hauptaktivität (Erwerbstätigkeit – Vollzeit, Teilzeit; Arbeitslosigkeit; Nicht-Erwerbsaktivität) quantifiziert. Dabei wird ersichtlich, wie viel Prozent der Personen von einem aufs nächste Jahr ihren Erwerbsstatus nicht ändern und wie viele ihn ändern. Von jenen die ihn ändern wird auch ersichtlich in welchen Erwerbsstatus sie übertreten. Übersicht 20 zeigt die individuellen Veränderungen im Erwerbsstatus zwischen jeweils zwei Jahren für den Zeitraum 2008 bis 2011 in Prozent der Hauptaktivität des Ausgangsjahres. Übersicht 20: Änderungen im Erwerbsstatus im Vergleich zum Vorjahr Ausgangsjahr J-1 Folgejahr J 2008 2009 2010 2011 Übergänge in % Von: Erwerbstätigkeit In: Erwerbstätigkeit 92 90 91 92 Vollzeit Teilzeit 5 4 6 4 Teilzeit Vollzeit 17 14 14 18 Nicht-Erwerbsaktivität 6 6 6 5 Arbeitslosigkeit 3 4 3 3 Von: Nicht-Erwerbsaktivität In: Nicht-Erwerbsaktivität 85 83 86 85 Erwerbstätigkeit 13 13 12 12 Arbeitslosigkeit 2 4 3 4 Von: Arbeitslosigkeit In: Arbeitslosigkeit 40 52 43 49 Erwerbstätigkeit 36 29 39 35 Vollzeit 26 17 28 27 Teilzeit 11 12 10 9 Nicht-Erwerbsaktivität 24 19 19 16 Q: Eurostat, EU-SILC 2007-2011. Personen zwischen 16 und 64 Jahren, die in jeweils zwei aufeinanderfolgenden Jahren befragt wurden. Änderung der aktuellen Hauptaktivität der 16- bis 64-Jährigen von Jahr J-1 auf Jahr J als Prozent der Hauptaktivität in J-1, für alle Personen im jeweiligen zwei Jahreslängsschnitt. Hauptaktivität = Aktivität, die im Vorjahr mehr als die Hälfte der Monate ausgeübt wurde. Lesebeispiel: Von den im Vorjahr (2007) Erwerbstätigen waren 92% auch 2008 erwerbstätig. Von den 2007 Vollzeit Erwerbstätigen wech- selten 5% in eine Teilzeiterwerbstätigkeit.
  • 59.
    ARMUTSGEFÄHRDUNG UND „WORKINGPOOR“ IN ÖSTERREICH 57 Nahezu unverändert beträgt der Anteil der im Vorjahr erwerbstätigen Bevölkerung41 , die auch im nächsten Jahr erwerbstätig ist, über 90%. Lediglich von 2008 auf 2009 ist die Erwerbsstabilität etwas geringer. Von den Teilzeiterwerbstätigen wechselten 2008 und 2011 17% bzw. 18% in Vollzeitbeschäftigung, in den Jahren 2009 und 2010 konnten demgegenüber nur weniger Menschen ihre Arbeitszeit von Teilzeit auf Vollzeit erhöhen (14%). Die Übertrittsrate von Erwerbstätigkeit in Arbeitslosigkeit war von 2008 auf 2009 leicht erhöht und lag bei 4%. Eine angespannte Arbeitsmarktsituation im Jahr 2009 zeigt sich auch in der im Zeitvergleich geringsten Übertrittsrate von Arbeitslosen in Beschäftigung: Konnten 2009 nur 29% eine Beschäftigung aufnehmen, lag der Anteil derjenigen, die von Arbeitslosigkeit in Beschäftigung wechselten, in den anderen Jahren bei über einem Drittel. Die Chance aus Arbeitslosigkeit in Vollzeit- beschäftigung zu wechseln lag sogar nur bei 17%. Die Zahlen spiegeln die größere Instabilität der ös- terreichischen Wirtschaft und des Arbeitsmarktes im Zuge der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise vor allem 2009 wider. Die Chancen auf einen ausreichen- den Lebensstandard hängen, wie gezeigt, eng mit den Erwerbsmöglichkeiten zusammen. Daher sind erzwungene Übergänge in Teilzeit- oder Kurzarbeit und in Arbeitslosigkeit oft mit sozialem Stress und ökonomischen Konsequenzen verbunden. Auch hier gilt, dass prinzipiell ein Ausgleich auf Haushalts- ebene hergestellt werden kann. Wie aber bereits die Ergebnisse aus EU-SILC 2010 nahelegen, ist generell die Überlappung der Problembereiche Erwerbslosigkeit oder geringe Erwerbsteilnahme, Armutsgefährdung und Deprivation in den letzten Jahren gestiegen (vgl. BMASK/ Statistik Austria 2011, S. 101ff). Übertritte in undausgering entlohnten Beschäftigungen können prinzipiell nach dem gleichen Muster wie in obiger Darstellung analysiert werden. Diejenigen, die sich in einem Jahr in gering entlohnten Beschäftigun- gen befinden, können diesen Zustand beibehalten, in höher entlohnte Positionen aufsteigen oder aus der Erwerbstätigkeit ausscheiden. Umgekehrt können Personen aus all diesen Erwerbsstati in ein gering entlohntes Beschäftigungsverhältnis wechseln. Über- sicht 21 zeigt beispielhaft, wie sich der Erwerbsstatus in Kombination mit der Einkommenshöhe von 2010 auf 2011 geändert hat. Als „niedriges Einkommen“ wird hier – um Aussagen trotz der geringen Stich- probengröße treffen zu können – eine relativ breite Gruppe festgelegt: all jene mit Einkommen unter 2/3 des Medianstundenlohns.42 Von den Erwerbstätigen mit niedrigem Einkommen 2010 sind 94% im Folgejahr noch erwerbstätig. Die Hälfte verbleibt bei den niedrigen Einkommen, die andere Hälfte scheint nicht mehr in dieser Gruppe auf, hat also bei den Stundenlöhnen aufgeholt. Von denjenigen mit höheren Einkommen verbleiben 92% in Erwerbstätigkeit, die allermeisten auch in dieser Einkommenskategorie. Individuelle Abstiegevon einer finanziell abgesicherten Ausgangsposition sind also selten. Vom Ausgangspunkt niedriger Einkommen gelingt zwischen 2010 und 2011 rund der Hälfte ein Aufstieg über die hier als Schwellenwert definierte Stundenlohngrenze von 2/3 des Medianlohns. Dies lässtaufgrundrelativkonstanter Querschnittzahlen um die 400.000 bis 460.000 Menschen mit derart niedri- gen Einkommen in den vergangenen vier Jahren den Schlusszu, dass pro Jahr rund die Hälfte der Personen aus Nicht-Erwerbstätigkeit (Arbeitslosigkeit, Nicht- Erwerbsaktivität) in niedrige Einkommen wechseln. Für Detailanalysen der individuellen Übergänge aus 41 Anders als in den übrigen Analysen wird hier der Berechnung Eurostats folgend 16 Jahre als Altersuntergrenze herangezogen. 42 Bei den 18- bis 64-Jährigen sind das 2011 429.000 Personen, die Fallzahl verringert sich durch die Einschränkung auf Personen, die in den beiden Jahren 2010 und 2011 im Datensatz vorkommen, noch etwas.
  • 60.
    ARMUTSGEFÄHRDUNG UND „WORKINGPOOR“ IN ÖSTERREICH 58 der Gruppe der Arbeitslosen undNicht-Erwerbsaktiven eignet sich die Stichprobenerhebung EU-SILC jedoch fallzahlbedingtnicht.DieFrage,obnungeringentlohnte Beschäftigung eher einSprungbrettin besser bezahlte Jobs darstellt oder ein Pendeln zwischen Arbeitslosig- keit und gering entlohnten Jobs stattfindet und sich damit eine schlechte Position auf dem Arbeitsmarkt verfestigt, kann hier nicht zuverlässig beantwortet werden. Es können aber aus einer längerfristig und von der Datenbasis größer angelegten Studie mit dem Fokus auf derartige individuelle Übertritte für Österreich folgende Schlüsse gezogen werden (vgl. eine Studie des WIFO von Lutz/ Mahringer 201043 ): » Persistenz im jeweiligen Erwerbszustand zeigt sich vor allem für Männer und in höher ent- lohnter Beschäftigung eher als bei Niedriglohn- verdienenden. » Die geringere Verbleibrate der Niedriglohnver- dienenden in ihrem Anfangsstatus ist jedoch nicht auf (vergleichsweise selten vorkommen- de) Übertritte in höher entlohnte Beschäftigun- gen als vielmehr auf eine höhere Wahrschein- lichkeit, im Folgejahr arbeitslos zu werden, zurückzuführen (no-pay-low-pay Kreislauf). » Für Frauen ist die Persistenz in Niedriglohnbe- schäftigung höher als für Männer. » Aus der Arbeitslosigkeit heraus finden Frauen wesentlich häufiger nur Niedriglohnarbeitsplät- ze als Männer. Männer haben aber insgesamt größere Probleme, die Arbeitslosigkeit wieder zu verlassen. 43 Darin wurden anonymisierte Individualdaten des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger für den Zeitraum 1998 bis 2006 in Kombination mit Daten des AMS, des Mikrozensus und der Volkszählung verwendet. Die Aussagen betreffen im Wesentlichen Vollzeitbeschäftigte im Alter von 25 bis 54 Jahren (ohne öffentlichen Sektor). Niedriglohn ist wie in der in EU-SILC verwendeten Definition von „niedrigen Einkommen“ als 2/3 des Medianlohns festgelegt. Übersicht 21: Änderungen im Erwerbsstatus von 2010 auf 2011 für niedrige und höhere Einkommen Ausgangsjahr 2010 Folgejahr 2011 2011 Übergänge in % Von: Erwerbstätigkeit und niedriges Einkommen (unter 2/3 des Medianstundenlohns) In: Erwerbstätigkeit 94 auch niedriges Einkommen 47 höheres Einkommen 47 Nicht-Erwerbsaktivität (4) Arbeitslosigkeit (1) Von: Erwerbstätigkeit und höheres Einkommen In: Erwerbstätigkeit 92 niedriges Einkommen 4 auch höheres Einkommen 88 Nicht-Erwerbsaktivität 5 Arbeitslosigkeit 2 Q: STATISTIK AUSTRIA, EU-SILC 2007-2011. Personen zwischen 18 und 64 Jahren, die in jeweils 2 aufeinanderfolgenden Jahren befragt wurden. Änderung der aktuellen Hauptaktivität der 18- bis 64-Jährigen von 2010 auf 2011 als Prozent der Hauptaktivität 2010, für Personen im jeweiligen zwei Jahreslängsschnitt. Hauptaktivität = Aktivität, die im Vorjahr mehr als die Hälfte der Monate ausgeübt wurde. - Niedriges Einkommen: Der Stundenlohn für Unselbständige ohne Lehrlinge beträgt weniger als 2/3 des Medianstundenlohns (das sind in EU-SILC 2011 12,54 Euro). - Höhere Einkommen: Einkommen über den als niedrig definierten Einkommen. Zahlen in Klammern beruhen auf geringen Fallzahlen. Sind in der Randverteilung weniger als 50 oder in der Zelle weniger als 20 Fälle vor- handen, wird geklammert. Lesebeispiel: Von den 2010 Erwerbstätigen mit niedrigem Einkommen waren 94% auch 2011 erwerbstätig - 47% hatten auch im Folgejahr ein niedriges Einkommen, 47% ein höheres; 4% bzw. 1% wechselten in Nicht-Erwerbsaktivität bzw. Arbeitslosigkeit.
  • 61.
    ARMUTSGEFÄHRDUNG UND „WORKINGPOOR“ IN ÖSTERREICH 59 » Die Persistenz von Arbeitslosigkeit wie auch von Niedriglohnbeschäftigung nimmt mit dem Alter zu. » Ausländische Staatsangehörige haben über- proportional hohe Anteile an Niedriglohn- arbeitsplätzen, Übergänge sowohl in höher entlohnte Beschäftigung wie auch in Arbeitslo- sigkeit sind seltener als für ÖsterreicherInnen. » Je höher die Bildung, desto geringer sind die Anteile von Personen in Niedriglohnbeschäf- tigung. Für Niedriglohnbeschäftigte, sinkt das Risiko in Folge arbeitslos zu werden mit stei- gendem Bildungsniveau. Der Beitrag folgert, dass Niedriglohnbeschäftigung am ehesten für Jüngere und höher Qualifizierte als Sprungbrett in dauerhafte, besser bezahlte Tätigkeiten dient. Merkmale nachteiliger Erwerbschancen wie geringe Qualifikation, Betreuungspflichten, nicht österreichische Staatsbürgerschaft usw. sind auch für einen längerenVerbleib in Niedriglohnbeschäftigungen oder ein Pendeln zwischen Niedriglohnbeschäftigung und Arbeitslosigkeit ausschlaggebend. Als zusammenfassendes Ergebnis aus den SILC Da- ten lässt sich zu den Übergängen 2010 auf 2011 von Erwerbstätigen nach Einkommenshöhe feststellen: Von den Erwerbstätigen mit niedrigem Einkommen– ihr Einkommen beträgt weniger als 2/3 des Median- stundenlohns – verbleibt rund die Hälfte in diesem Status.44 Die andere Hälfte hat im Folgejahr höhere Einkommen, es gelingt ihr ein Aufstieg über die hier als Schwellenwert definierte Stundenlohngrenze von 2/3 des Medianlohns. Da jedoch die Zahl von Menschen mit niedrigen Einkommen jährlich in etwa gleich bleibt, muss es also eine Gruppe geben, die diese individuellen Aufstiege ausgleicht und in den Status der Erwerbstätigkeit mit niedrigen Einkommen übertritt. Diese Übertritte aus der Vorjahresposition der Nicht-Erwerbstätigkeit (Arbeitslosigkeit, Nicht- Erwerbsaktivität) machen rund die Hälfte der aktuell Erwerbstätigen mit niedrigem Einkommen aus. Ein no-pay-low-pay Kreislauf ist hingegen im Gegensetz zur oben zitierten Studie, die über einen längeren Zeitraum erfolgt ist, anhand einer Betrachtung über zwei Folgejahre für SILC nicht nachweisbar. 3.2.5 Schlussfolgerungen In einer abschließenden Betrachtung lassen sich fol- gende Gründe als am wichtigsten für die Entstehung von „Working Poor“ ausmachen: » Niedrige Erwerbseinkommen: Diese betreffen 22% der „Working Poor“, wenn der Indikator Stundenlöhne unter 2/3 des Medianstunden- lohns herangezogen wird. » Niedrige persönliche Erwerbsintensität: wie im Fall von Teilzeit oder nicht ganzjähriger Be- schäftigung; 49% aller „Working Poor“ fallen darunter. » Niedrige Erwerbsintensität in Mehrpersonen- haushalten: etwa wenn sich im gleichen Haus- halt arbeitslose oder aus anderen Gründen nicht erwerbstätige Personen im Erwerbsalter befinden und das Erwerbspotenzial nicht voll ausgeschöpft wird – dies ist für 59% der „Wor- king Poor“ ein zutreffender Grund.45 Insgesamt treffen auf 82% der „Working Poor“ einer oder mehrere dieser drei Gründe zu.46 Weiters hat die Haushaltszusammensetzung einen bedeutenden Einfluss auf den Status „Working 44 Es handelt es sich jedoch nicht um die über Haushaltseinkommen definierten „Working Poor“, eine noch kleinere Gruppe, die auf Grund der geringen Fallzahlen nur unzureichend im Längsschnitt darstellbar ist; eine ähnliche Beweglichkeit ist jedoch auch für sie anzunehmen. 45 Mehrpersonenhaushalte, die weniger als 85% des Erwerbspotenzials ausschöpfen. 46 Auf 6% treffen alle drei Gründe, auf 36% zwei Gründe und auf 40% trifft ein Grund zu.
  • 62.
    ARMUTSGEFÄHRDUNG UND „WORKINGPOOR“ IN ÖSTERREICH 60 Poor“: Für 11% dieser Gruppe ist die Anzahl der Nicht-Erwerbspersonen (Kinder und andere Ange- hörige) ausschlaggebend für die Armutsgefährdung trotz Erwerbstätigkeit. „Working Poor“ ist ein Phänomen, das nicht mono- kausal erklärt werden kann. Es wird vielmehr durch ein Zusammenspiel von Arbeitsmarkt- und sozial- politischen Faktoren, Haushaltszusammensetzung und individuellen Erwerbschancen bestimmt. Nicht nur die Analyse des Problems, auch Maßnahmen zu dessen Reduktion müssen daher auf all diesen Ebenen ansetzen: Qualifizierte Erwerbstätigkeit geht mit geringerem Risiko für Niedriglöhne und in der Folge „Working Poor“ auf Haushaltsebene einher und kann über entsprechende Bildungsmaßnah- men erhöht werden. Bildung wird bereits als eines der fünf Kernziele der Strategie „Europa 2020“ angeführt, konkrete Ziele wie das Senken der Zahl früher SchulabgängerInnen haben unmittelbare Auswirkungen im Kernziel „Teilhabemöglichkeiten“. Mit Maßnahmen auf dem Arbeitsmarkt kann Nied- riglöhnen und prekarisierten Arbeitsbedingungen begegnet werden. Der Lebensstandard von Famili- en, bei denen insbesondere Alleinerziehende und kinderreiche Familien „working poor“-gefährdet sind, kann über eine höhere Erwerbseinbindung von Frauen gesichert werden. Dies wiederum wird durch eine Verbesserung des Betreuungsangebots für Kinder erleichtert. Weitere Längsschnittanalysen von „Working Poor“-Be- troffenen wären wünschenswert, über eine Kenntnis längerfristiger Verläufe während des Erwerbslebens könnte die dahinterliegende Dynamik besser ver- ständlich gemacht werden.
  • 63.
    ERHEBLICHE MATERIELLE DEPRIVATION 61 4.ERHEBLICHE MATERIELLE DEPRIVATION (EU-DEFINITION47 ) Neben der Definition von Armutsgefährdung über niedriges Einkommen relativ zu einem mittleren Lebensstandard kann Armut auch direkt über absolute Indikatoren einer benachteiligten Lebenslage erfasst werden. Hierfür hat sich der Begriff der Deprivation etabliert.48 Der einkommenszentrierte Ansatz unter- stellt gleiche Wirkung des gleichen Einkommens – was faktisch nicht gegeben ist. Denn Menschen haben je nach Lebenslage verschiedene Bedürfnisse und auch unterschiedliche Möglichkeiten zu wirtschaften. Bei Deprivation steht im Gegensatz zum einkommensba- sierten Ansatz vielmehr die tatsächliche Wirkung der Ressourcen im Vordergrund. Die jeweiligen Ansätze betonen also andere Aspekte. Die Armutsgefährdungsschwelle wird in jedem Land relativ zum mittleren Lebensstandard berechnet und fällt in den verschiedenen EU-Staaten, beson- ders nach den Erweiterungen 2004 und 2007, sehr unterschiedlich aus. Ein direkter Vergleich des Le- bensstandards ist auch nach Kaufkraftbereinigung nicht zulässig. Generell bleiben die spezifischen Lebenshaltungskosten der Haushalte bei dieser Definition unberücksichtigt. Armutsgefährdung kann, muss aber nicht zwangsläufig mit Deprivation einhergehen und umgekehrt. Armutslagen können zum Beispiel auch bei Haushaltseinkommen über dem Median auftreten, wenn die monatlichen Aus- gaben eines Haushalts (etwa für Wohnen, Heizung, Medikamente oder Kreditrückzahlungen) zu hoch sind. So macht es einen großen Unterschied, ob man abbezahltes Wohnungseigentum besitzt oder Miete für eine Wohnung bezahlen muss. Beim in- ternationalen Vergleich spielt auch die Versorgung mit öffentlichen Gütern und Dienstleistungen eine große Rolle. Wer für Gesundheitsdienste, Bildung oder Kinderbetreuung extra bezahlen muss, hat höhere Ausgaben als jemand, dem diese Leistungen kostenfrei zugänglich sind. Eine Armutsdefinition basierend auf einer relativen Einkommensschwelle kann die relativen Teilhabechancen innerhalb einer Gesellschaft erfassen. Ein Vergleich zwischen unter- schiedlichen Ländern ausschließlich auf der Basis des monetären Einkommens kann aber irreführend sein, da die Wohlstandsniveaus der einzelnen Länder sehr unterschiedlich sind. Indikatoren zur Leistbarkeit von Grundbedürfnissen und zu den Einschränkungen in der täglichen Le- bensführung aufgrund mangelnder Ressourcen sind daher ebenso wichtig wie die Einkommensseite. Die europäischenStaats- und RegierungschefInnen haben im Sommer 2010 beschlossen, die Strategie für Eu- ropa bis ins Jahr 2020 auch auf die Verringerung der sogenannten materiellen Deprivation auszurichten (vgl. Europäische Kommission 2010). ERHEBLICHE MATERIELLE DEPRIVATION: Der Indikator bedeutet nach EU-Definition, dass ein Haushalt sich mindestens vier von neun festgelegten Grund- bedürfnissen aus finanziellen Gründen nicht leisten kann. Für die in EU-SILC befragten Haushalte wird dies anhand von Fragen nach der Einschätzung zur Leistbarkeit von Grundbedürfnissen ermittelt. Eine Person gilt damit als erheblich materiell depriviert, wenn sie in einem Haushalt lebt, in dem zumindest vier dieser Merkmale zutreffen: » Zahlungsrückstände (bei Miete, Betriebskosten oder Krediten), 47 Dieses Kapitel behandelt detailliert erhebliche materielle Deprivation nach der EU-Definition. Die bisher in Österreich übliche Definition für „finanzielle Deprivation“ wird weiterhin als nationaler Eingliederungsindikator verwendet (Kapitel 5). 48 Vgl. z.B. Lamei, N./Till-Tentschert, U. 2005.
  • 64.
    ERHEBLICHE MATERIELLE DEPRIVATION 62 Erheblichematerielle Deprivationsquote in Österreich und der EU Im Vergleich mit den 27 EU-Staaten hat Österreich 2011 die sechstniedrigste erhebliche materielle Depri- vationsquote: 4% der Bevölkerung sind in Österreich nach EU-Definition erheblich materiell depriviert (mit 95% Vertrauenswahrscheinlichkeit zwischen 3,2% und 4,6%). In Luxemburg ist der Anteil der erheblich materiell Deprivierten mit rund 1% am niedrigsten, am höchsten ist er in Bulgarien, wo mehr als 40% der Bevölkerung betroffen sind. EU-weit liegt die Deprivationsquote bei rund 8% – damit leben in der EU 42 Mio. Menschen, die sich eine Vielzahl an Grundbedürfnissen aus finanziellen Gründen nicht leisten können (Grafik 10). Im Zeitverlauf sind das zehn Mio. weniger Personen als im Jahr 2005, jedoch stagniert die EU-weite erhebliche Deprivationsquote seit dem Jahr 2008. Wie Übersicht 22 zeigt, sind in Österreich 325.000 Personen49 mit erheblicher materieller Deprivation konfrontiert. Darunter ist praktisch niemand, der un- erwartete Ausgaben in Höhe von 950 Euro – etwa für eine Reparatur oder eine Zahnbehandlung – bezahlen oder auf Urlaub fahren könnte. Von den erheblich » unerwartete Ausgaben in Höhe von 950 Euro nicht leistbar, » einmal im Jahr Urlaub (eine Woche für alle) nicht leistbar, » Wohnung angemessen warm halten nicht leistbar, » regelmäßig Fleisch, Fisch oder vergleichbare vegetarische Speise essen nicht leistbar, » PKW nicht leistbar, » Farbfernsehgerät nicht leistbar, » Waschmaschine nicht leistbar, » weder Telefon noch Handy leistbar. Die Auswahl der Merkmale gilt alsvorläufig und basiert auf den zurzeitverfügbaren Informationen für alle europäischen Länder in EU-SILC. 2009 wurde ein vertiefendes Modul über materielle Deprivation in EU-SILC durchgeführt, mit dem Ziel, weitere Merkmale für materielle Deprivation empirisch zu testen. Angestrebt wird eine Liste aus Merkmalen mit größtmöglicher Vergleichbarkeit zwischen den EU-Mitgliedstaaten und zusätzlich kinderspezifische Merkmale für materielle Deprivation. Für 2015 ist geplant, die Kernelemente der Indikatoren zu materieller Deprivation von EU-SILC im Kontext der mittelfristigen Revision der Europa 2020-Strategie zu überarbeiten (vgl. Gordon et al 2012). Der Indikator nach EU-Definition unterscheidet sich von dem bisher in Österreich etablierten Indikator zur Defini- tion von finanzieller Deprivation. Statistik Austria berücksichtigt gegenüber der EU-Definition eine für Österreich relevante Liste von sieben Merkmalen und nimmt Deprivation bereits bei zwei oder mehr Einschränkungen an. Die Nichtleistbarkeit von Fernseher, Waschmaschine und Telefon wird wegen der hohen Verfügbarkeit in Österreich nicht als Deprivationsmerkmal verwendet. Ebenso wurde Urlaub in der nationalen Definition nicht berücksichtigt, da sich gezeigt hat, dass hier die Notwendigkeit im ländlichen Raum deutlich geringer eingeschätzt wird (vgl. Till- Tentschert/ Weiss 2008). Umgekehrt wird im urbanen Raum nur eine geringe Notwendigkeit für den Besitz eines PKWs angegeben. Dafür wurde in die nationale Definition auch die Leistbarkeit von Arztbesuchen und Einladungen von Freunden aufgenommen. 49 Mit 95% Vertrauenswahrscheinlichkeit zwischen 268.000 und 382.000 Personen.
  • 65.
    ERHEBLICHE MATERIELLE DEPRIVATION 63 materielldeprivierten Personen sind 195.000 (60%) in den letzten Monaten zumindest einmal in Zahlungs- verzug bei Miete, Strom, Gas, Krediten etc. geraten. Mehr als ein Drittel können es sich nicht leisten, regelmäßig Fleisch, Fisch oder eine vergleichbare vegetarische Speise zu essen. Grafik 10: Erheblich materiell deprivierte Personen in den EU-27-Staaten – Quote 0 5 10 15 20 25 30 35 40 45 Luxem burg Schweden Niederlande Dänem arkFinnlandSpanien Österreich Großbritannien Frankreich DeutschlandBelgien Tschechien Slowenien M altaIrland*PortugalEstlandSlowakeiZypernItalien Polen GriechenlandLitauenUngarn Rum änienLettlandBulgarien ErheblichematerielleDeprivationin%der Gesamtbevölkerung EU-27** Q: Eurostat 2012, EU-SILC 2010 und 2011. Datenbank zum Stand 11.01.2013, eigene Darstellung. * Aktuellste Zahlen stammen aus 2010. ** Eurostat Schätzung. Übersicht 22: Bestimmungsmerkmale für erhebliche materielle Deprivation Personen in … erheblich materiell deprivierten Haushalten anderen Haushalten in 1.000 Anteil in % in 1.000 Anteil in % Insgesamt 325 100 7.991 100 Unerwartete Ausgaben nicht bezahlen können 321 99 1.573 20 Nicht auf Urlaub fahren können 322 99 1.478 18 Nicht regelmäßig Fleisch essen können * 226 70 376 5 Zahlungsrückstände ** 195 60 416 5 Kein Auto leisten können 211 65 253 3 Wohnung nicht warm halten können 133 41 86 1 Kein Farbfernsehgerät leisten können 21 6 21 0 Keine Waschmaschine leisten können (17) (5) (14) (0) Kein Telefon oder Handy leisten können (4) (1) (6) (0) Q: STATISTIK AUSTRIA, EU-SILC 2011. Personen in Privathaushalten. * Fleisch, Fisch oder vergleichbare vegetarische Speisen. ** Zahlungsrückstände bei Miete, Gas, Strom oder Kreditkarten. Zahlen in Klammern beruhen auf geringen Fallzahlen: Sind in der Randverteilung weniger als 50 oder in der Zelle weniger als 20 Fälle vor- handen, wird geklammert. Zahlen, die auf Randverteilungen <20 beruhen, werden nicht ausgewiesen.
  • 66.
    ERHEBLICHE MATERIELLE DEPRIVATION 64 NachSchwere der Deprivation (vgl. Grafik 11) zeigt sich, dass die große Mehrheit der erheblich materiell Deprivierten von maximal fünf Deprivationslagen be- troffen ist: 65% sind gleichzeitig in vier, 26% in fünf Bedürfnislagen depriviert. Deprivation in einzelnen Dimensionen trifft auch viele Menschen, die nichtzum Kreis der erheblich materiell Deprivierten zählen. Rund ein Drittel von ihnen ist in einem bis drei Merkmalen mit finanziellen Einschränkungen konfrontiert. Von jenen, die weniger als vier Deprivationsmerkmale aufweisen und daher nach dieser Definition noch nicht als erheblich materiell depriviert gelten, haben beispielsweise rund 1,5 Millionen Menschen Proble- me, unerwartete Ausgaben in der Höhe von 950 Euro bezahlen zu können, aber darunter sind auch knapp 580.000 Personen, die angeben, sich zumindest eine Woche Urlaub pro Jahr leisten zu können.50 Die Mehrfachbelastung macht daher den entscheidenden Unterschied. So sind Personen in erheblich materiell deprivierten Haushalten durchschnittlich in 4,5, andere Haushalte dagegen in durchschnittlich 0,5 Problem- lagen belastet. Während 70% der erheblich materiell Deprivierten bei ihrer Ernährung sparen müssen und 60% mindestens einmal im Jahr ihre Rechnungen nicht termingerecht begleichen können, ist die Be- völkerung in anderen Haushalten wesentlich geringer – zu je 5% – mit diesen Problemlagen konfrontiert. Auch geraten 41% der deprivierten Haushalte in die Lage, aus Kostengründen ihre Wohnung nicht mehr angemessen warm halten zu können, wohingegen nur 1% der anderen Haushalte mit dieser Situation konfrontiert sind. Die Merkmale zur Leistbarkeit eines Farbfernsehge- rätes, einer Waschmaschine oder einesTelefons sind zwar in den ärmeren EU-Staaten durchaus relevant, in Österreich haben die erheblich materiell deprivierten Personen jedoch vergleichsweise selten ein Problem, sich diese Dinge leisten zu können. Die Leistbarkeit eines PKW ist vor allem unter Berück- sichtigung des Wohnortes für Deprivation relevant oder eben nicht. Wer in einer entlegenen Gegend wohnt, ist dabei stärker auf ein Auto angewiesen als in der Stadt. So haben in kleinen Gemeinden unter 10.000 EinwohnerInnen 93% ein Auto, in Wien sind es 66%. Unter den Deprivierten haben in Wien 16% ein Auto, während rund die Hälfte der Deprivierten in kleinen Gemeinden ein Auto hat. In anderen Haushalten haben rund 72% in Wien und 94% in den kleinen Gemeinden ein Auto. Dieses Merkmal ist für Deprivation nicht nur wegen der unterschiedlichen Bedeutung je nach Wohngegend umstritten, sondern auch wegen der gleichzeitig mit den sozialen Zielen formulierten europäischen Klimaschutzziele. Zusätzlich zu jenen, die sich ein Auto nicht leisten können, verzichten viele auch aus anderen Gründen darauf. Grafik 11: Prozentsatz der erheblich mate- riell deprivierten Personen und Personen in anderen Haushalten nach Anzahl der Depri- vationsmerkmale 0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100 in % erheblich materiell depriviert in anderen Haushalten In keinem Deprivationsmerkmal betroffen in 1 in 2 in 3 in 5 in 6 in 7in 4 Deprivationsmerkmalen betroffen Q: STATISTIK AUSTRIA, EU-SILC 2011. 50 Würde man bei der Definition von Deprivation die Schwelle bei drei oder mehr aus neun Einschränkungen legen, wären in Österreich 793.000 Personen depriviert, wenn zwei oder mehr aus den neun Einschränkungen berücksichtigt würden, sogar 1.570.000.
  • 67.
    ERHEBLICHE MATERIELLE DEPRIVATION 65 Entwicklungder erheblichen materiellen Deprivation 2004 und 2008-2011 Im Jahr 2004 waren mit erheblicher materieller Deprivation noch 308.000 Personen konfrontiert, das entspricht 3,8% der Bevölkerung (mit einer statistischen Schwankungsbreite von +/- 54.000 Personen bzw. 0,7 Prozentpunkten). Bis zum Jahr 2008, also noch vor der Wirtschaftskrise, ist die Zahl der erheblich materiell Deprivierten auf das Doppelte angestiegen, ihr Anteil erreichte 6,4% an der Bevölkerung. Seither ist die erhebliche Depri- vationsquote wieder rückläufig und befindet sich inzwischen wieder nahezu auf dem Niveau von 2004. Diese Abweichung liegt jedoch innerhalb der statistischen Schwankungsbreite. Signifikant hingegen waren der Anstieg 2007-2008 und der Rückgang 2008-2009.51 Zahlungsrückstände waren das wichtigste Element für den Anstieg der erheblichen Deprivationsquote im Jahr 2008. Es ist davon auszugehen, dass dafür auch eine Änderung der Erfassung mitverantwortlich ist. Der Indikator für Zahlungsrückstände beruhte bis 2007 auf fünf Fragen zu Rückständen in den letzten zwölf Monaten bei Miete, Wohnungs- bzw. Hauskre- diten, Wohnnebenkosten und sonstigen Zahlungen. Ab 2008 wurde die Antwortmöglichkeit von „ja/nein“ erweitert, indem bei allen Fragen zwischen einmaligen und mehrmaligen Rückständen in den letzten zwölf Monaten unterschieden wurde. Es ist denkbar, dass dadurch Zahlungsrückstände besser erfasst wurden, da es weniger schwer fällt, bei dieser Methode Rück- stände zuzugeben als nach den dichotomisierten Fragen.52 Die Zahl der Personen mit Zahlungsrück- ständen hat sich im Jahr 2008 verdoppelt. In dieser Größenordnung sind Einflüsse der Frageformulierung für Zahlungsrückstände auf die erhebliche materi- elle Deprivation jedenfalls auszuschließen. Auch alle anderen Merkmale zeigen im Jahr 2008 einen sprunghaften Anstieg der Deprivation.53 Zahlungsrückstände sind das einzige Deprivations- merkmal mit einem expliziten Referenzzeitraum in der Vergangenheit. Bei der Leistbarkeit von Nah- rungsmitteln oder eines PKWs ist der Bezugspunkt der Zeitpunkt der Befragung, bei Urlauben oder dem Warmhalten der Wohnung müssen sich die Befragten hingegen auf einen längeren Zeitraum beziehen. Für den Deprivationsindikator werden also Informationen aus unterschiedlichen Zeiträumen kombiniert, auch dieser Aspekt ist bei der Interpretation von Verände- rungen zu beachten. Nach 2008 ist die Quote bei allen Deprivationsmerk- malen – ausgenommen bei Zahlungsrückständen – wieder deutlich zurückgegangen.54 Dieser Trend setzt sich auch 2011 weiter fort. Dabei ist von 2010 51 95% Konfidenzintervall, geschätzt mit der SAS-Prozedur Survey Frequencies unter Berücksichtigung des Stichprobendesigns (Schichtung nach Bundesländern sowie Klumpung für Haushalte) und der Gewichtung. Um die Signifikanz des Unterschieds zwischen zwei Ergeb- nissen näherungsweise zu beurteilen, kann überprüft werden, ob sich die Konfidenzintervalle überlappen oder nicht. Bei Vergleichen unterschiedlicher Erhebungsjahre, wo der zeitliche Abstand vier oder weniger Jahre beträgt, müsste aufgrund des Rotationsdesigns der Verbundenheit der Stichproben Rechnung getragen werden. Das bedeutet, dass aufgrund kleinerer Standardfehler Veränderungen eher als signifikant beurteilt werden könnten, als es bei unabhängigen Stichproben der Fall ist. 52 Vgl. Statistik Austria 2009, S. 17f. 53 Warum Deprivation ausgerechnet vor dem Krisenjahr 2009 so deutlich angestiegen und im Krisenjahr wieder zurückgegangen ist, kann allenfalls durch eine eingehendere Untersuchung der EU-SILC Längsschnittdaten beantwortet werden. Die Querschnittdaten spiegeln jedenfalls auch einige relevante Entwicklungen der gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen wider. Anzunehmen ist, dass mehrere Faktoren wie die Entwicklung des Einkommens, der Schuldenbelastung und der Inflation relevant waren. Näheres hierzu siehe BMASK/ Statistik Austria (2011, S. 86,113ff). 54 Im Jahr 2008 wurde die gesamte Feldarbeit erstmals durch Statistik Austria übernommen. Die Vollständigkeit der Angaben und die Teilnahmebereitschaft der Befragten konnten deutlich gesteigert werden. Aus Kostengründen wurden verstärkt telefonische Interviews (CATI) durchgeführt. Der Anstieg der Deprivationsquote für die im Panel telefonisch befragten Haushalte fällt geringer aus als bei Erstbe- fragungshaushalten. Der Anstieg der Deprivation im Jahr 2008 kann durch diese methodischen Effekte eventuell verstärkt worden sein, der Rückgang im Jahr 2009 ist dadurch aber nicht erklärbar.
  • 68.
    ERHEBLICHE MATERIELLE DEPRIVATION 66 auf2011 ein signifikanter Rückgang in den folgenden beiden Deprivationsmerkmalen zu verzeichnen: 2011 können es sich wieder etwas mehr Menschen in der Gesamtbevölkerung leisten, unerwartete Ausgaben zu tätigen oder regelmäßig Fleisch, Fisch oder eine vergleichbare vegetarische Speise zu essen. Auch hinsichtlich der Leistbarkeit, in den Urlaub zu fahren, gibt es Hinweise auf Besserung. Zwar befindet sich die Änderung am Anteil jener Menschen, die sich keinen Urlaub leisten können, innerhalb der statistischen Schwankungsbreite; dieses Deprivationsmerkmal erreicht 2011 aber seinen historischen Tiefststand, wenngleich auf immer noch relativ hohem Niveau. Für den Zeitraum 2008 bis 2011 zeichnet sich aller- dings im Vergleich der Haushalte, die mit erheblicher materieller Deprivation konfrontiert sind, und jenen, die es nicht sind, bei zwei der Deprivationsmerkmale eine unterschiedliche Entwicklung ab: Während die Leistbarkeit eines PKWs wie auch jene, die Wohnung angemessen warm zu halten, für die erheblich mate- riell Deprivierten tendenziell schwieriger zu werden scheint (Anstieg von 56% auf 65% bzw. von 37% auf 41%), bleiben diese Bereiche für die anderen Haushalte relativ konstant. 4.1 Zusammensetzung der Zielgruppe In Österreich leben derzeit 131.000 Frauen und 96.000 Männer ab 20 Jahren sowie 98.000 Kinder und Jugendliche (unter 20 Jahren) in Haushalten mit erheblicher materieller Deprivation. Im Vergleich zur sozialen Zusammensetzung in anderen Haushalten wird deutlich: Jüngere Menschen sind stärker von erheblicher materieller Deprivation betroffen als Ältere und Frauen häufiger als Männer. So befinden sich unter den erheblich materiell Deprivierten 30% Kinder und Jugendliche (unter 20 Jahren), während in anderen Haushalten 21% Personen in diesem Alter leben. Umgekehrt lebt in erheblich materiell deprivierten Haushalten ein deutlich kleinerer Anteil (9%) an Personen im Alter von 65 oder mehr Jahren als in anderen Haushalten; dort sind es 17%. Unter Berücksichtigung des Geschlechts zeigt sich, dass Übersicht 23: Betroffenheit der Gesamtbevölkerung in den Bestimmungsmerkmalen erheblicher materieller Deprivation im Zeitverlauf 2004 2008 2009 2010 2011 in % in % +/- *** Erhebliche materielle Deprivation 3,8 6,4 4,8 4,3 3,9 0,7 Unerwartete Ausgaben 21,5 29,5 24,8 25,0 22,8 1,4 Nicht auf Urlaub fahren 26,5 28,3 24,6 22,4 21,6 1,4 Fleisch essen* 9,8 13,4 10,1 8,7 7,2 0,9 Zahlungsrückstände ** 3,5 7,3 7,4 7,0 7,4 1,0 Auto 5,6 7,1 5,3 5,9 5,6 0,7 Wohnung warm halten 2,3 4,0 2,9 3,8 2,6 0,6 Farbfernsehgerät 0,4 0,5 0,4 0,4 0,5 0,2 Waschmaschine 1,0 0,7 0,4 0,4 0,4 0,2 Telefon/Handy 0,7 0,5 0,2 0,1 0,1 0,1 Q: STATISTIK AUSTRIA, EU-SILC 2004, 2008-2011. * Fleisch, Fisch oder vergleichbare vegetarische Speisen. ** Zahlungsrückstände bei Miete, Gas, Strom oder Kreditkarten. *** Statistische Schwankungsbreite bei 95%-Vertrauenswahrscheinlichkeit.
  • 69.
    ERHEBLICHE MATERIELLE DEPRIVATION 67 vorallem die Frauen in der Altersgruppe der 20- bis 39-Jährigen überdurchschnittlich starkmit erheblicher materieller Deprivation konfrontiert sind. DesWeiteren ist auffällig, dass knapp ein Drittel der erheblich ma- teriell Deprivierten – 100.000 Menschen – Personen mit nicht österreichischer Staatsbürgerschaft sind. Unter den erheblich materiell Deprivierten lebt die große Mehrheit (57%) in Wien, nur 17% kommen aus Gemeinden mit weniger als 10.000 EinwohnerInnen. Im Vergleich zu anderen Haushalten zeigt sich somit der Zusammenhang von Urbanität und erheblicher materieller Deprivation. Mit Blick auf die Haushalts- konstellationen fällt der vergleichsweise geringe Anteil (10%) an Haushalten mit Pensionen auf. Von den 292.000 Personen in Haushalten ohne Pension, die von Deprivation betroffen sind, stammt die mit 165.000 Menschen zahlenmäßig größte Gruppe aus Haushalten mit Kindern. Jedoch fällt die Deprivati- onsquote je nach Kinderzahl unterschiedlich hoch aus: Während Alleinerziehende und Personen in Mehrpersonenhaushalten mit drei oder mehr Kin- dern vergleichsweise deutlich stärker betroffen sind, geraten Mitglieder von Mehrpersonenhaushalten mit einem Kind oder zwei Kindern seltener in eine erhebliche materielle Deprivationslage. Des Weite- ren zeigt sich: Unter der Gruppe der mit erheblicher materieller Deprivation Konfrontierten lebt die Hälfte in einem Haushalt, dessen Haupteinkommensquelle aus Sozialleistungen besteht. Übersicht 24: Erheblich materiell deprivierte Personen nach soziodemographischen Merkmalen erheblich materiell depriviert in anderen Haushalten in 1.000 Anteil in % in 1.000 Anteil in % Insgesamt 325 100 7.991 100 Alter Bis 19 Jahre 98 30 1.678 21 20 bis 39 Jahre 91 28 1.973 25 40 bis 64 Jahre 107 33 2.949 37 65 Jahre und älter 28 9 1.390 17 Männer (ab 20 Jahren) Zusammen 96 30 3.052 38 20 bis 39 Jahre 38 12 990 12 40 bis 64 Jahre 50 16 1.465 18 65 Jahre und älter (8) (2) 597 7 Frauen (ab 20 Jahren) Zusammen 131 40 3.261 41 20 bis 39 Jahre 53 16 983 12 40 bis 64 Jahre 57 18 1.485 19 65 Jahre und älter 20 6 793 10 Staatsbürgerschaft Österreich 225 69 7.170 90 darunter eingebürgert (Nicht EU/EFTA) 25 8 264 3 Nicht Österreich 100 31 821 10 davon EU/EFTA 18 5 342 4 davon sonstiges Ausland 83 26 479 6 Q: STATISTIK AUSTRIA, EU-SILC 2011. Sind in der Randverteilung weniger als 50 oder in der Zelle weniger als 20 Fälle vorhanden, wird geklammert. Zahlen, die auf Randverteilun- gen <20 beruhen, werden nicht ausgewiesen.
  • 70.
    ERHEBLICHE MATERIELLE DEPRIVATION 68 4.2Armutsgefährdung und erhebliche materielle Deprivation Zwischen Armutsgefährdung und Deprivation besteht ein enger Zusammenhang. Mit einem Anteil von 17% sind deutlich mehr Personen in armutsgefährdeten Haushalten mit erheblicher materieller Deprivation konfrontiert als Personen in anderen Haushalten (2%). Demnach sind in Österreich 180.000 Personen gleichzeitig armutsgefährdet und erheblich materiell depriviert. DerZusammenhangzeigtsich auch aufEbe- ne der einzelnen Deprivationsmerkmale:Wie in Grafik 12 zu sehen ist, können sich Armutsgefährdete alle Grundbedürfnisse,diezurBestimmungvonDeprivation herangezogen werden, wesentlich seltener leisten als Personen in nicht armutsgefährdeten Haushalten.So können es sich beispielsweise mehr als die Hälfte der Armutsgefährdetennichtleisten,unerwarteteAusgaben zu tätigen oder in den Urlaub zu fahren. Nichtsdesto- Übersicht 25: Erheblich materiell deprivierte Personen nach Haushaltsmerkmalen erheblich materiell depriviert in anderen Haushalten in 1.000 Anteil in % in 1.000 Anteil in % Insgesamt 325 100 7.991 100 Gemeindegrößenklasse Wien 184 57 1.515 19 Andere Gemeinden > 100.000 Einw. 27 8 681 9 Gemeinden >10.000 und <=100.000 Einw. 59 18 1.214 15 Gemeinden <=10.000 Einw. 55 17 4.582 57 Haushalte mit Pension Zusammen 33 10 1.497 19 Alleinlebende Männer (5) (1) 124 2 Alleinlebende Frauen 16 5 288 4 Mehrpersonenhaushalt 12 4 1.085 14 Haushalte ohne Pension Zusammen 292 90 6.494 81 Alleinlebende Männer 38 12 395 5 Alleinlebende Frauen 39 12 421 5 Mehrpersonenhaushalt ohne Kinder 51 16 1.912 24 Haushalte mit Kindern 165 51 3.766 47 Ein-Eltern-Haushalt 41 13 226 3 Mehrpersonenhaushalt + 1 Kind 16 5 1.424 18 Mehrpersonenhaushalt + 2 Kinder 39 12 1.459 18 Mehrpersonenhaushalt + mind. 3 Kinder 70 22 657 8 Haupteinkommensquelle Unselbständige Arbeit 120 37 4.916 62 Selbständige Arbeit (6) (2) 681 9 Sozialleistungen 162 50 659 8 Pensionen 33 10 1.599 20 Private Einkommen (4) (1) 136 2 Q: STATISTIK AUSTRIA, EU-SILC 2011. Zahlen in Klammern beruhen auf geringen Fallzahlen: Sind in der Randverteilung weniger als 50 oder in der Zelle weniger als 20 Fälle vor- handen, wird geklammert. Zahlen, die auf Randverteilungen <20 beruhen, werden nicht ausgewiesen.
  • 71.
    ERHEBLICHE MATERIELLE DEPRIVATION 69 trotztreten Deprivation und Armutsgefährdung nicht notwendigerweise gemeinsam auf. Das wird zuerst darin deutlich, dass mit der Definition für erhebliche materielle Deprivation ein wesentlich kleinerer Kreis (325.000 Personen) zu den Betroffenen gezählt wird alsmitder Definition für Armutsgefährdung (rundeine Million). Es zeigt sich aber insbesondere dann, wenn die Zusammensetzung der Haushalte mit erheblicher materieller Deprivation hinsichtlich ihrer Armuts- gefährdung betrachtet wird: 2011 leben etwa 145.000 deprivierte Personen miteinem Haushaltseinkommen über der Armutsgefährdungsschwelle. Damitistknapp die Hälfte (45%) der mit Deprivation konfrontierten Haushalte nicht armutsgefährdet. Es gibt zahlreiche Gründe, warum Deprivation ohne Armutsgefährdungmöglichist.DieanerkanntesteThese lautet, dass der Lebensstandard erst eingeschränkt wird, wenn Ersparnisse aufgebraucht sind und damit Deprivationzeitverzögertin Erscheinung tritt(vgl. Gor- don et al. 2000). Sie kann nach einer längeren Phase mit geringem Einkommen auch fortdauern, bis durch höheresEinkommenwiedergenügendReservenvorhan- den sind. Andererseits sind aber auch konzeptionelle Annahmen des verwendeten Einkommenskonzepts beispielsweise bei der Festsetzung des Schwellen- werts für Armutsgefährdung zu berücksichtigen. Die aktuelle Methode basiert auf dem Medianwert der Einkommensverteilung, wobei nur laufende Einkom- men, aber keine Vermögen berücksichtigt werden, ohne einen Bezug zu den Kosten der Lebensführung herzustellen. Diese relative Bezugsgröße istabhängig vondendurchdieÄquivalenzskala55 implizitgetroffenen Annahmen über die z.B. durch Kinder entstehenden Mehrkosten. Die Einkommenssituation liefert daher ein verzerrtes Bild, wenn entweder die Bedürfnisse durch die Festsetzung der Gefährdungsschwelle nicht ausreichend berücksichtigt werden, oder Vorteile, die durch den Besitz von Vermögen oder durch nicht monetäre Sozialleistungen entstehen, ausgeblendet werden.BMASK/StatistikAustria(2011,S.80ff)konnten Grafik 12: Ausgewählte Deprivationsmerkmale bei armutsgefährdeten Personen 0 10 20 30 40 50 60 Erhebliche materielle Deprivation % können sich nicht leisten… Wohnung warm halten Rechnungen zahlen (Miete, Strom, Gas, Kredite etc.) Fleisch oder Fisch* essen Auto besitzen Unerwartete Ausgaben** tätigen Auf Urlaub fahren 17 9 19 20 23 57 58 2 2 6 5 3 18 16 in anderen Haushalten armutsgefährdet in % Q: STATISTIK AUSTRIA, EU-SILC 2011. * oder eine vergleichbare vegetarische Speise ** in Höhe von 950 Euro 55 EU-Skala – siehe dazu im Detail Abschnitt 3.1.
  • 72.
    ERHEBLICHE MATERIELLE DEPRIVATION 70 beispielsweisezeigen, dass Personen auch in nicht armutsgefährdeten Haushalten häufiger erheblich materiell depriviert sind, wenn sie über kein oder nur sehrniedrigesKapitaleinkommenbzw.keinWohnungs- eigentumverfügen, relativzum Haushaltseinkommen hoheKostenbelastungen(fürKinderbetreuung,Wohnen, Kreditrückzahlungen etc.) zu tragen haben oder sich in schlechtem Gesundheitszustand befinden. 4.3 „Working Poor“ und erhebliche materielle Deprivation Im Folgenden sollen die in Kapitel 3.2 im Detail analysierten „Working Poor“ hinsichtlich erheblicher materieller Deprivation und deren Bestimmungsmerk- male dargestellt werden. Während insgesamt 4% der Bevölkerung erheblich materiell depriviert sind, stellt sich die Situation für die Erwerbstätigen56 wie folgt dar: Insgesamt waren 2% erheblich materiell depriviert – diejenigen, die nicht armutsgefährdet waren, zu 1%, „Working Poor“ zu 13%. Verglichen mit den 17% insgesamt Armutsgefährdeten und gleichzeitig von erheb- licher materieller Deprivation Betroffenen sind die Erwerbstätigen also zwar etwas seltener gleichzeitig in diesen beiden Bereichen benachteiligt, aber erhebliche materielle Deprivation ist dennoch für insgesamt 26.000 „Working Poor“ Teil ihrer Lebens- Übersicht 26: Erhebliche materielle Deprivation und deren Bestimmungsmerkmale für „Working Poor” und nicht armutsgefährdete Erwerbstätige erwerbstätig und nicht armutsgefährdet „Working Poor“ in 1.000 Anteil in % in 1.000 Anteil in % Insgesamt 3.470 100 198 100 Erhebliche materielle Deprivation 50 1 26 13 Unerwartete Ausgaben nicht bezahlen können 564 16 101 51 Nicht auf Urlaub fahren können 489 14 91 46 Nicht regelmäßig Fleisch essen können* 139 4 29 15 Zahlungsrückstände** 181 5 33 17 Kein Auto leisten können 88 3 34 17 Wohnung nicht warm halten können 41 1 17 9 Kein Farbfernsehgerät leisten können (6) (0) (3) (2) Keine Waschmaschine leisten können (6) (0) (4) (2) Kein Telefon oder Handy leisten können (3) (0) - - Q: STATISTIK AUSTRIA, EU-SILC 2011. „Working Poor“: Personen zwischen 18 und 64 Jahren, die mehr als die Hälfte des Referenzjahres (2010) erwerbstätig waren und armuts- gefährdet sind. * Fleisch, Fisch oder vergleichbare vegetarische Speisen. ** Zahlungsrückstände bei Miete, Gas, Strom oder Kreditkarten. Zahlen in Klammern beruhen auf geringen Fallzahlen: Sind in der Randverteilung weniger als 50 oder in der Zelle weniger als 20 Fälle vor- handen, wird geklammert. Zahlen, die auf Randverteilungen <20 beruhen, werden nicht ausgewiesen. 56 Zwischen 18 und 64 Jahren und im vergangenen Jahr hauptsächlich, das heißt mehr als sechs Monate erwerbstätig.
  • 73.
    ERHEBLICHE MATERIELLE DEPRIVATION 71 realität.Zählt man deren Angehörige dazu, erhöht sich die Zahl auf 53.000. Wie auch für die Bevölkerung insgesamt ist das Unver- mögen, unerwartete Ausgaben zu begleichen sowie auf Urlaub zu fahren, bei den „Working Poor“ – jeweils rund die Hälfte ist betroffen – die am häufigsten genannte Einschränkung. Die übrigen Merkmale für einen eingeschränkten Lebensstil zeigen für die ar- mutsgefährdeten Erwerbstätigen in etwa das gleiche Muster wie für die Armutsgefährdeten insgesamt, sind jedoch zumeist etwas seltener.
  • 74.
  • 75.
    PERSONEN IN HAUSHALTENMIT KEINER ODER SEHR NIEDRIGER ERWERBSINTENSITÄT 73 5. PERSONEN IN HAUSHALTEN MIT KEINER ODER SEHR NIEDRIGER ERWERBSINTENSITÄT Die Relevanzvon Beschäftigung für die Armutsreduktion wurde bereitsin den Abschnitten 3.1 und3.2. ausführlich dargestellt. Wie gezeigt wurde, ist eine ausreichende Erwerbsintensität im Haushalt eines der wichtigsten Mittel, um den Lebensstandard sicherzustellen. Es genügt nicht, die Beschäftigungszahl insgesamt zu erhöhen. Denn obwohl sich die Beschäftigtenquote der EU-15-Staaten zwischen 1998 und 2011 um rund fünf Prozentpunkte auf zuletzt 65,4% (für 15- bis 64-Jährige) erhöht hat, ist gleichzeitig die Armuts- gefährdungsquote unverändert bei 16,5% geblieben. Um messbare Fortschritte bei der Eingliederung zu erzielen, müssen neben der Quantität der Beschäfti- gung auch deren Qualität und die in den Arbeitsmarkt integrierten bzw. noch nicht ausreichend integrierten Gruppen berücksichtigt werden. Welche Folgen sich aus fehlender Erwerbsbeteiligung ergeben, hängt von der Erwerbsbeteiligung der anderen Haushalts- mitglieder ab. In der prekärsten Position befinden sich zweifellos jene arbeitsmarktfernen Personen, bei denen auch sonst niemand im Haushalt einer Erwerbsarbeit nachgeht. In der Europa 2020-Stra- tegie haben die Staats- und RegierungschefInnen daher vereinbart, besonderes Augenmerk auf ar- beitsmarktferne Bevölkerungsgruppen zu legen und die Zahl der Personen in Haushalten mit keiner oder sehr niedriger Erwerbsintensität zu verringern. Auch im österreichischen Reformprogramm werden als wichtigste Maßnahme zur Erreichung des Ziels der Armutsreduktion spezifische Beschäftigungsziele genannt: die Erhöhung der Arbeitsmarktbeteiligung von älteren ArbeitnehmerInnen, von Frauen, Jugend- lichen, Personen mit Migrationshintergrund und von Niedrigqualifizierten sowie die Verbesserung der Qualität der Arbeit (vgl. Europäische Kommission 2011, S. 12). In Österreich ist die Quote der unter 60-Jährigen, die in Haushalten mit keiner oder sehr niedriger Erwerbsintensität leben, 2011 mit 8% (bzw. mit 95% Grafik 13: Keine oder sehr niedrige Erwerbsintensität in den EU-27-Staaten 0 5 10 15 20 25 Zypern Luxem burg Tschechien Rum änien Schweden Polen SlowenienSlowakei ÖsterreichPortugalM alta Niederlande FrankreichFinnlandEstlandItalienBulgarien Deutschland Dänem ark Großbritannien GriechenlandUngarnSpanienLettlandLitauenBelgienIrland* Unter60-JährigeinHaushaltenmitkeineroder sehrniedrigerErwerbsintensitätin%der Gesamtbevölkerung EU-27** Q: Eurostat 2012, EU-SILC 2010 und 2011. Datenbank zum Stand 11.01.2013, eigene Darstellung. * Aktuellste Zahlen stammen aus 2010. ** Eurostat Schätzung.
  • 76.
    PERSONEN IN HAUSHALTENMIT KEINER ODER SEHR NIEDRIGER ERWERBSINTENSITÄT 74 Vertrauenswahrscheinlichkeit zwischen 7% und 9%) vergleichsweise gering. Am niedrigsten ist sie in der Schweiz mit 4%. Die EU-Staaten mit der niedrigsten Quote von Personen in Haushalten ohne oder mit geringer Erwerbstätigkeit sind Zypern (5%) und Lu- xemburg (6%). Am höchsten ist sie in Irland (23%). Bezogen auf den gesamten EU-27-Raum leben 2011 10% der unter 60-Jährigen, d.h. rund 38 Mio. Men- schen, in Haushalten mit keiner oder sehr niedriger Erwerbsintensität. Damiterreichtder EU-27-Durchschnitt wieder den Wert von 2005, nachdem er sich bis 2009 im Sinken befunden hatte. 5.1 Zusammensetzung der Zielgruppe In Österreich leben rund eine halbe Million Personen57 unter 60 Jahren in einem Haushalt mit keiner oder sehr geringer Erwerbsintensität. Damit ist die Größe dieses Personenkreises seit 2006 nahezu unverändert, HAUSHALTE MIT KEINER ODER SEHR NIEDRIGER ERWERBSINTENSITÄT: Zum EU-Indikator zählen alle unter 60-jährigen Personen, die in Haushalten mit geringer Erwerbsintensität leben. Geringe Erwerbsintensität wird angenommen, wenn die 18- bis 59-jährigen Haushaltsmitglieder (ohne Studierende, inkl. PensionistInnen unter 59) zusammen maximal 20% des Vollzeit-Erwerbspotenzials ausschöpfen. Die Befragten geben für jeden Monat des vergangenen Kalenderjahres (für SILC 2011 also 2010) ihre jeweilige Haupttätigkeit nach eigener Zuordnung an. Dabei kann es vorkommen, dass beispielsweise Studierende ihre Aus- bildung als Haupttätigkeit werten, obwohl sie gleichzeitig einer Erwerbstätigkeit nachgehen. Für die Berechnung der Erwerbsintensität werden unter 18-Jährige und Studierende unter 24 Jahren nicht berücksichtigt. Gezählt wird, wie viele Monate eine Person selbständig oder unselbständig erwerbstätig war. Diese Zahl wird für alle Personen im gemeinsamen Haushalt summiert. Monate, in denen nur eine Teilzeittätigkeit ausgeübt wurde, werden anteilig berücksichtigt. Ist die Person auch zum Erhebungszeitpunkt erwerbstätig, dann wird dazu die aktuelle Zahl der Wochenstunden durch 40 dividiert und mit der Anzahl der Teilzeitmonate multipliziert. Für Personen, die zum Erhebungszeitpunkt nicht (mehr) erwerbstätig sind, ist die Zahl der Wochenstunden nicht verfügbar, und der Durchschnittswert fürTeilzeitbeschäftigte nach Alter und Geschlecht wird berücksichtigt. Das Erwerbspotenzial ergibt sich aus Multiplikation der Zahl der Personen im Alter zwischen 18 und 59 Jahren mit 12. Die Erwerbsintensität ergibt sich durch Division der Erwerbsmonate durch das Erwerbspotenzial. Liegt das Ergebnis unter 0,2, dann gilt der Haushalt als (nahezu) erwerbslos (typischerweise bei weniger als drei Erwerbs- monaten). Zur Zielgruppe zählen dann alle in diesem Haushalt lebenden Haushaltsmitglieder unter 60 Jahren, also auch Kinder und Studierende. Berechnungsbeispiel für einen Haushalt mit drei Personen zwischen 18 und 59 Jahren: Person 1 war das gesamte Jahr über Vollzeit erwerbstätig (= 12 Monate), Person 2 war 6 Monate Vollzeit erwerbstätig (= 6 Monate), und Per- son 3 war 2010 ganzjährig Teilzeit erwerbstätig, aktuell arbeitet sie 24 Wochenstunden (24/40*12=7,2 Monate). Das Erwerbspotenzial beträgt insgesamt 36 Monate (12*3), tatsächlich wurden insgesamt 25,2 Monate gearbeitet (12+6+7,2). Die Erwerbsintensität des Haushalts beträgt somit 0,7. 57 Mit einer 95%-Vertrauenswahrscheinlichkeit zwischen 454.000 und 583.000 Personen.
  • 77.
    PERSONEN IN HAUSHALTENMIT KEINER ODER SEHR NIEDRIGER ERWERBSINTENSITÄT 75 sieht man von einem Tiefststand im Jahr 2009 ab. Ver- glichen mit 2004 leben 2011 allerdings 92.000 mehr unter 60-Jährige in Haushalten mit keiner oder sehr niedriger Erwerbsintensität, anteilmäßig entspricht dies einem Anstieg um 1,3 Prozentpunkte (vgl. hierzu auch Kapitel 2.3). Von den Personen in einem Haushalt mit keiner oder sehr niedriger Erwerbsintensität sind 113.000 unter 20 Jahre alt sowie 229.000 Frauen und 176.000 Männer zwischen 20 und 59 Jahre alt (vgl. Übersicht 27 und Grafik 14). Zusätzlich leben etwa 104.000 Haushaltsangehörige über 59 Jahre in Haushalten mit keiner oder sehr niedriger Erwerbsintensität, sie werden jedoch nicht zur Zielgruppe gezählt. 20% der Zielgruppe, das sind 105.000 Menschen, haben eine nicht österreichische Staatsbürgerschaft. Damit hat dieser Personenkreis im Vergleich zu jenen Personen mit österreichischerStaatsbürgerschaftzwar ein erhöhtes Risiko, in einem Haushalt mit keiner oder sehr niedriger Erwerbsintensität zu leben. Jedoch ist der Anteil der Personen mit nicht österreichischer Staatsbürgerschaft an dieser Zielgruppe kleiner als an den anderen beiden Zielgruppen, den Armuts- gefährdeten und den erheblich materiell Deprivierten.58 Übersicht 27: Personen in Haushalten mit keiner oder sehr niedriger Erwerbsintensität nach Alter, Geschlecht und Staatsbürgerschaft in Haushalten mit keiner oder sehr niedriger Erwerbsintensität in anderen Haushalten in 1.000 Anteil in % in 1.000 Anteil in % Insgesamt 519 100 5.932 100 Alter Bis 19 Jahre 113 22 1.663 28 20-39 Jahre 137 26 1.928 32 40-59 Jahre 269 52 2.342 39 Männer (ab 20 Jahre) Zusammen 176 34 2.154 36 20-39 Jahre 68 13 961 16 40-59 Jahre 109 21 1.194 20 Frauen (ab 20 Jahre) Zusammen 229 44 2.115 36 20-39 Jahre 70 13 967 16 40-59 Jahre 160 31 1.148 19 Staatsbürgerschaft Österreich 414 80 5.193 88 darunter eingebürgert (Nicht EU/EFTA) 26 5 219 4 Nicht Österreich 105 20 739 12 davon EU/EFTA 18 3 301 5 davon sonstiges Ausland 87 17 437 7 Q: STATISTIK AUSTRIA, EU-SILC 2011. 58 Dies zeigt sich sehr anschaulich in den Odds-Ratios: Das Risiko, armutsgefährdet (bzw. erheblich materiell depriviert) zu sein, ist unter Personen mit nicht österreichischer Staatsbürgerschaft 3,4 (bzw. 4) mal so hoch wie unter Personen mit österreichischer Staatsbürger- schaft. Demgegenüber ist das Risiko, in einem Haushalt mit keiner oder sehr niedriger Erwerbsintensität zu leben, unter Personen mit nicht österreichischer Staatsbürgerschaft „nur“ 2,2 mal so hoch wie unter Personen mit österreichischer Staatsbürgerschaft.
  • 78.
    PERSONEN IN HAUSHALTENMIT KEINER ODER SEHR NIEDRIGER ERWERBSINTENSITÄT 76 Dieser Befund liefert einen Hinweis darauf, dass Per- sonen mit nicht österreichischer Staatsbürgerschaft bei gleicher Erwerbsintensität stärker von niedrigen Lebensstandards betroffen sind als Personen mit österreichischer Staatsbürgerschaft. Nach Alter fällt auf, dass rund die Hälfte der Zielgruppe im Alter zwischen 40 und 59 Jahre ist. Grafik 14 stellt die Quote von Personen in Haushalten mit keiner oder sehr geringer Erwerbsintensität nach verschiedenen Altersgruppen dar. Dabei wird zweierlei deutlich: Ers- tens sinkt mit dem Alter die Quote derjenigen, die in Haushalten mit keiner oder sehr niedriger Erwerbsin- tensität leben, für Personen im Alter zwischen 50 und 59 Jahren ist sie jedoch stark erhöht. 17% der 50- bis 59-Jährigen leben in Haushalten mit keiner oder sehr niedriger Erwerbsintensität. Dies ist hauptsächlich durch die bereits hohe Zahl der PensionistInnen in dieser Altersgruppe zu erklären.59 Würde man den Indikator nur anhand der Erwerbsbeteiligung der 18- bis 49-Jährigen berechnen, läge er statt bei 8% bei rund 6%. Zweitens gibt es einen Geschlechterunter- schied, der insbesondere in dieser Altersgruppe der 50- bis 59-Jährigen sehr deutlich ausfällt. Während 13% der 50- bis 59-jährigen Männer in Haushalten mit keiner oder sehr niedriger Erwerbsintensität leben, befinden sich 21% der 50- bis 59-jährigen Frauen in derartigen Haushalten. Interessanterweise besteht der Geschlechterunterschied auch weiterhin, wenn der Pensionsbezug berücksichtigt wird.60 Die Festlegung des Indikators auf die Erwerbs- beteiligung der 18- bis unter 60-Jährigen steht der Tatsache eines faktisch niedrigeren Pensions- antrittsalters in Österreich gegenüber. Dieses lag 2011 durchschnittlich bei 59,2 Jahren für Männer und bei 57,3 Jahren für Frauen, was vor allem auf Grafik 14: Personen in Haushalten mit keiner oder sehr niedriger Erwerbsintensität nach Altersgruppen und Geschlecht 0 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24 <= 19 20 - 29 30 - 39 40 - 49 50 - 59 Gesamt Frauen Männer PersoneninHaushaltenmitkeinerodersehr niedrigerErwerbsintensität(in%) Alter in Jahresgruppen Q: Eurostat, EU-SILC 2010 und 2011. 59 Von den Personen in einem Haushalt mit keiner oder niedriger Erwerbsintensität, die zwischen 50 und 59 Jahre alt sind, geben 43% als Hauptaktivität Pension an – davon sind etwa zwei Drittel Frauen. 60 Von den Frauen im Alter zwischen 50 und 59 Jahren, deren Hauptaktivität im Referenzjahr 2010 Pension war, leben 69% in Haushalten mit keiner oder sehr niedriger Erwerbsintensität. Demgegenüber stehen 45% der Männer in diesem Alter mit Hauptaktivität Pension, die in derartigen Haushalten leben.
  • 79.
    PERSONEN IN HAUSHALTENMIT KEINER ODER SEHR NIEDRIGER ERWERBSINTENSITÄT 77 die niedrigen durchschnittlichen Antrittsalter bei den Invaliditätspensionen – rund 23% aller 2011 neu zuerkannten Pensionen fielen in diese Kate- gorie – zurückzuführen ist, die bei 53,7 Jahren für Männer bzw. 50,1 Jahren für Frauen liegen (vgl. BMASK 2012, S. 89). Daher ist die Aussagekraft des Indikators „keine oder niedrige Erwerbsintensität“ in Österreich für diese Altersgruppe eingeschränkt. Vor dem Hintergrund der Bestrebungen zur Hebung des effektiven Pensionsantrittsalters, dürfte er aber in den nächsten Jahren zunehmende Relevanz auch für ältere Erwerbstätige erlangen. Der Zusammenhang von niedriger individueller Er- werbstätigkeit und mangelnder Erwerbsbeteiligung des Haushalts wird in Übersicht 28 deutlich. Von den 18- bis 59-Jährigen in Haushalten mit keiner oder sehr niedriger Erwerbsintensität waren im Lauf des Referenzjahres 2010 143.000 Personen für mindestens sechs Monate arbeitslos und 233.000 in Pension oder nicht erwerbsaktiv. Lediglich 41.000 Personen waren zumindest teilzeitbeschäftigt. Übersicht 29 zeigt weitere Strukturmerkmale für Per- sonen in Haushalten mit keiner oder sehr niedriger Erwerbsintensität. Regional ist der Personenkreis mit einem Anteil von 42% überwiegend auf Wien konzentriert. Wenngleich ein Drittel in Gemeinden mit weniger als 10.000 Einwohnern wohnt, ist das Risiko keiner oder sehr niedriger Erwerbsintensität dort wesentlich geringer. Dass Erwerbslosigkeit vor allem im späten Erwerbsalter (50- bis 59-Jährige) im Zusammenhang mit frühzeitiger Pensionierung auftritt, zeigt sich auch in der Haushaltszusammensetzung: Bei 60% der Betroffenen leben keine Kinder (mehr) im Haushalt. Knapp die Hälfte davon lebt allein. Definitionsgemäß stammt das Haushaltseinkommen dieser Personen nur in den seltensten Fällen aus Erwerbstätigkeit. Folglich leben knapp 90% haupt- sächlich von Sozialleistungen oder Pensionen. Dabei spielt auch das Einkommen der nicht zur Zielgruppe gerechneten Haushaltsangehörigen über 59 Jahren eine wichtige Rolle. Die Einkommensverteilung in Grafik 15 zeigt, dass Personen in Haushalten mit keiner oder sehr niedriger Erwerbsintensität in der Regel nur einen sehr einge- schränktenLebensstandardhaben.Dezilgruppenteilen die nach ihrem standardisierten Haushaltseinkommen gereihte Gesamtbevölkerung in zehn gleich große Gruppen. Die unterste Dezilgruppe mitdem niedrigsten Lebensstandard umfasst in der Gesamtbevölkerung genau 10%. In Haushalten mit keiner oder sehr nied- riger Erwerbsintensität fällt dagegen fast die Hälfte (47%) der unter 60-Jährigen in diese Gruppe. Übersicht 28: Hauptaktivität der 18- bis 59-Jährigen nach Erwerbsintensität des Haushalts in Haushalten mit keiner oder sehr niedriger Erwerbsintensität in anderen Haushalten in 1.000 Anteil in % in 1.000 Anteil in % 18- bis 59-Jährige insgesamt 417 100 4.509 100 Hauptaktivität im Referenzjahr 2010* Erwerbstätig 41 10 3.777 84 Arbeitslos 143 34 203 4 Pension 108 26 72 2 Sonstige 125 30 457 10 Q: STATISTIK AUSTRIA, EU-SILC 2011. * Erwerbstätig ist, wer mindestens einen Monat hauptsächlich in Beschäftigung und höchstens fünf Monate hauptsächlich arbeitslos war. Die Gruppe der Arbeitslosen enthält keine Erwerbstätigen, ebenso sind bei Personen in Pension weder Arbeitslose noch Erwerbstätige enthalten.
  • 80.
    PERSONEN IN HAUSHALTENMIT KEINER ODER SEHR NIEDRIGER ERWERBSINTENSITÄT 78 Übersicht 29: Ausgewählte Haushaltsmerkmale der unter 60-Jährigen nach Erwerbs- intensität in Haushalten mit keiner oder sehr niedriger Erwerbsintensität in anderen Haushalten in 1.000 Anteil in % in 1.000 Anteil in % Insgesamt 519 100 5.932 100 Gemeindegrößenklassen Wien 219 42 1.120 19 Andere Gemeinden > 100.000 Einw. 36 7 528 9 Gemeinden >10.000 und <=100.000 Einw. 83 16 920 16 Gemeinden <=10.000 181 35 3.365 57 Haushaltstyp Alleinlebende Männer 74 14 327 6 Alleinlebende Frauen 75 15 260 4 Mehrpersonenhaushalt ohne Kinder 157 30 1.688 28 Ein-Eltern-Haushalt 52 10 216 4 Mehrpersonenhaushalt + 1 Kind 47 9 1.370 23 Mehrpersonenhaushalt + 2 Kinder 40 8 1.429 24 Mehrpersonenhaushalt + mind. 3 Kinder 74 14 642 11 Haupteinkommensquelle Unselbständige Arbeit 32 6 4.797 81 Selbständige Arbeit 13 2 609 10 Sozialleistungen 350 68 300 5 Pensionen 97 19 156 3 Private Einkommen 26 5 70 1 Q: STATISTIK AUSTRIA, EU-SILC 2011. Grafik 15: Verteilung der unter 60-Jährigen in Haushalten mit keiner oder sehr niedriger Erwerbsintensität auf Dezilgruppen des äquivalisierten Nettohaushaltseinkommens Einkommensgruppe derGesamtbevölkerung % der Personen in Haushalten mit keiner oder sehr niedriger Erwerbsintensität 0 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 höchste Dezilgruppe 9 8 7 6 5 4 3 2 niedrigste Dezilgruppe 1 2 3 3 2 7 9 8 18 47 (1) (2) Q: STATISITK AUSTRIA, EU-SILC 2011. Zahlen in Klammern beruhen auf einer Fallzahl von weniger als 20 und sind daher nur eingeschränkt interpretierbar.
  • 81.
    PERSONEN IN HAUSHALTENMIT KEINER ODER SEHR NIEDRIGER ERWERBSINTENSITÄT 79 5.2 Niedrige Erwerbsintensität und Armutsgefährdung Die Armutsgefährdung von Personen in Haushalten mit keiner oder sehr niedriger Erwerbsintensität hängt beinahe ausschließlich von der Höhe der erhaltenen Sozialleistungen ab:61 Während ohneSozialleistungen in dieser Gruppe 96% armutsgefährdet wären, sind es mitSozialleistungen deutlich weniger, wenngleich immer noch mehr als die Hälfte (54%). Im Vergleich zu anderen Haushalten, die nach Sozialleistungen zu 8% armutsgefährdet sind, zeigt sich für Perso- nen in Haushalten mit keiner oder sehr niedriger Erwerbsintensität letztlich dennoch ein deutlich höheres Armutsrisiko. Der jeweilige Wirkungsgrad von Maßnahmen zur Ver- ringerung der Zahl der Ausgrenzungsgefährdeten hängt vom Zusammenhang zwischen Armutsgefährdung und Erwerbslosigkeit ab. Würden beispielsweise die Sozi- alleistungen für die 282.000 Personen in Haushalten mit keiner oder sehr niedriger Erwerbsintensität auf das Niveau der Armutsgefährdungsschwelle ange- glichen, wäre damit die Armutsgefährdungsquote um rund ein Viertel gesenkt. Sofern dabei aber keine Aktivierung auf dem Arbeitsmarkt erfolgt, trägt dies nicht zur Verringerung des insgesamt zur Zielgruppe zählenden Personenkreises bei. 5.3 Spezifische Entstehungszusammenhänge niedriger Erwerbsintensität Bezogen auf die rund 6,5 Mio. Menschen im Alter von weniger als 60 Jahren beträgt die Risikoquote, in einem Haushalt mit keiner oder sehr niedriger Erwerbsintensität zu leben, für Personen in dieser Altersgruppe 8%. Dieser Wert ist für die mitbetrof- fenen Kinder und Erwachsene annähernd gleich. Im Gegensatz zur Armutsgefährdung, wo das Einkommen auf die Haushaltsgröße bezogen wird, fließt die Zahl der Personen im Haushalt nicht in die Definition die- ses Indikators ein. Trotzdem können beispielsweise die Zahl der Kinder und damit zusammenhängende Betreuungspflichten indirekt eine zentrale Rolle für die Erwerbsintensität spielen. Um die spezifischen Entstehungszusammenhänge bei Erwachsenen besser sichtbar zu machen, werden in Übersicht 30 Risiko- quoten für die Altersgruppe der 18- bis 59-Jährigen dargestellt. Hinsichtlich des Haushaltstypszeigt sich ein ähnliches Bild wie schon bei der Armutsgefährdung und Depri- vation: Alleinlebende und Alleinerziehende haben ein überdurchschnittlich hohes Risiko, in Haushalten mit keiner oder sehr niedriger Erwerbsintensität zu leben; dieses Risiko ist bei alleinlebenden Frauen, von denen knapp ein Viertel in solchen Haushalten wohnt, am höchsten. Auffällig ist, dass der Zusam- menhang hinsichtlich der Kinderzahl von Mehrperso- nenhaushalten nicht mehr so linear ausfällt wie bei den anderen beiden Zielgruppen. Zwar haben auch hier Mehrpersonenhaushalte mit einem Kind eine sehr geringe Risikoquote; dasselbe gilt aber auch für Mehrpersonenhaushalte mit zwei Kindern und auch für Mehrpersonenhaushalte mit mindestens drei Kindern ist das Risiko, in einem Haushalt mit keiner oder niedriger Erwerbsintensität zu leben, immerhin nicht überdurchschnittlich hoch. Es konnte jedoch in Kapitel 3.2 gezeigt werden, dass die Erwerbsintensität in Haushalten mit drei und mehr Kindern vor allem aufgrund der Teilzeiterwerbstätigkeit der Frauen sehr wohl eingeschränkt ist. Es liegt daher an der sehr 61 Siehe Statistik Austria (2012b, Tab. 5.1b).
  • 82.
    PERSONEN IN HAUSHALTENMIT KEINER ODER SEHR NIEDRIGER ERWERBSINTENSITÄT 80 geringen Grenze von 20% der Erwerbsintensität, dass bei diesem Indikator nicht mehr Personen dieses Haushaltstyps darunterfallen. Die Grundlage für die spätere Erwerbslosigkeit wird in vielen Fällen bereits mit dem frühzeitigen Ende einer Bildungskarriere gelegt. Bei Personen, deren höchste abgeschlossene Schulbildung ein Pflicht- schulabschluss ist, erreicht die Risikoquote mit 17% einen etwa viermal so hohen Wert wie bei Personen mit Hochschulabschluss (4%). Über den formalen Bildungsabschluss hinaus wird Erwerbslosigkeit von der beruflichen Qualifikation und Erfahrung bestimmt. Wer im letzten Beruf HilfsarbeiterIn (22%) oder noch nie erwerbstätig war (17%), hat ein mindestens vier- mal höheres Risiko, in einem Haushalt mit keiner oder sehr niedriger Erwerbsintensität zu leben, als jemand, der als Angestellter (4%) tätig war. Des Weiteren ist ein außerordentlich starkausgepräg- ter Zusammenhang mit dem Gesundheitszustand zu erkennen. Wer einen sehr schlechten Gesundheitszu- stand hat, trägt ein mehr als zehnmal höheres Risiko, in einem Haushalt mit keiner oder sehr niedriger Erwerbsintensität zu leben, wie jemand mit sehr gutem Gesundheitszustand. Übersicht 30: Risiko von 18- bis 59-Jäh- rigen, in einem Haushalt mit keiner oder sehr niedriger Erwerbsintensität zu leben In Haushalten mit keiner oder sehr niedriger Erwerbsintensität in 1.000 Quote in % Insgesamt 417 8 Haushaltstyp Alleinlebende Männer 74 19 Alleinlebende Frauen 75 23 Mehrpersonenhaushalt ohne Kinder 156 9 Ein-Eltern-Haushalt 21 15 Mehrpersonenhaushalt + 1 Kind 34 3 Mehrpersonenhaushalt + 2 Kinder 27 3 Mehrpersonenhaushalt + mind. 3 Kinder 29 9 Derzeitige Hauptaktivität 2011 Erwerbstätig 42 1 Ausbildung 44 13 PensionistIn 114 52 Haushalt 45 20 Arbeitslos 123 36 Aus gesundheitlichen Gründen nicht erwerbstätig 34 64 Aus anderen Gründen nicht erwerbs- tätig 16 8 Letzte berufliche Funktion Nie erwerbstätig 60 17 HilfsarbeiterInnen 79 22 FacharbeiterInnen 96 9 Angestellte 116 6 Vertragsbedienstete 11 4 BeamtInnen 17 6 Selbständig* 36 7 Allgemeiner Gesundheitszustand Sehr gut 83 4 Gut 103 5 Mittelmäßig 120 15 Schlecht 82 37 Sehr schlecht 28 50 Q: STATISTIK AUSTRIA, EU-SILC 2011. * Selbständig inkludiert hier freie DienstnehmerInnen und land- wirtschaftlich Tätige. Lesebeispiel: Von allen 18- bis 59-jährigen alleinlebenden Män- nern in österreichischen Privathaushalten leben 19% in einem Haushalt mit keiner oder sehr niedriger Erwerbsintensität.
  • 83.
    ÜBERSCHNEIDUNGEN IN DENPROBLEMBEREICHEN SOZIALER ARMUTS- ODER AUSGRENZUNGSGEFÄHRDUNG 81 6. ÜBERSCHNEIDUNGEN IN DEN PROBLEMBEREICHEN SOZIALER ARMUTS- ODER AUSGRENZUNGSGEFÄHRDUNG Innerhalb derSozialzielgruppe „Armuts- oder Ausgren- zungsgefährdete“ gibt es Personen, die gleichzeitig von mindestens zwei der drei Problembereiche – Ar- mutsgefährdung, erhebliche materielle Deprivation und keine/ sehr niedrige Erwerbsintensität – betrof- fen sind. Da sich diese Ausgrenzungsgefährdeten in multiplen Gefährdungslagen befinden, werden sie im Folgenden als Mehrfach-Ausgrenzungsgefährdete bezeichnet. Wie in Kapitel 2.3.1 deutlich wurde, ist die Gruppe der Mehrfach-Ausgrenzungsgefährdeten im Vergleich zu 2004 starkerhöht, sodass sich heute 388.000 Personen in mindestens zwei Problemberei- chen sozialer Armuts- oder Ausgrenzungsgefährdung befinden. Das entspricht einem Anteil von rund 5% der österreichischen Gesamtbevölkerung bzw. 28% der Armuts- oder Ausgrenzungsgefährdeten. Auch im Vergleich zum Vorjahr 2010 ist kein Rückgang der multiplen Ausgrenzungsgefährdung zu beobachten. Daher soll die Gruppe der Mehrfach-Ausgrenzungsge- fährdeten in diesem Abschnitt in den Fokus gerückt und ihr Lebensstandard im Detail beschrieben werden. Nahezu die Hälfte aller Mehrfach-Ausgrenzungsgefähr- deten – 181.000 Personen bzw. 2,2% der Gesamtbe- völkerung – leben in einem Haushalt, der gleichzeitig von Armutsgefährdung und keiner oder sehr niedriger Erwerbsintensität betroffen ist. Die zweitgrößte Über- schneidungsgruppe sind Personen, die von allen drei Problembereichen betroffen sindundderen Lage daher als besonders prekär zu bezeichnen ist: Auch hier handelt es sich um Menschen in Haushalten, die von Armutsgefährdung undvon keiner oder sehr niedriger Erwerbsintensität betroffen sind; hinzu kommt, dass sie erheblich materiell depriviert sind, d.h. in ihrem Lebensstandard aufgrund finanzieller Schwierigkei- ten stark eingeschränkt sind. Die Gleichzeitigkeit von Armutsgefährdung und erheblicher materieller Deprivation (ohne mangelnde Erwerbseinbindung des Haushalts) tritt vergleichsweise etwas seltener auf und betrifft 80.000 Menschen in Österreich.62 Deutlich seltener tritt keine oder sehr niedrige Er- werbsintensitätgemeinsam miterheblicher materieller Deprivation ohne gleichzeitige Armutsgefährdung auf: 26.000 Personen in Österreich befinden sich in einer solchen Lage. Grafik 16: Teilgruppen der Mehrfach-Aus- grenzungsgefährdeten ADE 26% 100.000 ED 7% 26.000 AD 20% 80.000 AE 47% 181.000 Q: STATISTIK AUSTRIA, EU-SILC 2011. Mehrfach-Ausgrenzungsgefährdete: Ausgrenzungsgefährdete Per- sonen, die gleichzeitig von mindestens zwei der drei Problemberei- che „Armutsgefährdung“, „erhebliche materielle Deprivation“ und „keine/ sehr niedrige Erwerbsintensität“ betroffen sind. AE = Armutsgefährdet (A) und in einem Haushalt mit keiner/sehr niedriger Erwerbsintensität (E) lebend; AD = Armutsgefährdet und erheblich materiell depriviert (D); ED = Erheblich materiell depri- viert und in einem Haushalt mit keiner/sehr niedriger Erwerbsinten- sität lebend; ADE = Von allen drei Ausgrenzungsgefährdungslagen betroffen. 62 Zu beachten ist jedoch, dass der Indikator „keine oder sehr niedrige Erwerbsintensität“ nur für Personen unter 60 Jahren definiert ist.
  • 84.
    ÜBERSCHNEIDUNGEN IN DENPROBLEMBEREICHEN SOZIALER ARMUTS- ODER AUSGRENZUNGSGEFÄHRDUNG 82 6.1 Lebensstandard der Mehrfach-Ausgrenzungsgefährdeten Grafik17 zeigt den Lebensstandard der Mehrfach-Aus- grenzungsgefährdeten entlang ausgewählter nationaler Eingliederungsindikatoren imVergleich zu den Einfach- und Nicht-Ausgrenzungsgefährdeten. Es zeigt sich, dass Personen in multipler Ausgrenzungsgefährdung durchwegs höhere Betroffenheitsquoten aufweisen als jener Personenkreis, der von ausschließlich einem Problembereich betroffen ist. Im Vergleich zu dem nicht ausgrenzungsgefährdeten Teil der Bevölkerung ist die Betroffenheit von prekären Lebensstandards wesentlich – bis zu sieben Mal – höher. Die Gruppe der Mehrfach-Ausgrenzungsgefährdeten ist somit im Vergleich zur Restbevölkerung in ihrem Lebensstan- dard derart häufig von Einschränkungen betroffen, dass anzunehmen ist, dass sie auch in ihrer sozialen Teilhabe bereits stark eingeschränkt ist. Das äquivalisierte Haushaltseinkommen der Mehr- fach-Ausgrenzungsgefährdeten beträgt im Median 9.705 Euro im Jahr. Ihre Armutsgefährdungslücke liegt somit bei 26%, während sie bei den Einfach- Ausgrenzungsgefährdeten bei 17% liegt. Zieht man einen anderen Schwellenwert als Grenze für einen akzeptablen Lebensstandard heran, so bietet sich als politisch definierte Grenze etwa die Bedarfso- rientierte Mindestsicherung an (siehe Kapitel 3.1). Sie definiert für einen Ein-Personenhaushalt das Mindesteinkommen mit 9.035 Euro jährlich. 43% der Mehrfach-Ausgrenzungsgefährdeten müssen jedoch ihren Lebensunterhalt mit weniger bestreiten. Dies ist mit ein Grund, weshalb sich 70% der von multipler Ausgrenzungsgefährdung Betroffenen mindestens zwei Grundbedürfnisse für einen angemessenen Le- bensstandard in Österreich nicht leisten können, wie es der nationale Indikator „Finanzielle Deprivation“63 zum Ausdruckbringt. Im Durchschnitt fehlt es diesen Personen an drei Grundbedürfnissen; fast alle sind finanziell nicht in der Lage, unerwartete Ausgaben in Höhe von 950 Euro zu tätigen (95%), viele können es sich nicht leisten, einmal im Monat Freunde oder Verwandte zum Essen einzuladen (69%) und jeden zweiten Tag Fleisch, Fisch oder eine vergleichbare vegetarische Speise zu essen (62%) oder sich bei Bedarf neue Kleider zu kaufen (58%). Anhand des nationalen Indikators „Mehrfache ge- sundheitliche Einschränkungen“64 wird zudem der enge Zusammenhang von Gesundheit und (multipler) Ausgrenzungsgefährdung deutlich: Während 7% der Nicht-Ausgrenzungsgefährdeten ab 16 Jahren und 15% der Einfach-Ausgrenzungsgefährdeten gesundheitlich beeinträchtigt sind, trifft dies auf 23% der Mehrfach- Ausgrenzungsgefährdeten zu. Damit trifft bei ca. jeder vierten von multipler Ausgrenzung betroffenen Person eine gesundheitliche Beeinträchtigung in mindestens zwei der drei Merkmale „sehr schlechter allgemeiner Gesundheitszustand in der subjektiven Einschätzung“, „chronische Krankheit“, „starke Ein- schränkung bei der Verrichtung alltäglicher Arbeiten durch eine gesundheitliche Beeinträchtigung seit mindestens einem halben Jahr“ zu. Es bleibt jedoch ungeklärt, in welchem Ausmaß die gesundheitlichen Einschränkungen zu Ausgrenzungsgefährdung oder umgekehrt der niedrige Lebensstandard zu gesund- heitlichen Problemen führen. Der Lebensstandard wird letztlich auch durch die Wohnqualität und die Wohnumgebung bestimmt. Benachteiligungen hierin werden in den Indikatoren „PrekäreWohnqualität“ und„Belastung der Wohnum- 63 Zur Definition und einer Analyse der zeitlichen Entwicklung des Indikators „Finanzielle Deprivation“ für die Gesamtbevölkerung siehe Kapitel 8.1. 64 Zur Definition und einer Analyse der zeitlichen Entwicklung des Indikators „Mehrfache gesundheitliche Einschränkungen“ für die Ge- samtbevölkerung siehe Kapitel 8.5.
  • 85.
    ÜBERSCHNEIDUNGEN IN DENPROBLEMBEREICHEN SOZIALER ARMUTS- ODER AUSGRENZUNGSGEFÄHRDUNG 83 gebung“deutlich.65 WenngleichauchhierdieMehrfach- Ausgrenzungsgefährdeten eine höhere Betroffenheit zeigen alsdie beidenVergleichsgruppen, istder Anteil anBetroffenenaufniedrigeremNiveau.DieWohnqualität ist für 10% der Mehrfach-Ausgrenzungsgefährdeten alsprekär einzustufen, und20% erfahren mindestens zwei Belastungen wie Lärm, Umweltverschmutzung oder Kriminalität in ihrer Wohnumgebung. 6.2 Risikofaktoren für mehrfache Ausgrenzungsgefährdung Obwohl die Haushaltseinkommen der Mehrfach- Ausgrenzungsgefährdeten fast immer (93%) unter der Armutsgefährdungsschwelle liegen, haben ar- mutsgefährdete Personen im Vergleich zu erheblich materiell Deprivierten und Personen in Haushalten mit keiner oder sehr niedriger Erwerbsintensität das geringste Risiko, in mehrfache Benachteiligung zu geraten: 34% der Armutsgefährdeten befinden sich Grafik 17: Lebensstandard der Mehrfach-Ausgrenzungsgefährdeten im Vergleich Prekäre Wohnqualtität Nicht-Ausgrenzungsgefährdet Einfach-Ausgrenzungsgefährdet Mehrfach-Ausgrenzungsgefährdet Finanzielle Deprivation Belastung durch Wohnumgebung Mehrfache gesundheitliche Einschränkungen* Haushaltseinkommen unter der Mindestsicherung 70% 80% 60% 50% 40% 30% 20% 10% 0% Q: STATISITK AUSTRIA, EU-SILC 2011. Anteil Betroffenheit in Prozent der jeweiligen Ausgrenzungsgefährdungsgruppen. Einfach-Ausgrenzungsgefährdete: Ausschließlich von einem der drei Problembereiche „Armutsgefährdung“, „erhebliche materielle Depriva- tion“ und „keine/ sehr niedrige Erwerbsintensität“ betroffen; Mehrfach-Ausgrenzungsgefährdete: Von mindestens zwei der drei Problembe- reiche betroffen; Definitionen der jeweiligen Indikatoren des Lebensstandards siehe Kapitel 8. * Nur Personen ab 16 Jahren. Lesebeispiel: 70% aller mehrfach ausgrenzungsgefährdeten Personen sind von finanzieller Deprivation betroffen, während 9% der Nicht-Aus- grenzungsgefährdeten von finanzieller Deprivation betroffen sind. 65 Zur Definition und einer Analyse der zeitlichen Entwicklung der nationalen Indikatoren zum Thema Wohnen für die Gesamtbevölkerung siehe Kapitel 8.3.
  • 86.
    ÜBERSCHNEIDUNGEN IN DENPROBLEMBEREICHEN SOZIALER ARMUTS- ODER AUSGRENZUNGSGEFÄHRDUNG 84 in multipler Ausgrenzungsgefährdung, während dies bei rund 64% bzw. 60% der beiden anderen Zielgruppen der Fall ist. Dies weist darauf hin, dass ein Haushaltseinkommen unter der Armutsgefähr- dungsschwelle nicht unmittelbar zu einer prekären Lebenslage mit multiplen Problemlagen führt, und es stellt sich die Frage, welche Faktoren zusätzlich zur Armutsgefährdung das Risiko erhöhen. Anhand der in Übersicht 31 abgebildeten Quote wird das Risiko der verschiedenen soziodemogra- phischen Untergruppen deutlich, in mehrfache Ausgrenzungsgefährdung zu geraten. Hierbei zeigt sich zwischen Männern und Frauen kein Unterschied. Eine statistisch gesicherte Aussage für das Mehrfach- Ausgrenzungsgefährdungsrisiko nach Altersgruppen zu treffen, ist aufgrund der geringen Fallzahlen der über 64-Jährigen erschwert. Die Befunde deuten aber darauf hin, dass Personen im Alter von 65 und mehr Jahren eher seltener von multipler Ausgrenzungs- gefährdung betroffen sind als Jüngere. Dabei ist zu berücksichtigen, dass über 60-jährige Personen per Definition eine geringere Wahrscheinlichkeitaufweisen, in Ausgrenzungsgefährdung zu geraten, da für sie der Indikator “keine/ sehr niedrige Erwerbsintensität” nicht berechnet wird. Nach Haushaltstyp zeigt sich, dass alleinlebende Menschen, Ein-Eltern-Haushalte und Mehrpersonen- haushalte mit mindestens drei Kindern ein deutlich höheres Mehrfach-Ausgrenzungsgefährdungsrisiko haben als andere Haushaltsformen. Mit einer Quote von 16% sind Ein-Eltern-Haushalte am stärksten von multipler Ausgrenzung gefährdet. Personen, die maximalüber einen Pflichtschulabschluss verfügen, sind eher mehrfach ausgrenzungsgefähr- det als Personen mit höheren Bildungsabschlüssen. Auch nach Staatsbürgerschaft zeigen sich deutliche Unterschiede: Personen mit nicht österreichischer Staatsbürgerschaft haben ein drei Mal so hohes Ri- siko (12%), in multiple Ausgrenzungsgefährdung zu geraten, als österreichische StaatsbürgerInnen (4%). Übersicht 31: Mehrfach-Ausgrenzungs- gefährdete nach soziodemographischen Merkmalen Mehrfach-Ausgren- zungsgefährdet in 1.000 Anteil in % Quote in % Insgesamt 388 100 5 Männer ab 20 Jahren Zusammen 128 33 4 20-39 Jahre 52 13 5 40-64 Jahre 72 19 5 65 Jahre und älter (5) (1) (1) Frauen ab 20 Jahren Zusammen 151 39 4 20-39 Jahre 57 15 5 40-64 Jahre 87 22 6 65 Jahre und älter (8) (2) (1) Haushaltstyp Alleinlebende Männer 65 17 12 Alleinlebende Frauen 68 18 9 Mehrpersonenhaushalt ohne Kinder 71 18 2 Ein-Eltern-Haushalt 44 11 16 Mehrpersonenhaushalt + 1 Kind 19 5 1 Mehrpersonenhaushalt + 2 Kinder 35 9 2 Mehrpersonenhaushalt + mind. 3 Kinder 84 22 12 Höchster Bildungsabschluss Max. Pflichtschule 134 34 8 Lehre/mittlere Schule 108 28 3 Matura 49 13 4 Universität 13 3 2 Staatsbürgerschaft Österreich 273 70 4 Nicht Österreich 115 30 12 Q: STATISITK AUSTRIA, EU-SILC 2011. Zahlen in Klammern beruhen auf geringen Fallzahlen. Sind in der Randverteilung weniger als 50 oder in der Zelle weniger als 20 Fälle vorhanden, wird geklammert.
  • 87.
    UMVERTEILUNGSWIRKUNG DER SOZIALLEISTUNGEN 85 7.UMVERTEILUNGSWIRKUNG DER SOZIALLEISTUNGEN Das folgende Kapitel untersucht die Wirkung von Sozialleistungen auf die Haushaltseinkommen und stellt dar, wie die Armutsgefährdung von Sozial- leistungen beeinflusst wird. Geldleistungen der öf- fentlichen Hand können bewusst zur Armutsreduktion eingesetzt werden, wie etwa Mindestsicherung oder Ausgleichszulage, oder sie stellen Ersatzleistungen dar (Pensionen, Arbeitslosenleistungen etc.), die indirekt das Armutsrisiko senken. Zum Teil können durch Sozialleistungen zudem hohe Kosten ausge- glichen werden, die mit bestimmten Lebenssitua- tionen einhergehen, wie etwa Ausgaben für Kinder oder der Aufwand für Versorgung bei Krankheit oder Behinderung. Für Haushalte mit niedrigem Haushalts- einkommen stellen Sozialleistungen einen wichtigen Einkommensbestandteil dar. Auch wenn der Lebens- standard gemessen am Haushaltseinkommen trotz der Sozialleistungen oft unterdurchschnittlich bleibt, bewahren diese eine große Bevölkerungsgruppe vor einem noch stärkeren Absinken ihres Lebensstan- dards. Auch Sachleistungen desSozialsystems tragen zur Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen bei. In Österreich machen Sachleistungen 26% der Ausgaben der öffentlichen Hand für Sozialschutz aus.66 Diese Leistungen werden in den folgenden Analysen nicht berücksichtigt. 7.1 Anteil der Sozialleistungen und Pensionen am Haushaltseinkommen Sozialleistungen machen 17% des verfügbaren Haushaltseinkommens67 der Privathaushalte in Österreich aus (Übersicht 32). Pensionen bilden im Durchschnitt 19% des Haushaltseinkommens, sodass insgesamt 36% des verfügbaren Haushalts- einkommens aus Leistungen der öffentlichen Hand stammen. Laut EU-SILC 2011 machen die Pensionen in Summe 35,0 Mrd. Euro des Nettoeinkommens der privaten Haushalte aus, Sozialleistungen 17,4 Mrd. Euro.68 SOZIALLEISTUNGEN: Berücksichtigt werden alle Sozialleistungen und Pensionen der öffentlichen Hand: Familienleistungen (Famili- enbeihilfe, Wochengeld, Kinderbetreuungsgeld, staatliche Unterhaltsvorschüsse), Arbeitslosenleistungen (Ar- beitslosengeld, Notstandshilfe, Leistungen zur Deckung des Lebensunterhalts, vorzeitige Alterspension wegen Arbeitslosigkeit vor Erreichen des gesetzlichen Pensionsalters), Gesundheitsleistungen (Krankengeld; Unfallrente, Pflegegeld, Invaliditätspension vor Erreichen des gesetzlichen Pensionsalters; sonstige Unfall- und Krankenleis- tungen), Bildungsleistungen (Stipendien und Studienbeihilfen, sonstige Bildungsleistungen), Wohnbeihilfen und Bedarfsorientierte Mindestsicherung/Sozialhilfe. Als Pensionen gelten Unfallrenten, Invaliditätspensionen, vor- zeitige Alterspension wegen Arbeitslosigkeit und Pflegegeld für Personen im Pensionsalter (Frauen ab 60, Männer ab 65 Jahre), Eigenpensionen sowie Hinterbliebenenpensionen. 66 Vgl. http://www.statistik.at/web_de/statistiken/soziales/sozialschutz_nach_eu_konzept/sozialausgaben/020177.html (30.11.2012) 67 Der relative Anteil wird nicht vom äquivalisierten Haushaltseinkommen auf Personenebene, sondern vom verfügbaren Haushaltseinkom- men auf Haushaltsebene berechnet. 68 Ohne Sachleistungen. Vgl. Tabelle 11.1b im Tabellenband zu EU-SILC 2011 (Statistik Austria 2012).
  • 88.
    UMVERTEILUNGSWIRKUNG DER SOZIALLEISTUNGEN 86 Übersicht32: Anteil der Sozialleistungen und Pensionen am verfügbaren Haushalts- einkommen Haushaltstyp Anzahl Personen in 1.000 Median des verfügbaren Haushaltsein- kommens pro Jahr in Euro Relativer Anteil am verfügbaren Haushalts- einkommen Sozial- leistungen Pensionen Sozial- leistungen plus Pensionen in % Insgesamt 8.316 31.759 17 19 36 Haushalte mit Pension 1.530 25.927 5 88 93 Davon nicht armutsgefährdet 1.326 28.277 5 87 92 Davon armutsgefährdet 204 11.681 7 90 97 Alleinlebende Männer 128 20.433 2 95 97 Alleinlebende Frauen 304 17.858 12 86 98 Mehrpersonenhaushalte 1.097 33.060 4 87 91 Haushalte ohne Pension 6.786 34.844 20 3 23 Davon nicht armutsgefährdet 5.938 39.392 15 4 19 Davon armutsgefährdet 847 11.700 50 2 52 Alleinlebende Männer 432 21.000 22 0 22 Alleinlebende Frauen 459 17.550 33 7 40 Mehrpersonenhaushalt ohne Kinder 1.963 43.695 12 6 18 Haushalte mit Kindern 3.931 44.480 22 2 24 Ein-Eltern-Haushalt 267 25.487 34 0 34 Mehrpersonenhaushalt + 1 Kind 1.440 46.351 15 3 18 Mehrpersonenhaushalt + 2 Kinder 1.498 47.143 21 2 23 Mehrpersonenhaushalt + mind. 3 Kinder 727 46.281 32 2 34 Haushalt mit jüngstem Kind… Bis 3 Jahre 1.125 40.122 31 2 33 4 bis 6 Jahre 618 39.819 24 1 25 Über 6 Jahre 2.242 48.166 16 4 20 Haushalte mit … Behinderung (im Erwerbsalter) 707 29.761 34 15 49 Kurzzeit -Arbeitslosigkeit <6 Monate 937 33.380 23 3 26 Langzeit -Arbeitslosigkeit >= 12 Monate 624 25.540 46 7 53 Ausl. Mitglied (Nicht EU/EFTA) 914 31.203 30 4 34 Eingebürgerten (ohne ausländ. Mitglied) 348 29.828 28 12 40 Q: STATISTIK AUSTRIA, EU-SILC 2011. Personen in Haushalten. Behinderung: Subjektiv wahrgenommene starke Einschränkung bei Tätigkeiten des normalen Alltagslebens seit mindestens sechs Monaten. Arbeitslosigkeit: Insgesamt gibt es 716.000 Personen, die 2010 mindestens 1 Monat Hauptaktivität „Arbeitslos“ angaben. In diesen Haus- halten leben 1,74 Mio. Menschen. Für die Übersicht wurden nur die Extreme ausgewählt, das heißt, jene Haushalte sind nicht enthalten, in denen nur Arbeitslose leben, die 7 bis 11 Monate arbeitslos waren. 19.000 Personen leben in Haushalten, in denen Kurz- und Langzeitar- beitslose nach den in der Übersicht ausgewiesenen Kategorien zusammenleben. Haushalte mit ausländischen Mitgliedern und Haushalte mit Eingebürgerten sind nicht überschneidend: Haushalte mit Eingebürgerten (aus Nicht-EU/EFTA) enthalten per Definition keine AusländerInnen. Sozialleistungen umfassen Familien-, Bildungs-, Arbeitslosen-, Gesundheitsleistungen, Sozialhilfe/Mindestsicherung und Wohnbeihilfen sowie Hinterbliebenenleistungen und Pensionen von Personen im Erwerbsalter.
  • 89.
    UMVERTEILUNGSWIRKUNG DER SOZIALLEISTUNGEN 87 Jenach Haushaltstyp schwanken die Anteile der Pen- sionen undSozialleistungen am Haushaltseinkommen beträchtlich. In Haushalten, deren Haupteinkom- mensquelle Pensionen darstellen, machen diese 88% des verfügbaren Haushaltseinkommens aus. Zusammen mit Sozialleistungen werden insgesamt 93% aus sozialstaatlichen Leistungen abgedeckt. Bei alleinlebenden Frauen mit Pension ist der Anteil aus Sozialleistungen mit 12% wesentlich höher als bei alleinlebenden Männern mit Pension (2%) oder bei Mehrpersonenhaushalten mit Pension (4%), da sie seltener über eine eigene Alterspension verfügen. Besonders hoch ist der Anteil von Sozialtransfers und Pensionen bei alleinlebenden Personen und Armutsgefährdeten (97% bzw. 98%). Personen mit einem äquivalisierten Haushaltseinkommen über der Armutsgefährdungsschwelle oder in Mehrpersonen- haushalten lebende Personen mit Pension beziehen neben ihren Pensionen undSozialleistungen noch 8% bzw. 9% ihres Haushaltseinkommens aus anderen Quellen. In den übrigen Haushaltstypen machen Pensionen mit 3% nur einen geringen Anteil am Haushaltseinkommen aus, ein Fünftel des verfügbaren Haushaltseinkom- mens kommt jedoch ausSozialleistungen. In armuts- gefährdeten Haushalten machen Sozialleistungen 50% des Haushaltseinkommens aus. Insbesondere alleinlebende Frauen, Ein-Eltern-Haushalte und Mehrpersonenhaushalte mit mindestens drei Kindern beziehen über 30% ihres Haushaltseinkommens aus Sozialleistungen. Unterdurchschnittliche Anteile an Sozialleistungen beziehen Mehrpersonenhaushalte ohne oder mit einem Kind (12% bzw. 15%). In Haushal- ten mit Kindern nimmt der Anteil der Sozialleistungen mit dem Alter des jüngsten Kindes ab: Ist das jüngste Kind drei Jahre oder jünger, erhalten die Haushalte 31% ihres Einkommens aus Sozialleistungen, bei über Sechsjährigen nur noch 16%. Haushalte, dieSozialleistungen als Einkommensersatz bei Behinderung oder Arbeitslosigkeit beziehen, sind durch verringerte Erwerbsmöglichkeiten zu einem hohen Grad von diesen Bezügen abhängig. Sozi- alleistungen und Pensionen machen für Haushalte mit behinderten Mitgliedern im Erwerbsalter knapp die Hälfte des Haushaltseinkommens aus, für Haus- halte mit Langzeitarbeitslosen 53%. Bei kurzzeitiger Arbeitslosigkeit eines Haushaltsmitglieds wird rund ein Viertel des Haushaltseinkommens durch Sozial- leistungen und Pensionen getragen. In Haushalten mit ausländischen Mitgliedern spielen Pensionen mit einem Anteil von 4% nur eine geringe Rolle für das gesamte Haushaltseinkommen. Gibt es eingebürgerte Personen im Haushalt, kommt mit 12% ein etwas größerer Anteil des Haushaltseinkommens ausPensionen.Sozialleistungen machen in Haushalten mit ausländischen oder eingebürgerten Mitgliedern 30% bzw. 28% des Haushaltseinkommens aus. 7.2 Armutsgefährdung nach Haupteinkommensquelle Wenn ein Haushalt aufSozialleistungen als Hauptein- kommensquelle angewiesen ist, werden meist nur niedrige Haushaltseinkommen erzielt. Dement- sprechend hoch ist für diese Gruppe mit 51% die Armutsgefährdungsquote (Grafik 18). Kommt das Haushaltseinkommen zum Großteil aus Pensionen oder selbständigem Erwerbseinkommen, liegt das Armutsrisiko im Durchschnitt bei 13% bzw. 12%, bei unselbständigem Einkommen sogar deutlich niedriger (6%). Ein erhöhtes Armutsrisiko haben hingegen Per- sonen, deren Haushalt vor allem private Einkommen wie Unterhaltszahlungen, Kapitaleinkommen oder Privatpensionen bezieht (40%).
  • 90.
    UMVERTEILUNGSWIRKUNG DER SOZIALLEISTUNGEN 88 7.3Armutsgefährdung vor und nach Sozialleistungen und Pensionen Entsprechend ihrem Anteil am Haushaltseinkommen und der Höhe der ausbezahlten Beträge können Sozialleistungen und Pensionen das Einkommen eines Haushalts über die Armutsgefährdungsschwel- le anheben. Um diesen Effekt abzubilden, wird die „Armutsgefährdungsquote vor Sozialleistungen und Pensionen“ mit einem Haushaltseinkommen ohne Sozialleistungen und Pensionen berechnet, wobei die gleiche Schwelle von 1.066 Euro für einen Ein- personenhaushalt angewendet wird. Im Haushalts- einkommen werden demnach nur Einkünfte aus Arbeit und Vermögen (Faktoreinkommen) und aus privaten Zahlungen berücksichtigt. Ebenso können die Auswirkungen einzelner Gruppen von Sozial- leistungen getrennt betrachtet werden, indem sie einzeln vom Haushaltseinkommen abgezogen werden (Übersicht 33). Vor Sozialleistungen und Pensionen liegt die Armutsgefährdungsquote insgesamt bei 44%, nach Sozialleistungen und Pensionen bei 13%. Das entspricht einer Verringerung des Armutsrisikos um rund 70%. In absoluten Zahlen hätten 2,5 Mio. Menschen ohne Pensionen undSozialleistungen ein Einkommen unter der Armutsgefährdungsschwelle. ARMUTSGEFÄHRDUNG VOR SOZIALLEISTUNGEN UND PENSIONEN: Armutsgefährdung nach Abzug von Sozialtransfers und Pensionen vom Haushaltseinkommen, unter Beibehaltung der Armutsgefährdungsschwelle inklusive Sozialleistungen und Pensionen bei 60% des Medians. Die Armutsge- fährdung beträgt in der Gesamtbevölkerung laut EU-SILC 2011 13%. Würde man bei gleichbleibender Schwelle die Armutsgefährdung anhand des Einkommens ohne Sozialleistungen und Pensionen berechnen, würde sie 44% betragen (nur ohne Pensionen und Hinterbliebenenleistungen 32% bzw. nur ohne Sozialleistungen 25%). Ohne Familien- und Bildungsleistungen, aber mit allen anderen Leistungen würde die Armutsgefährdung 20% betragen, Grafik 18: Armutsgefährdungsquote nach Haupteinkommensquelle des Haushalts 0 10 20 30 40 50 60 Gesamt Unselbständige Arbeit Selbstständige Arbeit Sozial- leistungen Pensionen Private Einkommen 13 6 12 51 13 40 Armutsgefährdungsquotein% Haupteinkommensquelle Armutsgefährdete 1.051 287 80 417 212 55Personen in 1.000 Q: STATISTIK AUSTRIA, EU-SILC 2011.
  • 91.
    UMVERTEILUNGSWIRKUNG DER SOZIALLEISTUNGEN 89 ohneArbeitslosenleistungen 16% usw. Es handelt sich um eine rein fiktive Berechnung, da sich bei Wegfall der Sozialleistungen auch der Median des Haushaltseinkommens ändern würde. Unter der Annahme einer gleich- bleibenden Schwelle kann der Einfluss von Sozialleistungen für unterschiedliche Gruppen und Lebensphasen dargestellt werden (vgl. Übersicht 33). Übersicht 33: Armutsgefährdung vor und nach Sozialleistungen und Pensionen nach Haus- haltszusammensetzung Anzahl Personen in 1.000 Armutsgefährdungsquote nach Sozial- leistun- gen und Pensio- nen in % vor … Pensio- nen u. Sozial- leistun- gen Pensio- nen u. Hinter- bliebe- nenleis- tungen Sozial- leistun- gen Famili- en-/Bil- dungs- leistun- gen Arbeitslo- senleis- tungen Gesund- heitsleis- tungen Sozialhil- fe/Wohn- beihilfe in % Insgesamt 8.316 13 44 32 25 20 16 15 13 Haushalte mit Pension 1.530 13 96 95 16 14 15 15 14 Alleinlebende Männer 128 13 97 97 13 13 13 13 13 Alleinlebende Frauen 304 26 99 99 28 26 27 26 28 Mehrpersonenhaushalt 1.097 10 95 94 13 10 12 12 10 Haushalte ohne Pension 6.786 12 32 17 27 21 16 15 13 Alleinlebende Männer 432 23 33 23 33 23 28 26 24 Alleinlebende Frauen 459 26 51 45 34 27 30 29 29 Mehrpersonenhaushalt ohne Kinder 1.963 7 22 12 16 8 11 12 8 Haushalte mit Kindern 3.931 12 34 16 31 26 16 13 13 Ein-Eltern-Haushalt 267 24 53 26 50 43 30 25 30 Mehrpersonenhaushalt + 1 Kind 1.440 5 22 9 18 13 9 7 6 Mehrpersonenhaushalt + 2 Kinder 1.498 10 34 14 30 25 13 11 11 Mehrpersonenhaushalt + mind. 3 Kinder 727 26 53 29 50 49 28 27 27 Haushalte mit dem jüngsten Kind Bis 3 Jahre 1.125 15 48 18 45 43 19 15 16 4 bis 6 Jahre 618 21 43 24 40 37 24 22 22 Über 6 Jahre 2.242 8 27 14 20 15 12 10 9 Q: STATISTIK AUSTRIA, EU-SILC 2011. Personen in Haushalten. Pensionen: Alters- und Hinterbliebenenleistungen. - Familienleistungen: Familienbeihilfe, Wochengeld, Kinderbetreuungsgeld, staatl. Unterhaltsvorschüsse. - Bildungsleistungen: Stipendien und Studienbeihilfen, sonstige Bildungsleistungen. - Arbeitslosenleistungen: Ar- beitslosengeld, Notstandshilfe, Altersteilzeit (Betrag vom AMS), Leistung zur Deckung des Lebensunterhalts, vorzeitige Alterspension we- gen Arbeitslosigkeit, andere Arbeitslosenleistungen. - Gesundheitsleistungen: Krankengeld, Unfallrente, Pflegegeld, Invaliditätspension von Personen unterhalb des Pensionsalters, sonstige Unfall- und Krankenleistungen. - Sozialhilfe: Einmalzahlungen und Dauerleistungen, Bedarfsorientierte Mindestsicherung. Lesehilfe: Die Armutsgefährdung beträgt in der Gesamtbevölkerung laut EU-SILC 2011 13%. Würde man bei gleichbleibender Schwelle die Armutsgefährdung anhand des Einkommens ohne Sozialtransfers und Pensionen berechnen, würde sie 44% betragen (nur ohne Pensionen und Hinterbliebenenleistungen 32% bzw. nur ohne Sozialtransfers 25%). Ohne Familien- und Bildungsleistungen, aber mit allen anderen Leistungen würde die Armutsgefährdung 20% betragen, ohne Arbeitslosenleistungen 16% usw.
  • 92.
    UMVERTEILUNGSWIRKUNG DER SOZIALLEISTUNGEN 90 InHaushalten mit der Haupteinkommensquelle aus Pensionen besteht das Haushaltseinkommen fast vollständig aus Pensionen, und es stehen nur in geringem Ausmaß andere Einkommensquellen zur Verfügung (vgl. Übersicht 32). Dementsprechend ist diese Gruppe vor Pensionen und Hinterbliebenen- leistungen fast zur Gänze armutsgefährdet (96%), während die anderen Sozialleistungen deutlich weniger Einfluss auf die Armutsgefährdungsquote dieser Haushalte haben. Für andere Haushalte ohne Kinder tragen vor allem Arbeitslosen- und Gesund- heitsleistungen zu einem geringeren Armutsrisiko bei, für alleinlebende Frauen auch Hinterbliebe- nenleistungen. Leben Kinder im Haushalt, sind Familien- und Bildungsleistungen wesentliche Einkommensbestandteile, die das Haushaltseinkom- men über die Armutsgefährdungsschwelle heben. So beträgt das Armutsrisiko nach Sozialleistungen und Pensionen für Haushalte mit Kindern 12%, vor Familien- und Bildungsleistungen 26%. Rechnet man alle Sozialleistungen und Pensionen heraus, ergibt sich ein Armutsrisiko von 34%. Besondere Bedeutung haben Sozialleistungen für Ein-Eltern-Haushalte und Mehrpersonenhaushalte mit mindestens drei Kindern, die vor Sozialleistungen zu 50% armutsgefährdet sind. Sie verzeichnen aber auch nach Sozialleistungen und Pensionen noch eine Armutsgefährdungsquote von 24% bzw. 26%. Neben Familienleistungen sind für diese Gruppe auch Bedarfsorientierte Mindestsicherung bzw. Sozial- hilfe, Wohnbeihilfe und Arbeitslosenleistungen für die Aufrechterhaltung eines Lebensstandards über der Armutsgefährdungsschwelle von besonderer Bedeutung. Für Personen mit Behinderung stellen Sozialleistun- gen wie etwa das Pflegegeld, Invaliditätspension oder erhöhte Familienbeihilfe einen Ausgleich für zusätzliche Ausgaben aufgrund der Behinderung und die verringerte oder gänzlich unmögliche Er- werbsbeteiligung dar. Dementsprechend groß ist die Verringerung des Armutsrisikos durch diese Leistun- gen, das vor Sozialleistungen und Pensionen 62% beträgt (Übersicht 34). Ganz ausgeglichen werden diese Belastungen durch Sozialleistungen jedoch nicht, die Armutsgefährdungsquote ist auch nach Sozialleistungen und Pensionen mit 20% überdurch- schnittlich hoch. Vor Sozialleistungen und Pensionen sind 74% der Personen in Haushalten mit Arbeitslosigkeit von mindestens zwölf Monaten armutsgefährdet. Arbeits- losenleistungen als Einkommensersatz für fehlendes Erwerbseinkommen sind für diese Haushalte wesent- licher Bestandteil des Haushaltseinkommens. Ohne diese Leistungen wären bei Langzeitarbeitslosigkeit im Haushalt 58% der Personen armutsgefährdet, im Vergleich zu 39% nach Sozialleistungen und Pensio- nen. Ohne Familien- und Bildungsleistungen wären 49% dieser Haushaltsmitglieder armutsgefährdet, aber auch Sozialhilfe und Gesundheitsleistungen spielen in diesen Haushalten eine stärkere Rolle für die Reduktion des Armutsrisikos. Bei Kurzzeitar- beitslosigkeit eines Mitglieds sind die Haushalte in deutlich geringerem Ausmaß von Sozialleistungen abhängig als bei Langzeitarbeitslosigkeit. Vor Ar- beitslosenleistungen sind etwa 22% der Personen in diesen Haushalten armutsgefährdet, vor Familien- und Bildungsleistungen 25%. Nach Sozialleistungen und Pensionen liegt die Armutsgefährdungsquote der Haushalte mit Kurzzeitarbeitslosigkeit mit 13% hingegen im Durchschnitt. Haushalte mit ausländischen oder (aus Nicht-EU/ EFTA-Staaten) eingebürgerten Mitgliedern sind vor Sozialleistungen und Pensionen zu 60% armuts- gefährdet. Besonders hoch ist ihr Armutsrisiko vor Familienleistungen (48% bzw. 37%) und vor Arbeits- losenleistungen (36 %). Die staatlichen Transferleis- tungen verringern ihr Armutsrisiko auf immer noch überdurchschnittliche 28% bzw. 25%.
  • 93.
    UMVERTEILUNGSWIRKUNG DER SOZIALLEISTUNGEN 91 7.4Umverteilungswirkung der Sozialleistungen im europäischen Vergleich Sozialleistungen und Pensionen tragen im gesamten europäischen Raum deutlich zur Verringerung des Armutsrisikosbei, wie der Ländervergleich in Grafik19 zeigt. MitAusnahmevon Bulgarien wirddie Armutsge- fährdungsquote durch Pensionen undSozialleistungen inallendargestelltenLändernummindestensdieHälfte reduziert, der EU-Schnitt liegt bei einer Reduktion um 62%.IndenLändernmitderstärkstenVerringerungwird die Armutsgefährdungsquote um biszu 75% gesenkt, wenn auch von sehr unterschiedlichen Niveaus aus- gehend: in Ungarn etwavon 52% auf14%, imVergleich zu Niederlande von 37% auf 11%. In Österreich ist bei einer Reduktion um 71% dieSituationvergleichbar mit den Niederlanden oder Luxemburg. Pensionen geben dabei in den meisten Ländern den größten Ausschlag zurVerringerung desArmutsrisikos. Ausnahmen Irland Übersicht 34: Armutsgefährdung vor und nach Sozialleistungen und Pensionen in ausge- wählten Risikogruppen Anzahl Personen in 1.000 Armutsgefährdungsquote nach Sozial- leistungen und Pensi- onen in % vor … Pensionen u. Sozial- leistungen Pensio- nen u. Hinterblie- benenleis- tungen Sozial- leistungen Familien/ Bildungs- leistungen Arbeits- losen- leistungen Gesund- heitsleis- tungen Sozialhil- fe/Wohn- beihilfe in % Insgesamt 8.316 13 44 32 25 20 16 15 13 Haushalt mit … Behinderung (im Erwerbsalter) 707 20 62 34 50 28 31 32 21 Arbeitslosigkeit Kurzzeit <6 Monate 937 13 43 19 36 25 22 16 14 Langzeit >= 12 M. 624 39 74 49 67 49 58 42 43 ausl. Mitglied (Nicht EU/EFTA) 914 28 60 33 56 48 36 30 30 Eingebürgerten (ohne ausl. Staatsb.) 348 25 60 36 48 37 36 27 28 Q: STATISTIK AUSTRIA, EU-SILC 2011. Personen in Haushalten, in denen mindestens eine Person mit dem angeführten Merkmal lebt. Behinderung: Subjektiv wahrgenommene starke Einschränkung bei Tätigkeiten des normalen Alltagslebens seit mindestens sechs Monaten. Arbeitslosigkeit: Insgesamt gibt es 716.000 Personen, die 2010 mindestens 1 Monat Hauptaktivität Arbeitslos angaben. In diesen Haus- halten leben 1,74 Mio. Menschen. Für die Übersicht wurden nur die Extreme ausgewählt, das heißt, jene Haushalte sind nicht enthalten, in denen nur Arbeitslose leben, die 7 bis 11 Monate arbeitslos waren. 19.000 Personen leben in Haushalten, in denen Kurz- und Langzeitar- beitslose nach den in der Übersicht ausgewiesenen Kategorien zusammenleben. Haushalte mit ausländischen Mitgliedern und Haushalte mit Eingebürgerten sind nicht überschneidend: Haushalte mit Eingebürgerten (aus Nicht-EU/EFTA) enthalten per Definition keine AusländerInnen. Pensionen: Alters- und Hinterbliebenenleistungen. Familienleistungen: Familienbeihilfe, Wochengeld, Kinderbetreuungsgeld, staatl. Un- terhaltsvorschüsse. - Bildungsleistungen: Stipendien und Studienbeihilfen, Studiengebührenrückerstattung, sonstige Bildungsleistungen. - Arbeitslosenleistungen: Arbeitslosengeld, Notstandshilfe, Altersteilzeit (Betrag vom AMS), Leistungen zur Deckung des Lebensunterhalts, vorzeitige Alterspension wegen Arbeitslosigkeit, andere Arbeitslosenleistungen. - Gesundheitsleistungen: Krankengeld, Unfallrente, Pfle- gegeld, Invaliditätspension von Personen unterhalb des Pensionsalters, sonstige Unfall- und Krankenleistungen. Sozialhilfe: Einmalzah- lungen und Dauerleistungen.
  • 94.
    UMVERTEILUNGSWIRKUNG DER SOZIALLEISTUNGEN 92 undGroßbritannien, woSozialleistungen die Armuts- gefährdung stärker beeinflussen. Zwischen den Ländern gibt es in der Armutsgefähr- dungsquote vor Sozialleistungen und Pensionen größere Unterschiede in der Quote als nach Sozial- leistungen und Pensionen. ZumTeil werden auch sehr hohe Quoten vor Sozialleistungen und Pensionen auf durchschnittliche Werte reduziert, wie in Ungarn, Irland und Deutschland. In Portugal, Estland und Bulgarien ist hingegen die Armutsgefährdungsquote vor Sozi- alleistungen und Pensionen unterdurchschnittlich, liegt aber nach Berücksichtigung dieser Leistungen über dem EU-Schnitt. Grafik 19: Armutsgefährdung vor und nach Sozialleistungen und Pensionen der EU-27-Staaten 0 10 20 30 40 50 60 70 80 TschechienUngarn Österreich Niederlande Luxem burgIrland* Frankreich Dänem ark SchwedenFinnlandSlovenienSlowakei DeutschlandBelgien GroßbritannienLitauen PolenLettland M altaPortugalEstlandZypern ItalienRum änien GriechenlandSpanienBulgarien Armutsgefährdungsquote nach Sozialleistungen und Pensionen nur vor Sozialleistungen armutsgefährdet nur vor Pensionen armutsgefährdet Verringerung der Armutsgefährdungsquote durch Sozialleistungen und Pensionen in % inProzent EU-27 Q: Eurostat, EU-SILC 2010 und 2011. Datenbank zum Stand 19.12.2012, eigene Darstellung. Reihung von der höchsten zur geringsten prozentuellen Verringerung der Armutsgefährdungsquote durch Sozialleistungen und Pensionen. * Aktuellste Zahlen stammen aus 2010.
  • 95.
    ÖSTERREICHS INDIKATOREN FÜRSOZIALE EINGLIEDERUNG 93 8. ÖSTERREICHS INDIKATOREN FÜR SOZIALE EINGLIEDERUNG Das Ziel der Bundesregierung zur Verringerung von Armut bezieht sich heute auf eine Kennzahl: den Leitindikator der Europa 2020-Strategie für Armuts- oder Ausgrenzungsgefährdung. Nach den gemeinsamen EU-Kriterien sind rund 1,4 Millionen Menschen betroffen. Das für Österreich im Nationa- len Reformprogramm (BKA 2012) festgeschriebene Ziel ist eine Reduktion dieser Zahl um mindestens 235.000 Personen innerhalb von zehn Jahren. Bezogen auf das Jahr 2008 entspricht das einer Reduktion um 15,3% bzw. 1,5% pro Jahr. Armut ist eine nor- mative Frage, die immer die Wertmaßstäbe einer Gesellschaft spiegelt. Der gemeinsame Beschluss der europäischen Staats- und Regierungschefs aus dem Jahr 2010 hat es den Mitgliedstaaten deshalb grundsätzlich freigestellt, alternative Kriterien für nationale Zielsetzungen heranzuziehen. Diese Möglichkeit wurde von Österreich bisher nicht in Anspruch genommen. Ergänzend zur EU-Definition hat Statistik Austria im Auftrag des BMASK aber einen Katalog von 20 Indikatoren für fünf Lebensbereiche entwickelt, die im Juni 2012 von der Nationalen Plattform gegen Armut angenommen wurden. Dafür wurden die bereits seit dem Jahr 2008 bestehenden Eingliederungsindikatoren überarbeitet und ergänzt (BMASK 2012). 8.1 20 Nationale Indikatoren Die nachfolgende Tabelle bietet eine Übersicht des gesamten Indikatorenkatalogs. Dargestellt sind die jeweiligen Absolutzahlen bzw. Anteilswerte für jeden Indikator. Selbstverständlich hängt es immer davon ab, wie ein Indikator definiert ist, wie viele Menschen als benachteiligt oder sogar arm angesehen werden. Über manche Definitionen wurde sogar über Jahrzehn- te diskutiert, bevor auf EU-Ebene ein Kompromiss gefunden werden konnte und auch den nationalen Indikatoren ging ein aufwendiger Konsultations- und Entscheidungsprozess voraus. Dabei ist die Frage, welche Kriterien das „richtige“ Ergebnis liefern vor allem von ideologischem Interesse. Wenn man sich einmal auf eine Definition geeinigt hat, sind nur Vergleiche wirklich sinnvoll. Das gilt natürlich insbe- sondere für internationale Vergleiche. Für nationale Indikatoren sind besonders Vergleiche über die Zeit interessant. Im Jahr 2011 hat sich die Zahl der Perso- nen, die von monetärer Armutsgefährdung betroffen waren, nicht signifikant gegenüber dem Jahr 2008 verändert. Diese Aussage gilt auch bei alternativen Schwellenwerten für monetäre Armutsgefährdung.69 Sie gilt aber nicht für den zentralen EU-Indikator der Armuts- oder Ausgrenzungsgefährdung, der neben dem Einkommen auch Konsumeinschränkungen (De- privation) und die Erwerbsintensität berücksichtigt. Es gibt demnach Bereiche, die sich besser entwickelt haben als andere. Genau solche Unterschiede nä- her herauszuarbeiten, ist Aufgabe der nationalen Eingliederungsindikatoren. Die folgende Übersicht zeigt die EU-Leitindikatoren sowie alle nationalen Indikatoren für die Gesamtbe- völkerung in den Jahren 2008 bis 2011. Diese Zahlen bilden die Grundlage für die Detailanalysen und Indexdarstellungen zu den einzelnen Indikatoren. 69 Im Jahr 2011 stiegt die Armutsgefährdungsquote von 12,4 auf 12,6%. Sowohl Eurostat als auch Statistik Austria (vgl. Kap 3.1) publizieren auch Ergebnisse für Schwellenwerte von 40%, 50% oder 70% des Medianeinkommens. Nach diesen Schwellenwerten wären im Jahr 2011 anstatt 12,6% jeweils 3,0%, 7,1% oder 20,6% der Gesamtbevölkerung armutsgefährdet. Alle dieseWerte sind höher als die Vergleichswerte für 2008 2,4% 5,8%, 12,4% bzw. 20,1%. Dabei ist die Zunahme umso stärker je strenger die Definition des Schwellenwertes ist. Bei der niedrigsten Schwelle lag der Zuwachs bei 25% während bei der 70%-Schwelle nur um 2,5% Personen mehr betroffen waren als im Jahr 2008.
  • 96.
    ÖSTERREICHS INDIKATOREN FÜRSOZIALE EINGLIEDERUNG 94 Übersicht 35: Österreichs Indikatoren für soziale Eingliederung 2008 2009 2010 2011 in % in 1.000 in % in 1.000 in % in 1.000 in % in 1.000 Nationale Indikatoren Lebensstandard 1) Manifeste Armut 6,0 492 5,9 488 6,2 511 5,2 431 2) Standard. preisber. Medianeinkommen (Steigerung zum Vorjahr/Euro) 2,4* 19.010* 1,4* 19.272* 3,2* 19.889* 1,6* 20.189* 3) Einkommenslücke (Prozent vom BIP/Mio.) 0,6 1.752 0,7 2.048 0,7 2.004 0,9 2.570 4) Verfestigte Deprivation 9,0 713 11,9 957 10,6 855 9,7 781 5) Massive Zahlungsprobleme n.v. n.v. n.v. 145* n.v. 151* n.v. 155* Wohnraum 6) Überbelag in Mehrpersonenhaushalten 7,1 583 6,9 567 5,5 453 5,3 444 7) Sehr hoher Wohnungsaufwand 16,8* 1.387* 16,0* 1.325* 17,6* 1.460* 18,2* 1.511* 8) Prekäre Wohnqualität 3,6 294 3,5 292 3,3 273 2,8 229 9) Belastung durch Wohnumgebung 9,3 768 10,4* 859* 10,2 842 9,5* 790* 10) Registrierte Wohnungslosigkeit (in Prozent/Gesamtzahl) 0,1* 11.399* 0,2* 12.309* 0,2* 12.266* n.v. n.v. Erwerbsleben 11) Arbeitsmarktfernenquote 17,2* 750* 15,3* 665* 16,9* 747* 16,9* 751* 12) Haushaltseinkommen aus Erwerbsarbeit unter Armutsgefährdungsschwelle 1 ) 17,7* 1.086* 17,1* 1.056* 18,2* 1.126* 20,0* 1.243* 13) Löhne unter 2/3 des Bruttomedianlohns 15,2* 462* 14,9* 446* 13,7* 417* 14,3* 435* 14) Erwerbshindernisse durch Betreuungspflichten 1,9 78 2,0 85 2,0 82 1,8* 77* 15) Langzeitbeschäftigungslose n.V. 54* n.v. 58* n.V. 74* n.v. 74* Bildungschancen 16) Bildungsaktivität 34,2* 2.347* 35,3* 2.438* 36,3* 2.520* 37,6* 2.632* 17) Besuch vorschulischer Bildungseinrichtungen 42,0* 167* 44,4* 175* 45,7* 179* 46,9* 184* 18) Bildungsferne Jugendliche (Prozent des Jahrgangs/Gesamtzahl) 7,4* 7.251* 7,6* 7.410* 7,2* 6.926* 6,8* 6.320* Gesundheit 19) Mehrfache gesundheitliche Einschränkung 9,9* 677* 9,1* 631* 9,1* 630* 8,8* 618* 20)Soziale Lebenserwartungsdifferenzen (Männer und Frauen gesamt) 4,2 Jahre * EU-Indikatoren Armuts- oder Ausgrenzungsgefährdung 18,6* 1.532* 17,0* 1.406* 16,6* 1.373* 16,9* 1.407* Armutsgefährdung 12,4* 1.018* 12,0* 993* 12,1* 1.004* 12,6* 1.051* Haushalte mit keiner/niedriger Erwerbsintensität 2 ) 7,8 503 7,2 461 7,8 497 8,1 519 Erhebliche materielle Deprivation 6,4 524 4,8 395 4,3 356 3,9 325 Q: STATISTIK AUSTRIA, EU-SILC, Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen, Kreditschutzverband von 1860, Statistik des Bevölkerungsstan- des, Mikrozensus-Arbeitskräfteerhebung, Arbeitsmarktservice, Kindertagesheimstatistik, Schulstatistik, Verknüpfung von Volkszählun- gen/Proberegisterzählung 2006 mit Todesursachenstatistik. * Präzise Schätzungen: Schwankungsbreite nicht größer als 10% des Schätzwerts oder Wert basierend auf Gesamtzählungsdaten. Keine Hervorhebung: Schwankungsbreite liegt zwischen 10% und 20% des Schätzwerts. 1) Anteil bezieht sich auf Personen in Erwerbshaushalten. 2) Anteil bezieht sich auf Personen im Alter von 0 bis 59 Jahren.
  • 97.
    ÖSTERREICHS INDIKATOREN FÜRSOZIALE EINGLIEDERUNG 95 Indikatoren für die Europa 2020-Zielgruppe Vorrangige Aufgabe der nationalen Indikatoren ist es auch, die reale Lebenssituation der Betrof- fenen und die Intensität von Armutslagen besser einschätzen zu können, als dies ausschließlich auf Basis von gemeinsamen EU-Kriterien möglich ist. Tatsächlich können sich die Lebensbedingungen für Armutsbetroffene auch dann entscheidend ver- ändern, wenn sich die Größe der Zielgruppe nicht verändert. Zum Beispiel liegt das Leistungsniveau der Mindestsicherung derzeit deutlich unterhalb der Armutsgefährdungsschwelle und kann daher nicht unmittelbar zu einer Verringerung von Armuts- oder Ausgrenzungsgefährdung beitragen. Auch die öffentliche Gesundheitsversorgung, Kinderbetreuung oder die Entwicklung der Lebens- und vor allem Wohnkosten spiegeln sich nicht automatisch in der Zahl der Gefährdeten, können aber große Bedeutung für die Betroffenen haben. Übersicht 36: Indikatoren für soziale Eingliederung (Armuts-/ Ausgrenzungsgefährdete) 2008 2009 2010 2011 in % in 1.000 in % in 1.000 in % in 1.000 in % in 1.000 Nationale Indikatoren Lebensstandard 1) Manifeste Armut 32,1 492 34,7 488 37,2 511 30,7 431 2) Standard. preisber. Medianeinkommen (Steigerung zum Vorjahr/Euro) 5,0* 10.480* -2,1* 10.260* 2,3* 10.498* 1,1* 10.611* 3) Einkommenslücke (Prozent vom BIP/Mio.) 0,6 1.752 0,7 2.049 0,7 2.004 0,9 2.570 4) Verfestigte Deprivation 32,6 469 41,0 580 40,5 542 33,7 455 Wohnraum 6) Überbelag in Mehrpersonenhaushalten 18,6 285 16,1 226 13,4 184 11,7 165 7) Sehr hoher Wohnungsaufwand 43,2* 661* 45,3* 638* 49,2* 675* 53,7* 755* 8) Prekäre Wohnqualität 7,7 118 8,5 120 7,1 98 5,4 76 9) Belastung durch Wohnumgebung 12,6 193 14,1 198 15,1 207 13,1 184 Erwerbsleben 11) Arbeitsmarktfernenquote 48,2* 354* 49,0* 314* 54,0* 344* 56,6* 363* 12) Haushaltseinkommen aus Erwerbsarbeit unter Armutsgefährdungsschwelle 1 ) 76,7* 624* 80,3* 604* 81,9* 589* 88,3* 639* 13) Löhne unter 2/3 des Bruttomedianlohns 41,7 125 37,7 86 39,9 86 39,0 78 Bildungschancen 16) Bildungsaktivität 25,7 323 26,0 303 29,1 324 29,5 336 Gesundheit 19) Mehrfache gesundheitliche Einschränkung 18,5 233 18,7 218 15,6 174 16,8* 192* EU-Indikatoren Armuts- oder Ausgrenzungsgefährdung 100,0* 1.532* 100,0* 1.406* 100,0* 1.373* 100,0* 1.407* Armutsgefährdung 66,5* 1.018* 70,6* 993* 73,1* 1.004* 74,7* 1.051* Haushalte mit keiner/niedriger Erwerbsintensität 2 ) 40,9 503 42,4 461 46,2 497 47,8 519 Erhebliche materielle Deprivation 34,2 524 28,1 395 25,9 356 23,1 325 Q: STATISTIK AUSTRIA, EU-SILC, die Indikatoren 5,10,14,15,17,18,20 basieren nicht auf EU-SILC und können daher nicht separat für die Grup- pe der Armuts- oder Ausgrenzungsgefährdeten ausgewiesen werden. * Präzise Schätzungen: Schwankungsbreite nicht größer als 10% des Schätzwerts oder Wert basierend auf Gesamtzählungsdaten. 1) Anteil bezieht sich auf Personen in ausgrenzungsgefährdeten Erwerbshaushalten. 2) Anteil bezieht sich auf Ausgrenzungsgefährdete im Alter von 0 bis 59 Jahren. Keine Hervorhebung: Schwankungsbreite liegt zwischen 10% und 20% des Schätzwerts. Lesebeispiel: Im Jahr 2011 waren 30,7% bzw. 431.000 Armuts- oder Ausgrenzungsgefährdete von manifester Armut betroffen.
  • 98.
    ÖSTERREICHS INDIKATOREN FÜRSOZIALE EINGLIEDERUNG 96 In diesem Kapitel wird die Entwicklung von allen 20 nationalen Eingliederungsindikatoren präsentiert, im Mittelpunkt steht aber die Aktualisierung jener 13 Kennzahlen, die auf Basis von EU-SILC berechnet werden können. Da diese Indikatoren separat für die Gruppe der Armuts- oder Ausgrenzungsgefährdeten berechnet werden können, lässt sich an ihnen die Veränderung der Intensität von Benachteiligungen innerhalb der Zielgruppe ablesen. Weiterführende Analysen zu den jeweiligen sozialen Differenzierun- gen bzw. Risikogruppen sind möglich und werden in einem separaten Bericht veröffentlicht (Statistik Austria 2013). Indexwerte als Kennzahlen für Veränderung Um die zeitliche Entwicklung hervorzuheben, werden in den folgenden Grafiken Indexzahlen dargestellt. Der Indexzeigt dann jeweils die relative Veränderung im Vergleich zum Jahr 2008, dem Ausgangspunkt für das Europa 2020-Ziel. Die Indexierung erleichtert auch die Gegenüberstellung von Entwicklungen bei Indikatoren, die sich auf völlig unterschiedliche Größenordnungen beziehen. Eine Veränderung der Zahl der derzeit rund 1,4 Millionen Armuts- oder Ausgrenzungsgefährdeten um 10.000 Personen ent- spricht einer Verschiebung um weniger als 1% und wäre kaum als statistisch signifikante Veränderung zu werten. Würde sich aber beispielsweise die Zahl der registrierten Wohnungslosen unerwartet um 10.000 erhöhen, dann hätte sich die Zahl der Betroffenen bereits nahezu verdoppelt, und Handlungsbedarf wäre offenkundig. Ein Indexwertvon 110 besagt nun beispielsweise, dass der Wert des jeweiligen Indikators im Vergleich zum Jahr 2008 um 10% angestiegen ist. Um zu entschei- den, ob ein Indikator auffällig oder problematisch ist, empfiehlt es sich, diese Indexzahl jeweils in Hinblick auf die Zielsetzung der Bundesregierung zu interpre- tieren, wonach der EU-Leitindikator innerhalb von zehn Jahren um mindestens 15% verringert werden soll. Die Personen in der Europa 2020-Zielgruppe schneiden auch bei den nationalen Eingliederungs- indikatoren durchwegs wesentlich schlechter ab als nicht armuts- oder ausgrenzungsgefährdete Personen. In den Verlaufsdarstellungen wird dieser Unterschied aber ausgeblendet. Der Fokus liegt demnach darauf, ob sich die Entwicklung der Armuts- oder Ausgren- zungsgefährdeten von jener der Gesamtbevölkerung unterscheidet. Wenn eine Annäherung stattfinden soll, müssen die Verbesserungen in der Zielgruppe überdurchschnittlich stark sein. 8.2 Kaufkraftgewinne und Erholung bei manifester Armut Der Kreis der Armuts- oder Ausgrenzungsgefähr- deten nach EU-Definition ist in den letzten Jahren kleiner geworden. Auch die mittlere Kaufkraft eines Privathaushalts hat in Österreich seit dem Jahr 2004 kontinuierlich zugenommen. Die Einkommenslücke für Armutsgefährdete ist hingegen seit 2008 deutlich angewachsen. Eine kontinuierliche Verschlechterung desLebensstandardsvon armutsgefährdeten Menschen bis zum Jahr 2010 zeigt der Indikator für manifeste Armut, und die Quote der verfestigten Deprivation hat sich in diesem Zeitraum sogar verdoppelt. Allerdings gab es im letzten Jahr bei diesen beiden Indikatoren wieder eine deutliche Erholung. Median-Haushaltseinkommen Laut EU-SILC 2011 lag die Steigerungsrate der mittle- ren Einkommen (standardisiert und preisbereinigt) gegenüber dem Vorjahr bei 1,5%. Gegenüber dem Jahr 2008 sind die mittleren Einkommen damit real
  • 99.
    ÖSTERREICHS INDIKATOREN FÜRSOZIALE EINGLIEDERUNG 97 um insgesamt 6,2% angestiegen (nominell 12,1%). Auch die Einkommen der Armuts- oder Ausgrenzungs- gefährdeten sind in diesem Zeitraum angestiegen, ihr Kaufkraftgewinn fiel aber deutlich hinter den Gesamtdurchschnitt zurück. Gegenüber dem Vorjahr lag der preisbereinigte Einkommenszuwachs bei 1,1% und gegenüber dem Jahr 2008 bei insgesamt nur 1,3%. MEDIAN-HAUSHALTSEINKOMMEN (PREISBEREINIGT UND STANDARDISIERT): Das Haushaltseinkommen wird aus sämtlichen Einkünften aller Personen im Haushalt im Laufe des vergangenen Kalenderjahres unter Abzug von Sozialbeiträgen, Steuern und allfälligen geleisteten Transferzahlungen an andere Haushalte (z.B. Alimente) berechnet. Berücksichtigt werden insbesondere Erwerbseinkommen, Kapitaleinkom- men, Pensionen und alle anderen Transferleistungen. Das Haushaltseinkommen von Mehrpersonenhaushalten wird dann standardisiert auf einen Einpersonenhaushalt. Für jede erwachsene Person wird nach der EU-Skala ein Konsumäquivalent von 0,5 und für Kinder unter 14 Jahren ein Bedarf von 0,3 Einpersonenhaushalten angenommen. Das mittlere Einkommen (Median) wird aus der Verteilung von Personen in Privathaushalten berechnet, so dass jeweils die Hälfte der jeweiligen Bevölkerungsgruppe ein Einkommen unter dem Medianwert hat. Die nominellen Beträge lassen ohne Beachtung der Inflation keine Beurteilung der realen Kaufkraft zu. Deshalb wird der Betrag zu konstanten Preisen (Basis 2007) ausgedrückt. Das preisbereinigte Einkommen für EU-SILC 2011 ergibt sich aus VPI 2007 x (EU-SILC 2011/VPI 2010). Verkettet wird mit dem VPI 2005. Das nominelle standardisierte Medianeinkommen aus EU-SILC 2011 beträgt 21.318 Euro. Das preisbereinigte Einkommen von 20.189 Euro ergibt sich aus der Division des nominellen Wertes 21.318/109,5 (Indexwert 2010 = Referenzperiode der EU-SILC Einkommensmessung 2011) multipliziert mit 103,7 (Indexwert des Jahres 2007 = Referenzjahr EU-SILC 2008). Angenommen wird hier dieselbe Preisentwicklung für alle Einkommensschichten. Unberücksichtigt bleibt beispielsweise die deutlich größere Bedeutung von Preissteigerungen bei Wohnen und Energie für ärmere Haushalte; sowie die Möglichkeit der Sub- stitution durch Billigprodukte bei ärmeren und Preisersparnisse durch Vorratskäufe bei reicheren Haushalten. Diese Methode erlaubt zwar nur eine grobe Annäherung an die reale Kaufkraftentwicklung (z.B. ist der Verbrau- Grafik 20: Median-Haushaltseinkommen (standardisiert und preisbereinigt) 60 70 80 90 100 110 120 130 140 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 Insgesamt Armuts- oder Ausgrenzungsgefährdete Index,Basisjahr2008=100 Basisjahr 2008 106,2 101,3 Q: STATISTIK AUSTRIA, EU-SILC. VPI 2005. Im Jahr 2008 lag das mediane Haushaltseinkommen (standardisiert und preisbereinigt) der Gesamtbevölkerung bei 19.010 Euro, und bei Armuts- oder Ausgrenzungsgefährdeten lag der Medianwert bei 10.480 Euro (=100).
  • 100.
    ÖSTERREICHS INDIKATOREN FÜRSOZIALE EINGLIEDERUNG 98 Einkommenslücke Die monetäre Armutsgefährdungsquote (vgl. Kapitel 3.1) zeigt im Berichtszeitraum keine signifikanten Veränderungen und liegt zwischen 12% und 13% der Bevölkerung. Ein Anstieg von Armutsgefährdung in Folge der Krise war bisher nicht erkennbar.70 Ein differenzierteres Bild zeigt der nationale Indikator zur absoluten Einkommenslücke. Er fasst das Ausmaß und die Intensität der Armutsgefährdung in einer Kennzahlzusammen. Biszur EU-SILCErhebung im Jahr 2008 (Einkommen 2007) hat sich – bei etwa gleich- bleibender Armutsgefährdungsquote – die Intensität der monetären Armutsgefährdung kontinuierlich verringert, seither steigt sie jedoch an. In der EU-SILC Erhebung im Jahr 2011 (Einkommen 2010) hat sich diese Kennzahl um 566 Millionen auf 2,6 Milliarden Euro bzw. 0,86% des Bruttoinlandsproduktes (BIP) deutlich erhöht. Die Armutslücke ist also angestiegen, obwohl der Lebensstandard bzw. die Einkommen zugenommen haben und der Anteil der Armutsge- fährdeten zuletzt nur geringfügig zugenommen hat, Dies weist auf eine wachsende Polarisierung zwischen Armutsgefährdeten und Nicht-Gefährdeten hin (wie auch die unterschiedlichen Steigerungsraten in den Einkommensdezilen). Trotz des Konjunktureinbruchs blieb die Einkommenslücke relativ zum BIP allerdings noch immer unter dem Niveau des Jahres 2004 (Ein- kommen 2003). cherpreisindex aufgrund der höheren Sparquote bei den oberen Einkommensschichten nur bedingt anwendbar), insbesondere bei jährlich stark schwankenden Inflationsraten ist dadurch aber eine realistischere Einschätzung der Einkommensentwicklung gewährleistet als bei den nominellen Beträgen. EINKOMMENSLÜCKE: Die Einkommens- oder auch Armutsgefährdungslücke entspricht dem zusätzlichen Einkommen, das ein armuts- gefährdeter Haushalt benötigen würde, um ein Einkommen über der Armutsgefährdungsschwelle zu erzielen. Zählt man die Einkommenslücken aller Haushalte zusammen, dann ergibt sich ein Gesamtmaß für Intensität und Ausmaß von Armutsgefährdung. Dieser Indikator ist umso höher, je mehr Menschen betroffen sind und je größer ihr Abstand zur Armutsgefährdungsschwelle ist. Die Zahl wird auch als Anteil am Bruttoinlandsprodukt im Jahr der Erhebung ausgewiesen. Dann verringert sich die relative Lücke auch durch größere Wirtschaftsleistung. Die 70 Aufgrund der Einkommenserfassung für das jeweilige Kalenderjahr vor der Erhebung wird die Situation des Krisenjahres 2009 erst in EU-SILC 2010 berücksichtigt. Grafik 21: Einkommenslücke 2004 bis 2011 40 50 60 70 80 90 100 110 120 130 140 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 Lücke in % des BIP (indexiert) Lücke in Mrd. (indexiert) Index,Basisjahr2008 Basisjahr 2008 143 128 120 112 100 120 113 138 Q: STATISTIK AUSTRIA. EU-SILC, Volkswirtschaftliche Gesamtrech- nungen. Im Jahr 2008 betrug die Einkommenslücke 1,8 Mrd. Euro bzw. 0,6% des Bruttoinlandsproduktes (=100).
  • 101.
    ÖSTERREICHS INDIKATOREN FÜRSOZIALE EINGLIEDERUNG 99 Manifeste Armut Indikatoren, die auf das Einkommen abzielen, lassen nur indirekte Schlüsse auf den Lebensstandard zu. Ergänzend erhebt die EU-SILC Befragung auch direkt die Lebensbedingungen, und zwar – im Unterschied zur Armutsgefährdung – zum Zeitpunkt der Erhebung. Konkret werden die Haushalte gefragt, ob sie finanzi- ell in der Lage sind, ausgewählte Grundbedürfnisse zu erfüllen. Die Antworten der Haushalte bilden die Grundlage für die Definition von Deprivation (Ent- behrung). Anhand dieser Kriterien sieht man, dass sich nicht nur die Einkommenslücke vergrößert hat, sondern sich auch der Lebensstandard innerhalb der Gruppe der Armutsgefährdeten bis zum Jahr 2010 laufend verschlechtert hat. Von 2004 bis 2010 stieg die Zahl jener Armutsgefährdeten an, die auch von finanzieller Deprivation (zumindest zwei von sieben nationalen Merkmalen) betroffen sind. Der Höhepunkt wurde im Jahr 2010 mit 511.000 Betroffenen bzw. 6,2% der Gesamtbevölkerung in manifester Armut erreicht. Im Jahr 2011 gab es wieder eine deutliche Entspannung, die Zahl der Betroffenen beträgt nun 431.000 bzw. 5,2% der Bevölkerung.71 Kontinuierlich angestiegen ist manifeste Armut beson- ders innerhalb der Europa 2020-Zielgruppe. Im Jahr 2004 war nur etwa ein Viertel der Zielgruppe (25,2%) gleichzeitig von Armutsgefährdung und finanzieller Deprivation betroffen, im Jahr 2010 waren es bereits mehr als ein Drittel (37,2%). Im Jahr 2011 (30,7%) fiel manifeste Armut aber auch für die Gruppe der Armuts- oder Ausgrenzungsgefährdeten unter das Niveau des Jahres 2008 (32,3%). Der zuletzt deutliche Rückgang manifester Armut (und auch der verfestigten Deprivation) ist ohne weiterführende Analyse nicht erklärbar. Entwicklung von Einkommensveränderungen wird in EU-SILC jedoch immer zeitverzögert für das Vorjahr erfasst. Die Lücke für das Jahr 2011 spiegelt somit die Verhältnisse im Jahr 2010. Ein ähnlicher Indikator ist auf EU-Ebene definiert als Medianwert der Einkommenslücke der Armutsgefährdeten in Prozent der Armutsgefährdungsschwelle (vgl. Kap 3.1.1). 71 Der Anstieg von Deprivation bei Armutsgefährdeten bis zum Jahr 2010 bestätigt sich auch dann, wenn aus Armutsgefährdung und den gemeinsamen EU-Kriterien ein Indikator analog zur nationalen Definition für manifeste Armut gebildet wird. Die Zahl der Armutsgefähr- deten, die zusätzlich nach EU-Definition „materiell depriviert“ sind (drei aus neun Merkmalen) stieg von 136.000 (1,7%) im Jahr 2004 auf 197.000 (2,4%), bei der ebenfalls verwendeten Definition für „erhebliche materielle Deprivation“ (vier aus neun Merkmalen), gab es unter den Armutsgefährdeten einen Anstieg von 268.000 (3,3%) auf 407.000 (4,9%) im Jahr 2010. Beide Indikatoren bestätigen auch, dass sich im Jahr 2011 die Situation der Armutsgefährdeten wieder verbessert hat. Grafik 22: Manifeste Armut 40 50 60 70 80 90 100 110 120 130 140 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 Insgesamt Armuts- oder Ausgrenzungsgefährdete Index,Basisjahr2008=100 Basisjahr 2008 96 87 Q: STATISTIK AUSTRIA, EU-SILC. Anmerkung: 2008 waren 6,0% der Gesamtbevölkerung bzw. 32,3% der Armuts- oder Ausgrenzungsgefährdeten betroffen (=100).
  • 102.
    ÖSTERREICHS INDIKATOREN FÜRSOZIALE EINGLIEDERUNG 100 Verfestigte Deprivation Entscheidend ist die zeitliche Perspektive für die Betroffenen, also ob eine Benachteiligung chronisch oder vorrübergehend ist. Ein Indikator dafür ist die Quote für verfestigte Deprivation. Im Jahr 2011 lag diese Quote bei 9,7% bzw. 781.000 Menschen. Aufgrund der unterschiedlichen Definition von De- MANIFESTE ARMUT: Armutsgefährdung bedeutet nicht zwangsläufig eine akute Armutslage, zum Beispiel wenn Ersparnisse oder Wohnungseigentum vorhanden sind oder die Lebenshaltungskosten sehr gering gehalten werden können (z.B. aufgrund einer sehr günstigen Miete). Erst wenn ein Haushalt nicht nur von monetärer Armutsgefährdung, sondern auch noch von finanzieller Deprivation betroffen ist, spricht man von manifester Armut. Wie viele Menschen unter diese Definition fallen, hängt davon ab, welche Kriterien und welche Grenzwerte festgelegt werden. In Österreich wird eine Liste von sieben Grundbedürfnissen verwendet, von denen sich ein Haushalt mindestens zwei finanziell nicht leisten kann. Diese Kriterien sind etwas anders als jene, die auf EU-Ebene ausgewählt wurden. Merkmale, die sowohl bei der EU-Definition als auch der österreichischen Definition vorkommen, sind: » Die Wohnung angemessen warm zu halten, » Unerwartete Ausgaben zu finanzieren, » Jeden zweiten Tag Fleisch oder Fisch (oder vegetarische Speisen) zu essen, » Zahlungen (z.B. Miete) in den letzten zwölf Monaten rechtzeitig zu begleichen. Nur in der nationalen Definition berücksichtigt werden: » Notwendige Arzt- oder Zahnarztbesuche, » Neue Kleidung zu kaufen, » Freunde oder Verwandte einmal im Monat zum Essen einzuladen. Die österreichische Definition berücksichtigt nur Grundbedürfnisse, die von der Mehrheit der Bevölkerung sowie von Fachleuten und Armutsbetroffenen als „absolut notwendig“ für einen angemessenen Lebensstandard in Österreich bewertet wurden. Vor allem ältere Menschen schätzen die Notwendigkeit von manchen Merkmalen weit geringer ein als Familien (vgl. Till-Tentschert/Weiss 2008). Urlaub und PKW sind deshalb nicht in der nationalen Definition enthalten. Auch die in Österreich sehr weit verbreiteten Konsumgüter wie Telefon, Fernseher und Waschmaschine werden im nationalen Indikator nicht berücksichtigt. Um eine Fehleinschätzung auf Basis eines einzelnen Merkmals zu vermeiden, müssen für die Definition von finanzieller Deprivation immer mehrere Merkmale gleichzeitig zutreffen. Für Österreich wurde eine Grenze von mindestens zwei der oben angeführten sieben Merkmale festgelegt. Diese Festlegung wurde im Frühjahr 2008 in einem Beirat, an dem u.a. alle Sozialpartnerorganisationen beteiligt waren, getroffen. Erst ein Jahr später gab es auf EU-Ebene eine Einigung für gemeinsame Deprivationsmerkmale, wobei zunächst eine Grenze von mindestens drei Merkmalen aus einer Liste von neun Merkmalen beschlossen wurde. Als im Jahr 2010 die Staats- und Regie- rungschefInnen die gemeinsame Europa 2020-Strategie beschlossen haben, wurde eine weitere EU-Definition für erhebliche materielle Deprivation mit einem strengeren Schwellenwert (vier aus neun Merkmalen) eingeführt. Die verschiedenen Definitionen für Deprivation sind nicht zu verwechseln mit dem Begriff der manifesten Armut. Dieser bezieht stets (monetäre) Armutsgefährdung und Deprivation gemeinsam ein und ist neben Österreich zum Beispiel auch in Irland („consistent poverty“) seit vielen Jahren etabliert. Auf EU-Ebene gibt es derzeit keine Definition für manifeste Armut.
  • 103.
    ÖSTERREICHS INDIKATOREN FÜRSOZIALE EINGLIEDERUNG 101 privation zählen nicht alle Personen mit verfestigter Deprivation automatisch auch zur EU-Zielgruppe. Der Anteil der Armuts- oder Ausgrenzungsgefährdeten mit verfestigter Deprivation ist aber mit 33,7% mehr als dreimal so hoch wie im Bevölkerungsdurchschnitt. Zwischen 2005 und 2009 hat sich der Anteil jener, die sich in zumindest zwei aufeinanderfolgenden Jahren bei Grundbedürfnissen einschränken mussten, von 5,1% auf 11,9% mehr als verdoppelt. Der seit 2010 wieder rückläufige Trend hat sich auch im Jahr 2011 fortgesetzt. Gegenüber dem Jahr 2008 bleibt die Quote der finanziellen Deprivation allerdings noch immer um 8% statistisch signifikant erhöht. Auch wenn ein- zelne Merkmale, wie beispielsweise die Leistbarkeit von Arztbesuchen sich etwas deutlicher verbessert haben als andere, kann der Rückgang nicht auf ein einzelnes Merkmal zurückgeführt werden. Durch die Kombination mehrerer Merkmale zu einem robusten Deprivationsindex werden auch allfällige Effekte der Fragestellung minimiert (vgl. Kapitel 4). Für die Gruppe der Armuts- oder Ausgrenzungsgefähr- deten entwickelte sich der Indikator nahezu parallel zum Gesamtdurchschnitt. Im Jahr 2005 waren 16,7% der Armuts- oder Ausgrenzungsgefährdeten auch von verfestigter Deprivation betroffen, diese Quote stieg bis 2009 auf 41,0% und erreichte zuletzt wieder annähernd das Niveau des Jahres 2008. Zahlungsprobleme Ein weiterer Indikator zum Lebensstandard bezieht sich auf die Zahl der Personen mit massiven Zahlungs- problemen. Dieser Indikator wird nicht aus EU-SILC berechnet und kann daher für die Europe 2020Sozial- zielgruppen nicht gesondert dargestellt werden. Laut Kleinkreditevidenz des Kreditschutzverbandes (vgl. BMASK 2012, S. 321) waren im August 2011 155.165 Personen mit Klagen, Fälligstellungen von Krediten VERFESTIGTE DEPRIVATION: Anteil der Bevölkerung, die seit mindestens zwei Jahren mit finanzieller Deprivation konfrontiert ist. Als finanziell depriviert gelten Personen, die Probleme bei mindestens zwei aus einer Liste von sieben Kriterien für den in Österreich absolut notwendigen Mindestlebensstandard haben (siehe Definition manifeste Armut). Für diesen Längsschnitt- indikator können nur jene Personen berücksichtigt werden, die in diesen zwei Jahren auch in Österreich ansässig waren. Personen, die in diesem Zeitraum geboren wurden oder zugewandert sind, werden nicht berücksichtigt. Der Indikator kann erstmalig für das Jahr 2005 berechnet werden. Die mit EU-SILC erhobenen Verlaufsdaten gehen weit über die bis Anfang der 1990er-Jahre übliche, rein statische Betrachtung von Armutslagen hinaus. Insbeson- dere ist es möglich, chronische Armuts- oder Ausgrenzungsprozesse von vorübergehenden Problemlagen (z.B. bei Studierenden) zu unterscheiden. Grafik 23: Verfestigte Deprivation 40 50 60 70 80 90 100 110 120 130 140 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 Insgesamt Armuts- und Ausgrenzungsgefährdete Index,Basisjahr2008=100 Basisjahr 2008 108 103 Q: Statistik Austria, EU-SILC. Anmerkung: 2008 waren 9,0% der Gesamtbevölkerung bzw. 32,6% der Armuts- oder Ausgrenzungsgefährdeten betroffen (=100).
  • 104.
    ÖSTERREICHS INDIKATOREN FÜRSOZIALE EINGLIEDERUNG 102 etc. konfrontiert. Die Zahl der Personen mit massiven Zahlungsproblemen ist von 2009 bis 2011 leicht an- gestiegen (+7%). Aufgrund veränderter Löschfristen sind die Daten von 2008 nicht mit späteren Daten vergleichbar und werden daher nicht für die nationa- len Indikatoren herangezogen. Überschuldung ist ein häufiger Grund für Deprivation bei Personen, deren Einkommen über der Armutsgefährdungsschwelle liegt. 8.3 Wohnen wird besser, aber auch teurer Indikatoren zur Wohnraumversorgung zeigen ei- nerseits eine qualitative Verbesserung und damit verbunden eine deutlich erhöhte Kostenbelastung der privaten Haushalte, die sich durch die Ent- wicklung der Immobilien- und Energiepreise weiter verstärken kann. Bei den Indikatoren für Überbelag, Wohnkostenanteil und Qualität waren Armuts- oder Ausgrenzungsgefährdete mit einem zwei bis drei Mal über dem Durchschnitt liegenden Anteil be- troffenen. Längerfristige Polarisierungstendenzen in der Wohnumgebung haben sich zuletzt etwas abgeschwächt. Überbelag Insgesamt lebten laut EU-SILC2011 5,3% der Personen in Mehrpersonenhaushalten bzw. 444.000 Menschen in einer überbelegten Wohnung. Die Quote war bei Armuts- oder Ausgrenzungsgefährdeten mit 11,7% mehr als doppelt so hoch. Die Überbelagsquote ist weiterhin rückläufig. Vor allem bei den Armuts- oder Ausgrenzungsgefährdeten ist seit 2008 (18,6%) eine deutliche Verbesserung zu bemerken. ÜBERBELAG: Der Indikator berücksichtigtnur Haushalte mitmindestenszwei Personen undorientiertsich am Kriterium der Gemeinde Wien bei der Vergabe von Gemeindewohnungen. Als überbelegt zählt ein Haushalt, wenn die Wohnfläche weniger als 16m² beträgt, im Mittel weniger als 8m² pro Wohnraum zur Verfügung stehen oder die Anzahl der Wohnräume im Verhältnis zur Zahl der Personen im Haushalt zu gering ist: ein Raum für zwei Personen, weniger als drei Räume für drei oder vier Personen, weniger als vier Räume für fünf oder sechs Personen, weniger als fünf Räume für sieben oder acht Personen, weniger als sechs Räume für mehr als acht Personen. Küchen werden nicht als Wohnräume gezählt. Grafik 24: Überbelag 40 50 60 70 80 90 100 110 120 130 140 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 Insgesamt Armuts- oder Ausgrenzungsgefährdete Index,Basisjahr2008=100 Basisjahr 2008 75 63 Q: STATISTIK AUSTRIA, EU-SILC. Anmerkung: Im Jahr 2008 betrug die Überbelagsquote für Mehr- personenhaushalte insgesamt 7,1% und für Armuts- oder Ausgren- zungsgefährdete 18,6% (=100).
  • 105.
    ÖSTERREICHS INDIKATOREN FÜRSOZIALE EINGLIEDERUNG 103 Prekäre Wohnqualität Im Jahr 2011 lebten 2,8% der Bevölkerung bzw. 229.000 Menschen in einer prekären Wohnsituation. Für Armuts- oder Ausgrenzungsgefährdete war diese Quote mit 5,4% nahezu doppelt so hoch. Die Qualität des Wohnraums spiegelt dabei teilweise das Angebot bzw. den Bestand an Substandardwohnungen wider und ist vor allem im urbanen Bereich eher länger- fristigen Entwicklungen bei Wohnungsanierung und -neubau unterworfen. Besonders für Armuts- oder Ausgrenzungsgefährdete hat sich die Situation ab dem Jahr 2009 zügig verbessert und erreichte im Jahr 2011 den besten Wert der gesamten Periode. Belastende Wohnumgebung Im Jahr 2011 waren 9,5% der Bevölkerung bzw. 790.000 Menschen von Kriminalität, Lärm oder Umweltbelas- tungen in der Wohnumgebung betroffen. Die Quote war mit 13,1% für Armuts- oder Ausgrenzungsgefähr- dete deutlich über dem Durchschnitt. In den Jahren vor 2010 ist diese Zahl vor allem für Armuts- oder Ausgrenzungsgefährdete stetig angestiegen. Im Jahr 2010 lag die Quote der Betroffenen bei Armuts- oder Ausgrenzungsgefährdeten bereits bei 15,1% gegenüber 10,2% im Bevölkerungsdurchschnitt. Im Jahr 2004 war hingegen praktisch kein signifikanter Unterschied in den Wohngegenden erkennbar. Aus den EU-SILCDaten 2011 war jedoch wieder ein Rückgang – in etwa auf das Niveau des Jahres 2008 – abzulesen, gegenüber dem Jahr 2005 (10,3%) bleibt der aktuelle Wert ins- besondere für Armuts- oder Ausgrenzungsgefährdete jedoch deutlich erhöht. PREKÄRE WOHNQUALITÄT: Anteil von Personen, die von zwei oder mehr der folgenden Wohnprobleme betroffen sind: » kein WC oder Badezimmer in der Wohnung, » Feuchtigkeit, Schimmelbildung, » dunkle Wohnräume, » weder Waschmaschine noch Waschküche vorhanden. Grafik 25: Prekäre Wohnqualität 40 50 60 70 80 90 100 110 120 130 140 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 Insgesamt Armuts- oder Ausgrenzungsgefährdete Index,Basisjahr2008=100 Basisjahr 2008 78 70 Q: STATISTIK AUSTRIA, EU-SILC. Anmerkung: Im Jahr 2008 betrug die Quote für prekäre Wohnquali- tät insgesamt 3,6% und für Armuts- oder Ausgrenzungsgefährdete 7,7% (= 100). Grafik 26: Belastende Wohnumgebung 40 50 60 70 80 90 100 110 120 130 140 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 Insgesamt Armuts- oder Ausgrenzungsgefährdete Index,Basisjahr2008=100 Basisjahr 2008 104 102 Q: STATISTIK AUSTRIA, EU-SILC. Anmerkung: Im Jahr 2008 betrug die Quote für Wohnumgebungsbe- lastungen insgesamt 9,3% und für Armuts- oder Ausgrenzungsge- fährdete 12,6% (=100).
  • 106.
    ÖSTERREICHS INDIKATOREN FÜRSOZIALE EINGLIEDERUNG 104 Sehr hoher Wohnungsaufwand Die deutlichen Verbesserungen beim Wohnungsbelag und teilweise auch der Wohnungsausstattung waren mit erheblich gestiegenen Wohnungskosten verbun- den. Mit 18,2% der Gesamtbevölkerung in Haushalten mit einem sehr hohen Wohnungsaufwand ist dieser Indikator im Jahr 2011 auf einen neuen Höchstwert angestiegen. Insbesondere Armuts- oder Ausgrenzungs- gefährdete waren von steigenden Energiekosten und Mietpreisen in den letzten Jahren überdurchschnittlich betroffen. Die Quote der Belasteten stieg von 43,2% im Jahr 2008 auf 53,7%. Die isolierte Betrachtung von Belagssituation, Wohn- qualität und -umgebung einerseits und Wohnkosten andererseits ist problematisch. Eine Verbesserung der Wohnungsqualität hat in der Regel zunehmende Kostenbelastungen zur Folge.Somit kann jeder Aspekt für sich genommen unzureichend für eine gesamthafte Beurteilung der Wohnsituation sein. Ein möglicher Ansatz besteht daher darin, die Zahl jener Menschen zu ermitteln, die in mindestens einem dieser Bereiche von Benachteiligungen betroffen sind. Für das Jahr 2011 waren insgesamt 30,3% der Gesamtbevölkerung von einem der vier Wohnprobleme betroffen. Dieser Anteil blieb seit 2004 (30,5%) praktisch unverändert.72 BELASTUNG DURCH WOHNUMGEBUNG: Anteil von Personen, die sich durch mindestens zwei der folgenden Probleme in der Wohnumgebung belastet fühlen: » Kriminalität, » Lärm, » Umweltverschmutzung. Die Berücksichtigung von Problemen in der Wohnumgebung unterstützt das Monitoring der sozialen Eingliederung in Bezug auf räumliche Ungleichheiten und Segregationstendenzen. Die Datenlage ist hinsichtlich der Infrastruk- turversorgung aber eher ungünstig. 72 Ein solcher Überblicksindikator für Wohnintegration (vgl. Till 2005) ist derzeit noch nicht in dem von der Österreichischen Plattform gegen Armut verabschiedeten Indikatorenkatalog enthalten. SEHR HOHER WOHNKOSTENANTEIL: Anteil der Personen, deren Wohnungsaufwand ein Viertel des jährlich verfügbaren Haushaltseinkommens übersteigt. Wohn- oder Mietbeihilfen werden vom Wohnungsaufwand abgezogen und auch beim Haushaltseinkommen nicht berücksichtigt. Einbezogen werden alle Ausgaben für Miete, Betriebskosten, Heizung, Energie und Instandhaltung Grafik 27: Sehr hoher Wohnkostenanteil 40 50 60 70 80 90 100 110 120 130 140 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 Insgesamt Armuts- oder Ausgrenzungsgefährdete Index,Basisjahr2008=100 Basisjahr 2008 124 108 Q: STATISTIK AUSTRIA, EU-SILC. Anmerkung. Im Jahr 2008 betrug der Anteil der Personen mit sehr hohem Wohnungsaufwand insgesamt 16,8% und für Armuts- oder Ausgrenzungsgefährdete 43,2% (=100).
  • 107.
    ÖSTERREICHS INDIKATOREN FÜRSOZIALE EINGLIEDERUNG 105 Registrierte Wohnungslosigkeit Die EU-SILC Berichterstattung kann ausschließlich jene Bevölkerungsgruppen repräsentieren, die in Privathaushalten gut erreichbar sind. Die in der Armutsplattform vertretenen Organisationen haben deshalb im Rahmen der Nationalen Plattform gegen Armut eine Ergänzung von Indikatoren zur Wohnungs- losigkeit eingefordert. Ein solcher Indikator wurde im Sozialbericht 2012 (BMASK 2012) erstmals veröffent- licht. Demnach gab es im Jahr 2010 12.266 registrierte Wohnungslose. Das sind um 8% (bzw. 867 Personen) mehr als im Basisjahr 2008, wo 11.399 Personen als wohnungslos erfasst waren. Diese Menschen verfüg- ten entweder über eine Hauptwohnsitzbestätigung als obdachlos oder waren in einer Einrichtung für Wohnungslose gemeldet. DievorliegendenDatenbelegeneineerheblicheDynamik vonWohnungslosigkeit. Personen, die imVorjahr keine Meldung alsobdachlosoder eine Hauptwohnsitzbestä- tigung an einer Einrichtung für Wohnungslose hatten, können als Neuzugänge aufgefasst werden. Auf Basis der Daten 2008 bis 2010 waren im Jahr 2009 5.666 und im Jahr 2010 5.534 Neuzugänge identifizierbar. Da die Gesamtzahl nur in geringem Maß angestiegen ist, kann davon ausgegangen werden, dass jedes Jahr annähernd die Hälfte aller Wohnungslosen ihre Situation verbessern kann, aber zumindest ebenso viele Personen in Wohnungslosigkeit geraten. REGISTRIERTE WOHNUNGSLOSIGKEIT: Der Indikator „Registrierte Wohnungslosigkeit“ berücksichtigt nur die derzeit statistisch erfassten und gesicherten Fälle von Wohnungslosigkeit und markiert die Untergrenze der im Lauf eines Jahres betroffenen Personen. Exaktere Ergebnisse wird die im Jahr 2013 vorliegende Registerzählung für den Stichtag 31.10.2011 liefern. In jedem Fall ist aber von einer deutlich größeren „Dunkelziffer“ versteckter Wohnungslosigkeit bei temporären Unterbringungen in Pensionen, bei Bekannten o.Ä. auszugehen. Für den Indikator wurden Personen mit einer Hauptwohnsitzbestätigung als obdachlos (Meldung mit „O“ im Zentra- len Melderegister) und Personen, die in einer von 58 Einrichtungen für Wohnungslose mit Hauptwohnsitz gemeldet sind, zusammengezählt. Jede Person wird dabei jeweils nur einmal gezählt. Die Daten der Meldungen stammen für jedes Jahr aus vier stichtagbezogenen Abzügen der aus dem Zentralen Melde- register für die Wanderungsstatistikerstellten Statistikdes Bevölkerungsstandes. Doppelmeldungen von Personen, die während eines Jahres zu mehreren Stichtagen gemeldet waren, wurden aufgrund ihrer bereichsspezifischen Personenkennzahl ausgeschlossen. Pro Stichtag (Quartal) sind jeweils ungefähr 5.000 Personen obdachlos und 3.000 Personen in den hier berücksichtigten Einrichtungen für Wohnungslose gemeldet. Die Jahresgesamtzahl beläuft sich im Jahr 2010 hingegen auf 8.909 Obdachlose und 5.052 Personen in Einrichtungen für Wohnungs- lose. Von den 12.266 Wohnungslosen waren demnach rund 41% zumindest zu einem der vier Stichtage in einer Einrichtung für Wohnungslose untergebracht. Die genannten Zahlen stellen eine Untergrenze dar, da Meldefälle zwischen den Stichtagen nicht berücksichtigt werden. (abzüglich allfälliger Wohn- oder Mietbeihilfen) sowie Zinszahlungen für Kredite zur Schaffung oder Sanierung von Wohnraum. Der Indikator berücksichtigt explizit die Entwicklung der Lebenshaltungskosten, die bei der Messung von Armutsgefährdung sonst keine Rolle spielen. Energie- und Instandhaltungskosten werden aus der Konsumer- hebung getrennt nach Rechtsverhältnis geschätzt. Unterschiede bei Energieverbrauch und -effizienz oder Tarifen können daher in diesem Indikator nicht berücksichtigt werden.
  • 108.
    ÖSTERREICHS INDIKATOREN FÜRSOZIALE EINGLIEDERUNG 106 8.4 Erwerbsbeteiligung und Löhne steigen mäßig Die Folgen der Wirtschaftskrise für die Beteiligung am Erwerbsleben waren in Österreich bisher moderater als in anderen EU-Staaten. Der Kreis der Armuts- oder Ausgrenzungsgefährdeten hat sich verkleinert, die Indikatoren für den Arbeitsmarkt sind aber ambi- valent. Keiner der nationalen Indikatoren weist auf eine deutliche Verbesserung hin. Vor allem die aus Erwerbsarbeit lukrierten Einkommen können oft erst durch zusätzliche Transferleistungen über die Armutsgefährdungsschwelle gebracht werden. Arbeitsmarktferne Insgesamt waren im Jahr 2011 16,9% bzw. 751.000 18- bis 59-Jährige (ohne Pensionsbeziehende und Studierende) arbeitsmarktfern. Bei den Armuts- oder Ausgrenzungsgefährdeten in dieser Altersgruppe war die Quote mit 56,6% mehr als dreimal so hoch wie im Durchschnitt. In den letzten drei Jahren hat sich die Quote der Arbeitsmarktfernen, besonders innerhalb der Europa 2020-Zielgruppe, eher erhöht. ARBEITSMARKTFERNENQUOTE: Diese Quote bezeichnet jenen Anteil von Personen von 18 bis 59 Jahren, die maximal 20% des Jahres vollzeiter- werbstätig sind. Personen in Mutterschutz oder Elternkarenz, Studierende und PensionistInnen werden bei der Berechnung nicht einbezogen. Die Definition folgt weitgehend jener für die entsprechende Europa 2020-Zielgruppe, Die Anstalten für Wohnungslose wurden aus einer vorläufigen Anstaltsliste der Registerzählung 2011 (Stand Mai 2012) entnommen, welche die Objektnummern der jeweiligen Anstalten enthält. Diese Liste umfasst insgesamt 132 Anstalten für Wohnungslose, darunter befinden sich zehn Anstalten für Betreutes Wohnen (z.B. für alte Menschen, Flüchtlinge, Obdachlose), 52 Anstalten, in denen Frauen bzw. Kinder gemeldet sind (d.h. vor allem Frauenhäuser), und 70 Anstalten, die eindeutig für Wohnungslose bestimmt sind. Von diesen 70 Anstalten wurden nur jene 58 Anstalten für die Analyse herangezogen, deren Gebäude ausschließlich als Einrichtung für Wohnungslose genutzt werden. Es ist zu beachten, dass die Anzahl der in Einrichtungen registrierten Wohnungslosen durch die Kapazi- tät gesteuert wird. Gibt es mehr Startwohnungen, so können mehr Übergangswohnplätze an Personen vergeben werden, die sonst auf temporäre Unterbringung in Notschlafstellen angewiesen waren. Grafik 28: Arbeitsmarktfernenquote 40 50 60 70 80 90 100 110 120 130 140 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 Insgesamt Armuts- oder Ausgrenzungsgefährdete Index,Basisjahr2008=100 Basisjahr 2008 117 98 Q: STATISTIK AUSTRIA, EU-SILC. Nur Personen im Alter von 18 bis 59 Jahren, ohne Studierende und Pensionsbeziehende. Anmerkung: Im Jahr 2008 waren insgesamt 15,5%, bei Armuts- oder Ausgrenzungsgefährdeten 44,8% betroffen (=100).
  • 109.
    ÖSTERREICHS INDIKATOREN FÜRSOZIALE EINGLIEDERUNG 107 Haushaltseinkommen aus Erwerbsarbeit unter der Armutsgefährdungsschwelle Die Arbeitseinkommen einer wachsenden Zahl von HaushaltenbleibenunterderArmutsgefährdungsschwel- le. Dabei handelt es sich nicht um die individuellen Erwerbseinkommen, sondern um das im Haushalt insgesamtverfügbare Einkommen einschließlich Fami- lienleistungen. Diese Personen sind zu unterscheiden von den „Working Poor“, da das Gesamteinkommen dieser Haushalte aufgrund andererTransferleistungen (z.B. Arbeitslosenunterstützungen) oder Pensionen letztlich über der Armutsgefährdungsschwelle bleibt. Im Jahr 2011 waren insgesamt 20% der Bevölkerung in Erwerbshaushalten bzw. 1,2 Millionen Menschen betroffen. Unter den Armuts- oder Ausgrenzungs- gefährdeten liegt die Quote der Personen ohne armutsfestes Erwerbseinkommen bei 88,3%. Dieser Anteil ist gegenüber dem Jahr 2008 um insgesamt 13% und für Armuts- oder Ausgrenzungsgefährdete um 15% angestiegen. HAUSHALTSEINKOMMEN AUS ERWERBSARBEIT UNTER DER ARMUTSGEFÄHRDUNGSSCHWELLE: Der Indikator „Haushaltseinkommen aus Erwerbsarbeit unter der Armutsgefährdungsschwelle“ bezieht sich auf den Anteil der Personen in Erwerbshaushalten, in denen die Summe der Netto-Erwerbseinkommen plus Familienleistungen im Haushalt geringer ist als die Armutsgefährdungsschwelle. Familienleistungen (Kinderbe- treuungs- und Wochengeld sowie Familienbeihilfen und Kinderabsetzbetrag) werden zum Erwerbseinkommen hinzugerechnet. Erwerbshaushalte sind Haushalte mit Einkommen aus selbständiger oder unselbständiger Tätigkeit. Ausgenommen sind jene Haushalte, die mehr als 50% des Einkommens aus Pensionen beziehen, sowie Studierendenhaushalte (alle 18- bis 64-Jährigen im Haushalt befinden sich in Ausbildung). Der Indikator identifiziert Haushalte mit geringem Erwerbseinkommen bzw. geringen Familienleistungen. Das verfügbare Einkommen einschließlich sozialer Transferzahlungen und anderer Einkünfte liegt aber in vielen Fällen über der Armutsgefährdungsschwelle. Diese Gruppe ist daher größer als jene die in Kapitel 3.2 als „Working Poor“ bezeichnet wird. allerdings wird die Erwerbsbeteiligung anderer Haushaltsmitglieder (und PensionistInnen im Erwerbsalter) nicht berücksichtigt. So werden insbesondere auch Frauen in die Berechnung einbezogen, die mit einem Alleinverdie- ner zusammenleben. Der Indikator ergänzt damit den EU-Indikator zu Haushalten ohne oder mit sehr geringer Erwerbsintensität sowie die Erwerbs- und Erwerbstätigenquote. Grafik 29: Haushaltseinkommen aus Er- werbsarbeit unter Gefährdungsschwelle 40 50 60 70 80 90 100 110 120 130 140 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 Insgesamt Armuts- oder Ausgrenzungsgefährdete Index,Basisjahr2008=100 Basisjahr 2008 115 113 Q: STATISTIK AUSTRIA, EU-SILC. Anmerkung: Die Quote im Jahr 2008 lag insgesamt bei 17,7% der Personen in Erwerbshaushalten bzw. bei 76,7% in der Gruppe der Armuts- oder Ausgrenzungsgefährdeten (=100).
  • 110.
    ÖSTERREICHS INDIKATOREN FÜRSOZIALE EINGLIEDERUNG 108 Stundenlöhne unter 2/3 des Medianlohns Laut EU-SILC 2011 und der ILO Schwelle für niedrige Erwerbseinkommen hatten insgesamt 14,3% der Beschäftigten in Österreich bzw. 435.000 Personen einen Bruttostundenlohn von weniger als 8,25 Euro (zwei Drittel des Medianwertes). Bei den Armuts- oder Ausgrenzungsgefährdeten ist dieser Anteil mit 39% annähernd dreimal so hoch. Nach Vereinbarung der Sozialpartner sollten spätestens ab dem Jahr 2009 alle Kollektivverträge den Mindestlohn von 1.000 Euro bei Vollzeitbeschäftigung garantieren. Dies entspricht den jährlichen Steigerungen des Medianlohns nur bedingt. In den Jahren bis 2008 gab es sogar eine leichte Zunahme des Anteils von Löhnen unter 2/3 des Medianwertes. Erst seit dem Jahr 2009 hat sich dieser Anteil wieder etwas verringert und zwar für Armuts- oder Ausgrenzungsgefährdete in demselben Ausmaß wie für die Beschäftigten insgesamt. Erwerbshindernisse und Langzeitbeschäfti- gungslosigkeit Die hier präsentierten EU-SILC Indikatoren zur Er- werbssituation werden ergänzt durch spezifische Kennzahlen des Arbeitsmarktservice zur Langzeit- beschäftigungslosigkeit sowie durch Ergebnisse der Mikrozensus-Arbeitskräfteerhebung zur Zahl der Personen mit Erwerbshindernissen. Laut Arbeitsmarkt- service hat die Zahl der Langzeitbeschäftigungslosen von 54.416 im Jahr 2008 auf 73.629 im Jahr 2011 deutlich zugenommen. Dieselbe Größenordnung, nämlich 77.000 Personen (darunter 75.000 Frauen), sehen sich durch Betreuungspflichten gegenüber ERWERBSHINDERNISSE: Anteil der Personen von 18 bis 59 Jahren, die nur teilzeitbeschäftigt oder nicht erwerbstätig sind, weil keine geeignete Betreuungseinrichtung für Kinder oder pflegebedürftige Erwachsene zur Verfügung steht. Studierende und Personen in Pension werden – wie in der Definition für Arbeitsmarktferne – nicht berücksichtigt. LÖHNE UNTER 2/3 DES BRUTTOMEDIANLOHNS: Anteil der Personen mit Erwerbseinkommen, die unter dem jeweiligen Schwellenwert von 2/3 des Bruttomedianlohns liegen. Die Berechnung erfolgt auf Vollzeitbasis einschließlich Sonderzahlungen und bezahlter Urlaubszeiten. Der Schwellenwert lag 2011 bei 8,25 Euro pro Stunde. Bei 40 Stunden Vollzeitbeschäftigung entspricht das einem Mo- natslohn von 1.429 Euro brutto monatlich, 14 x pro Jahr. In die Berechnung gehen nur unselbständig Erwerbstätige ohne Lehrlinge mit einer Normalarbeitszeit von mindestens zwölf Wochenstunden ein. Grafik 30: Löhne unter 2/3 des Brutto- medianlohns 40 50 60 70 80 90 100 110 120 130 140 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 Insgesamt Armuts- oder Ausgrenzungsgefährdete Index,Basisjahr2008=100 Basisjahr 2008 94 Q: STATISTIK AUSTRIA, EU-SILC. In % der unselbständig Erwerbstätigen, mindestens 12h, ohne Lehr- linge. Anmerkung: Im Jahr 2008 waren 15,2% der Beschäftigten insgesamt und 41,7% der Armuts- oder Ausgrenzungsgefährdeten betroffen (=100).
  • 111.
    ÖSTERREICHS INDIKATOREN FÜRSOZIALE EINGLIEDERUNG 109 Kindern oder pflegebedürftigen Angehörigen an der Teilnahme am Erwerbsleben gehindert. Diese Zahl hat sich gegenüber dem Jahr 2005 nicht verändert. 8.5 Steigende Bildungsaktivität Alle drei nachstehend vorgestellten Bildungsindi- katoren zeigen Verbesserungen an. Die allgemeine Bildungsaktivität ist besonders bei der Gruppe der Armuts- oder Ausgrenzungsgefährdeten überdurch- schnittlich angestiegen. Die Quote der jugendlichen SchulabgängerInnen ist besonders bei Personen mit nicht deutscher Umgangssprache spürbar zurückge- gangen. Gleichzeitig ist die Quote der 0- bis 4-Jährigen in vorschulischen Bildungseinrichtungen besonders bei Kindern ohne österreichische Staatsbürgerschaft weiter angestiegen. Bildungsaktivität Der österreichische EU-SILCFragebogen wurde im Jahr 2008 um zusätzliche Fragen zur Bildungsaktivität im vorangegangenen Kalenderjahr ergänzt und erlaubt nun die Berechnung von Indikatoren. Berücksichtigt LANGZEITBESCHÄFTIGUNGSLOSE: Personen, bei denen die Dauer der registrierten Arbeits- losigkeit, Lehrstellensuche undSchulungsteilnahme 365 Tage überschreitet. Eine Unterbrechung von 62 Tagen beendet die Langzeitarbeitslosigkeit (längere Krankheit oder Arbeitsaufnahme, AMS-Schulungen zählen nicht als Unterbrechung). Grafik 31: Erwerbshindernisse und Lang- zeitbeschäftigungslosigkeit 40 50 60 70 80 90 100 110 120 130 140 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 Erwerbshindernisse Langzeitbeschäftigungslose Index,Basisjahr2008=100 Basisjahr 2008 95 135 Q: Statistik Austria, Mikrozensus-Arbeitskräfteerhebung, AMS. Anmerkung: Im Jahr 2008 waren 1,9% der 18- bis 59-Jährigen von Erwerbshindernissen betroffen und 54.416 Personen langzeitbe- schäftigungslos (=100). Grafik 32: Bildungsaktivität 40 50 60 70 80 90 100 110 120 130 140 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 Insgesamt Armuts- oder Ausgrenzungsgefährdete Index,Basisjahr2008=100 Basisjahr 2008 110 115 Q: STATISTIK AUSTRIA, EU-SILC. Anmerkung: Im Jahr 2008 waren 34,2% der Personen ab 16 Jahren bildungsaktiv bzw. 25,7% unter den Armuts- oder Ausgrenzungsge- fährdeten (=100).
  • 112.
    ÖSTERREICHS INDIKATOREN FÜRSOZIALE EINGLIEDERUNG 110 manalleformalenundinformellenBildungsaktivitäten, so waren laut EU-SILC 2011 2,6 Millionen Menschen bzw. 37,6% der über 15-Jährigen bildungsaktiv. Bei den Armuts- oder Ausgrenzungsgefährdeten war die- ser Anteil bedeutend geringer und lag bei 29,5%. Die Bildungsaktivitätistseitdem Jahr 2008 kontinuierlich angestiegen. Dabei konnten Armuts- oder Ausgren- zungsgefährdetedeutlichaufholen.HeuteistderAnteil der Menschen mit Bildungsaktivitäten in der Europa 2020-Zielgruppe um 15% höher alsnoch im Jahr 2008. Bildungsferne Jugendliche Der Anteil der Personen mit Bildungsaktivität ist bei Menschen mit Matura mindestens doppelt so hoch wie bei Personen, die keinen weiterführenden Schulabschluss besitzen. Demnach kann ein früher Abbruch einer Bildungskarriere nachhaltige Beein- trächtigungen bis ins Erwachsenenalter zur Folge haben. Auf Basis der Schulstatistik können diese Prozesse sehr genau erfasst werden. Im Schuljahr 2011 waren 6.320 14-jährige SchülerInnen des Schul- jahres 2009/10 ohne weitere Ausbildung 2010/11. Das entspricht 6,8% des gesamten Jahrgangs von 92.507 Jugendlichen. Von den 16.273 SchülerInnen dieses Jahrgangs mit nicht deutscher Umgangssprache haben 2.104 oder 12,9% im Folgejahr keine Schule mehr besucht. Der Anteil der bildungsfernen Jugend- lichen hat sich seit dem Jahr 2008 besonders bei SchülerInnen mit nicht deutscher Umgangssprache deutlich verringert. BILDUNGSAKTIVITÄT: Im Fokus des Indikators „Bildungsaktivität“ steht der Anteil der Personen ab 16 Jahren, die sich im Verlauf des Vorjahrs der Befragung in schulischer oder beruflicher Aus- oder Weiterbildung befanden oder an freizeitbezogenen Kursen teilnahmen. Der Indikator setzt sich aus drei unterschiedlichen Variablen in EU-SILC zusammen: » Formale Bildungsaktivitäten im Vorjahr: darunter fallen Schule, Berufsschule, Universität oder Fachhoch- schule; » Berufsbezogene Aus- oder Weiterbildung im Vorjahr: gefragt wird nach berufsbezogener Aus- oder Weiterbil- dung, Teilzeitkursen, Kurzseminaren und Praktika; » Freizeitaktivitäten und -kurse: gefragt wird nach Kursen, Lehrgängen oder Workshops, deren Inhalte sich auf Freizeitaktivitäten oder Hobbys bezogen haben. Darunter fallen zum Beispiel Sprachkurse, Musikunter- richt, Tenniskurse, Fahrschule usw. Bildungsaktivität wird somit weit gefasst und berücksichtigt neben der Vermittlung von Qualifikation dezidiert auch soziale Aspekte der Bildungsbeteiligung. Grafik 33: Bildungsferne Jugendliche 40 50 60 70 80 90 100 110 120 130 140 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 Insgesamt mit nicht deutscher Umgangssprache Index,Basisjahr2008=100 Basisjahr 2008 86 92 Q: STATISTIK AUSTRIA, Schulstatistik. Amerkung: Im Schuljahr (2007/)2008 haben insgesamt 7,4% der 14-jährigen Schülerinnen und Schüler des Schuljahres (2006/)2007 keine weitere Ausbildung mehr besucht, bei Jugendlichen mit nicht deutscher Umgangssprache waren es 15,0% (=100).
  • 113.
    ÖSTERREICHS INDIKATOREN FÜRSOZIALE EINGLIEDERUNG 111 Besuch vorschulischer Bildungs- einrichtungen Deutlich erhöht haben sich die Besuchsquoten vor- schulischer Bildungseinrichtungen. In der Gruppe der 0- bis4-Jährigen waren 2010 184.431 Kinder bzw. 46,9% in Einrichtungen dieser Art. Die Vorschulbildungsquo- te lag im Jahr 2006 noch bei 38,4%. Vergleichbare Zahlen nach Staatsbürgerschaft für ganz Österreich liegen nur für die Jahre 2010 und 2011 vor. In diesem Zeitraum ist die Besuchsquote bei ausländischen Kindern besonders deutlich angestiegen und liegt nun bei 44,1% der 0- bis 4-Jährigen. BILDUNGSFERNE JUGENDLICHE: Für den Indikator der bildungsfernen Jugendlichen wird die Gruppe jener Jugendlichen herangezogen, die nach Vollendung der Schulpflicht keine weitere Ausbildung in Anspruch nehmen. Konkret wird im Berichtsjahr der Anteil jener Jugendlichen, die sich nicht in Ausbildung befinden und im vorangegangenen Jahr 14 Jahre alt waren, ausge- geben. Im Indikator sind somit sowohl jene Personen abgebildet, welche die Sekundarstufe I erreicht haben, als auch jene, die sie nicht erreicht haben. Im Schuljahr 2010/11 umfasste der Jahrgang der 14-Jährigen des Vorjahres 92.507 Personen. 1,5% der Gesamtgruppe erreichten nicht den Abschluss der Sekundarstufe I, 5,4% erzielten diesen Abschluss, blieben aber dennoch weiteren Bildungsaktivitäten fern. BESUCH VORSCHULISCHER BILDUNGS- EINRICHTUNGEN: Der Indikator bildet den Anteil der Kinder bis vier Jahre, die einen Kindergarten, eine Kinderkrippe oder alterserweiterte Betreuungseinrichtung besu- chen, an allen Kindern dieser Altersgruppe ab. Der Besuch einer vorschulischen Bildungseinrichtung begünstigt den individuellen Bildungserfolg. Dies gilt speziell für Kinder mit nicht deutscher Muttersprache und kann hier auch besonders zur Entlastung der weiterführenden Bildungseinrichtungen beitragen. Da das Merkmal der Muttersprache in der Kinderta- gesheimstatistik nicht erfasst ist, wird der Indikator nach der Staatsbürgerschaft der Kinder ausgewiesen. Bei der Interpretation zu beachten ist, dass die für die Chancen am Arbeitsmarkt insbesondere von jungen Müttern erforderliche Betreuung von Kindern auch außerhalb der hier berücksichtigten Betreuungs- einrichtungen (z.B. durch Verwandte, Tagesmütter, Babysitter) erfolgt. Grafik 34: Besuch von vorschulischen Bildungseinrichtungen 40 50 60 70 80 90 100 110 120 130 140 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 Zusammen nicht österreichische Staatsbürgerschaft Index,Basisjahr2008=100 Basisjahr 2008 111 119 Q: STATISTIK AUSTRIA, Kindertagesheimstatistik. Anmerkung: Im Jahr 2008 lag die Besuchsquote für vorschulische Bildungseinrichtungen bei insgesamt 42,0% (=100). Erst seit dem Jahr 2010 liegen erstmals Staatsbürgerschaftsdaten für alle Bun- desländer vor, erst ab diesem Zeitpunkt wird die Reihe für Auslände- rInnen dazuverkettet. Im Jahr 2010 lag die Besuchsquote für Auslän- derInnen bei 40,2% gegenüber dem Gesamtwert von 45,7% (=109).
  • 114.
    ÖSTERREICHS INDIKATOREN FÜRSOZIALE EINGLIEDERUNG 112 8.6 Gesundheitsungleichheiten bleiben bestehen Die beiden Indikatoren zum Thema Gesundheit im Set der nationalen Eingliederungsindikatoren bele- gen, dass Gesundheit und sogar die Lebensdauer in Österreich weiterhin sehr stark von der sozialen Lage abhängig sind. Mehrfache Gesundheitseinschränkungen Der erste Indikator umfasst drei Informationen zum Gesundheitszustand, u.a. auch eine Bewertung zur subjektiven Wahrnehmung der eigenen Gesundheit. Über die Jahre bleibt dieser Indikator konstant.Speziell die großen Ungleichheiten fallen hier ins Gewicht. 2011 waren insgesamt 8,8% der Bevölkerung ab 16 Jahren mehrfach gesundheitlich beeinträchtigt. Ar- muts- oder Ausgrenzungsgefährdete (2011: 16,8%) waren im gesamten Beobachtungszeitraum wesentlich häufiger betroffen. MEHRFACHE GESUNDHEITSEINSCHRÄNKUNGEN: Als mehrfach gesundheitlich beeinträchtigt gelten Personen, auf die mindestens zwei der drei Merkmale „sehr schlechter allgemeiner Gesundheitszustand in der subjektiven Einschätzung“, „chronische Krankheit“, „starke Ein- schränkung bei der Verrichtung alltäglicher Arbeiten durch eine gesundheitliche Beeinträchtigung seit mindestens einem halben Jahr“ zutreffen. Diese Fragen sind Teil der EU-SILC Befragung, und es liegen jährliche Daten ab 2004 vor. Im Jahr 2008 ist jedoch ein Zeitreihenbruch zu verzeichnen: In der österreichischen Erhebung von EU-SILC 2008 wurden die Fragestellungen zum Bereich „Gesundheit“ an die österreichische Gesundheitsbefragung (AT-HIS) angepasst. Das Ziel der Harmonisierung der Erfassung des Gesundheitszustands war neben der Angleichung der Messung in den verschiedenen Ländern auch die Angleichung an die europäische Gesundheitsbefragung (EHIS). Durch die Änderungen der Fragestellung muss bei der Interpretation der Daten und den Vergleichen zwischen den Jahren eine mögliche Veränderung des Antwortverhaltens der Befragten und damit ein Einfluss auf die Messung von Deprivation beachtet werden. Die größten Veränderungen zwischen den Jahren weisen die Ergebnisse zur chronischen Krankheit auf. Die genauere Erläuterung von chronischer Krankheit im Fragetext könnte um etwa die Hälfte mehr 20- bis 64-jährige Befragte dazu bewogen haben, sich als chronisch krank einzustufen. In der Alters- gruppe ab 65 Jahren haben sich 2008 rund ein Viertel mehr Personen als dauerhaft krank eingestuft als im Jahr 2007 (vgl. Statistik Austria 2010, S. 19). Grafik 35: Mehrfache Gesundheitsein- schränkungen 40 50 60 70 80 90 100 110 120 130 140 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 Insgesamt Armuts- oder Ausgrenzungsgefährdete Index,Basisjahr2008=100 Basisjahr 2008 89 91 Q: STATISTIK AUSTRIA, EU-SILC. Anmerkung: Im Jahr 2008 lag der Anteil der Personen ab 16 Jahren, die von mehrfachen Gesundheitseinschränkungen betroffen waren, bei 9,9%, bei Armuts- oder Ausgrenzungsgefährdeten waren es 18,5% (=100).
  • 115.
    ÖSTERREICHS INDIKATOREN FÜRSOZIALE EINGLIEDERUNG 113 Soziale Lebenserwartungsdifferenzen Die fernere Lebenserwartung ist seit den 1980er-Jahren sowohl für höhere als auch für niedrige Bildungs- schichten deutlich gestiegen. Allerdings bestehen weiterhin klare Unterschiede zwischen den Bil- dungsschichten. Für Männer ist die Differenz nach erreichtem Bildungsniveau deutlich größer als für Frauen. Die fernere Lebenserwartung für Männer mit Hochschulbildung ist um 6,0 Jahre höher als für Männer mit Pflichtschulbildung, für Frauen beträgt der Unterschied 2,3 Jahre. LEBENSERWARTUNGSDIFFERENZEN: Abstand (in Jahren) zwischen der noch zu erwartenden Lebensdauer von Personen mit Hochschulbildung und der noch zu erwartenden Lebensdauer von Per- sonen mit Pflichtschulbildung (gerechnet ab dem 35. Geburtstag). Die Berechnung erfolgt auf Basis von Periodensterbetafeln, getrennt nach Geschlecht. Unterschiede in der ferneren Lebenserwartung zwi- schen verschiedenen Bildungsniveaus können nur in größeren Zeitabständen berechnet werden (vgl. Klotz 2007). Grafik 36: Fernere Lebenserwartung mit 35 Jahren 1981/82 bis 2006/07 0 10 20 30 40 50 60 1981/82 1991/92 2001/02 2006/07 1981/82 1991/92 2001/02 2006/07 36 38 40 42 43 45 47 48 42 44 46 48 46 48 49 50 Hochschulbildung Pflichtschulbildung Jahre Männer Frauen Q: STATISTIK AUSTRIA, Volkszählungen, Proberegisterzählung 2006, Todesursachenstatistik.
  • 116.
  • 117.
    ANHANG 115 9. ANHANG 9.1 Methodischeszu EU-SILC Die zentrale Datengrundlage desvorliegenden Berichts ist EU-SILC (European CommunityStatistics on Income and Living Conditions), eine jährliche Statistik über Einkommen und Lebensbedingungen von Privathaus- halten in Europa, die eine wichtige Grundlage für die Europäische Sozialstatistik bildet. Zentrale Themen sind Einkommen, Beschäftigung und Wohnen sowie subjektive Fragen zu Gesundheit und finanzieller Lage, die es ermöglichen, die Lebenssituation von Menschen in Privathaushalten abzubilden. EU-SILC ist auch die zentrale Quelle zur Erhebung der vom Europäischen Rat verabschiedeten Indikatoren zur Messung von Armut und sozialer Eingliederung (vormals bekannt als Laeken-Indikatoren). EU-Verordnungen und eine nationaleVerordnung des BMASKbilden die rechtliche Grundlage für die Erhebung, die seit 2008 zu 100% vom BMASK finanziert wird.73 In Österreich wurde EU-SILC erstmals 2003 als ein- malige Querschnitterhebung von Statistik Austria durchgeführt. Ergebnisse werden seitdem jährlich in Form eines Berichts sowie als Artikel zu Schwerpunkt- themen in den Statistischen Nachrichten publiziert. Zudem werden die anonymisierten Mikrodaten an interessierte ForscherInnen weitergegeben, seit 2008 sind sie für Forschung und Lehre kostenfrei zu beziehen. Im Jahr 2004 begann EU-SILC als integrierte Längs- und Querschnitterhebung. Das heißt, jeweils rund drei Viertel der Haushalte werden auch im Folgejahr wieder befragt, ein Viertel der Stichprobe kommt jährlich neu hinzu. Im Jahr 2007 wurde die integrierte Quer- und Längsschnitterhebung erstmals voll im- plementiert, sodass mit dem Datensatz 2004-2007 erstmals ein vierjähriger Längsschnitt auswertbar war. Im Jahr 2011 wurde das Rotationsdesign wie gehabt fortgesetzt. Auswahlrahmen für EU-SILC ist das Zentrale Melde- register (ZMR). Stichtag für die Ziehung der Erstbe- fragungsstichprobe 2011 war der 30.09.2010. Die Erstbefragungsstichprobe wurde auf Basis einer einstufigen, geschichteten Wahrscheinlichkeitsaus- wahl mit disproportionaler Allokation gezogen. Die Stichprobe der Folgebefragung ergibt sich aus den erfolgreich befragten Haushalten im Jahr 2010. Die Stichprobe von EU-SILC 2011 umfasst brutto 8.106 Adressen, 2.949 davon für die Erstbefragung, 5.157 für die Folgebefragung. Die um qualitätsneutrale Ausfälle (leer stehende Wohnungen oder Haushalte, deren Haushaltsmitglieder ins Ausland verzogen sind bzw. nicht mehr in einem Privat-Haushalt wohnen) bereinigte Bruttostichprobe besteht insgesamt aus 7.936 Adressen. Davon konnte in 6.204 Haushalten die Befragung erfolgreich abgeschlossen werden. In 17 Fällen mussten die erhobenen Daten aufgrund von Qualitätsmängeln ausgeschlossen werden, für die Analyse verbleiben somit 6.187 Haushalte. Die Ausschöpfung liegt in EU-SILC 2011 in der Erstbe- fragung bei rund 62%, in der Folgebefragung bei rund 86%. Die Datenerhebung durch Erhebungspersonen von Statistik Austria fand von März bis August 2011 statt. 3.548 Haushalte wurden face-to-face (CAPI) befragt, in 2.639 Haushalten wurde die Befragung 73 Die Verordnungen können über die Website der StatistikAustria http://www.statistik.at/web_de/frageboegen/private_haushalte/eu_silc/ index.html#index2 abgerufen werden.
  • 118.
    ANHANG 116 9.2 Literatur Altzinger, W./Lamei, N./ Rumplmaier, B. /Schneebaum, A. (2013): Intergenerationelle soziale Mobilität. In: Statistische Nachrichten 01/2013, S. 48-62. Wien. BKA (2012): Nationales Reformprogramm Österreich 2012. Abrufbar unter: http://www.bka.gv.at/DocView. axd?CobId=47619 (29.11.2012). BMASK/ StatistikAustria (2009): Armutsgefährdung in Österreich: EU-SILC 2008 – Eingliederungsindikatoren. In: Sozialpolitische Studienreihe des Bundesministeriums für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz. Band 2. Wien. BMASK/ Statistik Austria (2011): Armuts- und Ausgrenzungsgefährdung in Österreich. Ergebnisse aus EU-SILC 2010. In: Sozialpolitische Studienreihe des Bundesministeriums für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz. Band 8. Wien. BMASK (2012): Sozialbericht 2011-2012. Wien. telefonisch durchgeführt (CATI). Für 11.408 Perso- nen, die mindestens 16 Jahre alt waren, wurde ein Personenfragebogen ausgefüllt. Davon wurden 1.236 Personenfragebögen mittels Proxy Interview (durch Fremdauskünfte) erhoben. 67 Interviews mussten vollständig imputiert werden. In 75 Haushalten wurde das Interview in einer Fremdsprache geführt, davon kamen in 38 Fällen übersetzte Fragebögen (Türkisch oder Bosnisch, Kroatisch, Serbisch) zum Einsatz. Die zur Auswertung zur Verfügung stehenden Daten werden umfangreichen Plausibilitätskontrollen un- terzogen. Bereits in der Erhebungssituation werden durch Checks und Warnungen Erfassungsfehler und unplausible Antworten minimiert. In der Datenauf- bereitung werden die Daten auf Vollständigkeit und Konsistenzgeprüftundplausibilisiert. In der Mikroplaus werden die Datensätze auf unplausible, inkonsistente und fehlende Antworten geprüft. Die Makroplaus umfasst Häufigkeitsauszählungen zur Prüfung der Verteilungen, Kontrollen von Extremwerten und den Vergleich von Aggregaten mit den Ergebnissen der Vorjahre und externen Datenquellen. Das mehrstufige Gewichtungsverfahren folgte in den Grundzügen der bereits seit EU-SILC 2006 angewendeten Methodik. Die Stichprobe wurde getrennt nach den vier Rotati- onen gewichtet. EU-SILC ist eine Stichprobenerhebung mit für Öster- reich repräsentativen Ergebnissen – je kleiner die untersuchten Gruppen, desto ungenauer sind die auf die Grundgesamtheit hochgerechneten Werte. Auf die gebotene Vorsicht bei der Interpretation, auch bei Jahresvergleichen, muss ausdrücklich hingewiesen werden. Mitunter sehr deutliche Unterschiede zum Vorjahr können in Hinblick auf die statistische Schwankungsbreite nicht signifikant sein. Detaillierte methodische Informationen zur Erhebung bietet dieStandarddokumentation zu EU-SILC2011, die auf der Homepage der Statistik Austria abrufbar ist. Die anonymisierten Mikrodaten, die diesem Bericht zugrunde liegen, sind seit Anfang 2013 verfügbar.
  • 119.
    ANHANG 117 Bock-Schappelwein, J./ Mühlberger,U. (2008): Beschäftigungsformen in Österreich: Rechtliche und quantitative Aspekte. In: WIFO-Monatsbericht 12/2008, S. 941-951. Wien. Europäische Kommission (2010): Europa 2020 – Eine Strategie für intelligentes, nachhaltiges und integratives Wachstum. KOM (2010) 2020, Brüssel. Europäische Kommission (2011): Europa 2020 – Österreichisches Reformprogramm 2011. Abrufbar unter : http://ec.europa.eu/europe2020/pdf/nrp/nrp_austria_de.pdf (27.11.2012). Europäischer Rat (2000): Schlussfolgerungen desVorsitzes Europäischer Rat, Lissabon, 23. und 24. März 2000. Fusco, A./ Guio, A./ Marlier, E. (2010): Income poverty and material deprivation in European countries. Eurostat Methodologies and Workingpapers. Abrufbar unter: http://epp.eurostat.ec.europa.eu/cache/ITY_OFFPUB/ KS-RA-10-030/EN/KS-RA-10-030-EN.PDF (26.11.2012). Geisberger, T./ Knittler, K. (2010): Niedriglöhne und atypische Beschäftigung in Österreich. In: Statistische Nachrichten 06/2010, S. 448-461. Wien. Gordon, D. et al (2000): Poverty and Social Exclusion in Britain. Joseph Rowntree Foundation. York. Gordon, D./ Guio, A./ Marlier, E. (2012): Measuring Material Deprivation in the EU. Indicators for the whole population and child-specific indicators. Eurostat. Luxemburg. Abrufbar unter: http://epp.eurostat.ec.europa. eu/cache/ITY_OFFPUB/KS-RA-12-018/EN/KS-RA-12-018-EN.PDF (20.11.2012). Guger, A./ Agwi, M./ Buxbaum, A./ Festl, E./ Knittler, K./ Halsmayer, V./ Pitlik, H./ Sturn, S./ Wüger, M. (2009): Umverteilung durch den Staat in Österreich. WIFO-Monografie, Juli 2009. Klotz, J. (2007): Soziale Unterschiede in der Sterblichkeit. Bildungsspezifische Sterbetafeln 2001/2002. In: Statistische Nachrichten 4/2007, S. 296-311. Wien. Lamei, N./ Till-Tentschert, U. (2005): Messung von Armutsgefährdung und Deprivation. In: Statistische Nachrichten 04/2005, S. 349-359. Wien. Lamei, N./ Skina-Tabue M. (2011): Armut und Gender. Eine aktuelle Analyse ökonomischer Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern. In: Verwiebe, R. (Hrsg.), Armut in Österreich. Bestandsaufnahme, Trends, Risikogruppen, S. 125-148. Wien. Lutz, H./ Mahringer, H. (2010): Niedriglohnbeschäftigung – Brücke in dauerhafte Beschäftigung oder Niedriglohnfalle? WIFO, Februar 2010. Abrufbar unter: http://www.wifo.ac.at/wwa/jsp/index.jsp?fid=23923 &id=38901&typeid=8&display_mode=2 (14.11.2012).
  • 120.
    ANHANG 118 Mader, K./ Schneebaum,A./ Skina-Tabue, M./ Till-Tentschert, U. (2012, im Erscheinen): Intrahaushaltsverteilung von Ressourcen. Geschlechterspezifische Verteilungen von Einkommen und Entscheidungsmacht. In: Statistische Nachrichten 12/2012, S. 983-994. Wien. Rechnungshof (2012): Allgemeiner Einkommensbericht 2012. Wien. Statistik Austria (2009): Einkommen, Armut und Lebensbedingungen. Ergebnisse aus EU-SILC 2007. Wien. Statistik Austria (2010): Methoden und Vergleiche zu EU-SILC 2008. Wien. Statistik Austria (2011): Arbeitskräfteerhebung. Ergebnisse des Mikrozensus 2010. Wien. Statistik Austria (2012a, im Erscheinen): Standard-Dokumentation Metainformationen. Definitionen, Erläuterungen, Methoden, Qualität. Abrufbar unter: http://www.statistik.at/web_de/dokumentationen/ Soziales/index.html Statistik Austria (2012b): Tabellenband EU-SILC 2011. Einkommen, Armut und Lebensbedingungen. Wien. Statistik Austria (2012c): Arbeitskräfteerhebung. Ergebnisse des Mikrozensus 2011. Wien. Till, M.(2005): Assessing the housing dimension of social inclusion on six European countries, Innovation, V 18/2, P 153-181. Till-Tentschert, U./ Weiss, H. (2008): Armutslagen und Chancen für Eingliederung in Österreich. Arbeitspapier 1. Merkmale deprivierter Lebensführung in Österreich. Wien Verma, V. (2001): EU-SILC Sampling Guidelines. EU-SILC doc 51/01. Eurostat. Luxemburg.
  • 122.
    Studie der StatistikAustria im Auftrag des BMASK ARMUTS- UND AUSGRENZUNGSGEFÄHRDUNG IN ÖSTERREICH Ergebnisse aus EU-SILC 2011 Einkommen Manifeste Armut Einkommenslücke VerfestigteDeprivation Zahlungsprobleme Überbelag Prekäre Wohnqualität Belastende Wohnumgebung Sehr hoher Wohnungsaufwand Registrierte Wohnungslosigkeit Arbeitsmarktferne Haushaltseinkommen aus Erwerbsarbeit unter der Armutsgefährdungsschwelle WorkingPoor Langzeitbeschäftigungslosigkeit Bildungsaktivität BildungsferneJugendliche Gesundheitseinschränkungen Soziale Lebenserwartungsdifferenzen VorschulischeBildung Lebensstandard Wohnraum Erwerbsleben Erwerbshindernisse Bildungschancen Gesundheit Sehr niedrige Erwerbsintensität Mehrfach-Ausgrenzungsgefährdete Erhebliche materielle Deprivation Armutsgefährdung SOZIALTELEFON Bürgerservice des Sozialministeriums Tel.: 0800 - 20 16 11 Mo bis Fr 08:00 - 12:00 Uhr Do 08:00 - 16:00 Uhr PFLEGETELEFON Tel.: 0800 - 20 16 22 Mo bis Do 08:00 - 16:00 Uhr Fr 8:00 - 13:00 Uhr Fax: 0800 - 22 04 90 [email protected] BROSCHÜRENSERVICE Tel.: 0800 - 20 20 74 [email protected] https://broschuerenservice.bmask.gv.at ALLGEMEINE FRAGEN [email protected] BUNDESMINISTERIUM FÜR ARBEIT, SOZIALES UND KONSUMENTENSCHUTZ Stubenring 1, 1010 Wien Tel.: +43 1 711 00 - 0 www.bmask.gv.at