Italienische Reise - Band 1 by Goethe, Johann Wolfgang Von, 1749-1832
Italienische Reise - Band 1 by Goethe, Johann Wolfgang Von, 1749-1832
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Italienische Reise-Teil 1
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Die Reise
Italienische Reise-Teil 1
Fr�h drei Uhr stahl ich mich aus Karlsbad, weil man mich sonst nicht
fortgelassen h�tte. Die Gesellschaft, die den achtundzwanzigsten
August, meinen Geburtstag, auf eine sehr freundliche Weise feiern
mochte, erwarb sich wohl dadurch ein Recht, mich festzuhalten; allein
hier war nicht l�nger zu s�umen. Ich warf mich ganz allein, nur einen
Mantelsack und Dachsranzen aufpackend, in eine Postchaise und gelangte
halb acht Uhr nach Zwota, an einem sch�nen stillen Nebelmorgen. Die
obern Wolken streifig und wollig, die untern schwer. Mir schienen das
gute Anzeichen. Ich hoffte, nach einem so schlimmen Sommer einen
guten Herbst zu genie�en. Um zw�lf in Eger, bei hei�em Sonnenschein;
und nun erinnerte ich mich, da� dieser Ort dieselbe Polh�he habe wie
meine Vaterstadt, und ich freute mich, wieder einmal bei klarem Himmel
unter dem funfzigsten Grade zu Mittag zu essen.
Regensburg liegt gar sch�n. Die Gegend mu�te eine Stadt herlocken;
auch haben sich die geistlichen Herren wohl bedacht. Alles Feld um
die Stadt geh�rt ihnen, in der Stadt steht Kirche gegen Kirche und
Stift gegen Stift. Die Donau erinnert mich an den alten Main. Bei
Frankfurt haben Flu� und Br�cke ein besseres Ansehn, hier aber nimmt
sich das gegen�berliegende Stadt am Hof recht artig aus. Ich verf�gte
mich gleich in das Jesuitenkollegium, wo das j�hrliche Schauspiel
durch Sch�ler gegeben ward, sah das Ende der Oper und den Anfang des
Trauerspiels. Sie machten es nicht schlimmer als eine angehende
Liebhabertruppe und waren recht sch�n, fast zu pr�chtig gekleidet.
Auch diese �ffentliche Darstellung hat mich von der Klugheit der
Jesuiten aufs neue �berzeugt. Sie verschm�hten nichts, was irgend
wirken konnte, und wu�ten es mit Liebe und Aufmerksamkeit zu behandeln.
Hier ist nicht Klugheit, wie man sie sich in Abstracto denkt, es ist
eine Freude an der Sache dabei, ein Mit--und Selbstgenu�, wie er aus
dem Gebrauche des Lebens entspringt. Wie diese gro�e geistliche
Gesellschaft Orgelbauer, Bildschnitzer und Vergulder unter sich hat,
so sind gewi� auch einige, die sich des Theaters mit Kenntnis und
Neigung annehmen, und wie durch gef�lligen Prunk sich ihre Kirchen
auszeichnen, so bem�chtigen sich die einsichtigen M�nner hier der
weltlichen Sinnlichkeit durch ein anst�ndiges Theater.
Heute schreibe ich unter dem neunundvierzigsten Grade. Er l��t sich
gut an. Der Morgen war k�hl, und man klagt auch hier �ber N�sse und
K�lte des Sommers; aber es entwickelte sich ein herrlicher gelinder
Tag. Die milde Luft, die ein gro�er Flu� mitbringt, ist ganz etwas
Eigenes. Das Obst ist nicht sonderlich. Gute Birnen hab' ich
gespeist; aber ich sehne mich nach Trauben und Feigen.
Der Jesuiten Tun und Wesen h�lt meine Betrachtungen fest. Kirchen,
T�rme, Geb�ude haben etwas Gro�es und Vollst�ndiges in der Anlage, das
allen Menschen insgeheim Ehrfurcht einfl��t. Als Dekoration ist nun
Gold, Silber, Metall, geschliffene Steine in solcher Pracht und
Reichtum geh�uft, der die Bettler aller St�nde blenden mu�. Hier und
da fehlt es auch nicht an etwas Abgeschmacktem, damit die Menschheit
vers�hnt und angezogen werde. Es ist dieses �berhaupt der Genius des
katholischen �u�eren Gottesdienstes; noch nie habe ich es aber mit so
viel Verstand, Geschick und Konsequenz ausgef�hrt gesehen als bei den
Jesuiten. Alles trifft darin �berein, da� sie nicht wie andere
Ordensgeistliche eine alte abgestumpfte Andacht fortsetzten, sondern
sie dem Geist der Zeit zuliebe durch Prunk und Pracht wieder
aufstutzten.
Den f�nften September halb ein Uhr Mittag reiste ich von Regensburg ab.
Bei Abach ist eine sch�ne Gegend, wo die Donau sich an Kalkfelsen
bricht, bis gegen Saale. Es ist der Kalk wie der bei Osteroda am Harz,
dicht, aber im ganzen l�cherig. Um sechs Uhr morgens war ich in
M�nchen, und nachdem ich mich zw�lf Stunden umgesehen, will ich nur
weniges bemerken. In der Bildergalerie fand ich mich nicht
einheimisch; ich mu� meine Augen erst wieder an Gem�lde gew�hnen. Es
sind treffliche Sachen. Die Skizzen von Rubens von der Luxemburger
Galerie haben mir gro�e Freude gemacht.
Im Antikensaale konnte ich recht bemerken, da� meine Augen auf diese
Gegenst�nde nicht ge�bt sind, deswegen wollte ich nicht verweilen und
Zeit verderben. Vieles sprach mich gar nicht an, ohne da� ich sagen
k�nnte warum. Ein Drusus erregte meine Aufmerksamkeit, zwei Antonine
gefielen mir und so noch einiges. Im ganzen stehen die Sachen auch
nicht gl�cklich, ob man gleich mit ihnen hat aufputzen wollen, und der
Saal oder vielmehr das Gew�lbe ein gutes Ansehn h�tte, wenn es nur
reinlicher und besser unterhalten w�re. Im Naturalienkabinett fand
ich sch�ne Sachen aus Tirol, die ich in kleinen Musterst�cken schon
kenne, ja besitze.
Es begegnete mir eine Frau mit Feigen, welche als die ersten
vortrefflich schmeckten. Aber das Obst �berhaupt ist doch f�r den
achtundvierzigsten Grad nicht besonders gut. Man klagt hier durchaus
�ber K�lte und N�sse. Ein Nebel, der f�r einen Regen gelten konnte,
empfing mich heute fr�h vor M�nchen. Den ganzen Tag blies der Wind
sehr kalt vom Tiroler Gebirg. Als ich vom Turm dahin sah, fand ich es
bedeckt und den ganzen Himmel �berzogen. Nun scheint die Sonne im
Untergehen noch an den alten Turm, der mir vor dem Fenster steht.
Verzeihung, da� ich so sehr auf Wind und Wetter achthabe: der Reisende
zu Lande, fast so sehr als der Schiffer, h�ngt von beiden ab, und es
w�re ein Jammer, wenn mein Herbst in fremden Landen so wenig
beg�nstigt sein sollte als der Sommer zu Hause.
Nun soll es gerade auf Innsbruck. Was lass' ich nicht alles rechts
und links liegen, um den einen Gedanken auszuf�hren, der fast zu alt
in meiner Seele geworden ist!
Es scheint, mein Schutzgeist sagt Amen zu meinem Kredo, und ich danke
ihm, der mich an einem so sch�nen Tage hierher gef�hrt hat. Der
letzte Postillon sagte mit vergn�glichem Ausruf, es sei der erste im
ganzen Sommer. Ich n�hre meinen stillen Aberglauben, da� es so
fortgehen soll, doch m�ssen mir die Freunde verzeihen, wenn wieder von
Luft und Wolken die Rede ist.
Als ich um f�nf Uhr von M�nchen wegfuhr, hatte sich der Himmel
aufgekl�rt. An den Tiroler Bergen standen die Wolken in ungeheuern
Massen fest. Die Streifen der untern Regionen bewegten sich auch
nicht. Der Weg geht auf den H�hen, wo man unten die Isar flie�en
sieht, �ber zusammengeschwemmte Kiesh�gel hin. Hier wird uns die
Arbeit der Str�mungen des uralten Meeres fa�lich. In manchem
Granitgeschiebe fand ich Geschwister und Verwandte meiner
Kabinettsst�cke, die ich Knebeln verdanke.
Die Nebel des Flusses und der Wiesen wehrten sich eine Weile, endlich
wurden auch diese aufgezehrt. Zwischen gedachten Kiesh�geln, die man
sich mehrere Stunden weit und breit denken mu�, das sch�nste
fruchtbarste Erdreich wie im Tale des Regenflusses. Nun mu� man
wieder an die Isar und sieht einen Durchschnitt und Abhang der
Kiesh�gel, wohl hundertundfunfzig Fu� hoch. Ich gelangte nach
Wolfrathshausen und erreichte den achtundvierzigsten Grad. Die Sonne
brannte heftig, niemand traut dem sch�nen Wetter, man schreit �ber das
b�se des vergehenden Jahres, man jammert, da� der gro�e Gott gar keine
Anstalt machen will.
Nun ging mir eine neue Welt auf. Ich n�herte mich den Gebirgen, die
sich nach und nach entwickelten.
Nach Walchensee gelangte ich um halb f�nf. Etwa eine Stunde von dem
Orte begegnete mir ein artiges Abenteuer: ein Harfner mit seiner
Tochter, einem M�dchen von eilf Jahren, gingen vor mir her und baten
mich, das Kind einzunehmen. Er trug das Instrument weiter, ich lie�
sie zu mir sitzen, und sie stellte eine gro�e neue Schachtel
sorgf�ltig zu ihren F��en. Ein artiges ausgebildetes Gesch�pf, in der
Welt schon ziemlich bewandert. Nach Maria-Einsiedel war sie mit ihrer
Mutter zu Fu� gewallfahrtet, und beide wollten eben die gr��ere Reise
nach St. Jago von Compostell antreten, als die Mutter mit Tode abging
und ihr Gel�bde nicht erf�llen sollte. Man k�nne in der Verehrung der
Mutter Gottes nie zuviel tun, meinte sie. Nach einem gro�en Brande
habe sie selbst gesehen ein ganzes Haus niedergebrannt bis auf die
untersten Mauern, und �ber der T�re hinter einem Glase das
Muttergottesbild, Glas und Bild unversehrt, welches denn doch ein
augenscheinliches Wunder sei. All ihre Reisen habe sie zu Fu�e
gemacht, zuletzt in M�nchen vor dem Kurf�rsten gespielt und sich
�berhaupt vor einundzwanzig f�rstlichen Personen h�ren lassen. Sie
unterhielt mich recht gut. H�bsche gro�e braune Augen, eine
eigensinnige Stirn, die sich manchmal ein wenig hinaufw�rts faltete.
Wenn sie sprach, war sie angenehm und nat�rlich, besonders wenn sie
kindischlaut lachte; hingegen wenn sie schwieg, schien sie etwas
bedeuten zu wollen und machte mit der Oberlippe eine fatale Miene.
Ich sprach sehr viel mit ihr durch, sie war �berall zu Hause und
merkte gut auf die Gegenst�nde. So fragte sie mich einmal, was das
f�r ein Baum sei. Es war ein sch�ner gro�er Ahorn, der erste, der mir
auf der ganzen Reise zu Gesichte kam. Den hatte sie doch gleich
bemerkt und freute sich, da mehrere nach und nach erschienen, da� sie
auch diesen Baum unterscheiden k�nne. Sie gehe, sagte sie, nach Bozen
auf die Messe, wo ich doch wahrscheinlich auch hinz�ge. Wenn sie mich
dort antr�fe, m�sse ich ihr einen Jahrmarkt kaufen, welches ich ihr
denn auch versprach. Dort wollte sie auch ihre neue Haube aufsetzen,
die sie sich in M�nchen von ihrem Verdienst habe machen lassen. Sie
wolle mir solche im voraus zeigen. Nun er�ffnete sie die Schachtel,
und ich mu�te mich des reichgestickten und wohlbeb�nderten
Kopfschmuckes mit ihr erfreuen.
Bei Scharnitz kommt man ins Tirol. Die Grenze ist mit einem Walle
geschlossen, der das Tal verriegelt und sich an die Berge anschlie�t.
Es sieht gut aus: an der einen Seite ist der Felsen befestigt, an der
andern steigt er senkrecht in die H�he. Von Seefeld wird der Weg
immer interessanter, und wenn er bisher seit Benediktbeuern herauf von
H�he zu H�he stieg und alle Wasser die Region der Isar suchten, so
blickt man nun �ber einen R�cken in das Inntal, und Inzingen liegt vor
uns. Die Sonne war hoch und hei�, ich mu�te meine Kleidung
erleichtern, die ich bei der ver�nderlichen Atmosph�re des Tages oft
wechsele.
Bei Zirl f�hrt man ins Inntal herab. Die Lage ist unbeschreiblich
sch�n, und der hohe Sonnenduft machte sie ganz herrlich. Der
Postillon eilte mehr, als ich w�nschte: er hatte noch keine Messe
geh�rt und wollte sie in Innsbruck, es war eben Marientag, um desto
and�chtiger zu sich nehmen. Nun rasselte es immer an dem Inn hinab,
an der Martinswand vorbei, einer steil abgehenden ungeheuern Kalkwand.
Zu dem Platze, wohin Kaiser Maximilian sich verstiegen haben soll,
getraute ich mir wohl ohne Engel hin und her zu kommen, ob es gleich
immer ein frevelhaftes Unternehmen w�re.
Nun wurde es dunkler und dunkler, das Einzelne verlor sich, die Massen
wurden immer gr��er und herrlicher, endlich, da sich alles nur wie ein
tiefes geheimes Bild vor mir bewegte, sah ich auf einmal wieder die
hohen Schneegipfel vom Mond beleuchtet, und nun erwarte ich, da� der
Morgen diese Felsenkluft erhelle, in der ich auf der Grenzscheide des
S�dens und Nordens eingeklemmt bin.
Ich f�ge noch einige Bemerkungen hinzu �ber die Witterung, die mir
vielleicht ebendeswegen so g�nstig ist, weil ich ihr so viele
Betrachtungen widme. Auf dem flachen Lande empf�ngt man gutes und
b�ses Wetter, wenn es schon fertig geworden, im Gebirge ist man
gegenw�rtig, wenn es entsteht. Dieses ist mir nun so oft begegnet,
wenn ich auf Reisen, Spazierg�ngen, auf der Jagd Tag und N�chte lang
in den Bergw�ldern, zwischen Klippen verweilte, und da ist mir eine
Grille aufgestiegen, die ich auch f�r nichts anders geben will, die
ich aber nicht loswerden kann, wie man denn eben die Grillen am
wenigsten loswird. Ich sehe sie �berall, als wenn es eine Wahrheit
w�re, und so will ich sie denn auch aussprechen, da ich ohnehin die
Nachsicht meiner Freunde so oft zu pr�fen im Falle bin.
Betrachten wir die Gebirge n�her oder ferner und sehen ihre Gipfel
bald im Sonnenscheine gl�nzen, bald vorn Nebel umzogen, von st�rmenden
Wolken umsaust, von Regenstrichen gepeitscht, mit Schnee bedeckt, so
schreiben wir das alles der Atmosph�re zu, da wir mit Augen ihre
Bewegungen und Ver�nderungen gar wohl sehen und fassen. Die Gebirge
hingegen liegen vor unserm �u�eren Sinn in ihrer herk�mmlichen Gestalt
unbeweglich da. Wir halten sie f�r tot, weil sie erstarrt sind, wir
glauben sie unt�tig, weil sie ruhen. Ich aber kann mich schon seit
l�ngerer Zeit nicht entbrechen, einer innern, stillen, geheimen
Wirkung derselben die Ver�nderungen, die sich in der Atmosph�re zeigen,
zum gro�en Teile zuzuschreiben. Ich glaube n�mlich, da� die Masse
der Erde �berhaupt, und folglich auch besonders ihre hervorragenden
Grundfesten, nicht eine best�ndige, immer gleiche Anziehungskraft
aus�ben, sondern da� diese Anziehungskraft sich in einem gewissen
Pulsieren �u�ert, so da� sie sich durch innere notwendige, vielleicht
auch �u�ere zuf�llige Ursachen bald vermehrt, bald vermindert. M�gen
alle anderen Versuche, diese Oszillation darzustellen, zu beschr�nkt
und roh sein, die Atmosph�re ist zart und weit genug, um uns von jenen
stillen Wirkungen zu unterrichten. Vermindert sich jene
Anziehungskraft im geringsten, alsobald deutet uns die verringerte
Schwere, die verminderte Elastizit�t der Luft diese Wirkung an. Die
Atmosph�re kann die Feuchtigkeit, die in ihr chemisch und mechanisch
verteilt war, nicht mehr tragen, Wolken senken sich, Regen st�rzen
nieder, und Regenstr�me ziehen nach dem Lande zu. Vermehrt aber das
Gebirg seine Schwerkraft, so wird alsobald die Elastizit�t der Luft
wiederhergestellt, und es entspringen zwei wichtige Ph�nomene. Einmal
versammeln die Berge ungeheure Wolkenmassen um sich her, halten sie
fest und starr wie zweite Gipfel �ber sich, bis sie, durch innern
Kampf elektrischer Kr�fte bestimmt, als Gewitter, Nebel und Regen
niedergehen, sodann wirkt auf den �berrest die elastische Luft, welche
nun wieder mehr Wasser zu fassen, aufzul�sen und zu verarbeiten f�hig
ist. Ich sah das Aufzehren einer solchen Wolke ganz deutlich: sie
hing um den steilsten Gipfel, das Abendrot beschien sie. Langsam,
langsam sonderten ihre Enden sich ab, einige Flocken wurden weggezogen
und in die H�he gehoben; diese verschwanden, und so verschwand die
ganze Masse nach und nach und ward vor meinen Augen wie ein Rocken von
einer unsichtbaren Hand ganz eigentlich abgesponnen.
Nun von dem abh�ngigen, durch Klima, Bergh�he, Feuchtigkeit auf das
mannigfaltigste bedingten Pflanzenreich einige Worte. Auch hierin
habe ich keine sonderliche Ver�nderung, doch Gewinn gefunden. �pfel
und Birnen h�ngen schon h�ufig vor Innsbruck in dem Tale, Pfirschen
und Trauben hingegen bringen sie aus Welschland oder vielmehr aus dem
mitt�gigen Tirol. Um Innsbruck bauen sie viel T�rkisch--und Heidekorn,
das sie Blende nennen. Den Brenner herauf sah ich die ersten
L�rchenb�ume, bei Sch�nberg den ersten Zirbel. Ob wohl das
Harfnerm�dchen hier auch nachgefragt h�tte?
Die Pflanzen betreffend, f�hl' ich noch sehr meine Sch�lerschaft. Bis
M�nchen glaubt' ich wirklich nur die gew�hnlichen zu sehen. Freilich
war meine eilige Tag--und Nachtfahrt solchen feinern Beobachtungen
nicht g�nstig. Nun habe ich zwar meinen Linn� bei mir und seine
Terminologie wohl eingepr�gt, wo soll aber Zeit und Ruhe zum
Analysieren herkommen, das ohnehin, wenn ich mich recht kenne, meine
St�rke niemals werden kann? Daher sch�rf' ich mein Auge aufs
Allgemeine, und als ich am Walchensee die erste Gentiana sah, fiel mir
auf, da� ich auch bisher zuerst am Wasser die neuen Pflanzen fand.
Was mich noch aufmerksamer machte, war der Einflu�, den die
Gebirgsh�he auf die Pflanzen zu haben schien. Nicht nur neue Pflanzen
fand ich da, sondern Wachstum der alten ver�ndert; wenn in der tiefern
Gegend Zweige und Stengel st�rker und mastiger waren, die Augen n�her
aneinander standen und die Bl�tter breit waren, so wurden h�her ins
Gebirg hinauf Zweige und Stengel zarter, die Augen r�ckten auseinander,
so da� von Knoten zu Knoten ein gr��erer Zwischenraum stattfand und
die Bl�tter sich lanzenf�rmiger bildeten. Ich bemerkte dies bei einer
Weide und einer Gentiana und �berzeugte mich, da� es nicht etwa
verschiedene Arten w�ren. Auch am Walchensee bemerkte ich l�ngere und
schlankere Binsen als im Unterlande.
Nicht fern mu� der Granitstock sein, an den sich alles anlehnt. Die
Karte zeigt, da� man sich an der Seite des eigentlichen gro�en
Brenners befindet, von dem aus die Wasser sich ringsum ergie�en.
Ich habe Gelegenheit gehabt zu sehen, welchen Wert die gemeinen Leute
auf Pfauenfedern legen, und wie �berhaupt jede bunte Feder geehrt wird.
Wer diese Gebirge bereisen wollte, m��te dergleichen mit sich f�hren.
Eine solche am rechten Orte angebrachte Feder w�rde statt des
willkommensten Trinkgeldes dienen.
Indem ich nun diese Bl�tter sondere, sammele, hefte und dergestalt
einrichte, da� sie meinen Freunden bald einen leichten �berblick
meiner bisherigen Schicksale gew�hren k�nnen, und da� ich mir zugleich,
was ich bisher erfahren und gedacht, von der Seele w�lze, betrachte
ich dagegen mit einem Schauer manche Pakete, von denen ich ein kurz
und gutes Bekenntnis ablegen mu�: sind es doch meine Begleiter, werden
sie nicht viel Einflu� auf meine n�chsten Tage haben!
Da ich nun diese Dinge s�mtlich mit mir f�hrte, so gehorchte ich gern
den Anforderungen der Karlsbader geistreichen Gesellschaft und las ihr
alles vor, was bisher unbekannt geblieben, da man sich denn jedesmal
�ber das Nichtvollbringen derjenigen Dinge, an denen man sich gern
l�nger unterhalten h�tte, bitterlich beschwerte.
Der Postillon schlief ein, und die Pferde liefen den schnellsten Trab
bergunter, immer auf dem bekannten Wege fort; kamen sie an ein eben
Fleck, so ging es desto langsamer. Der F�hrer wachte auf und trieb
wieder an, und so kam ich sehr geschwind, zwischen hohen Felsen, an
dem rei�enden Etschflu� hinunter. Der Mond ging auf und beleuchtete
ungeheuere Gegenst�nde. Einige M�hlen zwischen uralten Fichten �ber
dem sch�umenden Strom waren v�llige Everdingen.
Als ich um neun Uhr nach Sterzing gelangte, gab man mir zu verstehen,
da� man mich gleich wieder wegw�nsche. In Mittenwald Punkt zw�lf Uhr
fand ich alles in tiefem Schlafe, au�er dem Postillon, und so ging es
weiter auf Brixen, wo man mich wieder gleichsam entf�hrte, so da� ich
mit dem Tage in Kollmann ankam. Die Postillons fuhren, da� einem
Sehen und H�ren verging, und so leid es mir tat, diese herrlichen
Gegenden mit der entsetzlichsten Schnelle und bei Nacht wie im Fluge
zu durchreisen, so freuete es mich doch innerlich, da� ein g�nstiger
Wind hinter mir herblies und mich meinen W�nschen zujagte. Mit
Tagesanbruch erblickte ich die ersten Rebh�gel. Eine Frau mit Birnen
und Pfirschen begegnete mir, und so ging es auf Teutschen los, wo ich
um sieben Uhr ankam und gleich weiterbef�rdert wurde. Nun erblickte
ich endlich bei hohem Sonnenschein, nachdem ich wieder eine Weile
nordw�rts gefahren war, das Tal, worin Bozen liegt. Von steilen, bis
auf eine ziemliche H�he angebauten Bergen umgeben, ist es gegen Mittag
offen, gegen Norden von den Tiroler Bergen gedeckt. Eine milde,
sanfte Luft f�llte die Gegend. Hier wendet sich die Etsch wieder
gegen Mittag. Die H�gel am Fu�e der Berge sind mit Wein bebaut. �ber
lange, niedrige Lauben sind die St�cke gezogen, die blauen Trauben
h�ngen gar zierlich von der Decke herunter und reifen an der W�rme des
nahen Bodens. Auch in der Fl�che des Tals, wo sonst nur Wiesen sind,
wird der Wein in solchen eng aneinander stehenden Reihen von Lauben
gebaut, dazwischen das t�rkische Korn, das nun immer h�here Stengel
treibt. Ich habe es oft zu zehn Fu� hoch gesehen. Die zaselige
m�nnliche Bl�te ist noch nicht abgeschnitten, wie es geschieht, wenn
die Befruchtung eine Zeitlang vorbei ist.
Da� ein nordischer Baron dies geschrieben, ist offenbar, und da� er in
diesen Gegenden seine Begriffe �ndern w�rde, ist auch nat�rlich.
Von Bozen auf Trient geht es neun Meilen weg in einem fruchtbaren und
fruchtbareren Tale hin. Alles, was auf den h�heren Gebirgen zu
vegetieren versucht, hat hier schon mehr Kraft und Leben, die Sonne
scheint hei�, und man glaubt wieder einmal an einen Gott.
Eine arme Frau rief mich an, ich m�chte ihr Kind in den Wagen nehmen,
weil ihm der hei�e Boden die F��e verbrenne. Ich �bte diese
Mildt�tigkeit zu Ehren des gewaltigen Himmelslichtes. Das Kind war
sonderbar geputzt und aufgeziert, ich konnte ihm aber in keiner
Sprache etwas abgewinnen.
Die Etsch flie�t nun sanfter und macht an vielen Orten breite Kiese.
Auf dem Lande, nah am Flu�, die H�gel hinauf ist alles so enge an--und
ineinander gepflanzt, da� man denkt, es m�sse eins das andere
ersticken.--Weingel�nder, Mais, Maulbeerb�ume, Apfel, Birnen, Quitten
und N�sse. �ber Mauern wirft sich der Attich lebhaft her�ber. Efeu
w�chst in starken St�mmen die Felsen hinauf und verbreitet sich weit
�ber sie; die Eidechse schl�pft durch die Zwischenr�ume, auch alles,
was hin und her wandelt, erinnert einen an die liebsten Kunstbilder.
Die aufgebundenen Z�pfe der Frauen, der M�nner blo�e Brust und leichte
Jacken, die trefflichen Ochsen, die sie vom Markt nach Hause treiben,
die beladenen Eselchen, alles bildet einen lebendigen, bewegten
Heinrich Roos. Und nun, wenn es Abend wird, bei der milden Luft
wenige Wolken an den Bergen ruhen, am Himmel mehr stehen als ziehen,
und gleich nach Sonnenuntergang das Geschrille der Heuschrecken laut
zu werden anf�ngt, da f�hlt man sich doch einmal in der Welt zu Hause
und nicht wie geborgt oder im Exil. Ich lasse mir's gefallen, als
wenn ich hier geboren und erzogen w�re und nun von einer
Gr�nlandsfahrt, von einem Walfischfange zur�ckk�me. Auch der
vaterl�ndische Staub, der manchmal den Wagen umwirbelt, von dem ich so
lange nichts erfahren habe, wird begr��t. Das Glocken--und
Schellengel�ute der Heuschrecken ist allerliebst, durchdringend und
nicht unangenehm. Lustig klingt es, wenn mutwillige Buben mit einem
Feld solcher S�ngerinnen um die Wette pfeifen; man bildet sich ein,
da� sie einander wirklich steigern. Auch der Abend ist vollkommen
milde wie der Tag.
Wenn mein Entz�cken hier�ber jemand vern�hme, der in S�den wohnte, von
S�den herk�me, er w�rde mich f�r sehr kindisch halten. Ach, was ich
hier ausdr�cke, habe ich lange gewu�t, so lange, als ich unter einem
b�sen Himmel dulde, und jetzt mag ich gern diese Freude als Ausnahme
f�hlen, die wir als eine ewige Naturnotwendigkeit immerfort genie�en
sollten.
Ich bin in der Stadt herumgegangen, die uralt ist und in einigen
Stra�en neue wohlgebaute H�user hat. In der Kirche h�ngt ein Bild, wo
das versammelte Konzilium einer Predigt des Jesuitengenerals zuh�rt.
Ich m�chte wohl wissen, was er ihnen aufgebunden hat. Die Kirche
dieser V�ter bezeichnet sich gleich von au�en durch rote
Marmorpilaster an der Fassade; ein schwerer Vorhang schlie�t die T�re,
den Staub abzuhalten. Ich hob ihn auf und trat in eine kleine
Vorkirche; die Kirche selbst ist durch ein eisernes Gitter geschlossen,
doch so, da� man sie ganz �bersehen kann. Es war alles still und
ausgestorben, denn es wird hier kein Gottesdienst mehr gehalten. Die
vordere T�re stand nur auf, weil zur Vesperzeit alle Kirchen ge�ffnet
sein sollen.
Wie ich nun so dastehe und der Bauart nachdenke, die ich den �brigen
Kirchen dieser V�ter �hnlich fand, tritt ein alter Mann herein, das
schwarze K�ppchen sogleich abnehmend. Sein alter, schwarzer,
vergrauter Rock deutete auf einen verk�mmerten Geistlichen; er kniet
vor dem Gitter nieder und steht nach einem kurzen Gebet wieder auf.
Wie er sich umkehrt, sagt er halblaut f�r sich: "Da haben sie nun die
Jesuiten herausgetrieben; sie h�tten ihnen auch zahlen sollen, was die
Kirche gekostet hat. Ich wei� wohl, was sie gekostet hat und das
Seminarium, wie viele Tausende." Indessen war er hinaus und hinter
ihm der Vorhang zugefallen, den ich l�ftete und mich still hielt. Er
war auf der obern Stufe stehengeblieben und sagte: "Der Kaiser hat es
nicht getan, der Papst hat es getan." Mit dem Gesicht gegen die
Stra�e gekehrt und ohne mich zu vermuten, fuhr er fort: "Erst die
Spanier, dann wir, dann die Franzosen. Abels Blut schreit �ber seinen
Bruder Kain!" und so ging er die Treppe hinab, immer mit sich redend,
die Stra�e hin. Wahrscheinlich ist es ein Mann, den die Jesuiten
erhielten, und der �ber den ungeheuern Fall des Ordens den Verstand
verlor und nun t�glich kommt, in dem leeren Gef�� die alten Bewohner
zu suchen und nach einem kurzen Gebet ihren Feinden den Fluch zu geben.
Ein junger Mann, den ich um die Merkw�rdigkeiten der Stadt fragte,
zeigte mir ein Haus, das man des Teufels Haus nennt, welches der sonst
allzeit fertige Zerst�rer in einer Nacht mit schnell herbeigeschafften
Steinen erbaut haben soll. Das eigentliche Merkw�rdige daran bemerkte
der gute Mensch aber nicht, da� es n�mlich das einzige Haus von gutem
Geschmack ist, das ich in Trient gesehen habe, in einer �lteren Zeit
gewi� von einem guten Italiener aufgef�hrt.
Abends um f�nf Uhr reiste ich ab; wieder das Schauspiel von gestern
abend und die Heuschrecken, die gleich bei Sonnenuntergang zu
schrillen anfangen. Wohl eine Meile weit f�hrt man zwischen Mauern,
�ber welche sich Traubengel�nder sehen lassen; andere Mauern, die
nicht hoch genug sind, hat man mit Steinen, Dornen und sonst zu
erh�hen gesucht, um das Abrupfen der Trauben den Vorbeigehenden zu
wehren. Viele Besitzer bespritzen die vordersten Reihen mit Kalk, der
die Trauben ungenie�bar macht, dem Wein aber nichts schadet, weil die
G�rung alles wieder heraustreibt.
Hier bin ich nun in Roveredo, wo die Sprache sich abschneidet; oben
herein schwankt es noch immer vom Deutschen zum Italienischen. Nun
hatte ich zum erstenmal einen stockwelschen Postillon; der Wirt
spricht kein Deutsch, und ich mu� nun meine Sprachk�nste versuchen.
Wie froh bin ich, da� nunmehr die geliebte Sprache lebendig, die
Sprache des Gebrauchs wird!
Wie sehr w�nschte ich meine Freunde einen Augenblick neben mich, da�
sie sich der Aussicht freuen k�nnten, die vor mir liegt!
Heute abend h�tte ich k�nnen in Verona sein, aber es lag mir noch eine
herrliche Naturwirkung an der Seite, ein k�stliches Schauspiel, der
Gardasee, den wollte ich nicht vers�umen, und bin herrlich f�r meinen
Umweg belohnt. Nach f�nfen fuhr ich von Roveredo fort, ein Seitental
hinauf, das seine Wasser noch in die Etsch gie�t. Wenn man
hinaufkommt, liegt ein ungeheurer Felsriegel hinten vor, �ber den man
nach dem See hinunter mu�. Hier zeigten sich die sch�nsten Kalkfelsen
zu malerischen Studien. Wenn man hinabkommt, liegt ein �rtchen am
n�rdlichen Ende des Sees und ist ein kleiner Hafen oder vielmehr
Anfahrt daselbst, es hei�t Torbole. Die Feigenb�ume hatten mich schon
den Weg herauf h�ufig begleitet, und indem ich in das Felsamphitheater
hinabstieg, fand ich die ersten �lb�ume voller Oliven. Hier traf ich
auch zum erstenmal die wei�en kleinen Feigen als gemeine Frucht,
welche mir die Gr�fin Lanthieri verhei�en hatte.
Aus dem Zimmer, in dem ich sitze, geht eine T�re nach dem Hof hinunter;
ich habe meinen Tisch davor ger�ckt und die Aussicht mit einigen
Linien gezeichnet. Man �bersieht den See beinah in seiner ganzen
L�nge, nur am Ende links entwendet er sich unsern Augen. Das Ufer,
auf beiden Seiten von H�geln und Bergen eingefa�t, gl�nzt von
unz�hligen kleinen Ortschaften.
Nach Mitternacht bl�st der Wind von Norden nach S�den, wer also den
See hinab will, mu� zu dieser Zeit fahren; denn schon einige Stunden
vor Sonnenaufgang wendet sich der Luftstrom und zieht nordw�rts.
Jetzo nachmittag wehet er stark gegen mich und k�hlt die hei�e Sonne
gar lieblich. Zugleich lehrt mich Volkmann, da� dieser See ehemals
Benacus gehei�en, und bringt einen Vers des Virgil, worin dessen
gedacht wird:
Der erste lateinische Vers, dessen Inhalt lebendig vor mir steht, und
der in dem Augenblicke, da der Wind immer st�rker w�chst und der See
h�here Wellen gegen die Anfahrt wirft, noch heute so wahr ist als vor
vielen Jahrhunderten. So manches hat sich ver�ndert, noch aber st�rmt
der Wind in dem See, dessen Anblick eine Zeile Virgils noch immer
veredelt.
In der Abendk�hle ging ich spazieren und befinde mich nun wirklich in
einem neuen Lande, in einer ganz fremden Umgebung. Die Menschen leben
ein nachl�ssiges Schlaraffenleben: erstlich haben die T�ren keine
Schl�sser; der Wirt aber versicherte mir, ich k�nnte ganz ruhig sein,
und wenn alles, was ich bei mir h�tte, aus Diamanten best�nde;
zweitens sind die Fenster mit �lpapier statt Glasscheiben geschlossen;
drittens fehlt eine h�chst n�tige Bequemlichkeit, so da� man dem
Naturzustande hier ziemlich nahe k�mmt. Als ich den Hausknecht nach
einer gewissen Gelegenheit fragte, deutete er in den Hof hinunter.
"Qui abasso pu� servirsi!" Ich fragte: "Dove?"--"Da per tutto, dove
vuol!" antwortete er freundlich. Durchaus zeigt sich die gr��te
Sorglosigkeit, doch Leben und Gesch�ftigkeit genug. Den ganzen Tag
verf�hren die Nachbarinnen ein Geschw�tz, ein Geschrei, und haben alle
zugleich etwas zu tun, etwas zu schaffen. Ich habe noch kein m��iges
Weib gesehn.
Heute fr�h um drei Uhr fuhr ich von Torbole weg mit zwei Ruderern.
Anfangs war der Wind g�nstig, da� sie die Segel brauchen konnten. Der
Morgen war herrlich, zwar wolkig, doch bei der D�mmerung still. Wir
fuhren bei Limone vorbei, dessen Bergg�rten, terrassenweise angelegt
und mit Zitronenb�umen bepflanzt, ein reiches und reinliches Ansehn
geben. Der ganze Garten besteht aus Reihen von wei�en viereckigen
Pfeilern, die in einer gewissen Entfernung voneinander stehen und
stufenweis den Berg hinaufr�cken. �ber diese Pfeiler sind starke
Stangen gelegt, um im Winter die dazwischen gepflanzten B�ume zu
decken. Das Betrachten und Beschauen dieser angenehmen Gegenst�nde
ward durch eine langsame Fahrt beg�nstigt, und so waren wir schon an
Malcesine vorbei, als der Wind sich v�llig umkehrte, seinen
gew�hnlichen Tagweg nahm und nach Norden zog. Das Rudern half wenig
gegen die �berm�chtige Gewalt, und so mu�ten wir im Hafen von
Malcesine landen. Es ist der erste venezianische Ort an der
Morgenseite des Sees. Wenn man mit dem Wasser zu tun hat, kann man
nicht sagen, ich werde heute da oder dort sein. Diesen Aufenthalt
will ich so gut als m�glich nutzen, besonders das Schlo� zu zeichnen,
das am Wasser liegt und ein sch�ner Gegenstand ist. Heute im
Vorbeifahren nahm ich eine Skizze davon.
Der Gegenwind, der mich gestern in den Hafen von Malcesine trieb,
bereitete mir ein gef�hrliches Abenteuer, welches ich mit gutem Humor
�berstand und in der Erinnerung lustig finde. Wie ich mir vorgenommen
hatte, ging ich morgens beizeiten in das alte Schlo�, welches ohne Tor,
ohne Verwahrung und Bewachung jedermann zug�nglich ist. Im
Schlo�hofe setzte ich mich dem alten auf und in den Felsen gebauten
Turm gegen�ber; hier hatte ich zum Zeichnen ein sehr bequemes
Pl�tzchen gefunden; neben einer drei, vier Stufen erh�hten
verschlossenen T�r, im T�rgew�nde ein verziertes steinernes Sitzchen,
wie wir sie wohl bei uns in alten Geb�uden auch noch antreffen.
Ich sa� nicht lange, so kamen verschiedene Menschen in den Hof herein,
betrachteten mich und gingen hin und wider. Die Menge vermehrte sich,
blieb endlich stehen, so da� sie mich zuletzt umgab. Ich bemerkte
wohl, da� mein Zeichnen Aufsehen erregt hatte, ich lie� mich aber
nicht st�ren und fuhr ganz gelassen fort. Endlich dr�ngte sich ein
Mann zu mir, nicht von dem besten Ansehen, und fragte, was ich da
mache. Ich erwiderte ihm, da� ich den alten Turm abzeichne, um mir
ein Andenken von Malcesine zu erhalten. Er sagte darauf, es sei dies
nicht erlaubt, und ich sollte es unterlassen. Da er dieses in
gemeiner venezianischer Sprache sagte, so da� ich ihn wirklich kaum
verstand, so erwiderte ich ihm, da� ich ihn nicht verstehe. Er
ergriff darauf mit wahrer italienischer Gelassenheit mein Blatt,
zerri� es, lie� es aber auf der Pappe liegen. Hierauf konnt' ich
einen Ton der Unzufriedenheit unter den Umstehenden bemerken,
besonders sagte eine �ltliche Frau, es sei nicht recht, man solle den
Podest� rufen, welcher dergleichen Dinge zu beurteilen wisse. Ich
stand auf meinen Stufen, den R�cken gegen die T�re gelehnt, und
�berschaute das immer sich vermehrende Publikum. Die neugierigen
starren Blicke, der gutm�tige Ausdruck in den meisten Gesichtern und
was sonst noch alles eine fremde Volksmasse charakterisieren mag, gab
mir den lustigsten Eindruck. Ich glaubte, das Chor der V�gel vor mir
zu sehen, das ich als Treufreund auf dem Ettersburger Theater oft zum
besten gehabt. Dies versetzte mich in die heiterste Stimmung, so da�,
als der Podest� mit seinem Aktuarius herankam, ich ihn freim�tig
begr��te und auf seine Frage, warum ich ihre Festung abzeichnete, ihm
bescheiden erwiderte, da� ich dieses Gem�uer nicht f�r eine Festung
anerkenne. Ich machte ihn und das Volk aufmerksam auf den Verfall
dieser T�rme und dieser Mauern, auf den Mangel von Toren, kurz auf die
Wehrlosigkeit des ganzen Zustandes und versicherte, ich habe hier
nichts als eine Ruine zu sehen und zu zeichnen gedacht.
Man entgegnete mir: wenn es eine Ruine sei, was denn dran wohl
merkw�rdig scheinen k�nne? Ich erwiderte darauf, weil ich Zeit und
Gunst zu gewinnen suchte, sehr umst�ndlich, da� sie w��ten, wie viele
Reisende nur um der Ruinen willen nach Italien z�gen, da� Rom, die
Hauptstadt der Welt, von den Barbaren verw�stet, voller Ruinen stehe,
welche hundertund aber hundertmal gezeichnet worden, da� nicht alles
aus dem Altertum so erhalten sei, wie das Amphitheater zu Verona,
welches ich denn auch bald zu sehen hoffte.
Der Podest�, welcher vor mir, aber tiefer stand, war ein langer, nicht
gerade hagerer Mann von etwa drei�ig Jahren. Die stumpfen Z�ge seines
geistlosen Gesichts stimmten ganz zu der langsamen und tr�ben Weise,
womit er seine Fragen hervorbrachte. Der Aktuarius, kleiner und
gewandter, schien sich in einen so neuen und seltnen Fall auch nicht
gleich finden zu k�nnen. Ich sprach noch manches dergleichen; man
schien mich gern zu h�ren, und indem ich mich an einige wohlwollende
Frauengesichter wendete, glaubte ich, Beistimmung und Billigung
wahrzunehmen.
Als ich jedoch des Amphitheaters zu Verona erw�hnte, das man im Lande
unter dem Namen Arena kennt, sagte der Aktuarius, der sich unterdessen
besonnen hatte, das m�ge wohl gelten, denn jenes sei ein weltber�hmtes
r�misches Geb�ude, an diesen T�rmen aber sei nichts Merkw�rdiges, als
da� es die Grenze zwischen dem Gebiete Venedigs und dem �streichischen
Kaiserstaate bezeichne und deshalb nicht ausspioniert werden solle.
Ich erkl�rte mich dagegen weitl�ufig, da� nicht allein griechische und
r�mische Altert�mer, sondern auch die der mittlern Zeit Aufmerksamkeit
verdienten. Ihnen sei freilich nicht zu verargen, da� sie an diesem
von Jugend auf gekannten Geb�ude nicht so viele malerische Sch�nheiten
als ich entdecken k�nnten. Gl�cklicherweise setzte die Morgensonne
Turm, Felsen und Mauern in das sch�nste Licht, und ich fing an, ihnen
dieses Bild mit Enthusiasmus zu beschreiben. Weil aber mein Publikum
jene belobten Gegenst�nde im R�cken hatte und sich nicht ganz von mir
abwenden wollte, so drehten sie auf einmal, jenen V�geln gleich, die
man Wendeh�lse nennt, die K�pfe herum, dasjenige mit Augen zu schauen,
was ich ihren Ohren anpries, ja der Podest� selbst kehrte sich,
obgleich mit etwas mehr Anstand, nach dem beschriebenen Bilde hin.
Diese Szene kam mir so l�cherlich vor, da� mein guter Mut sich
vermehrte und ich ihnen nichts, am wenigsten den Efeu schenkte, der
Fels und Gem�uer auf das reichste zu verzieren schon Jahrhunderte Zeit
gehabt hatte.
Der Aktuarius versetzte drauf, das lasse sich alles h�ren, aber Kaiser
Joseph sei ein unruhiger Herr, der gewi� gegen die Republik Venedig
noch manches B�se im Schilde f�hre, und ich m�chte wohl sein Untertan,
ein Abgeordneter sein, um die Grenzen auszusp�hen.
"Weit entfernt", rief ich aus, "dem Kaiser anzugeh�ren, darf ich mich
wohl r�hmen, so gut als ihr, B�rger einer Republik zu sein, welche
zwar an Macht und Gr��e dem erlauchten Staat von Venedig nicht
verglichen werden kann, aber doch auch sich selbst regiert und an
Handelst�tigkeit, Reichtum und Weisheit ihrer Vorgesetzten keiner
Stadt in Deutschland nachsieht. Ich bin n�mlich von Frankfurt am Main
geb�rtig, einer Stadt, deren Name und Ruf gewi� bis zu euch gekommen
ist."
"Von Frankfurt am Main!" rief eine h�bsche junge Frau, "da k�nnt Ihr
gleich sehen, Herr Podest�, was an dem Fremden ist, den ich f�r einen
guten Mann halte; la�t den Gregorio rufen, der lange daselbst
konditioniert hat, der wird am besten in der Sache entscheiden k�nnen."
Als ich ihm nun die genaueste Auskunft fast �ber alles gegeben, um was
er mich befragt, wechselten Heiterkeit und Ernst in den Z�gen des
Mannes. Er war froh und ger�hrt, das Volk erheiterte sich immer mehr
und konnte unserm Zwiegespr�ch zuzuh�ren nicht satt werden, wovon er
freilich einen Teil erst in ihren Dialekt �bersetzen mu�te.
Zuletzt sagte er: "Herr Podest�, ich bin �berzeugt, da� dieses ein
braver, kunstreicher Mann ist, wohl erzogen, welcher herumreist, sich
zu unterrichten. Wir wollen ihn freundlich entlassen, damit er bei
seinen Landsleuten Gutes von uns rede und sie aufmuntere, Malcesine zu
besuchen, dessen sch�ne Lage wohl wert ist, von Fremden bewundert zu
sein." Ich verst�rkte diese freundlichen Worte durch das Lob der
Gegend, der Lage und der Einwohner, die Gerichtspersonen als weise und
vorsichtige M�nner nicht vergessend.
Dieses alles ward f�r gut erkannt, und ich erhielt die Erlaubnis, mit
Meister Gregorio nach Belieben den Ort und die Gegend zu besehen. Der
Wirt, bei dem ich eingekehrt war, gesellte sich nun zu uns und freute
sich schon auf die Fremden, welche auch ihm zustr�men w�rden, wenn die
Vorz�ge Malcesines erst recht ans Licht k�men. Mit lebhafter
Neugierde betrachtete er meine Kleidungsst�cke, besonders aber
beneidete er mich um die kleinen Terzerole, die man so bequem in die
Tasche stecken konnte. Er pries diejenigen gl�cklich, die so sch�ne
Gewehre tragen d�rften, welches bei ihnen unter den peinlichsten
Strafen verboten sei. Diesen freundlich Zudringlichen unterbrach ich
einigemal, meinem Befreier mich dankbar zu erweisen. "Dankt mir
nicht", versetzte der brave Mann, "mir seid Ihr nichts schuldig.
Verst�nde der Podest� sein Handwerk und w�re der Aktuar nicht der
eigenn�tzigste aller Menschen, Ihr w�ret nicht so losgekommen. Jener
war verlegener als Ihr, und diesem h�tte Eure Verhaftung, die Berichte,
die Abf�hrung nach Verona auch nicht einen Heller eingetragen. Das
hat er geschwind �berlegt, und Ihr wart schon befreit, ehe unsere
Unterredung zu Ende war."
Gegen Abend holte mich der gute Mann in seinen Weinberg ab, der den
See hinabw�rts sehr wohlgelegen war. Uns begleitete sein
funfzehnj�hriger Sohn, der auf die B�ume steigen und mir das beste
Obst brechen mu�te, indessen der Alte die reifsten Weintrauben
aussuchte.
Nun aber kann die Herrlichkeit der neuen Gegend, die man beim
Herabsteigen �bersieht, durch Worte nicht dargestellt werden. Es ist
ein Garten meilenlang und -breit, der, am Fu� hoher Gebirge und
schroffer Felsen, ganz flach in der gr��ten Reinlichkeit daliegt. Und
so kam ich denn am 10. September gegen ein Uhr hier in Verona an, wo
ich zuerst noch dieses schreibe, das zweite St�ck meines Tagebuchs
schlie�e und hefte und gegen Abend mit freudigem Geiste das
Amphitheater zu sehen hoffe.
Von der Witterung dieser Tage her melde ich folgendes. Die Nacht vom
neunten auf den zehnten war abwechselnd hell und bedeckt, der Mond
behielt immer einen Schein um sich. Morgens gegen f�nf Uhr �berzog
sich der ganze Himmel mit grauen, nicht schweren Wolken, die mit dem
wachsenden Tage verschwanden. Je tiefer ich hinabkam, desto sch�ner
war das Wetter. Wie nun gar in Bozen der gro�e Gebirgsstock
mittern�chtlich blieb, zeigte die Luft eine ganz andere Beschaffenheit;
man sah n�mlich an den verschiedenen Landschaftsgr�nden, die sich gar
lieblich durch ein etwas mehr oder weniger Blau voneinander
absonderten, da� die Atmosph�re voll gleich ausgeteilter D�nste sei,
welche sie zu tragen vermochte, und die daher weder als Tau oder Regen
niederfielen, noch als Wolken sich sammelten. Wie ich weiter hinabkam,
konnte ich deutlich bemerken, da� alle D�nste, die aus dem Bozner Tal,
alle Wolkenstreifen, die von den mitt�gigern Bergen aufsteigen, nach
den hohem mittern�chtigen Gegenden zuzogen, sie nicht verdeckten, aber
in eine Art H�herauch einh�llten. In der weitesten Ferne, �ber dem
Gebirg, konnte ich eine sogenannte Wassergalle bemerken. Von Bozen
s�dw�rts haben sie den ganzen Sommer das sch�nste Wetter gehabt, nur
von Zeit zu Zeit ein wenig Wasser (sie sagen acqua, um den gelinden
Regen auszudr�cken), und dann sogleich wieder Sonnenschein. Auch
gestern fielen von Zeit zu Zeit einige Tropfen, und die Sonne schien
immer dazu. Sie haben lange kein so gutes Jahr gehabt; es ger�t alles;
das �ble haben sie uns zugeschickt.
Das Gebirge, die Steinarten erw�hne ich nur k�rzlich, denn Ferbers
Reise nach Italien und Hacquets durch die Alpen unterrichten uns
genugsam von dieser Wegstrecke. Eine Viertelstunde vom Brenner ist
ein Marmorbruch, an dem ich in der D�mmerung vorbeifuhr. Er mag und
mu�, wie der an der andern Seite, auf Glimmerschiefer aufliegen.
Diesen fand ich bei Kollmann, als es Tag ward; weiter hinab zeigten
sich Porphyre an. Die Felsen waren so pr�chtig und an der Chaussee
die Haufen so g�tlich zerschlagen, da� man gleich Voigtische
Kabinettchen daraus h�tte bilden und verpacken k�nnen. Auch kann ich
ohne Beschwerde jeder Art ein St�ck mitnehmen, wenn ich nur Augen und
Begierde an ein kleineres Ma� gew�hne. Bald unter Kollmann fand ich
einen Porphyr, der sich in regelm��ige Platten spaltet, zwischen
Branzoll und Neumarkt einen �hnlichen, dessen Platten jedoch sich
wieder in S�ulen trennen. Ferber hielt sie f�r vulkanische Produkte,
das war aber vor vierzehn Jahren, wo die ganze Welt in den K�pfen
brannte. Hacquet schon macht sich dar�ber lustig.
Von den Menschen wu�te ich nur weniges und wenig Erfreuliches zu sagen.
Sobald mir vom Brenner Herunterfahrendem der Tag aufging, bemerkte
ich eine entschiedene Ver�nderung der Gestalt, besonders mi�fiel mir
die br�unlich bleiche Farbe der Weiber. Ihre Gesichtsz�ge deuten auf
Elend, Kinder waren ebenso erb�rmlich anzusehen, M�nner ein wenig
besser, die Grundbildung �brigens durchaus regelm��ig und gut. Ich
glaube die Ursache dieses krankhaften Zustandes in dem h�ufigen
Gebrauch des t�rkischen und Heidekorns zu finden. Jenes, das sie auch
gelbe Blende nennen, und dieses, schwarze Blende genannt, werden
gemahlen, das Mehl in Wasser zu einem dicken Brei gekocht und so
gegessen. Die jenseitigen Deutschen rupfen den Teig wieder
auseinander und braten ihn in Butter auf. Der welsche Tiroler
hingegen i�t ihn so weg, manchmal K�se darauf gerieben, und das ganze
Jahr kein Fleisch. Notwendig mu� das die ersten Wege verleimen und
verstopfen, besonders bei den Kindern und Frauen, und die kachektische
Farbe deutet auf solches Verderben. Au�erdem essen sie auch noch
Fr�chte und gr�ne Bohnen, die sie in Wasser absieden und mit Knoblauch
und �l anmachen. Ich fragte, ob es nicht auch reiche Bauern g�be.
--"Ja freilich."--"Tun sie sich nichts zugute? essen sie nicht
besser?"--"Nein, sie sind es einmal so gewohnt."--"Wo kommen sie denn
mit ihrem Gelde hin? Was machen sie sonst f�r Aufwand?"--"O, die
haben schon ihre Herren, die es ihnen wieder abnehmen."--Das war die
Summa des Gespr�chs mit meiner Wirtstochter in Bozen.
Ferner vernahm ich von ihr, da� die Weinbauern, die am wohlhabendsten
scheinen, sich am �belsten befinden, denn sie sind in den H�nden der
st�dtischen Handelsleute, die ihnen bei schlechten Jahren den
Lebensunterhalt vorschie�en und bei guten den Wein um ein Geringes an
sich nehmen. Doch das ist �berall dasselbe.
Was meine Meinung wegen der Nahrung best�tigt, ist, da� die
Stadtbewohnerinnen immer wohler aussehen. H�bsche, volle
M�dchengesichter, der K�rper f�r ihre St�rke und f�r die Gr��e der
K�pfe etwas zu klein, mitunter aber recht freundlich entgegenkommende
Gesichter. Die M�nner kennen wir durch die wandernden Tiroler. Im
Lande sehen sie weniger frisch aus als die Weiber, wahrscheinlich,
weil diese mehr k�rperliche Arbeiten, mehr Bewegung haben, die M�nner
hingegen als Kr�mer und Handwerksleute sitzen. Am Gardasee fand ich
die Leute sehr braun und ohne den mindesten r�tlichen Schein der
Wangen, aber doch nicht ungesund, sondern ganz frisch und behaglich
aussehend. Wahrscheinlich sind die heftigen Sonnenstrahlen, denen sie
am Fu�e ihrer Felsen ausgesetzt sind, hievon die Ursache.
Wenn irgend etwas Schauw�rdiges auf flacher Erde vorgeht und alles
zul�uft, suchen die Hintersten auf alle m�gliche Weise sich �ber die
Vordersten zu erheben: man tritt auf B�nke, rollt F�sser herbei, f�hrt
mit Wagen heran, legt Bretter hin�ber und her�ber, besetzt einen
benachbarten H�gel, und es bildet sich in der Geschwindigkeit ein
Krater.
Kommt das Schauspiel �fter auf derselben Stelle vor, so baut man
leichte Ger�ste f�r die, so bezahlen k�nnen, und die �brige Masse
behilft sich, wie sie mag. Dieses allgemeine Bed�rfnis zu befriedigen,
ist hier die Aufgabe des Architekten. Er bereitet einen solchen
Krater durch Kunst, so einfach als nur m�glich, damit dessen Zierat
das Volk selbst werde. Wenn es sich so beisammen sah, mu�te es �ber
sich selbst erstaunen; denn da es sonst nur gewohnt, sich
durcheinander laufen zu sehen, sich in einem Gew�hle ohne Ordnung und
sonderliche Zucht zu finden, so sieht das vielk�pfige, vielsinnige,
schwankende, hin und her irrende Tier sich zu einem edlen K�rper
vereinigt, zu einer Einheit bestimmt, in eine Masse verbunden und
befestigt, als eine Gestalt, von einem Geiste belebt. Die Simplizit�t
des Oval ist jedem Auge auf die angenehmste Weise f�hlbar, und jeder
Kopf dient zum Ma�e, wie ungeheuer das Ganze sei. Jetzt, wenn man es
leer sieht, hat man keinen Ma�stab, man wei� nicht, ob es gro� oder
klein ist.
Wegen der Unterhaltung dieses Werks m�ssen die Veroneser gelobt werden.
Es ist von einem r�tlichen Marmor gebaut, den die Witterung angreift,
daher stellt man der Reihe nach die ausgefressenen Stufen immer
wieder her, und sie scheinen fast alle ganz neu. Eine Inschrift
gedenkt eines Hieronymus Maurigenus und seines auf dieses Monument
verwendeten unglaublichen Flei�es. Von der �u�ern Mauer steht nur ein
St�ck, und ich zweifele, ob sie je ganz fertig geworden. Die untern
Gew�lbe, die an den gro�en Platz, il Br� genannt, sto�en, sind an
Handwerker vermietet, und es sieht lustig genug aus, diese H�hlungen
wieder belebt zu sehen.
Das sch�nste, aber immer geschlossene Tor hei�t Porta stuppa oder del
Palio. Als Tor und in der gro�en Entfernung, aus der man es schon
gewahr wird, ist es nicht gut gedacht; denn erst in der N�he erkennt
man das Verdienst des Geb�udes.
Sie geben allerlei Ursachen an, warum es geschlossen sei. Ich habe
jedoch eine Mutma�ung: die Absicht des K�nstlers ging offenbar dahin,
durch dieses Tor eine neue Anlage des Korso zu verursachen, denn auf
die jetzige Stra�e steht es ganz falsch. Die linke Seite hat lauter
Baracken, und die winkelrechte Linie der Mitte des Tores geht auf ein
Nonnenkloster zu, das notwendig h�tte niedergelegt werden m�ssen. Das
sah man wohl ein, auch mochten die Vornehmen und Reichen nicht Lust
haben, sich in dem entfernten Quartier anzubauen. Der K�nstler starb
vielleicht, und so schlo� man das Tor, wodurch die Sache nun auf
einmal geendigt war.
Das Portal des Theatergeb�udes von sechs gro�en ionischen S�ulen nimmt
sich anst�ndig genug aus. Desto kleinlicher erscheint �ber der T�re
vor einer gemalten Nische, die von zwei korinthischen S�ulen getragen
wird, die lebensgro�e B�ste des Marchese Maffei in einer gro�en
Per�cke. Der Platz ist ehrenvoll, aber um sich gegen die Gr��e und
T�chtigkeit der S�ulen einigerma�en zu halten, h�tte die B�ste
kolossal sein m�ssen. Jetzt steht sie kleinlich auf einem
Kragsteinchen, unharmonisch mit dem Ganzen.
Auch die Galerie, die den Vorhof einfa�t, ist kleinlich, und die
kannelierten dorischen Zwerge nehmen sich neben den glatten ionischen
Riesen armselig aus. Doch wollen wir das verzeihen in Betracht der
sch�nen Anstalt, welche unter diesen S�ulenlauben angelegt ist. Hier
hat man die Antiquit�ten, meist in und um Verona gegraben, gesammelt
aufgestellt. Einiges soll sogar sich im Amphitheater gefunden haben.
Es sind etrurische, griechische, r�mische bis zu den niedern Zeiten
und auch neuere. Die Basreliefs sind in die W�nde eingemauert und mit
den Nummern versehen, die ihnen Maffei gab, als er sie in seinem Werke
"Verona illustrata" beschrieb. Alt�re, St�cke von S�ulen und
dergleichen Reste; ein ganz trefflicher Dreifu� von wei�em Marmor,
worauf Genien, die sich mit den Attributen der G�tter besch�ftigen.
Raffael hat dergleichen in den Zwickeln der Farnesine nachgeahmt und
verkl�rt.
Der Wind, der von den Gr�bern der Alten herweht, kommt mit
Wohlger�chen wie �ber einen Rosenh�gel. Die Grabm�ler sind herzlich
und r�hrend und stellen immer das Leben her. Da ist ein Mann, der
neben seiner Frau aus einer Nische wie zu einem Fenster heraussieht.
Da stehen Vater und Mutter, den Sohn in der Mitte, einander mit
unaussprechlicher Nat�rlichkeit anblickend. Hier reicht sich ein Paar
die H�nde. Hier scheint ein Vater, auf seinem Sofa ruhend, von der
Familie unterhalten zu werden. Mir war die unmittelbare Gegenwart
dieser Steine h�chst r�hrend. Von sp�terer Kunst sind sie, aber
einfach, nat�rlich und allgemein ansprechend. Hier ist kein
geharnischter Mann auf den Knieen, der eine fr�hliche Auferstehung
erwartet. Der K�nstler hat mit mehr oder weniger Geschick nur die
einfache Gegenwart der Menschen hingestellt, ihre Existenz dadurch
fortgesetzt und bleibend gemacht. Sie falten nicht die H�nde, schauen
nicht in den Himmel, sondern sie sind hienieden, was sie waren und was
sie sind. Sie stehen beisammen, nehmen Anteil aneinander, lieben sich,
und das ist in den Steinen sogar mit einer gewissen
Handwerksunf�higkeit allerliebst ausgedr�ckt. Ein sehr reich
verzierter marmorner Pfeiler gab mir auch neue Begriffe.
So l�blich diese Anstalt ist, so sieht man ihr doch an, da� der edle
Erhaltungsgeist, der sie gegr�ndet, nicht mehr in ihr fortlebt. Der
kostbare Dreifu� geht n�chstens zugrunde, weil er frei steht, gegen
Westen der Witterung ausgesetzt. Mit einem h�lzernen Futteral w�re
dieser Schatz leicht zu erhalten.
Als ich mit meinem zuf�llig aufgegriffenen Begleiter vor einem gro�en
ernsthaften Tore eines wunderbaren Geb�udes vor�berging, fragte er
mich gutm�tig, ob ich nicht einen Augenblick in den Hof treten wolle.
Es war der Palast der Justiz, und wegen H�he der Geb�ude erschien der
Hof doch nur als ein ungeheurer Brunnen. "Hier werden", sagte er,
"alle die Verbrecher und Verd�chtigen verwahrt." Ich sah umher, und
durch alle Stockwerke gingen an zahlreichen T�ren hin offene, mit
eisernen Gel�ndern versehene G�nge. Der Gefangene, wie er aus seinem
Kerker heraustrat, um zum Verh�r gef�hrt zu werden, stand in der
freien Luft, war aber auch den Blicken aller ausgesetzt; und weil nun
mehrere Verh�rstuben sein mochten, so klapperten die Ketten bald �ber
diesem, bald �ber jenem Gange durch alle Stockwerke. Es war ein
verw�nschter Anblick, und ich leugne nicht, da� der gute Humor, womit
ich meine V�gel abgefertigt hatte, hier doch einen etwas schweren
Stand w�rde gefunden haben.
Der Zendale und die Veste, die dieser Klasse statt aller Garderobe
dient, ist �brigens eine Tracht, ganz eingerichtet f�r ein Volk, das
nicht immer f�r Reinlichkeit sorgen und doch immer �ffentlich
erscheinen, bald in der Kirche, bald auf dem Spaziergange sein will.
Veste ist ein schwarztaffeter Rock, der �ber andere R�cke geworfen
wird. Hat das Frauenzimmer einen reinlichen wei�en darunter, so
versteht sie den schwarzen an der einen Seite in die H�he zu heben.
Dieser wird so angeg�rtet, da� er die Taille abschneidet und die
Lippen des Korsetts bedeckt, welches von jeglicher Farbe sein kann.
Der Zendale ist eine gro�e Kappe mit langen B�rten, die Kappe selbst
durch ein Drahtgestell hoch �ber den Kopf gehalten, die B�rte aber wie
eine Sch�rpe um den Leib gekn�pft, so da� die Enden hinterw�rts
herunterfallen.
Als ich heute wieder von der Arena wegging, kam ich einige tausend
Schritte davon zu einem modernen �ffentlichen Schauspiel. Vier edle
Veroneser schlugen Ball gegen vier Vicentiner. Sie treiben dies sonst
unter sich das ganze Jahr etwa zwei Stunden vor Nacht; diesmal, wegen
der fremden Gegner, lief das Volk unglaublich zu. Es k�nnen immer
vier--bis f�nftausend Zuschauer gewesen sein. Frauen sah ich von
keinem Stande.
Vorhin, als ich vom Bed�rfnis der Menge in einem solchen Falle sprach,
hab' ich das nat�rliche zuf�llige Amphitheater schon beschrieben, wie
ich das Volk hier �bereinander gebaut sah. Ein lebhaftes
H�ndeklatschen h�rt' ich schon von weiten, jeder bedeutende Schlag war
davon begleitet. Das Spiel aber geht so vor sich: In geh�riger
Entfernung voneinander sind zwei gelindabh�ngige Bretterfl�chen
errichtet. Derjenige, der den Ball ausschl�gt, steht, die Rechte mit
einem h�lzernen breiten Stachelringe bewaffnet, auf der obersten H�he.
Indem nun ein anderer von seiner Partei ihm den Ball zuwirft, so
l�uft er herunter dem Ball entgegen und vermehrt dadurch die Gewalt
des Schlages, womit er denselben zu treffen wei�. Die Gegner suchen
ihn zur�ckzuschlagen, und so geht es hin und wider, bis er zuletzt im
Felde liegenbleibt. Die sch�nsten Stellungen, wert, in Marmor
nachgebildet zu werden, kommen dabei zum Vorschein. Da es lauter
wohlgewachsene, r�stige junge Leute sind, in kurzer, knapper, wei�er
Kleidung, so unterscheiden sich die Parteien nur durch ein farbiges
Abzeichen. Besonders sch�n ist die Stellung, in welche der
Ausschlagende ger�t, indem er von der schiefen Fl�che herunterl�uft
und den Ball zu treffen ausholt, sie n�hert sich der des Borghesischen
Fechters.
Sonderbar kam es mir vor, da� sie diese �bung an einer alten
Stadtmauer ohne die mindeste Bequemlichkeit f�r die Zuschauer
vornehmen; warum sie es nicht im Amphitheater tun, wo so sch�ner Raum
w�re!
Was ich von Gem�lden gesehen, will ich nur kurz ber�hren und einige
Betrachtungen hinzuf�gen. Ich mache diese wunderbare Reise nicht, um
mich selbst zu betriegen, sondern um mich an den Gegenst�nden kennen
zu lernen; da sage ich mir denn ganz aufrichtig, da� ich von der Kunst,
von dem Handwerk des Malers wenig verstehe. Meine Aufmerksamkeit,
meine Betrachtung kann nur auf den praktischen Teil, auf den
Gegenstand und auf die Behandlung desselben im allgemeinen gerichtet
sein.
St. Giorgio ist eine Galerie von guten Gem�lden, alle Altarbl�tter, wo
nicht von gleichem Wert, doch durchaus merkw�rdig. Aber die
ungl�ckseligen K�nstler, was mu�ten die malen! Und f�r wen! Ein
Mannaregen, vielleicht drei�ig Fu� lang und zwanzig hoch! Das Wunder
der f�nf Brote zum Gegenst�ck! Was war daran zu malen? Hungrige
Menschen, die �ber kleine K�rner herfallen, unz�hlige andere, denen
Brot pr�sentiert wird. Die K�nstler haben sich die Folter gegeben, um
solche Armseligkeiten bedeutend zu machen. Und doch hat, durch diese
N�tigung gereizt, das Genie sch�ne Sachen hervorgebracht. Ein
K�nstler, der die heilige Ursula mit den eilftausend Jungfrauen
vorzustellen hatte, zog sich mit gro�em Verstand aus der Sache. Die
Heilige steht im Vordergrunde, als habe sie siegend das Land in Besitz
genommen. Sie ist sehr edel, amazonenhaft jungfr�ulich, ohne Reiz
gebildet; in der alles verkleinernden Ferne hingegen sieht man ihre
Schar aus den Schiffen steigen und in Prozession herankommen. "Die
Himmelfahrt Mari�" im Dom, von Tizian, ist sehr verschw�rzt, der
Gedanke lobenswert, da� die angehende G�ttin nicht himmelw�rts,
sondern herab nach ihren Freunden blickt.
In der Galerie Gherardini fand ich sehr sch�ne Sachen von Orbetto und
lernte diesen verdienten K�nstler auf einmal kennen. In der
Entfernung erf�hrt man nur von den ersten K�nstlern, und oft begn�gt
man sich mit ihren Namen; wenn man aber diesem Sternenhimmel
n�hertritt und die von der zweiten und dritten Gr��e nun auch zu
flimmern anfangen, und jeder auch als zum ganzen Sternbild geh�rend
hervortritt, dann wird die Welt weit und die Kunst reich. Den
Gedanken eines Bildes mu� ich hier loben. Nur zwei Halbfiguren.
Simson ist eben im Scho�e der Delila eingeschlafen, sie greift leise
�ber ihn hinweg nach einer Schere, die auf dem Tisch neben der Lampe
liegt. Die Ausf�hrung ist sehr brav. Im Palast Canossa war mir eine
Danae bemerklich.
Ein paar Portr�te von Paul Veronese haben meine Hochachtung f�r diesen
K�nstler nur vermehrt. Die Antikensammlung ist herrlich, ein
hingestreckter Sohn der Niobe k�stlich, die B�sten ungeachtet ihrer
restaurierten Nasen meistens h�chst interessant, ein August mit der
B�rgerkrone, ein Caligula und andere.
Es liegt in meiner Natur, das Gro�e und Sch�ne willig und mit Freuden
zu verehren, und diese Anlage an so herrlichen Gegenst�nden Tag f�r
Tag, Stunde f�r Stunde auszubilden, ist das seligste aller Gef�hle.
In einem Lande, wo man des Tages genie�t, besonders aber des Abends
sich erfreut, ist es h�chst bedeutend, wenn die Nacht einbricht. Dann
h�rt die Arbeit auf, dann kehrt der Spazierg�nger zur�ck, der Vater
will seine Tochter wieder zu Hause sehen, der Tag hat ein Ende; doch
was Tag sei, wissen wir Cimmerier kaum. In ewigem Nebel und Tr�be ist
es uns einerlei, ob es Tag oder Nacht ist; denn wieviel Zeit k�nnen
wir uns unter freiem Himmel wahrhaft ergehen und erg�tzen? Wie hier
die Nacht eintritt, ist der Tag entschieden vorbei, der aus Abend und
Morgen bestand, vierundzwanzig Stunden sind verlebt, eine neue
Rechnung geht an, die Glocken l�uten, der Rosenkranz wird gebetet, mit
brennender Lampe tritt die Magd in das Zimmer und spricht:
"Felicissima notte!" Diese Epoche ver�ndert sich mit jeder Jahreszeit,
und der Mensch, der hier lebendig lebt, kann nicht irre werden, weil
jeder Genu� seines Daseins sich nicht auf die Stunde, sondern auf die
Tageszeit bezieht. Zw�nge man dem Volke einen deutschen Zeiger auf,
so w�rde man es verwirrt machen, denn der seinige ist innigst mit
seiner Natur verwebt. Anderthalb Stunden, eine Stunde vor Nacht f�ngt
der Adel an auszufahren, es geht auf den Br�, die lange, breite Stra�e
nach der Porta Nuova zu, das Tor hinaus, an der Stadt hin, und wie es
Nacht schl�gt, kehrt alles um. Teils fahren sie an die Kirchen, das
"Ave Maria della sera" zu beten, teils halten sie auf dem Br�, die
Kavaliers treten an die Kutschen, unterhalten sich mit den Damen, und
es dauert eine Weile; ich habe das Ende niemals abgewartet, die
Fu�g�nger bleiben weit in die Nacht. Heute war gerade so viel Regen
niedergegangen, um den Staub zu l�schen, es war wirklich ein
lebendiger, munterer Anblick.
Nachts geht nun das Singen und L�rmen recht an. Das Liedchen von
Marlborough h�rt man auf allen Stra�en, dann ein Hackebrett, eine
Violine. Sie �ben sich, alle V�gel mit Pfeifen nachzumachen. Die
wunderlichsten T�ne brechen �berall hervor. Ein solches �bergef�hl
des Daseins verleiht ein mildes Klima auch der Armut, und der Schatten
des Volks scheint selbst noch ehrw�rdig.
Diese Zweige bracht' ich aus dem Garten Giusti, der eine treffliche
Lage und ungeheure Zypressen hat, die alle pfriemenartig in die Luft
stehen. Wahrscheinlich sind die spitz zugeschnittenen Taxus der
nordischen Gartenkunst Nachahmungen dieses herrlichen Naturprodukts.
Ein Baum, dessen Zweige von unten bis oben, die �ltesten wie die
J�ngsten, gen Himmel streben, der seine dreihundert Jahre dauert, ist
wohl der Verehrung wert. Der Zeit nach, da der Garten angelegt worden,
haben diese schon ein so hohes Alter erreicht.
Vicenza, den 19. September.
Der Weg von Verona hieher ist sehr angenehm, man f�hrt nordostw�rts an
den Gebirgen hin und hat die Vorderberge, die aus Sand, Kalk, Ton,
Mergel bestehen, immer linker Hand; auf den H�geln, die sie bilden,
liegen Orte, Schl�sser, H�user. Rechts verbreitet sich die weite
Fl�che, durch die man f�hrt. Der gerade, gut unterhaltene, breite Weg
geht durch fruchtbares Feld, man blickt in tiefe Baumreihen, an
welchen die Reben in die H�he gezogen sind, die sodann, als w�ren es
luftige Zweige, herunterfallen. Hier kann man sich eine Idee von
Festonen bilden! Die Trauben sind zeitig und beschweren die Ranken,
die lang und schwankend niederh�ngen. Der Weg ist voll Menschen aller
Art und Gewerbes, besonders freuten mich die Wagen mit niedrigen,
tellerartigen R�dern, die, mit vier Ochsen bespannt, gro�e Kufen hin
und wider f�hren, in welchen die Weintrauben aus den G�rten geholt und
gestampft werden. Die F�hrer standen, wenn sie leer waren, drinnen,
es sah einem bacchischen Triumphzug ganz �hnlich. Zwischen den
Weinreihen ist der Boden zu allerlei Arten Getreide, besonders zu
T�rkischkorn und S�rgel benutzt.
Kommt man gegen Vicenza, so steigen wieder H�gel von Norden nach S�den
auf, sie sind vulkanisch, sagt man, und schlie�en die Ebene. Vicenza
liegt an ihrem Fu�e und, wenn man will, in einem Busen, den sie bilden.
Vor einigen Stunden bin ich hier angekommen, habe schon die Stadt
durchlaufen, das Olympische Theater und die Geb�ude des Palladio
gesehen. Man hat ein sehr artiges B�chelchen mit Kupfern zur
Bequemlichkeit der Fremden herausgegeben mit einem kunstverst�ndigen
Texte. Wenn man nun diese Werke gegenw�rtig sieht, so erkennt man
erst den gro�en Wert derselben; denn sie sollen ja durch ihre
wirkliche Gr��e und K�rperlichkeit das Auge f�llen und durch die
sch�ne Harmonie ihrer Dimensionen nicht nur in abstrakten Aufrissen,
sondern mit dem ganzen perspektivischen Vordringen und Zur�ckweichen
den Geist befriedigen; und so sag' ich vom Palladio: er ist ein recht
innerlich und von innen heraus gro�er Mensch gewesen. Die h�chste
Schwierigkeit, mit der dieser Mann wie alle neuern Architekten zu
k�mpfen hatte, ist die schickliche Anwendung der S�ulenordnungen in
der b�rgerlichen Baukunst; denn S�ulen und Mauern zu verbinden, bleibt
doch immer ein Widerspruch. Aber wie er das untereinander gearbeitet
hat, wie er durch die Gegenwart seiner Werke imponiert und vergessen
macht, da� er nur �berredet! Es ist wirklich etwas G�ttliches in
seinen Anlagen, v�llig wie die Force des gro�en Dichters, der aus
Wahrheit und L�ge ein Drittes bildet, dessen erborgtes Dasein uns
bezaubert.
Betrachtet man nun hier am Orte die herrlichen Geb�ude, die jener Mann
auff�hrte, und sieht, wie sie schon durch das enge, schmutzige
Bed�rfnis der Menschen entstellt sind, wie die Anlagen meist �ber die
Kr�fte der Unternehmer waren, wie wenig diese k�stlichen Denkmale
eines hohen Menschengeistes zu dem Leben der �brigen passen, so f�llt
einem denn doch ein, da� es in allem andern ebenso ist; denn man
verdient wenig Dank von den Menschen, wenn man ihr inneres Bed�rfnis
erh�hen, ihnen eine gro�e Idee von ihnen selbst geben, ihnen das
Herrliche eines wahren, edlen Daseins zum Gef�hl bringen will. Aber
wenn man die V�gel bel�gt, M�rchen erz�hlt, von Tag zu Tag ihnen
forthelfend, sie verschlechtert, da ist man ihr Mann, und darum
gef�llt sich die neuere Zeit in so viel Abgeschmacktem. Ich sage das
nicht, um meine Freunde herunterzusetzen, ich sage nur, da� sie so
sind, und da� man sich nicht verwundern mu�, wenn alles ist, wie es
ist.
Wie sich die Basilika des Palladio neben einem alten, mit ungleichen
Fenstern �bers�ten, kastell�hnlichen Geb�ude ausnimmt, welches der
Baumeister zusamt dem Turm gewi� weggedacht hat, ist nicht
auszudr�cken, und ich mu� mich schon auf eine wunderliche Weise
zusammenfassen; denn ich finde auch hier leider gleich das, was ich
fliehe und suche, nebeneinander.
Gestern war Oper, sie dauerte bis nach Mitternacht, und ich sehnte
mich, zu ruhen. "Die drei Sultaninnen" und "Die Entf�hrung aus dem
Serail" haben manche Fetzen hergegeben, woraus das St�ck mit weniger
Klugheit zusammengeflickt ist. Die Musik h�rte sich bequem an, ist
aber wahrscheinlich von einem Liebhaber, kein neuer Gedanke, der mich
getroffen h�tte. Die Ballette dagegen sind allerliebst. Das
Hauptpaar tanzte eine Allemande, da� man nichts Zierlichers sehen
konnte.
Die erste S�ngerin, vom ganzen Volke sehr beg�nstigt, wird, wie sie
auftritt, entsetzlich beklatscht, und die V�gel stellen sich vor
Freuden ganz ungeb�rdig, wenn sie etwas recht gut macht, welches sehr
oft geschieht. Es ist ein nat�rlich Wesen, h�bsche Figur, sch�ne
Stimme, ein gef�llig Gesicht und von einem recht honetten Anstand; in
den Armen k�nnte sie etwas mehr Grazie haben. Indessen komme ich denn
doch nicht wieder, ich f�hle, da� ich zum Vogel verdorben bin.
Heute besuchte ich Doktor Turra; wohl f�nf Jahre hat er sich mit
Leidenschaft auf die Pflanzenkunde gelegt, ein Herbarium der
italienischen Flora gesammelt, unter dem vorigen Bischof einen
botanischen Garten eingerichtet. Das ist aber alles hin.
Medizinische Praxis vertrieb die Naturgeschichte, das Herbarium wird
von W�rmern gespeist, der Bischof ist tot und der botanische Garten
wieder, wie billig, mit Kohl und Knoblauch bepflanzt.
Doktor Turra ist ein gar feiner, guter Mann. Er erz�hlte mir mit
Offenheit, Seelenreinheit und Bescheidenheit seine Geschichte und
sprach �berhaupt sehr bestimmt und gef�llig, hatte aber nicht Lust,
seine Schr�nke aufzutun, die vielleicht in keinem pr�sentablen
Zustande sein mochten. Der Diskurs kam bald ins Stocken.
Ich ging zum alten Baumeister Scamozzi, der des Palladio Geb�ude
herausgegeben hat und ein wackerer, leidenschaftlicher K�nstler ist.
Er gab mir einige Anleitung, vergn�gt �ber meine Teilnahme. Unter den
Geb�uden des Palladio ist eins, f�r das ich immer eine besondere
Vorliebe hatte, es soll seine eigne Wohnung gewesen sein; aber in der
N�he ist es weit mehr, als man im Bilde sieht. Ich m�chte es
gezeichnet und mit den Farben illuminiert haben, die ihm das Material
und das Alter gegeben. Man mu� aber nicht denken, da� der Baumeister
sich einen Palast errichtet habe. Es ist das bescheidenste Haus von
der Welt, hat nur zwei Fenster, die durch einen breiten Raum, der das
dritte Fenster vertr�ge, abgesondert sind. Wollte man es zum Gem�lde
nachbilden, so da� die Nachbarh�user mit vorgestellt w�rden, so w�re
auch das vergn�glich anzusehen, wie es zwischen sie eingeschaltet ist.
Das h�tte Canalett malen sollen.
Heute besuchte ich das eine halbe Stunde von der Stadt auf einer
angenehmen H�he liegende Prachthaus, die Rotonda genannt. Es ist ein
viereckiges Geb�ude, das einen runden, von oben erleuchteten Saal in
sich schlie�t. Von allen vier Seiten steigt man auf breiten Treppen
hinan und gelangt jedesmal in eine Vorhalle, die von sechs
korinthischen S�ulen gebildet wird. Vielleicht hat die Baukunst ihren
Luxus niemals h�her getrieben. Der Raum, den die Treppen und
Vorhallen einnehmen, ist viel gr��er als der des Hauses selbst; denn
jede einzelne Seite w�rde als Ansicht eines Tempels befriedigen.
Inwendig kann man es wohnbar, aber nicht w�hnlich nennen. Der Saal
ist von der sch�nsten Proportion, die Zimmer auch; aber zu den
Bed�rfnissen eines Sommeraufenthalts einer vornehmen Familie w�rden
sie kaum hinreichen. Daf�r sieht man es auch in der ganzen Gegend von
allen Seiten sich auf das herrlichste darstellen. Die
Mannigfaltigkeit ist gro�, in der sich seine Hauptmasse zugleich mit
den vorspringenden S�ulen vor dem Auge der Umherwandelnden bewegt, und
die Absicht des Besitzers ist vollkommen erreicht, der ein gro�es
Fideikommi�gut und zugleich ein sinnliches Denkmal seines Verm�gens
hinterlassen wollte. Und wie nun das Geb�ude von allen Punkten der
Gegend in seiner Herrlichkeit gesehen wird, so ist die Aussicht von
daher gleichfalls die angenehmste. Man sieht den Bachiglione flie�en,
Schiffe von Verona herab gegen die Brenta f�hrend; dabei �berschaut
man die weiten Besitzungen, welche Marchese Capra unzertrennt bei
seiner Familie erhalten wollte. Die Inschriften der vier Giebelseiten,
die zusammen eine ganze ausmachen, verdienen wohl aufgezeichnet zu
werden:
Der Schlu� besonders ist seltsam genug: ein Mann, dem so viel Verm�gen
und Wille zu Gebote stand, f�hlt noch, da� er dulden und entbehren
m�sse. Das kann man mit geringerm Aufwand lernen.
Heute abend war ich in einer Versammlung, welche die Akademie der
Olympier hielt. Ein Spielwerk, aber ein recht gutes, es erh�lt noch
ein bi�chen Salz und Leben unter den Leuten. Ein gro�er Saal neben
dem Theater des Palladio, anst�ndig erleuchtet, der Kapitan und ein
Teil des Adels zugegen, �brigens durchaus ein Publikum von gebildeten
Personen, viele Geistliche, zusammen ungef�hr f�nfhundert.
Die von dem Pr�sidenten f�r die heutige Sitzung aufgegebene Frage war,
ob Erfindung oder Nachahmung den sch�nen K�nsten mehr Vorteil gebracht
habe. Der Einfall war gl�cklich genug; denn wenn man die in der Frage
liegende Alternative trennt, so l��t sich hundert Jahre hin�ber und
her�ber sprechen. Auch haben sich die Herren Akademiker dieser
Gelegenheit weidlich bedient und in Prosa und Versen mancherlei
hervorgebracht, worunter viel Gutes.
Es l��t sich denken, da� Palladio auch diesmal an allen Orten und
Enden war, es mochte von Erfinden oder Nachahmen die Rede sein.
Zuletzt, wo immer das Scherzhafteste gefordert wird, hatte einer den
gl�cklichen Einfall, zu sagen, die andern h�tten ihm den Palladio
weggenommen, er wolle dagegen den Franceschini loben, den gro�en
Seidenfabrikanten. Nun fing er an zu zeigen, was die Nachahmung der
Lyoner und Florentiner Stoffe diesem t�chtigen Unternehmer und durch
ihn der Stadt Vicenza f�r Vorteil gebracht habe, woraus erfolge, da�
die Nachahmung weit �ber die Erfindung erhaben sei. Und dies geschah
mit so gutem Humor, da� ein ununterbrochenes Gel�chter erregt ward.
�berhaupt fanden die, welche f�r die Nachahmung sprachen, mehr Beifall;
denn sie sagten lauter Dinge, wie sie der Haufen denkt und denken
kann. Einmal gab das Publikum mit gro�em H�ndeklatschen einem recht
groben Sophism seinen herzlichen Beifall, da es viele gute, ja
treffliche Sachen zu Ehren der Erfindung nicht gef�hlt hatte. Es
freut mich sehr, auch dieses erlebt zu haben, und dann ist es h�chst
erquickend, den Palladio nach so viel Zeit immer noch als Polarstern
und Musterbild von seinen Mitb�rgern verehrt zu sehen.
Heute fr�h war ich in Tiene, das nordw�rts gegen die Gebirge liegt, wo
ein neu Geb�ude nach einem alten Risse aufgef�hrt wird, wobei wenig zu
erinnern sein m�chte. So ehrt man hier alles aus der guten Zeit und
hat Sinn genug, nach einem geerbten Plan ein frisches Geb�ude
aufzuf�hren. Das Schlo� liegt ganz trefflich in einer gro�en Plaine,
die Kalkalpen ohne Zwischengebirg hinter sich. Vom Geb�ude her neben
der schnurgeraden Chaussee flie�t zu beiden Seiten lebendiges Wasser
dem Kommenden entgegen und w�ssert die weiten Reisfelder, durch die
man f�hrt.
Ich habe nun erst die zwei italienischen St�dte gesehen und mit wenig
Menschen gesprochen, aber ich kenne meine Italiener schon gut. Sie
sind wie Hofleute, die sich f�rs erste Volk in der Welt halten und bei
gewissen Vorteilen, die man ihnen nicht leugnen kann, sich's
ungestraft und bequem einbilden k�nnen. Mir erscheinen die Italiener
als eine recht gute Nation: man mu� nur die Kinder und die gemeinen
Leute sehen, wie ich sie jetzt sehe und sehen kann, da ich ihnen immer
ausgesetzt bin und mich ihnen immer aussetze. Und was das f�r Figuren
und Gesichter sind!
Besonders mu� ich die Vicentiner loben, da� man bei ihnen die
Vorrechte einer gro�en Stadt genie�t. Sie sehen einen nicht an, man
mag machen, was man will; wendet man sich jedoch an sie, dann sind sie
gespr�chig und anmutig, besonders wollen mir die Frauen sehr gefallen.
Die Veroneserinnen will ich nicht schelten, sie haben eine gute
Bildung und entschiedene Profile; aber meistens bleich, und der Zendal
tut ihnen Schaden, weil man unter der sch�nen Tracht auch etwas
Reizendes sucht. Hier aber finde ich gar h�bsche Wesen, besonders
eine schwarzlockige Sorte, die mir ein eigenes Interesse einfl��t. Es
gibt auch noch eine blonde, die mir aber nicht so behagen will.
In vier Stunden bin ich heute von Vicenza her�bergefahren, auf ein
einsitziges Chaischen, Sediola genannt, mit meiner ganzen Existenz
gepackt. Man f�hrt sonst bequem in vierthalb Stunden; da ich aber den
k�stlichen Tag gern unter freiem Himmel genie�en wollte, so war es mir
angenehm, da� der Vetturin hinter seiner Schuldigkeit zur�ckblieb.
Man f�hrt in der fruchtbarsten Ebene immer s�dostw�rts, zwischen
Hecken und B�umen, ohne weitere Aussicht, bis man endlich die sch�nen
Gebirge, von Norden gegen S�den streichend, zur rechten Hand sieht.
Die F�lle der Pflanzen--und Fruchtgeh�nge �ber Mauern und Hecken, an
B�umen herunter, ist unbeschreiblich. K�rbisse beschweren die D�cher,
und die wunderlichsten Gurken h�ngen an Latten und Spalieren.
Die herrliche Lage der Stadt konnte ich vom Observatorium aufs kl�rste
�berschauen. Gegen Norden Tiroler Gebirge, beschneit, in Wolken halb
versteckt, an die sich in Nordwest die vicentinischen anschlie�en,
endlich gegen Westen die n�heren Gebirge von Este, deren Gestalten und
Vertiefungen man deutlich sehen kann. Gegen S�dost ein gr�nes
Pflanzenmeer, ohne eine Spur von Erh�hung, Baum an Baum, Busch an
Busch, Pflanzung an Pflanzung, unz�hlige wei�e H�user, Villen und
Kirchen aus dem Gr�nen hervorblickend. Am Horizont sah ich ganz
deutlich den Markusturm zu Venedig und andere geringere T�rme.
Endlich habe ich die Werke des Palladio erlangt, zwar nicht die
Originalausgabe, die ich in Vicenza gesehen, deren Tafeln in Holz
geschnitten sind, aber eine genaue Kopie, ja ein Faksimile in Kupfer,
veranstaltet durch einen vortrefflichen Mann, den ehemaligen
englischen Konsul Smith in Venedig. Das mu� man den Engl�ndern lassen,
da� sie von lange her das Gute zu sch�tzen wu�ten, und da� sie eine
grandiose Art haben, es zu verbreiten.
Da man denn doch einmal den Heiligen Kirchen gebaut hat, so findet
sich auch wohl darin ein Platz, wo man vern�nftige Menschen aufstellen
kann. Die B�ste des Kardinals Bembo steht zwischen ionischen S�ulen,
ein sch�nes, wenn ich so sagen soll, mit Gewalt in sich gezogenes
Gesicht und ein m�chtiger Bart; die Inschrift lautet:
Der gro�e Platz, Prato della Valle genannt, ist ein sehr weiter Raum,
wo der Hauptmarkt im Juni gehalten wird. H�lzerne Buden in seiner
Mitte geben freilich nicht das vorteilhafteste Ansehn, die Einwohner
aber versichern, da� man auch bald hier eine Fiera von Stein wie die
zu Verona sehen werde. Hiezu gibt freilich schon jetzt die Umgebung
des Platzes gegr�ndete Hoffnung, welche einen sehr sch�nen und
bedeutenden Anblick gew�hrt.
Ein ungeheures Oval ist ringsum mit Statuen besetzt, alle ber�hmten
M�nner vorstellend, welche hier gelehrt und gelernt haben. Einem
jeden Einheimischen und Fremden ist erlaubt, irgendeinem Landsmann
oder Verwandten hier eine Bilds�ule von bestimmter Gr��e zu errichten,
sobald das Verdienst der Person und der akademische Aufenthalt zu
Padua bewiesen ist.
Um das Oval umher geht ein Wassergraben. Auf den vier Br�cken, die
hinauff�hren, stehen P�pste und Dogen kolossal, die �brigen, kleiner,
sind von Z�nften, Partikuliers und Fremden gesetzt. Der K�nig von
Schweden lie� Gustav Adolfen hinstellen, weil man sagt, derselbe habe
einmal in Padua eine Lektion angeh�rt. Der Erzherzog Leopold
erneuerte das Andenken Petrarchs und Galileis. Die Statuen sind in
einer braven modernen Manier gemacht, wenige �bermanieriert, einige
recht nat�rlich, s�mtlich im Kost�m ihrer Zeit und W�rden. Die
Inschriften sind auch zu loben. Es findet sich nichts Abgeschmacktes
und Kleinliches darunter.
Auf jeder Universit�t w�re der Gedanke sehr gl�cklich gewesen, auf
dieser ist er am gl�cklichsten, weil es sehr wohltut, eine v�llige
Vergangenheit wieder hervorgerufen zu sehen. Es kann ein recht
sch�ner Platz werden, wenn sie die h�lzerne Fiera wegschaffen und eine
von Stein erbauen, wie der Plan sein soll.
In der Kirche der Eremitaner habe ich Gem�lde von Mantegna gesehen,
einem der �lteren Maler, vor denen ich erstaunt bin. Was in diesen
Bildern f�r eine scharfe, sichere Gegenwart dasteht! Von dieser ganz
wahren, nicht etwa scheinbaren, effektl�genden, blo� zur
Einbildungskraft sprechenden, sondern derben, reinen, lichten,
ausf�hrlichen, gewissenhaften, zarten, umschriebenen Gegenwart, die
zugleich etwas Strenges, Emsiges, M�hsames hatte, gingen die folgenden
Maler aus, wie ich an Bildern von Tizian bemerkte, und nun konnte die
Lebhaftigkeit ihres Genies, die Energie ihrer Natur, erleuchtet von
dem Geiste ihrer Vorfahren, auferbaut durch ihre Kraft, immer h�her
und h�her steigen, sich von der Erde heben und himmlische, aber wahre
Gestalten hervorbringen. So entwickelte sich die Kunst nach der
barbarischen Zeit.
So verweil' ich auch gern in der Kirche der heiligen Justine. Diese
vierhundertf�nfundachtzig Fu� lang, verh�ltnism��ig hoch und breit,
gro� und einfach gebaut. Heut' abend setzt' ich mich in einen Winkel
und hatte meine stille Betrachtung; da f�hlt' ich mich recht allein,
denn kein Mensch in der Welt, der in dem Augenblick an mich gedacht
h�tte, w�rde mich hier gesucht haben.
Nun w�re auch hier wieder einmal eingepackt, morgen fr�h geht es zu
Wasser auf der Brenta fort. Heute hat's geregnet, nun ist's wieder
ausgehellt, und ich hoffe, die Lagunen und die dem Meer verm�hlte
Herrscherin bei sch�ner Tageszeit zu erblicken und aus ihrem Scho�
meine Freunde zu begr��en.
Venedig
Als die erste Gondel an das Schiff anfuhr (es geschieht, um Passagiere,
welche Eil' haben, geschwinder nach Venedig zu bringen), erinnerte
ich mich eines fr�hen Kinderspielzeuges, an das ich vielleicht seit
zwanzig Jahren nicht mehr gedacht hatte. Mein Vater besa� ein sch�nes
mitgebrachtes Gondelmodell; er hielt es sehr wert, und mir ward es
hoch angerechnet, wenn ich einmal damit spielen durfte. Die ersten
Schn�bel von blankem Eisenblech, die schwarzen Gondelk�fige, alles
gr��te mich wie eine alte Bekanntschaft, ich geno� einen
langentbehrten freundlichen Jugendeindruck.
Der Markusplatz in Venedig. Zeichnung von Canaletto
Ich bin gut logiert in der "K�nigin von England", nicht weit vom
Markusplatze, und dies ist der gr��te Vorzug des Quartiers; meine
Fenster gehen auf einen schmalen Kanal zwischen hohen H�usern, gleich
unter mir eine einbogige Br�cke und gegen�ber ein schmales, belebtes
G��chen. So wohne ich, und so werde ich eine Zeitlang bleiben, bis
mein Paket f�r Deutschland fertig ist, und bis ich mich am Bilde
dieser Stadt satt gesehen habe. Die Einsamkeit, nach der ich oft so
sehnsuchtsvoll geseufzt, kann ich nun recht genie�en; denn nirgends
f�hlt man sich einsamer als im Gewimmel, wo man sich allen ganz
unbekannt durchdr�ngt. In Venedig kennt mich vielleicht nur ein
Mensch, und der wird mir nicht gleich begegnen.
Wie es mir von Padua hierher gegangen, nur mit wenig Worten: Die Fahrt
auf der Brenta, mit dem �ffentlichen Schiffe in gesitteter
Gesellschaft, da die Italiener sich vor einander in acht nehmen, ist
anst�ndig und angenehm. Die Ufer sind mit G�rten und Lusth�usern
geschm�ckt, kleine Ortschaften treten bis ans Wasser, teilweise geht
die belebte Landstra�e daran hin. Da man schleusenweis den Flu�
hinabsteigt, gibt es �fters einen kleinen Aufhalt, den man benutzen
kann, sich auf dem Lande umzusehen und die reichlich angebotenen
Fr�chte zu genie�en. Nun steigt man wieder ein und bewegt sich durch
eine bewegte Welt voll Fruchtbarkeit und Leben.
Ihre Kleidung war die bekannte, doch sahen sie aufgesch�rzt viel
besser aus, als wir sie in langen Taffetkleidern auf unsern Redouten
vorzustellen pflegen. Der gro�e Kragen, der runde Hut, der Stab und
die Muschel als das unschuldigste Trinkgeschirr, alles hatte seine
Bedeutung, seinen unmittelbaren Nutzen, die Blechkapsel enthielt ihre
P�sse. Das Merkw�rdigste aber waren ihre kleinen rotsaffianen
Brieftaschen; in diesen befand sich alles kleine Ger�te, was nur
irgendeinem einfachen Bed�rfnis abzuhelfen geeignet sein mochte. Sie
hatten dieselben hervorgezogen, indem sie an ihren Kleidern etwas zu
flicken fanden.
Der Steuermann, h�chst zufrieden, da� er einen Dolmetscher fand, lie�
mich verschiedene Fragen an sie tun; dadurch vernahm ich manches von
ihren Ansichten, besonders aber von ihrer Reise. Sie beklagten sich
bitterlich �ber ihre Glaubensgenossen, ja Weltpriester und
Klostergeistliche. Die Fr�mmigkeit, sagten sie, m�sse eine sehr
seltene Sache sein, weil man an die ihrige nirgends glauben wolle,
sondern sie fast durchaus, ob sie gleich die ihnen vorgeschriebene
geistliche Marschroute und die bisch�flichen P�sse vorgezeigt, in
katholischen Landen wie Landstreicher behandle. Sie erz�hlten dagegen
mit R�hrung, wie gut sie von den Protestanten aufgenommen worden,
besonders von einem Landgeistlichen in Schwaben, vorz�glich aber von
seiner Frau, welche den einigerma�en widerstrebenden Mann dahin
vermocht, da� sie ihnen reichliche Erquickung zuteilen d�rfen, welche
ihnen sehr not getan. Ja beim Abschiede habe sie ihnen einen
Konventionstaler geschenkt, der ihnen sehr zustatten gekommen, sobald
sie das katholische Gebiet wieder betreten. Hierauf sagte der eine
mit aller Erhebung, deren er f�hig war: "Wir schlie�en diese Frau aber
auch t�glich in unser Gebet ein und bitten Gott, da� er ihre Augen
�ffne, wie er ihr Herz f�r uns ge�ffnet hat, da� er sie, wenn auch
sp�t, aufnehme in den Scho� der alleinseligmachenden Kirche. Und so
hoffen wir gewi�, ihr dereinst im Paradies zu begegnen."
Von diesem allen erkl�rte ich, was n�tig und n�tzlich war, auf der
kleinen Steige sitzend, die auf das Verdeck f�hrt, dem Steuermanne und
einigen andern Personen, die sich aus der Kaj�te in den engen Raum
gedr�ngt hatten. Den Pilgern wurden einige �rmliche Erquickungen
gereicht; denn der Italiener liebt nicht, zu geben. Sie zogen hierauf
kleine geweihte Zettel hervor, worauf zu sehen das Bild der heiligen
drei K�nige nebst lateinischen Gebeten zur Verehrung. Die guten
Menschen baten mich, die kleine Gesellschaft damit zu beschenken und
ihr den hohen Wert dieser Bl�tter begreiflich zu machen. Dies gelang
mir auch ganz gut; denn als die beiden M�nner sehr verlegen schienen,
wie sie in dem gro�en Venedig das zur Aufnahme der Pilger bestimmte
Kloster ausfinden sollten, so versprach der ger�hrte Steuermann, wenn
sie landeten, wollte er einem Burschen sogleich einen Dreier geben,
damit er sie zu jenem entfernt gelegenen Orte geleitete. Sie w�rden
zwar, setzte er vertraulich hinzu, sie w�rden dort wenig Trost finden:
die Anstalt, sehr gro� angelegt, um ich wei� nicht wieviel Pilger zu
fassen, sei gegenw�rtig ziemlich zusammengegangen und die Eink�nfte
w�rden eben anders verwendet.
Von Venedig ist schon viel erz�hlt und gedruckt, da� ich mit
Beschreibung nicht umst�ndlich sein will, ich sage nur, wie es mir
entgegenkommt. Was sich mir aber vor allem andern aufdringt, ist
abermals das Volk, eine gro�e Masse, ein notwendiges, unwillk�rliches
Dasein.
Dies Geschlecht hat sich nicht zum Spa� auf diese Inseln gefl�chtet,
es war keine Willk�r, welche die Folgenden trieb, sich mit ihnen zu
vereinigen; die Not lehrte sie ihre Sicherheit in der
unvorteilhaftesten Lage suchen, die ihnen nachher so vorteilhaft ward
und sie klug machte, als noch die ganze n�rdliche Welt im D�stern
gefangen lag; ihre Vermehrung, ihr Reichtum war notwendige Folge. Nun
dr�ngten sich die Wohnungen enger und enger, Sand und Sumpf wurden
durch Felsen ersetzt, die H�user suchten die Luft, wie B�ume, die
geschlossen stehen, sie mu�ten an H�he zu gewinnen suchen, was ihnen
an Breite abging. Auf jede Spanne des Bodens geizig und gleich
anfangs in enge R�ume gedr�ngt, lie�en sie zu Gassen nicht mehr Breite,
als n�tig war, eine Hausreihe von der gegen�berstehenden zu trennen
und dem B�rger notd�rftige Durchg�nge zu erhalten. �brigens war ihnen
das Wasser statt Stra�e, Platz und Spaziergang. Der Venezianer mu�te
eine neue Art von Gesch�pf werden, wie man denn auch Venedig nur mit
sich selbst vergleichen kann. Der gro�e, schlangenf�rmig gewundene
Kanal weicht keiner Stra�e in der Welt, dem Raum vor dem Markusplatze
kann wohl nichts an die Seite gesetzt werden. Ich meine den gro�en
Wasserspiegel, der diesseits von dem eigentlichen Venedig im halben
Mond umfa�t wird. �ber der Wasserfl�che sieht man links die Insel St.
Giorgio Maggiore, etwas weiter rechts die Giudecca und ihren Kanal,
noch weiter rechts die Dogane und die Einfahrt in den Canal Grande, wo
uns gleich ein paar ungeheure Marmortempel entgegenleuchten. Dies
sind mit wenigen Z�gen die Hauptgegenst�nde, die uns in die Augen
fallen, wenn wir zwischen den zwei S�ulen des Markusplatzes
hervortreten. Die s�mtlichen Aus--und Ansichten sind so oft in Kupfer
gestochen, da� die Freunde davon sich gar leicht einen anschaulichen
Begriff machen k�nnen.
Nach Tische eilte ich, mir erst einen Eindruck des Ganzen zu
versichern, und warf mich ohne Begleiter, nur die Himmelsgegenden
merkend, ins Labyrinth der Stadt, welche, obgleich durchaus von
Kan�len und Kan�lchen durchschnitten, durch Br�cken und Br�ckchen
wieder zusammenh�ngt. Die Enge und Gedr�ngtheit des Ganzen denkt man
nicht, ohne es gesehen zu haben. Gew�hnlich kann man die Breite der
Gasse mit ausgereckten Armen entweder ganz oder beinahe messen, in den
engsten st��t man schon mit den Ellbogen an, wenn man die H�nde in die
Seite stemmt; es gibt wohl breitere, auch hie und da ein Pl�tzchen,
verh�ltnism��ig aber kann alles enge genannt werden.
Ich fand leicht den gro�en Kanal und die Hauptbr�cke Rialto; sie
besteht aus einem einzigen Bogen von wei�em Marmor. Von oben herunter
ist es eine gro�e Ansicht, der Kanal ges�et voll Schiffe, die alles
Bed�rfnis vom festen Lande herbeif�hren und hier haupts�chlich anlegen
und ausladen, dazwischen wimmelt es von Gondeln. Besonders heute, als
am Michaelisfeste, gab es einen Anblick wundersch�n lebendig; doch um
diesen einigerma�en darzustellen, mu� ich etwas weiter ausholen.
Die beiden Hauptteile von Venedig, welche der gro�e Kanal trennt,
werden durch die einzige Br�cke Rialto miteinander verbunden, doch ist
auch f�r mehrere Kommunikation gesorgt, welche in offenen Barken an
bestimmten �berfahrtspunkten geschieht. Nun sah es heute sehr gut aus,
als die wohlgekleideten, doch mit einem schwarzen Schleier bedeckten
Frauen sich viele zusammen �bersetzen lie�en, um zu der Kirche des
gefeierten Erzengels zu gelangen. Ich verlie� die Br�cke und begab
mich an einen solchen �berfahrtspunkt, die Aussteigenden genau zu
betrachten. Ich habe sehr sch�ne Gesichter und Gestalten darunter
gefunden.
Nachdem ich m�de geworden, setzte ich mich in eine Gondel, die engen
Gassen verlassend, und fuhr, mir das entgegengesetzte Schauspiel zu
bereiten, den n�rdlichen Teil des gro�en Kanals durch, um die Insel
der heiligen Klara, in die Lagunen, den Kanal der Giudecca herein, bis
gegen den Markusplatz, und war nun auf einmal ein Mitherr des
Adriatischen Meeres, wie jeder Venezianer sich f�hlt, wenn er sich in
seine Gondel legt. Ich gedachte dabei meines guten Vaters in Ehren,
der nichts Besseres wu�te, als von diesen Dingen zu erz�hlen. Wird
mir's nicht auch so gehen? Alles, was mich umgibt, ist w�rdig, ein
gro�es respektables Werk versammelter Menschenkraft, ein herrliches
Monument, nicht eines Gebieters, sondern eines Volks. Und wenn auch
ihre Lagunen sich nach und nach ausf�llen, b�se D�nste �ber dem Sumpfe
schweben, ihr Handel geschw�cht, ihre Macht gesunken ist, so wird die
ganze Anlage der Republik und ihr Wesen nicht einen Augenblick dem
Beobachter weniger ehrw�rdig sein. Sie unterliegt der Zeit, wie alles,
was ein erscheinendes Dasein hat.
Gegen Abend verlief ich mich wieder ohne F�hrer in die entferntesten
Quartiere der Stadt. Die hiesigen Br�cken sind alle mit Treppen
angelegt, damit Gondeln und auch wohl gr��ere Schiffe bequem unter den
Bogen hinfahren. Ich suchte mich in und aus diesem Labyrinthe zu
finden, ohne irgend jemand zu fragen, mich abermals nur nach der
Himmelsgegend richtend. Man entwirrt sich wohl endlich, aber es ist
ein unglaubliches Gehecke ineinander, und meine Manier, sich recht
sinnlich davon zu �berzeugen, die beste. Auch habe ich mir bis an die
letzte bewohnte Spitze der Einwohner Betragen, Lebensart, Sitte und
Wesen gemerkt; in jedem Quartiere sind sie anders beschaffen. Du
lieber Gott! was doch der Mensch f�r ein armes, gutes Tier ist!
Heute habe ich abermals meinen Begriff von Venedig erweitert, indem
ich mir den Plan verschaffte. Als ich ihn einigerma�en studiert,
bestieg ich den Markusturm, wo sich dem Auge ein einziges Schauspiel
darstellt. Es war um Mittag und heller Sonnenschein, da� ich ohne
Perspektiv N�hen und Fernen genau erkennen konnte. Die Flut bedeckte
die Lagunen, und als ich den Blick nach dem sogenannten Lido wandte
(es ist ein schmaler Erdstreif, der die Lagunen schlie�t), sah ich zum
erstenmal das Meer und einige Segel darauf. In den Lagunen selbst
liegen Galeeren und Fregatten, die zum Ritter Emo sto�en sollten, der
den Algierern den Krieg macht, die aber wegen ung�nstiger Winde
liegenbleiben. Die paduanischen und vicentinischen Berge und das
Tiroler Gebirge schlie�en zwischen Abend und Mitternacht das Bild ganz
trefflich sch�n.
Den 1. Oktober.
Ich ging und besah mir die Stadt in mancherlei R�cksichten, und da es
eben Sonntag war, fiel mir die gro�e Unreinlichkeit der Stra�en auf,
wor�ber ich meine Betrachtungen anstellen mu�te. Es ist wohl eine Art
von Polizei in diesem Artikel, die Leute schieben den Kehrig in die
Ecken, auch sehe ich gro�e Schiffe hin und wider fahren, die an
manchen Orten stille liegen und das Kehrig mitnehmen, Leute von den
Inseln umher, welche des D�ngers bed�rfen; aber es ist in diesen
Anstalten weder Folge noch Strenge, und desto unverzeihlicher die
Unreinlichkeit der Stadt, da sie ganz zur Reinlichkeit angelegt worden,
so gut als irgendeine holl�ndische.
Vor allem eilte ich in die Carit�: ich hatte in des Palladio Werken
gefunden, da� er hier ein Klostergeb�ude angegeben, in welchem er die
Privatwohnung der reichen und gastfreien Alten darzustellen gedachte.
Der sowohl im Ganzen als in seinen einzelnen Teilen trefflich
gezeichnete Plan machte mir unendliche Freude, und ich hoffte ein
Wunderwerk zu finden; aber ach! es ist kaum der zehnte Teil ausgef�hrt;
doch auch dieser Teil seines himmlischen Genius w�rdig, eine
Vollkommenheit in der Anlage und eine Genauigkeit in der Ausf�hrung,
die ich noch nicht kannte. Jahrelang sollte man in Betrachtung so
eines Werks zubringen. Mich d�nkt, ich habe nichts H�heres, nichts
Vollkommneres gesehen, und glaube, da� ich mich nicht irre. Denke man
sich aber auch den trefflichen K�nstler, mit dem innern Sinn f�rs
Gro�e und Gef�llige geboren, der erst mit unglaublicher M�he sich an
den Alten heranbildet, um sie alsdann durch sich wiederherzustellen.
Dieser findet Gelegenheit, einen Lieblingsgedanken auszuf�hren, ein
Kloster, so vielen M�nchen zur Wohnung, so vielen Fremden zur Herberge
bestimmt, nach der Form eines antiken Privatgeb�udes aufzurichten.
Die Kirche stand schon, aus ihr tritt man in ein Atrium von
korinthischen S�ulen, man ist entz�ckt und vergi�t auf einmal alles
Pfaffentum. An der einen Seite findet man die Sakristei, an der
andern ein Kapitelzimmer, daneben die sch�nste Wendeltreppe von der
Welt, mit offener, weiter Spindel, die steinernen Stufen in die Wand
gemauert und so geschichtet, da� eine die andere tr�gt; man wird nicht
m�de, sie auf--und abzusteigen; wie sch�n sie geraten sei, kann man
daraus abnehmen, da� sie Palladio selbst f�r wohlgeraten angibt. Aus
dem Vorhof tritt man in den innern gro�en Hof. Von dem Geb�ude, das
ihn umgeben sollte, ist leider nur die linke Seite aufgef�hrt, drei
S�ulenordnungen �bereinander, auf der Erde Hallen, im ersten Stock ein
Bogengang vor den Zellen hin, der obere Stock Mauer mit Fenstern.
Doch diese Beschreibung mu� durch den Anblick der Risse gest�rkt
werden. Nun ein Wort von der Ausf�hrung.
Nur die H�upter und F��e der S�ulen und die Schlu�steine der Bogen
sind von gehauenem Stein, das �brige alles, ich darf nicht sagen von
Backsteinen, sondern von gebranntem Ton. Solche Ziegeln kenne ich gar
nicht. Fries und Karnies sind auch daraus, die Glieder der Bogen
gleichfalls, alles teilweise gebrannt, und das Geb�ude zuletzt nur mit
wenig Kalk zusammengesetzt. Es steht wie aus einem Gu�. W�re das
Ganze fertig geworden, und man s�he es reinlich abgerieben und gef�rbt,
es m��te ein himmlischer Anblick sein.
Jedoch die Anlage war zu gro�, wie bei so manchem Geb�ude der neuern
Zeit. Der K�nstler hatte nicht nur voraus gesetzt, da� man das
jetzige Kloster abrei�en, sondern auch ansto�ende Nachbarsh�user
kaufen werde, und da m�gen Geld und Lust ausgegangen sein. Du liebes
Schicksal, da� du so manche Dummheit beg�nstigt und verewigt hast,
warum lie�est du dieses Werk nicht zustande kommen!
Den 3. Oktober.
Die Kirche Il Redentore, ein sch�nes, gro�es Werk von Palladio, die
Fassade lobensw�rdiger als die von St. Giorgio. Diese mehrmals in
Kupfer gestochenen Werke m��te man vor sich sehen, um das Gesagte
verdeutlichen zu k�nnen. Hier nur wenige Worte.
Palladio war durchaus von der Existenz der Alten durchdrungen und
f�hlte die Kleinheit und Enge seiner Zeit wie ein gro�er Mensch, der
sich nicht hingeben, sondern das �brige soviel als m�glich nach seinen
edlen Begriffen umbilden will. Er war unzufrieden, wie ich aus
gelinder Wendung seines Buches schlie�e, da� man bei christlichen
Kirchen nach der Form der alten Basiliken zu bauen fortfahre, er
suchte deshalb seine heiligen Geb�ude der alten Tempelform zu n�hern;
daher entstanden gewisse Unschicklichkeiten, die mir bei Il Redentore
gl�cklich beseitigt, bei St. Giorgio aber zu auffallend erscheinen.
Volkmann sagt etwas davon, trifft aber den Nagel nicht auf den Kopf.
Den 3. Oktober.
Den 3. Oktober.
Den Plan in der Hand suchte ich mich durch die wunderlichsten Irrg�nge
bis zur Kirche der Mendicanti zu finden. Hier ist das Konservatorium,
welches gegenw�rtig den meisten Beifall hat. Die Frauenzimmer f�hrten
ein Oratorium hinter dem Gitter auf, die Kirche war voll Zuh�rer, die
Musik sehr sch�n, und herrliche Stimmen. Ein Alt sang den K�nig Saul,
die Hauptperson des Gedichtes. Von einer solchen Stimme hatte ich gar
keinen Begriff; einige Stellen der Musik waren unendlich sch�n, der
Text vollkommen singbar, so italienisch Latein, da� man an manchen
Stellen lachen mu�; die Musik aber findet hier ein weites Feld.
Den 3. Oktober.
Gestern abend Oper zu St. Moses (denn die Theater haben ihren Namen
von der Kirche, der sie am n�chsten liegen); nicht recht erfreulich!
Es fehlt dem Poem, der Musik, den S�ngern eine innere Energie, welche
allein eine solche Darstellung auf den h�chsten Punkt treiben kann.
Man konnte von keinem Teil sagen, er sei schlecht; aber nur die zwei
Frauen lie�en sich's angelegen sein, nicht sowohl gut zu agieren als
sich zu produzieren und zu gefallen. Das ist denn immer etwas. Es
sind zwei sch�ne Figuren, gute Stimmen, artige, muntere, g�tliche
Pers�nchen. Unter den M�nnern dagegen keine Spur von innerer Gewalt
und Lust, dem Publikum etwas aufzuheben, sowie keine entschieden
gl�nzende Stimme.
Den 3. Oktober.
Heute dagegen sah ich eine andere Kom�die, die mich mehr gefreut hat.
Im herzoglichen Palast h�rte ich eine Rechtssache �ffentlich
verhandeln; sie war wichtig und zu meinem Gl�ck in den Ferien
vorgenommen. Der eine Advokat war alles, was ein �bertriebener Buffo
nur sein sollte. Figur dick, kurz, doch beweglich, ein ungeheuer
vorspringendes Profil, eine Stimme wie Erz und eine Heftigkeit, als
wenn es ihm aus tiefstem Grunde des Herzens Ernst w�re, was er sagte.
Ich nenne dies eine Kom�die, weil alles wahrscheinlich schon fertig
ist, wenn diese �ffentliche Darstellung geschieht; die Richter wissen,
was sie sprechen sollen, und die Partei wei�, was sie zu erwarten hat.
Indessen gef�llt mir diese Art unendlich besser als unsere
Stuben--und Kanzleihockereien. Und nun von den Umst�nden und wie
artig, ohne Prunk, wie nat�rlich alles zugeht, will ich suchen einen
Begriff zu geben.
In einem ger�umigen Saal des Palastes sa�en an der einen Seite die
Richter im Halbzirkel. Gegen ihnen �ber, auf einem Katheder, der
mehrere Personen nebeneinander fassen konnte, die Advokaten beider
Parteien, unmittelbar vor demselben, auf einer Bank, Kl�ger und
Beklagte in eigner Person. Der Advokat des Kl�gers war von dem
Katheder herabgestiegen, denn die heutige Sitzung war zu keiner
Kontrovers bestimmt. Die s�mtlichen Dokumente f�r und wider, obgleich
schon gedruckt, sollten vorgelesen werden.
Diesmal war der Streit h�chst wichtig, denn die Klage ging gegen den
Doge selbst, oder vielmehr gegen seine Gemahlin, welche denn auch in
Person auf dem B�nkchen, vom Kl�ger nur durch einen kleinen
Zwischenraum getrennt, in ihren Zendal geh�llt, dasa�. Eine Dame von
gewissem Alter, edlem K�rperbau, wohlgebildetem Gesicht, auf welchem
ernste, ja, wenn man will, etwas verdrie�liche Z�ge zu sehen waren.
Die Venezianer bildeten sich viel darauf ein, da� die F�rstin in ihrem
eignen Palast vor dem Gericht und ihnen erscheinen m�sse.
Der Schreiber fing zu lesen an, und nun ward mir erst deutlich, was
ein im Angesicht der Richter unfern des Katheders der Advokaten hinter
einem kleinen Tische auf einem niedern Schemel sitzendes M�nnchen,
besonders aber die Sanduhr bedeute, die er vor sich niedergelegt hatte.
Solange n�mlich der Schreiber liest, so lange l�uft die Zeit nicht,
dem Advokaten aber, wenn er dabei sprechen will, ist nur im ganzen
eine gewisse Frist geg�nnt. Der Schreiber liest, die Uhr liegt, das
M�nnchen hat die Hand daran. Tut der Advokat den Mund auf, so steht
auch die Uhr schon in der H�he, die sich sogleich niedersenkt, sobald
er schweigt. Hier ist nun die gro�e Kunst, in den Flu� der Vorlesung
hineinzureden, fl�chtige Bemerkungen zu machen, Aufmerksamkeit zu
erregen und zu fordern. Nun kommt der kleine Saturn in die gr��te
Verlegenheit. Er ist gen�tigt, den horizontalen und vertikalen Stand
der Uhr jeden Augenblick zu ver�ndern, er befindet sich im Fall der
b�sen Geister im Puppenspiel, die auf das schnell wechselnde
"Berlickel Berlockel" des mutwilligen Hanswursts nicht wissen, wie sie
gehen oder kommen sollen.
Den 4. Oktober.
Gestern war ich in der Kom�die, Theater St. Lukas, die mir viel Freude
gemacht hat; ich sah ein extemporiertes St�ck in Masken, mit viel
Naturell, Energie und Bravour aufgef�hrt. Freilich sind sie nicht
alle gleich; der Pantalon sehr brav, die eine Frau, stark und
wohlgebaut, keine au�erordentliche Schauspielerin, spricht exzellent
und wei� sich zu betragen. Ein tolles Sujet, demjenigen �hnlich, das
bei uns unter dem Titel "Der Verschlag" behandelt ist. Mit
unglaublicher Abwechslung unterhielt es mehr als drei Stunden. Doch
ist auch hier das Volk wieder die Base, worauf dies alles ruht, die
Zuschauer spielen mit, und die Menge verschmilzt mit dem Theater in
ein Ganzes. Den Tag �ber auf dem Platz und am Ufer, auf den Gondeln
und im Palast, der K�ufer und Verk�ufer, der Bettler, der Schiffer,
die Nachbarin, der Advokat und sein Gegner, alles lebt und treibt und
l��t sich es angelegen sein, spricht und beteuert, schreit und bietet
aus, singt und spielt, flucht und l�rmt. Und abends gehen sie ins
Theater und sehen und h�ren das Leben ihres Tages, k�nstlich
zusammengestellt, artiger aufgestutzt, mit M�rchen durchflochten,
durch Masken von der Wirklichkeit abger�ckt, durch Sitten gen�hert.
Hier�ber freun sie sich kindisch, schreien wieder, klatschen und
l�rmen. Von Tag zu Nacht, ja von Mitternacht zu Mitternacht ist immer
alles ebendasselbe.
Ich habe aber auch nicht leicht nat�rlicher agieren sehen als jene
Masken, so wie es nur bei einem ausgezeichnet gl�cklichen Naturell
durch l�ngere �bung erreicht werden kann.
Da ich das schreibe, machen sie einen gewaltigen L�rm auf dem Kanal
unter meinem Fenster, und Mitternacht ist vorbei. Sie haben im Guten
und B�sen immer etwas zusammen.
Den 4. Oktober.
�ffentliche Redner habe ich nun geh�rt: drei Kerle auf dem Platze und
Ufersteindamme, jeden nach seiner Art Geschichten erz�hlend, sodann
zwei Sachwalter, zwei Prediger, die Schauspieler, worunter ich
besonders den Pantalon r�hmen mu�, alle diese haben etwas Gemeinsames,
sowohl weil sie von ein und derselben Nation sind, die, stets
�ffentlich lebend, immer in leidenschaftlichem Sprechen begriffen ist,
als auch weil sie sich untereinander nachahmen. Hiezu kommt noch eine
entschiedene Geb�rdensprache, mit welcher sie die Ausdr�cke ihrer
Intentionen, Gesinnungen und Empfindungen begleiten.
Heute, am Fest des heiligen Franziskus, war ich in seiner Kirche alle
Vigne. Des Kapuziners laute Stimme ward von dem Geschrei der
Verk�ufer vor der Kirche wie von einer Antiphone begleitet; ich stand
in der Kircht�re zwischen beiden, und es war wunderlich genug zu h�ren.
Den 5. Oktober.
Heute fr�h war ich im Arsenal, mir immer interessant genug, da ich
noch kein Seewesen kenne und hier die untere Schule besuchte; denn
freilich sieht es hier nach einer alten Familie aus, die sich noch
r�hrt, obgleich die beste Zeit der Bl�te und der Fr�chte vor�ber ist.
Da ich denn auch den Handwerkern nachgehe, habe ich manches
Merkw�rdige gesehen und ein Schiff von vierundachtzig Kanonen, dessen
Gerippe fertig steht, bestiegen.
Ein gleiches ist vor sechs Monaten an der Riva de' Schiavoni bis aufs
Wasser verbrannt, die Pulverkammer war nicht sehr gef�llt, und da sie
sprang, tat es keinen gro�en Schaden. Die benachbarten H�user b��ten
ihre Scheiben ein.
Das sch�nste Eichenholz, aus Istrien, habe ich verarbeiten sehen und
dabei �ber den Wachstum dieses werten Baumes meine stillen
Betrachtungen angestellt. Ich kann nicht genug sagen, was meine sauer
erworbene Kenntnis nat�rlicher Dinge, die doch der Mensch zuletzt als
Materialien braucht und in seinen Nutzen verwendet, mir �berall hilft,
um mir das Verfahren der K�nstler und Handwerker zu erkl�ren; so ist
mir auch die Kenntnis der Gebirge und des daraus genommenen Gesteins
ein gro�er Vorsprung in der Kunst.
Den 5. Oktober.
Um mit einem Worte den Begriff des Bucentaur auszusprechen, nenne ich
ihn eine Prachtgaleere. Der �ltere, von dem wir noch Abbildungen
haben, rechtfertigt diese Benennung noch mehr als der gegenw�rtige,
der uns durch seinen Glanz �ber seinen Ursprung verblendet.
Ich komme immer auf mein Altes zur�ck. Wenn dem K�nstler ein echter
Gegenstand gegeben ist, so kann er etwas Echtes leisten. Hier war ihm
aufgetragen, eine Galeere zu bilden, die wert w�re, die H�upter der
Republik am feierlichsten Tage zum Sakrament ihrer hergebrachten
Meerherrschaft zu tragen, und diese Aufgabe ist f�rtrefflich
ausgef�hrt. Das Schiff ist ganz Zierat, also darf man nicht sagen:
mit Zierat �berladen, ganz vergoldetes Schnitzwerk, sonst zu keinem
Gebrauch, eine wahre Monstranz, um dem Volke seine H�upter recht
herrlich zu zeigen. Wissen wir doch: das Volk, wie es gern seine H�te
schm�ckt, will auch seine Obern pr�chtig und geputzt sehen. Dieses
Prunkschiff ist ein rechtes Inventarienst�ck, woran man sehen kann,
was die Venezianer waren und sich zu sein d�nkten.
Ich komme noch lachend aus der Trag�die und mu� diesen Scherz gleich
auf dem Papier befestigen. Das St�ck war nicht schlimm, der Verfasser
hatte alle tragischen Matadore zusammengesteckt, und die Schauspieler
hatten gut spielen. Die meisten Situationen waren bekannt, einige neu
und ganz gl�cklich. Zwei V�ter, die sich hassen, S�hne und T�chter
aus diesen getrennten Familien, leidenschaftlich �bers Kreuz verliebt,
ja das eine Paar heimlich verheiratet. Es ging wild und grausam zu,
und nichts blieb zuletzt �brig, um die jungen Leute gl�cklich zu
machen, als da� die beiden V�ter sich erstachen, worauf unter
lebhaftem H�ndeklatschen der Vorhang fiel. Nun ward aber das
Klatschen heftiger, nun wurde "Fuora" gerufen und das so lange, bis
sich die zwei Hauptpaare bequemten, hinter dem Vorhang
hervorzukriechen, ihre B�cklinge zu machen und auf der andern Seite
wieder abzugehen.
Das Publikum war noch nicht befriedigt, es klatschte fort und rief: "I
morti!" Das dauerte so lange, bis die zwei Toten auch herauskamen und
sich b�ckten, da denn einige Stimmen riefen. "Bravi i morti!" Sie
wurden durch Klatschen lange festgehalten, bis man ihnen gleichfalls
endlich abzugehen erlaubte. Diese Posse gewinnt f�r den Augen--und
Ohrenzeugen unendlich, der das "Bravo! Bravi!", das die Italiener
immer im Munde f�hren, so in den Ohren hat wie ich, und dann auf
einmal auch die Toten mit diesem Ehrenwort anrufen h�rt.
Den 6. Oktober.
Die Trag�die gestern hat mich manches gelehrt. Erstlich habe ich
geh�rt, wie die Italiener ihre eilfsilbigen Iamben behandeln und
deklamieren, dann habe ich begriffen, wie klug Gozzi die Masken mit
den tragischen Figuren verbunden hat. Das ist das eigentliche
Schauspiel f�r dieses Volk; denn es will auf eine krude Weise ger�hrt
sein, es nimmt keinen innigen, z�rtlichen Anteil am Ungl�cklichen, es
freut sie nur wenn der Held gut spricht; denn aufs Reden halten sie
viel, sodann aber wollen sie lachen oder etwas Albernes vornehmen.
Jetzt verstehe ich besser die langen Reden und das viele Hin--und
Herdissertieren im griechischen Trauerspiele. Die Athenienser h�rten
noch lieber reden und verstanden sich noch besser darauf als die
Italiener; vor den Gerichtsstellen, wo sie den ganzen Tag lagen,
lernten sie schon etwas.
Den 6. Oktober.
Mir scheint, so viel ich auch dar�ber denke, er habe bei Betrachtung
der H�he und Breite einer schon bestehenden Kirche, eines �ltern
Hauses, wozu er Fassaden errichten sollte, nur �berlegt: "Wie gibst du
diesen R�umen die gr��te Form? Im einzelnen mu�t du wegen
eintretenden Bed�rfnisses etwas verr�cken oder verpfuschen, da oder
dort wird eine Unschicklichkeit entstehen, aber das mag sein, das
Ganze wird einen hohen Stil haben, und du wirst dir zur Freude
arbeiten."
Und so hat er das gr��te Bild, das er in der Seele trug, auch dahin
gebracht, wo es nicht ganz pa�te, wo er es im einzelnen zerknittern
und verst�mmeln mu�te.
Der Fl�gel in der Carit� dagegen mu� uns deshalb von so hohem Werte
sein, weil der K�nstler freie Hand hatte und seinem Geist unbedingt
folgen durfte. W�re das Kloster fertig geworden, so st�nde vielleicht
in der ganzen gegenw�rtigen Welt kein vollkommeneres Werk der Baukunst.
Wie er gedacht und wie er gearbeitet, wird mir immer klarer, je mehr
ich seine Werke lese und dabei betrachte, wie er die Alten behandelt;
denn er macht wenig Worte, sie sind aber alle gewichtig. Das vierte
Buch, das die antiken Tempel darstellt, ist eine rechte Einleitung,
die alten Reste mit Sinn zu beschauen.
Den 6. Oktober.
Gestern abend sah ich "Elektra" von Cr�billon auf dem Theater St.
Crisostomo, n�mlich �bersetzt. Was mir das St�ck abgeschmackt vorkam,
und wie es mir f�rchterliche Langeweile machte, kann ich nicht sagen.
Die Akteurs sind �brigens brav und wissen das Publikum mit einzelnen
Stellen abzuspeisen. Orest hat allein drei verschiedene Erz�hlungen,
poetisch aufgestutzt, in einer Szene. Elektra, ein h�bsches Weibchen,
von mittlerer Gr��e und St�rke und fast franz�sischer Lebhaftigkeit,
einem guten Anstand, spricht die Verse sch�n, nur betrug sie sich von
Anfang bis zu Ende toll, wie es leider die Rolle verlangt. Indessen
habe ich doch wieder gelernt. Der italienische, immer eilfsilbige
Iambe hat f�r die Deklamation gro�e Unbequemlichkeit, weil die letzte
Silbe durchaus kurz ist und wider Willen des Deklamators in die H�he
schl�gt.
Den 6. Oktober.
Heute fr�h war ich bei dem Hochamte, welchem der Doge j�hrlich an
diesem Tage wegen eines alten Siegs �ber die T�rken in der Kirche der
heiligen Justina beiwohnen mu�. Wenn an dem kleinen Platz die
vergoldeten Barken landen, die den F�rsten und einen Teil des Adels
bringen, seltsam gekleidete Schiffer sich mit rot gemalten Rudern
bem�hen, am Ufer die Geistlichkeit, die Br�derschaften mit
angez�ndeten, auf Stangen und tragbare silberne Leuchter gesteckten
Kerzen stehen, dr�ngen, wogen und warten, dann mit Teppichen
beschlagene Br�cken aus den Fahrzeugen ans Land gestreckt werden,
zuerst die langen violetten Kleider der Savj, dann die langen roten
der Senatoren sich auf dem Pflaster entfalten, zuletzt der Alte, mit
goldener phrygischer M�tze geschm�ckt, im l�ngsten goldenen Talar mit
dem Hermelinmantel aussteigt, drei Diener sich seiner Schleppe
bem�chtigen, alles auf einem kleinen Platz vor dem Portal einer Kirche,
vor deren T�ren die T�rkenfahnen gehalten werden, so glaubt man auf
einmal eine alte gewirkte Tapete zu sehen, aber recht gut gezeichnet
und koloriert. Mir nordischem Fl�chtling hat diese Zeremonie viele
Freude gemacht. Bei uns wo alle Feierlichkeiten kurzr�ckig sind, und
wo die gr��te, die man sich denken kann, mit dem Gewehr auf der
Schulter begangen wird, m�chte so etwas nicht am Ort sein. Aber
hierher geh�ren diese Schleppr�cke, diese friedlichen Begehungen.
Der Doge ist ein gar sch�n gewachsener und sch�n gebildeter Mann, der
krank sein mag, sich aber nur noch so, um der W�rde willen, unter dem
schweren Rocke gerade h�lt. Sonst sieht er aus wie der Gro�papa des
ganzen Geschlechts und ist gar hold und leutselig; die Kleidung steht
sehr gut, das K�ppchen unter der M�tze beleidigt nicht, indem es, ganz
fein und durchsichtig, auf dem wei�esten, klarsten Haar von der Welt
ruht.
Wie sich alles in der Kirche rangiert hatte und das Hochamt anfing,
zogen die Br�derschaften zur Hauptt�re herein und zur rechten
Seitent�re wieder hinaus, nachdem sie Paar f�r Paar das Weihwasser
empfangen und sich gegen den Hochaltar, den Dogen und den Adel geneigt
hatten.
Den 6. Oktober.
Auf heute abend hatte ich mir den famosen Gesang der Schiffer bestellt,
die den Tasso und Ariost auf ihre eignen Melodien singen. Dieses mu�
wirklich bestellt werden, es kommt nicht gew�hnlich vor, es geh�rt
vielmehr zu den halb verklungenen Sagen der Vorzeit. Bei Mondenschein
bestieg ich eine Gondel, den einen S�nger vorn, den andern hinten; sie
fingen ihr Lied an und sangen abwechselnd Vers f�r Vers. Die Melodie,
welche wir durch Rousseau kennen, ist eine Mittelart zwischen Choral
und Rezitativ, sie beh�lt immer denselbigen Gang, ohne Takt zu haben;
die Modulation ist auch dieselbige, nur ver�ndern sie nach dem Inhalt
des Verses mit einer Art von Deklamation sowohl Ton als Ma�; der Geist
aber, das Leben davon, l��t sich begreifen, wie folgt.
Auf welchem Wege sich die Melodie gemacht hat, will ich nicht
untersuchen, genug, sie pa�t gar trefflich f�r einen m��igen Menschen,
der sich etwas vormoduliert und Gedichte, die er auswendig kann,
solchem Gesang unterschiebt.
Den 8. Oktober.
Den Palast Pisani Moretta besuchte ich wegen eines k�stlichen Bildes
von Paul Veronese. Die weibliche Familie des Darius kniet vor
Alexandern und Heph�stion, die voranknieende Mutter h�lt den letztern
f�r den K�nig, er lehnt es ab und deutet auf den rechten. Man erz�hlt
das M�rchen, der K�nstler sei in diesem Palast gut aufgenommen und
l�ngere Zeit ehrenvoll bewirtet worden, dagegen habe er das Bild
heimlich gemalt und als Geschenk zusammengerollt unter das Bett
geschoben. Es verdient allerdings, einen besondern Ursprung zu haben,
denn es gibt einen Begriff von dem ganzen Werte des Meisters. Seine
gro�e Kunst, ohne einen allgemeinen Ton, der �ber das ganze St�ck
gezogen w�re, durch kunstreich verteiltes Licht und Schatten und
ebenso weislich abwechselnde Lokalfarben die k�stlichste Harmonie
hervorzubringen, ist hier recht sichtbar, da das Bild vollkommen
erhalten und frisch wie von gestern vor uns steht; denn freilich,
sobald ein Gem�lde dieser Art gelitten hat, wird unser Genu� sogleich
getr�bt, ohne da� wir wissen, was die Ursache sei.
Wer mit dem K�nstler wegen des Kost�ms rechten wollte, der d�rfte sich
nur sagen, es habe eine Geschichte des sechzehnten Jahrhunderts gemalt
werden sollen, und so ist alles abgetan. Die Abstufung von der Mutter
durch Gemahlin und T�chter ist h�chst wahr und gl�cklich; die j�ngste
Prinze�, ganz am Ende knieend, ist ein h�bsches M�uschen und hat ein
gar artiges, eigensinniges, trotziges Gesichtchen; ihre Lage scheint
ihr gar nicht zu gefallen.
Zum 8. Oktober.
Meine alte Gabe, die Welt mit Augen desjenigen Malers zu sehen, dessen
Bilder ich mir eben eingedr�ckt, brachte mich auf einen eignen
Gedanken. Es ist offenbar, da� sich das Auge nach den Gegenst�nden
bildet, die es von Jugend auf erblickt, und so mu� der venezianische
Maler alles klarer und heiterer sehn als andere Menschen. Wir, die
wir auf einem bald schmutzkotigen, bald staubigen, farblosen, die
Widerscheine verd�sternden Boden und vielleicht gar in engen Gem�chern
leben, k�nnen einen solchen Frohblick aus uns selbst nicht entwickeln.
Als ich bei hohem Sonnenschein durch die Lagunen fuhr und auf den
Gondelr�ndern die Gondoliere, leicht schwebend, buntbekleidet, rudernd,
betrachtete, wie sie auf der hellgr�nen Fl�che sich in der blauen
Luft zeichneten, so sah ich das beste, frischeste Bild der
venezianischen Schule. Der Sonnenschein hob die Lokalfarben blendend
hervor, und die Schattenseiten waren so licht, da� sie verh�ltnism��ig
wieder zu Lichtern h�tten dienen k�nnen. Ein Gleiches galt von den
Widerscheinen des meergr�nen Wassers. Alles war hell in hell gemalt,
so da� die sch�umende Welle und die Blitzlichter darauf n�tig waren,
um das T�pfchen aufs i zu setzen.
Tizian und Paul hatten diese Klarheit im h�chsten Grade, und wo man
sie in ihren Werken nicht findet, hat das Bild verloren oder ist
ausgemalt.
Es fiel mir recht aufs Herz, da� doch alles auf die erste Erfindung
ankommt, und da� diese das rechte Ma�, den wahren Geist habe, da man
mit viereckigen St�ckchen Glas, und hier nicht einmal auf die
sauberste Weise, das Gute sowohl als das Schlechte nachbilden kann.
Die Kunst, welche dem Alten seine Fu�boden bereitete, dem Christen
seine Kirchenhimmel w�lbte, hat sich jetzt auf Dosen und Armb�nder
verkr�melt. Diese Zeiten sind schlechter, als man denkt.
Den 8. Oktober.
In dem Hause Farsetti ist eine kostbare Sammlung von Abg�ssen der
besten Antiken. Ich schweige von denen, die ich von Mannheim her und
sonst schon gekannt, und erw�hne nur neuere Bekanntschaften. Eine
Kleopatra in kolossaler Ruhe, die Aspis um den Arm geschlungen und in
den Tod hin�berschlafend, ferner die Mutter Niobe, die ihre j�ngste
Tochter mit dem Mantel vor den Pfeilen des Apollo deckt, sodann einige
Gladiatoren, ein in seinen Fl�geln ruhender Genius, sitzende und
stehende Philosophen.
Es sind Werke, an denen sich die Welt Jahrtausende freuen und bilden
kann, ohne den Wert des K�nstlers durch Gedanken zu ersch�pfen.
Noch will ich einiger Werke der Bildhauerkunst erw�hnen, die ich diese
Tage her, zwar nur im Vorbeigehen, aber doch mit Erstaunen und
Erbauung betrachtet: zwei ungeheure L�wen von wei�em Marmor vor dem
Tore des Arsenals; der eine sitzt aufgerichtet, auf die Vorderpfoten
gestemmt, der andere liegt--herrliche Gegenbilder, von lebendiger
Mannigfaltigkeit. Sie sind so gro�, da� sie alles umher klein machen,
und da� man selbst zunichte w�rde, wenn erhabene Gegenst�nde uns nicht
erh�ben. Sie sollen aus der besten griechischen Zeit und vom Pir�eus
in den gl�nzenden Tagen der Republik hierher gebracht sein.
Aus Athen m�gen gleichfalls ein paar Basreliefe stammen in dem Tempel
der heiligen Justina, der T�rkenbesiegerin, eingemauert, aber leider
durch Kirchst�hle einigerma�en verfinstert. Der K�ster machte mich
aufmerksam darauf, weil die Sage gehe, da� Tizian seine unendlich
sch�nen Engel im Bilde, die Ermordung des heiligen Petrus Martyr
vorstellend, darnach geformt habe. Es sind Genien, welche sich mit
Attributen der G�tter schleppen, freilich so sch�n, da� es allen
Begriff �bersteigt.
Sodann betrachtete ich mit ganz eignem Gef�hl die nackte kolossale
Statue des Marcus Agrippa in dem Hofe eines Palastes; ein sich ihm zur
Seite heraufschl�ngelnder Delphin deutet auf einen Seehelden. Wie
doch eine solche heroische Darstellung den reinen Menschen G�ttern
�hnlich macht!
Die Pferde auf der Markuskirche besah ich in der N�he. Von unten
hinauf bemerkt man leicht, da� sie fleckig sind, teils einen sch�nen
gelben Metallglanz haben, teils kupfergr�nlich angelaufen. In der
N�he sieht und erf�hrt man, da� sie ganz vergoldet waren, und sieht
sie �ber und �ber mit Striemen bedeckt, da die Barbaren das Gold nicht
abfeilen, sondern abhauen wollten. Auch das ist gut, so blieb
wenigstens die Gestalt.
Den 8. Oktober.
Ich fuhr heute fr�h mit meinem Schutzgeiste aufs Lido, auf die
Erdzunge, welche die Lagunen schlie�t und sie vom Meere absondert.
Wir stiegen aus und gingen quer �ber die Zunge. Ich h�rte ein starkes
Ger�usch, es war das Meer, und ich sah es bald, es ging hoch gegen das
Ufer, indem es sich zur�ckzog, es war um Mittag, Zeit der Ebbe. So
habe ich denn auch das Meer mit Augen gesehen und bin auf der sch�nen
Tenne, die es weichend zur�ckl��t, ihm nachgegangen. Da h�tte ich mir
die Kinder gew�nscht, um der Muscheln willen; ich habe, selbst
kindisch, ihrer genug aufgelesen, doch widme ich sie zu einigem
Gebrauch, ich m�chte von der Feuchtigkeit des Tintenfisches, die hier
so h�ufig wegflie�t, etwas eintrocknen.
Auf dem Lido, nicht weit vorn Meer, liegen Engl�nder begraben und
weiterhin Juden, die beiderseits in geweihtem Boden nicht ruhen
sollten. Ich fand das Grab des edlen Konsul Smith und seiner ersten
Frauen; ich bin ihm mein Exemplar des Palladio schuldig und dankte ihm
auf seinem ungeweihten Grabe daf�r.
Und nicht allein ungeweiht, sondern halbversch�ttet ist das Grab. Das
Lido ist immer nur wie eine D�ne anzusehen; der Sand wird dorthin
gef�hrt, vom Winde hin und her getrieben, aufgeh�uft, �berall
angedr�ngt. In weniger Zeit wird man das ziemlich erh�hte Monument
kaum wiederfinden k�nnen.
Das Meer ist doch ein gro�er Anblick! Ich will sehen, in einem
Fischerkahn eine Fahrt zu tun; die Gondeln wagen sich nicht hinaus.
Den 8. Oktober.
Den 9. Oktober.
Ein k�stlicher Tag, vom Morgen bis in die Nacht! Ich fuhr bis
Pelestrina gegen Chiozza �ber, wo die gro�en Baue sind, Murazzi
genannt, welche die Republik gegen das Meer auff�hren l��t. Sie sind
von gehauenen Steinen und sollen eigentlich die lange Erdzunge, Lido
genannt, welche die Lagunen von dem Meere trennt, vor diesem wilden
Elemente sch�tzen.
Die Lagunen sind eine Wirkung der alten Natur. Erst Ebbe, Flut und
Erde gegeneinander arbeitend, dann das allm�hliche Sinken des
Urgew�ssers waren Ursache, da� am obern Ende des adriatischen Meeres
sich eine ansehnliche Sumpfstrecke befindet, welche, von der Flut
besucht, von der Ebbe zum Teil verlassen wird. Die Kunst hat sich der
h�chsten Stellen bem�chtigt, und so liegt Venedig, von hundert Inseln
zusammengruppiert und von hunderten umgeben. Zugleich hat man mit
unglaublicher Anstrengung und Kosten tiefe Kan�le in den Sumpf
gefurcht, damit man auch zur Zeit der Ebbe mit Kriegsschiffen an die
Hauptstellen gelangen k�nne. Was Menschenwitz und Flei� vor alters
ersonnen und ausgef�hrt, mu� Klugheit und Flei� nun erhalten. Das
Lido, ein langer Erdstreif, trennt die Lagunen von dem Meere, welches
nur an zwei Orten hereintreten kann, bei dem Kastell n�mlich und am
entgegengesetzten Ende, bei Chiozza. Die Flut tritt gew�hnlich des
Tages zweimal herein, und die Ebbe bringt das Wasser zweimal hinaus,
immer durch denselben Weg in denselben Richtungen. Die Flut bedeckt
die innern morastigen Stellen und l��t die erh�hteren, wo nicht
trocken, doch sichtbar.
Ganz anders w�re es, wenn das Meer sich neue Wege suchte, die Erdzunge
angriffe und nach Willk�r hinein und heraus flutete. Nicht gerechnet,
da� die �rtchen auf dem Lido, Pelestrina, St. Peter und andere,
untergehen m��ten, so w�rden auch jene Kommunikationskan�le ausgef�llt
und, indem das Wasser alles durcheinander schlemmte, das Lido zu
Inseln, die Inseln, die jetzt dahinter liegen, zu Erdzungen verwandelt
werden. Dieses zu verh�ten, m�ssen sie das Lido verwahren, was sie
k�nnen, damit das Element nicht dasjenige willk�rlich angreifen,
hin�ber und her�ber werfen m�ge, was die Menschen schon in Besitz
genommen, dem sie schon zu einem gewissen Zweck Gestalt und Richtung
gegeben haben.
�brigens hat Venedig nichts zu besorgen; die Langsamkeit, mit der das
Meer abnimmt, gibt ihr Jahrtausende Zeit, und sie werden schon, den
Kan�len klug nachhelfend, sich im Besitz zu erhalten suchen.
Wenn sie ihre Stadt nur reinlicher hielten, welches so notwendig als
leicht ist und wirklich auf die Folge von Jahrhunderten von gro�er
Konsequenz. Nun ist zwar bei gro�er Strafe verboten, nichts in die
Kan�le zu sch�tten, noch Kehrig hineinzuwerfen; einem schnell
einfallenden Regengu� aber ist's nicht untersagt, allen den in die
Ecken geschobnen Kehrig aufzur�hren, in die Kan�le zu schleppen, ja,
was noch schlimmer ist, in die Abz�ge zu f�hren, die nur zum Abflu�
des Wassers bestimmt sind, und sie dergestalt zu verschlemmen, da� die
Hauptpl�tze in Gefahr sind, unter Wasser zu stehen. Selbst einige
Abz�ge auf dem kleinen Markusplatze, die, wie auf dem gro�en, gar klug
angelegt sind, habe ich verstopft und voll Wasser gesehen.
Wenn ein Tag Regenwetter einf�llt, ist ein unleidlicher Kot, alles
flucht und schimpft, man besudelt beim Auf--und Absteigen der Br�cken
die M�ntel, die Tabarros, womit man sich ja das ganze Jahr schleppt,
und da alles in Schuh und Str�mpfen l�uft, bespritzt man sich und
schilt, denn man hat sich nicht mit gemeinem, sondern beizendem Kot
besudelt. Das Wetter wird wieder sch�n, und kein Mensch denkt an
Reinlichkeit. Wie wahr ist es gesagt: das Publikum beklagt sich immer,
da� es schlecht bedient sei, und wei� es nicht anzufangen, besser
bedient zu werden. Hier, wenn der Souver�n wollte, k�nnte alles
gleich getan sein.
Den 9. Oktober.
Heute abend ging ich auf den Markusturm; denn da ich neulich die
Lagunen in ihrer Herrlichkeit zur Zeit der Flut von oben gesehen,
wollt' ich sie auch zur Zeit der Ebbe in ihrer Demut schauen, und es
ist notwendig, diese beiden Bilder zu verbinden, wenn man einen
richtigen Begriff haben will. Es sieht sonderbar aus, ringsum �berall
Land erscheinen zu sehen, wo vorher Wasserspiegel war. Die Inseln
sind nicht mehr Inseln, nur h�her bebaute Flecke eines gro�en
graugr�nlichen Morastes, den sch�ne Kan�le durchschneiden. Der
sumpfige Teil ist mit Wasserpflanzen bewachsen und mu� sich auch
dadurch nach und nach erheben, obgleich Ebbe und Flut best�ndig daran
rupfen und w�hlen und der Vegetation keine Ruhe lassen.
Ich wende mich mit meiner Erz�hlung nochmals ans Meer, dort habe ich
heute die Wirtschaft der Seeschnecken, Patellen und Taschenkrebse
gesehen und mich herzlich dar�ber gefreut. Was ist doch ein
Lebendiges f�r ein k�stliches, herrliches Ding! Wie abgemessen zu
seinem Zustande, wie wahr, wie seiend! Wieviel n�tzt mir nicht mein
bi�chen Studium der Natur, und wie freue ich mich, es fortzusetzen!
Doch ich will, da es sich mitteilen l��t, die Freunde nicht mit blo�en
Ausrufungen anreizen.
Nun endlich kann ich denn auch sagen, da� ich eine Kom�die gesehen
habe! Sie spielten heut' auf dem Theater St. Lukas "Le Baruge
Chiozzotte", welches allenfalls zu �bersetzen w�re: "Die Rauf--und
Schreih�ndel von Chiozza". Die Handelnden sind lauter Seeleute,
Einwohner von Chiozza, und ihre Weiber, Schwestern und T�chter. Das
gew�hnliche Geschrei dieser Leute im Guten und B�sen, ihre H�ndel,
Heftigkeit, Gutm�tigkeit, Plattheit, Witz, Humor und ungezwungene
Manieren, alles ist gar brav nachgeahmt. Das St�ck ist noch von
Goldoni, und da ich erst gestern in jener Gegend war und mir Stimmen
und Betragen der See--und Hafenleute noch im Aug' und Ohr widerschien
und widerklang, so machte es gar gro�e Freude, und ob ich gleich
manchen einzelnen Bezug nicht verstand, so konnte ich doch dem Ganzen
recht gut folgen. Der Plan des St�cks ist folgender: Die
Einwohnerinnen von Chiozza sitzen auf der Reede vor ihren H�usern,
spinnen, stricken, n�hen, klippeln wie gew�hnlich; ein junger Mensch
geht vor�ber und gr��t eine freundlicher als die �brigen, sogleich
f�ngt das Sticheln an, dies h�lt nicht Ma�e, es sch�rft sich und
w�chst bis zum Hohne, steigert sich zu Vorw�rfen, eine Unart
�berbietet die andere, eine heftige Nachbarin platzt mit der Wahrheit
heraus, und nun ist Schelten, Schimpfen, Schreien auf einmal
losgebunden, es fehlt nicht an entschiedenen Beleidigungen, so da� die
Gerichtspersonen sich einzumischen gen�tigt sind.
Im dritten Akt steigert sich der Scherz, und das Ganze endet mit einer
eiligen, notd�rftigen Aufl�sung. Der gl�cklichste Gedanke jedoch ist
in einem Charakter ausgedr�ckt, der sich folgenderma�en darstellt.
Aber auch so eine Lust habe ich noch nie erlebt, als das Volk laut
werden lie�, sich und die Seinigen so nat�rlich vorstellen zu sehen.
Ein Gel�chter und Gejauchze von Anfang bis zu Ende. Ich mu� aber auch
gestehen, da� die Schauspieler es vortrefflich machten. Sie hatten
sich nach Anlage der Charaktere in die verschiedenen Stimmen geteilt,
welche unter dem Volke gew�hnlich vorkommen. Die erste Aktrice war
allerliebst, viel besser als neulich in Heldentracht und Leidenschaft.
Die Frauen �berhaupt, besonders aber diese, ahmten Stimme, Geb�rden
und Wesen des Volks aufs anmutigste nach. Gro�es Lob verdient der
Verfasser, der aus nichts den angenehmsten Zeitvertreib gebildet hat.
Das kann man aber auch nur unmittelbar seinem eignen lebenslustigen
Volk. Es ist durchaus mit einer ge�bten Hand geschrieben.
Von der Truppe Sacchi, f�r welche Gozzi arbeitete, und die �brigens
zerstreut ist, habe ich die Smeraldina gesehen, eine kleine, dicke
Figur, voller Leben, Gewandtheit und guten Humors. Mit ihr sah ich
den Brighella, einen hagern, wohlgebauten, besonders in Mienen--und
H�ndespiel trefflichen Schauspieler. Diese Masken, die wir fast nur
als Mumien kennen, da sie f�r uns weder Leben noch Bedeutung haben,
tun hier gar zu wohl als Gesch�pfe dieser Landschaft. Die
ausgezeichneten Alter, Charaktere und St�nde haben sich in
wunderlichen Kleidern verk�rpert, und wenn man selbst den gr��ten Teil
des Jahrs mit der Maske heruml�uft, so findet man nichts nat�rlicher,
als da� da droben auch schwarze Gesichter erscheinen.
Auch gefiel es nicht und war auf dem Punkt, ausgepfiffen zu werden;
die Schauspieler f�hlten sich nicht in ihrem Elemente, nicht auf dem
Platze von Chiozza. Da dies das letzte St�ck ist, was ich hier sehe,
so scheint es, mein Enthusiasmus f�r jene Nationalrepr�sentation
sollte noch durch diese Folie erh�ht werden.
Gott sei Dank, wie mir alles wieder lieb wird, was mir von Jugend auf
wert war! Wie gl�cklich befinde ich mich, da� ich den alten
Schriftstellern wieder n�herzutreten wage! Denn jetzt darf ich es
sagen, darf meine Krankheit und Torheit bekennen. Schon einige Jahre
her durft' ich keinen lateinischen Autor ansehen, nichts betrachten,
was mir ein Bild Italiens erneute. Geschah es zuf�llig, so erduldete
ich die entsetzlichsten Schmerzen. Herder spottete oft �ber mich, da�
ich all mein Latein aus dem Spinoza lerne, denn er hatte bemerkt, da�
dies das einzige lateinische Buch war, das ich las; er wu�te aber
nicht, wie sehr ich mich vor den Alten h�ten mu�te, wie ich mich in
jene abstrusen Allgemeinheiten nur �ngstlich fl�chtete. Noch zuletzt
hat mich die Wielandsche �bersetzung der "Satiren" h�chst ungl�cklich
gemacht; ich hatte kaum zwei gelesen, so war ich schon verr�ckt.
H�tte ich nicht den Entschlu� gefa�t, den ich jetzt ausf�hre, so w�r'
ich rein zugrunde gegangen: zu einer solchen Reife war die Begierde,
diese Gegenst�nde mit Augen zu sehen, in meinem Gem�t gestiegen. Die
historische Kenntnis f�rderte mich nicht, die Dinge standen nur eine
Hand breit von mir ab; aber durch eine undurchdringliche Mauer
geschieden. Es ist mir wirklich auch jetzt nicht etwa zumute, als
wenn ich die Sachen zum erstenmal s�he, sondern als ob ich sie
wieders�he. Ich bin nur kurze Zeit in Venedig und habe mir die
hiesige Existenz genugsam zugeeignet und wei�, da� ich, wenn auch
einen unvollst�ndigen, doch einen ganz klaren und wahren Begriff mit
wegnehme.
Heute fr�h sieben Uhr deutschen Zeigers hier angelangt, bereite ich
mich, morgen wieder wegzugehen. Zum erstenmal �berf�llt mich eine Art
von Unlust in dieser gro�en und sch�nen, flachgelegenen, entv�lkerten
Stadt. Dieselben Stra�en belebte sonst ein gl�nzender Hof, hier
wohnte Ariost unzufrieden, Tasso ungl�cklich, und wir glauben uns zu
erbauen, wenn wir diese St�tte besuchen. Ariosts Grabmal enth�lt viel
Marmor, schlecht ausgeteilt. Statt Tassos Gef�ngnis zeigen sie einen
Holzstall oder Kohlengew�lbe, wo er gewi� nicht aufbewahrt worden ist.
Auch wei� im Hause kaum jemand mehr, was man will. Endlich besinnen
sie sich um des Trinkgeldes willen. Es kommt mir vor, wie Doktor
Luthers Tintenklecks, den der Kastellan von Zeit zu Zeit wieder
auffrischt. Die meisten Reisenden haben doch etwas
Handwerkspurschenartiges und sehen sich gern nach solchen Wahrzeichen
um. Ich war ganz m�rrisch geworden, so da� ich an einem sch�nen
akademischen Institut, welches ein aus Ferrara geb�rtiger Kardinal
gestiftet und bereichert, wenig teilnahm, doch erquickten mich einige
alte Denkmale im Hofe.
Sodann erheiterte mich der gute Einfall eines Malers. Johannes der
T�ufer vor Herodes und Herodias. Der Prophet in seinem gew�hnlichen
W�stenkost�me deutet heftig auf die Dame. Sie sieht ganz gelassen den
neben ihr sitzenden F�rsten, und der F�rst still und klug den
Enthusiasten an. Vor dem K�nige steht ein Hund, wei�, mittelgro�,
unter dem Rock der Herodias hingegen kommt ein kleiner Bologneser
hervor, welche beide den Propheten anbellen. Mich d�nkt, das ist
recht gl�cklich gedacht.
Hier sah ich die Apenninen, denen ich mich n�here, zum erstenmal. Der
Winter dauert hier nur Dezember und Januar, ein regniger April,
�brigens nach Beschaffenheit der Jahreszeit gut Wetter. Nie
anhaltender Regen; doch war dieser September besser und w�rmer als ihr
August. Die Apenninen begr��te ich freundlich im S�den, denn ich habe
der Fl�chen bald genug. Morgen schreibe ich dort an ihrem Fu�e.
Guercin ist ein heiliger Name, und im Munde der Kinder wie der Alten.
Sehr lieb war mir das Bild, den auferstandenen Christus vorstellend,
der seiner Mutter erscheint. Vor ihm knieend, blickt sie auf ihn mit
unbeschreiblicher Innigkeit. Ihre Linke ber�hrt seinen Leib gleich
unter der unseligen Wunde, die das ganze Bild verdirbt. Er hat seine
linke Hand um ihren Hals gelegt und biegt sich, um sie bequemer
anzusehen, ein wenig mit dem K�rper zur�ck. Dieses gibt der Figur
etwas, ich will nicht sagen Gezwungenes, aber doch Fremdes.
Dessenungeachtet bleibt sie unendlich angenehm. Der stilltraurige
Blick, mit dem er sie ansieht, ist einzig, als wenn ihm die Erinnerung
seiner und ihrer Leiden, durch die Auferstehung nicht gleich geheilt,
vor der edlen Seele schwebte.
Strange hat das Bild gestochen; ich w�nschte, da� meine Freunde
wenigstens diese Kopie s�hen.
Darauf gewann eine Madonna meine Neigung. Das Kind verlangt nach der
Brust, sie zaudert schamhaft, den Busen zu entbl��en. Nat�rlich, edel,
k�stlich und sch�n.
Ferner eine Maria, die dem vor ihr stehenden und nach den Zuschauern
gerichteten Kinde den Arm f�hrt, da� es mit aufgehobenen Fingern den
Segen austeile. Ein im Sinn der katholischen Mythologie sehr
gl�cklicher und oft wiederholter Gedanke.
Guercin ist ein innerlich braver, m�nnlich gesunder Maler, ohne Roheit.
Vielmehr haben seine Sachen eine zarte moralische Grazie, eine
ruhige Freiheit und Gro�heit, dabei etwas Eignes, da� man seine Werke,
wenn man einmal das Auge darauf gebildet hat, nicht verkennen wird.
Die Leichtigkeit, Reinlichkeit und Vollendung seines Pinsels setzt in
Erstaunen. Er bedient sich besonders sch�ner, ins Braunrote
gebrochener Farben zu seinen Gew�ndern. Diese harmonieren gar gut mit
dem Blauen, das er auch gerne anbringt.
Die Gegenst�nde der �brigen Bilder sind mehr oder weniger ungl�cklich.
Der gute K�nstler hat sich gemartert und doch Erfindung und Pinsel,
Geist und Hand verschwendet und verloren. Mir ist aber sehr lieb und
wert, da� ich auch diesen sch�nen Kunstkreis gesehen habe, obgleich
ein solches Vor�berrennen wenig Genu� und Belehrung gew�hrt.
Heute fr�h, vor Tage, fuhr ich von Cento weg und gelangte bald genug
hieher. Ein flinker und wohlunterrichteter Lohnbediente, sobald er
vernahm, da� ich nicht lange zu verweilen ged�chte, jagte mich durch
alle Stra�en, durch so viel Pal�ste und Kirchen, da� ich kaum in
meinem Volkmann anzeichnen konnte, wo ich gewesen war, und wer wei�,
ob ich mich k�nftig bei diesen Merkzeichen aller der Sachen erinnere.
Nun gedenke ich aber ein paar lichter Punkte, an denen ich wahrhafte
Beruhigung gef�hlt.
Zuerst also die C�cilia von Raffael! Es ist, was ich zum voraus wu�te,
nun aber mit Augen sah: er hat eben immer gemacht, was andere zu
machen w�nschten, und ich m�chte jetzt nichts dar�ber sagen, als da�
es von ihm ist. F�nf Heilige nebeneinander, die uns alle nichts
angehen, deren Existenz aber so vollkommen dasteht, da� man dem Bilde
eine Dauer f�r die Ewigkeit w�nscht, wenn man gleich zufrieden ist,
selbst aufgel�st zu werden. Um ihn aber recht zu erkennen, ihn recht
zu sch�tzen und ihn wieder auch nicht ganz als einen Gott zu preisen,
der wie Melchisedek ohne Vater und ohne Mutter erschienen w�re, mu�
man seine Vorg�nger, seine Meister ansehen. Diese haben auf dem
festen Boden der Wahrheit Grund gefa�t, sie haben die breiten
Fundamente emsig, ja �ngstlich gelegt und miteinander wetteifernd die
Pyramide stufenweis in die H�he gebaut, bis er zuletzt, von allen
diesen Vorteilen unterst�tzt, von dem himmlischen Genius erleuchtet,
den letzten Stein des Gipfels aufsetzte, �ber und neben dem kein
anderer stehen kann.
Das historische Interesse wird besonders rege, wenn man die Werke der
�ltern Meister betrachtet. Francesco Francia ist ein gar respektabler
K�nstler, Peter von Perugia ein so braver Mann, da� man sagen m�chte,
eine ehrliche deutsche Haut. H�tte doch das Gl�ck Albrecht D�rern
tiefer nach Italien gef�hrt! In M�nchen habe ich ein paar St�cke von
ihm gesehen von unglaublicher Gro�heit. Der arme Mann, wie er sich in
Venedig verrechnet und mit den Pfaffen einen Akkord macht, bei dem er
Wochen und Monate verliert! Wie er auf seiner niederl�ndischen Reise
gegen seine herrlichen Kunstwerke, womit er sein Gl�ck zu machen
hoffte, Papageien eintauscht und, um das Trinkgeld zu sparen, die
Domestiken portr�tiert, die ihm einen Teller Fr�chte bringen! Mir ist
so ein armer Narr von K�nstler unendlich r�hrend, weil es im Grunde
auch mein Schicksal ist, nur da� ich mir ein klein wenig besser zu
helfen wei�.
Gegen Abend rettete ich mich endlich aus dieser alten, ehrw�rdigen,
gelehrten Stadt, aus der Volksmenge, die in den gew�lbten Lauben,
welche man fast durch alle Stra�en verbreitet sieht, gesch�tzt vor
Sonne und Witterung, hin und her wandeln, gaffen, kaufen und ihre
Gesch�fte treiben kann. Ich bestieg den Turm und erg�tzte mich an der
freien Luft. Die Aussicht ist herrlich! Im Norden sieht man die
paduanischen Berge, sodann die Schweizer, Tiroler, Friauler Alpen,
genug, die ganze n�rdliche Kette, diesmal im Nebel. Gegen Westen ein
unbegrenzter Horizont, aus dem nur die T�rme von Modena herausragen.
Gegen Osten eine gleiche Ebene, bis ans adriatische Meer, welches man
bei Sonnenaufgang gewahr wird. Gegen S�den die Vorh�gel der Apenninen,
bis an ihre Gipfel bepflanzt, bewachsen, mit Kirchen, Pal�sten,
Gartenh�usern besetzt, wie die vicentinischen H�gel. Es war ein ganz
reiner Himmel, kein W�lkchen, nur am Horizont eine Art H�herauch. Der
T�rmer versicherte, da� nunmehro seit sechs Jahren dieser Nebel nicht
aus der Ferne komme. Sonst habe er durch das Sehrohr die Berge von
Vicenza mit ihren H�usern und Kapellen gar wohl entdecken k�nnen,
jetzt bei den hellsten Tagen nur selten. Und dieser Nebel legt sich
denn vorz�glich an die n�rdliche Kette und macht unser liebes
Vaterland zum wahren Cimmerien. Der Mann lie� mich auch die gesunde
Lage und Luft der Stadt daran bemerken, da� ihre D�cher wie neu
auss�hen und kein Ziegel durch Feuchtigkeit und Moos angegriffen sei.
Man mu� gestehen, die D�cher sind alle rein und sch�n, aber die G�te
der Ziegeln mag auch etwas dazu beitragen, wenigstens in alten Zeiten
hat man solche in diesen Gegenden kostbar gebrannt.
Der h�ngende Turm ist ein abscheulicher Anblick, und doch h�chst
wahrscheinlich, da� er mit Flei� so gebaut worden. Ich erkl�re mir
diese Torheit folgenderma�en. In den Zeiten der st�dtischen Unruhen
ward jedes gro�e Geb�ude zur Festung, aus der jede m�chtige Familie
einen Turm erhob. Nach und nach wurde dies zu einer Lust--und
Ehrensache, jeder wollte auch mit einem Turm prangen, und als zuletzt
die graden T�rme gar zu allt�glich waren, so baute man einen schiefen.
Auch haben Architekt und Besitzer ihren Zweck erreicht, man sieht an
den vielen graden schlanken T�rmen hin und sucht den krummen. Ich war
nachher oben auf demselben. Die Backsteinschichten liegen horizontal.
Mit gutem, bindendem Kitt und eisernen Ankern kann man schon tolles
Zeug machen.
Es ist, als da sich die Kinder Gottes mit den T�chtern der Menschen
verm�hlten, daraus entstanden mancherlei Ungeheuer. Indem der
himmlische Sinn des Guido, sein Pinsel, der nur das Vollkommenste, was
geschaut werden kann, h�tte malen sollen, dich anzieht, so m�chtest du
gleich die Augen von den abscheulich dummen, mit keinen Scheltworten
der Welt genug zu erniedrigenden Gegenst�nden wegkehren, und so geht
es durchaus; man ist immer auf der Anatomie, dem Rabensteine, dem
Schindanger, immer Leiden des Helden, niemals Handlung, nie ein
gegenw�rtig Interesse, immer etwas phantastisch von au�en Erwartetes.
Entweder Misset�ter oder Verz�ckte, Verbrecher oder Narren, wo denn
der Maler, um sich zu retten, einen nackten Kerl, eine h�bsche
Zuschauerin herbeischleppt, allenfalls seine geistlichen Helden als
Gliederm�nner traktiert und ihnen recht sch�ne Faltenm�ntel �berwirft.
Da ist nichts, was einen menschlichen Begriff g�be! Unter zehn
Sujets nicht eins, das man h�tte malen sollen, und das eine hat der
K�nstler nicht von der rechten Seite nehmen d�rfen.
Das gro�e Bild von Guido in der Kirche der Mendicanti ist alles, was
man malen, aber auch alles, was man Unsinniges bestellen und dem
K�nstler zumuten kann. Es ist ein Votivbild. Ich glaube, der ganze
Senat hat es gelobt und auch erfunden. Die beiden Engel, die wert
w�ren, eine Psyche in ihrem Ungl�ck zu tr�sten, m�ssen hier-Der
heilige Proclus, eine sch�ne Figur; aber dann die andern, Bisch�fe und
Pfaffen! Unten sind himmlische Kinder, die mit Attributen spielen.
Der Maler, dem das Messer an der Kehle sa�, suchte sich zu helfen, wie
er konnte, er m�hte sich ab, nur um zu zeigen, da� nicht er der Barbar
sei. Zwei nackte Figuren von Guido: ein Johannes in der W�ste, ein
Sebastian, wie k�stlich gemalt, und was sagen sie? Der eine sperrt
das Maul auf, und der andere kr�mmt sich.
Betrachte ich in diesem Unmut die Geschichte, so m�chte ich sagen: der
Glaube hat die K�nste wieder hervorgehoben, der Aberglaube hingegen
ist Herr �ber sie geworden und hat sie abermals zugrunde gerichtet.
Nach Tische etwas milder und weniger anma�lich gestimmt als heute fr�h,
bemerkte ich folgendes in meine Schreibtafel: Im Palast Tanari ist
ein ber�hmtes Bild von Guido, die s�ugende Maria vorstellend, �ber
Lebensgr��e, der Kopf, als wenn ihn ein Gott gemalt h�tte;
unbeschreiblich ist der Ausdruck, mit welchem sie auf den saugenden
Knaben heruntersieht. Mir scheint es eine stille, tiefe Duldung,
nicht als wenn sie ein Kind der Liebe und Freude, sondern ein
untergeschobenes himmlisches Wechselkind nur so an sich zehren lie�e,
weil es nun einmal nicht anders ist, und sie in tiefster Demut gar
nicht begreift, wie sie dazu kommt. Der �brige Raum ist durch ein
ungeheures Gewand ausgef�llt, welches die Kenner h�chlich preisen; ich
wu�te nicht recht, was ich daraus machen sollte. Auch sind die Farben
dunkler geworden; das Zimmer und der Tag waren nicht die hellsten.
Unerachtet der Verwirrung, in der ich mich befinde, f�hle ich doch
schon, da� �bung, Bekanntschaft und Neigung mir schon in diesen
Irrg�rten zu H�lfe kommen. So sprach mich eine Beschneidung von
Guercin m�chtig an, weil ich den Mann schon kenne und liebe. Ich
verzieh den unleidlichen Gegenstand und freute mich an der Ausf�hrung.
--Gemalt, was man sich denken kann, alles daran respektabel und
vollendet, als wenn's Emaille w�re.
Und so geht mir's denn wie Bileam, dem konfusen Propheten, welcher
segnete, da er zu fluchen gedachte, und dies w�rde noch �fter der Fall
sein, wenn ich l�nger verweilte.
Trifft man denn gar wieder einmal auf eine Arbeit von Raffael, oder
die ihm wenigstens mit einiger Wahrscheinlichkeit zugeschrieben wird,
so ist man gleich vollkommen geheilt und froh. So habe ich eine
heilige Agathe gefunden, ein kostbares, obgleich nicht ganz wohl
erhaltenes Bild. Der K�nstler hat ihr eine gesunde, sichere
Jungfr�ulichkeit gegeben, doch ohne K�lte und Roheit. Ich habe mir
die Gestalt wohl gemerkt und werde ihr im Geist meine "Iphigenie"
vorlesen und meine Heldin nichts sagen lassen, was diese Heilige nicht
aussprechen m�chte.
Da ich nun wieder einmal dieser s��en B�rde gedenke, die ich auf
meiner Wanderung mit mir f�hre, so kann ich nicht verschweigen, da� zu
den gro�en Kunstund Naturgegenst�nden, durch die ich mich
durcharbeiten mu�, noch eine wundersame Folge von poetischen Gestalten
hindurchzieht, die mich beunruhigen. Von Cento her�ber wollte ich
meine Arbeit an "Iphigenia" fortsetzen, aber was geschah? Der Geist
f�hrte mir das Argument der "Iphigenia von Delphi" vor die Seele, und
ich mu�te es ausbilden. So kurz als m�glich sei es hier verzeichnet:
Elektra, in gewisser Hoffnung, da� Orest das Bild der Taurischen Diana
nach Delphi bringen werde, erscheint in dem Tempel des Apoll und
widmet die grausame Axt, die so viel Unheil in Pelops' Hause
angerichtet, als schlie�liches S�hnopfer dem Gotte. Zu ihr tritt,
leider, einer der Griechen und erz�hlt, wie er Orest und Pylades nach
Tauris begleitet, die beiden Freunde zum Tode f�hren sehen und sich
gl�cklich gerettet. Die leidenschaftliche Elektra kennt sich selbst
nicht und wei� nicht, ob sie gegen G�tter oder Menschen ihre Wut
richten soll.
Indem ich mich nun in dem Drang einer solchen �berf�llung des Guten
und W�nschenswerten ge�ngstigt f�hle, so mu� ich meine Freunde an
einen Traum erinnern, der mir, es wird eben ein Jahr sein, bedeutend
genug schien. Es tr�umte mir n�mlich, ich landete mit einem ziemlich
gro�en Kahn an einer fruchtbaren, reich bewachsenen Insel, von der mir
bewu�t war, da� daselbst die sch�nsten Fasanen zu haben seien. Auch
handelte ich sogleich mit den Einwohnern um solches Gefieder, welches
sie auch sogleich h�ufig, get�tet, herbeibrachten. Es waren wohl
Fasanen, wie aber der Traum alles umzubilden pflegt, so erblickte man
lange, farbig beaugte Schweife, wie von Pfauen oder seltenen
Paradiesv�geln. Diese brachte man mir schockweise ins Schiff, legte
sie mit den K�pfen nach innen, so zierlich geh�uft, da� die langen,
bunten Federschweife, nach au�en h�ngend, im Sonnenglanz den
herrlichsten Schober bildeten, den man sich denken kann, und zwar so
reich, da� f�r den Steuernden und die Rudernden kaum hinten und vorn
geringe R�ume verblieben. So durchschnitten wir die ruhige Flut, und
ich nannte mir indessen schon die Freunde, denen ich von diesen bunten
Sch�tzen mitteilen wollte. Zuletzt in einem gro�en Hafen landend,
verlor ich mich zwischen ungeheuer bemasteten Schiffen, wo ich von
Verdeck auf Verdeck stieg, um meinem kleinen Kahn einen sichern
Landungsplatz zu suchen.
An solchen Wahnbildern erg�tzen wir uns, die, weil sie aus uns selbst
entspringen, wohl Analogie mit unserm �brigen Leben und Schicksalen
haben m�ssen.
Mir fiel eine fr�here Bemerkung hier wieder in die Gedanken, da� sich
der Mensch im Gange der alles ver�ndernden Zeit so schwer losmacht von
dem, was eine Sache zuerst gewesen, wenn ihre Bestimmung in der Folge
sich auch ver�ndert. Die christlichen Kirchen halten noch immer an
der Basilikenform, wenngleich die Tempelgestalt vielleicht dem Kultus
vorteilhafter w�re. Wissenschaftliche Anstalten haben noch das
kl�sterliche Ansehn, weil in solchen frommen Bezirken die Studien
zuerst Raum und Ruhe gewannen. Die Gerichtss�le der Italiener sind so
weit und hoch, als das Verm�gen einer Gemeinde zureicht, man glaubt,
auf dem Marktplatze unter freiem Himmel zu sein, wo sonst Recht
gesprochen wurde. Und bauen wir nicht noch immer die gr��ten Theater
mit allem Zubeh�r unter ein Dach, als wenn es die erste Me�bude w�re,
die man auf kurze Zeit von Brettern zusammenschlug? Durch den
ungeheuern Zudrang der Wi�begierigen um die Zeit der Reformation
wurden die Sch�ler in B�rgerh�user getrieben, aber wie lange hat es
nicht gedauert, bis wir unsere Waisenh�user auftaten und den armen
Kindern diese so notwendige Welterziehung verschafften!
Diesen heitern sch�nen Tag habe ich ganz unter freiem Himmel
zugebracht. Kaum nahe ich mich den Bergen, so werde ich schon wieder
vom Gestein angezogen. Ich komme mir vor wie Ant�us, der sich immer
neu gest�rkt f�hlt, je kr�ftiger man ihn mit seiner Mutter Erde in
Ber�hrung bringt.
Auf dem Wege fand ich schon ganze Felsen Fraueneis zu Tage anstehend,
nachdem ich ein sandiges Tongebirg hinter mir gelassen hatte. Bei
einer Ziegelh�tte geht ein Wasserri� hinunter, in welchen sich viele
kleinere ergie�en. Man glaubt zuerst, einen aufgeschwemmten Lehmh�gel
zu sehen, der vom Regen ausgewaschen w�re, doch konnte ich bei n�herer
Betrachtung von seiner Natur so viel entdecken: das feste Gestein,
woraus dieser Teil des Gebirges besteht, ist ein sehr feinbl�ttriger
Schieferton, welcher mit Gips abwechselt. Das schiefrige Gestein ist
so innig mit Schwefelkies gemischt, da� es, von Luft und Feuchtigkeit
ber�hrt, sich ganz und gar ver�ndert. Es schwillt auf, die Lagen
verlieren sich, es entsteht eine Art Letten, muschlig, zerbr�ckelt,
auf den Fl�chen gl�nzend wie Steinkohlen. Nur an gro�en St�cken,
deren ich mehrere zerschlug und beide Gestalten deutlich wahrnahm,
konnte man sich von dem �bergange, von der Umbildung �berzeugen.
Zugleich sieht man die muschligen Fl�chen mit wei�en Punkten
beschlagen, manchmal sind gelbe Partieen drin; so zerf�llt nach und
nach die ganze Oberfl�che, und der H�gel sieht wie ein verwitterter
Schwefelkies im gro�en aus. Es finden sich unter den Lagen auch
h�rtere, gr�ne und rote. Schwefelkies hab' ich in dem Gestein auch
�fters angeflogen gefunden.
Wieviel h�tte ich noch zu sagen, wenn ich alles gestehen wollte, was
mir an diesem sch�nen Tage durch den Kopf ging. Aber mein Verlangen
ist st�rker als meine Gedanken. Ich f�hle mich unwiderstehlich
vorw�rts gezogen, nur mit M�he sammle ich mich an dem Gegenw�rtigen.
Und es scheint, der Himmel erh�rt mich. Es meldet sich ein Vetturin
gerade nach Rom, und so werde ich �bermorgen unaufhaltsam dorthin
abgehen. Da mu� ich denn wohl heute und morgen nach meinen Sachen
sehn, manches besorgen und wegarbeiten.
Ob ich mich heute selbst aus Bologna getrieben, oder ob ich daraus
gejagt worden, w��te ich nicht zu sagen. Genug, ich ergriff mit
Leidenschaft einen schnellern Anla�, abzureisen. Nun bin ich hier in
einem elenden Wirtshause in Gesellschaft eines p�pstlichen Offiziers,
der nach Perugia, seiner Vaterstadt, geht. Als ich mich zu ihm in den
zweir�drigen Wagen setzte, machte ich ihm, um etwas zu reden, das
Kompliment, da� ich als ein Deutscher, der gewohnt sei, mit Soldaten
umzugehen, sehr angenehm finde, nun mit einem p�pstlichen Offizier in
Gesellschaft zu reisen.--"Nehmt mir nicht �bel", versetzte er darauf,
"Ihr k�nnt wohl eine Neigung zum Soldatenstande haben, denn ich h�re,
in Deutschland ist alles Milit�r; aber was mich betrifft, obgleich
unser Dienst sehr l��lich ist, und ich in Bologna, wo ich in Garnison
stehe, meiner Bequemlichkeit vollkommen pflegen kann, so wollte ich
doch, da� ich diese Jacke los w�re und das G�tchen meines Vaters
verwaltete. Ich bin aber der j�ngere Sohn, und so mu� ich mir's
gefallen lassen."
Giredo, auch ein kleines Nest auf den Apenninen, wo ich mich recht
gl�cklich f�hle, meinen W�nschen entgegenreisend. Heute gesellten
sich reitend ein Herr und eine Dame zu uns, ein Engl�nder mit einer
sogenannten Schwester. Ihre Pferde sind sch�n, sie reisen aber ohne
Bedienung, und der Herr macht, wie es scheint, zugleich den Reitknecht
und den Kammerdiener. Sie finden �berall zu klagen, man glaubt,
einige Bl�tter im Archenholz zu lesen.
Die Apenninen sind mir ein merkw�rdiges St�ck Welt. Auf die gro�e
Fl�che der Regionen des Pos folgt ein Gebirg, das sich aus der Tiefe
erhebt, um zwischen zwei Meeren s�dw�rts das feste Land zu endigen.
W�re die Gebirgsart nicht zu steil, zu hoch �ber der Meeresfl�che,
nicht so sonderbar verschlungen, da� Ebbe und Flut vor alten Zeiten
mehr und l�nger h�tten hereinwirken, gr��ere Fl�chen bilden und
�bersp�len k�nnen, so w�re es eins der sch�nsten L�nder in dem
herrlichsten Klima, etwas h�her als das andere Land.
Gestern abend war das Wetter tr�be, heute ist's wieder hell und sch�n.
Den Dreiundzwanzigsten fr�h, unserer Uhr um zehne, kamen wir aus den
Apenninen hervor und sahen Florenz liegen in einem weiten Tal, das
unglaublich bebaut und ins Unendliche mit Villen und H�usern bes�t ist.
Die Stadt hatte ich eiligst durchlaufen, den Dom, das Baptisterium.
Hier tut sich wieder eine ganz neue, mir unbekannte Welt auf, an der
ich nicht verweilen will. Der Garten Boboli liegt k�stlich. Ich
eilte so schnell heraus als hinein.
Der Stadt sieht man den Volksreichtum an, der sie erbaut hat; man
erkennt, da� sie sich einer Folge von gl�cklichen Regierungen erfreute.
�berhaupt f�llt es auf, was in Toskana gleich die �ffentlichen Werke,
Wege, Br�cken f�r ein sch�nes grandioses Ansehen haben. Es ist hier
alles zugleich t�chtig und reinlich, Gebrauch und Nutzen mit Anmut
sind beabsichtigt, �berall l��t sich eine belebende Sorgfalt bemerken.
Der Staat des Papstes hingegen scheint sich nur zu erhalten, weil ihn
die Erde nicht verschlingen will.
Wenn ich neulich von den Apenninen sagte, was sie sein k�nnten, das
ist nun Toskana: weil es so viel tiefer lag, so hat das alte Meer
recht seine Schuldigkeit getan und tiefen Lehmboden aufgeh�uft. Er
ist heugelb und leicht zu verarbeiten. Sie pfl�gen tief, aber noch
recht auf die urspr�ngliche Art: ihr Pflug hat keine R�der, und die
Pflugschar ist nicht beweglich. So schleppt sie der Bauer, hinter
seinen Ochsen geb�ckt, einher und w�hlt die Erde auf. Es wird bis
f�nfmal gepfl�gt, wenigen und nur sehr leichten D�nger streuen sie mit
den H�nden. Endlich s�en sie den Weizen, dann h�ufen sie schmale
Sotteln auf, dazwischen entstehen tiefe Furchen, alles so gerichtet,
da� das Regenwasser ablaufen mu�. Die Frucht w�chst nun auf den
Sotteln in die H�he, in den Furchen gehen sie hin und her, wenn sie
j�ten. Diese Verfahrungsart ist begreiflich, wo N�sse zu f�rchten ist;
warum sie es aber auf den sch�nsten Gebreiten tun, kann ich nicht
einsehen. Diese Betrachtung machte ich bei Arezzo, wo sich eine
herrliche Plaine auftut. Reiner kann man kein Feld sehen, nirgends
auch nur eine Erdscholle, alles klar wie gesiebt. Der Weizen gedeiht
hier recht sch�n, und er scheint hier alle seiner Natur gem��en
Bedingungen zu finden. Das zweite Jahr bauen sie Bohnen f�r die
Pferde, die hier keinen Hafer bekommen. Es werden auch Lupinen ges�et,
die jetzt schon vortrefflich gr�n stehen und im M�rz Fr�chte bringen.
Auch der Lein hat schon gekeimt, er bleibt den Winter �ber und wird
durch den Frost nur dauerhafter.
Die �lb�ume sind wunderliche Pflanzen; sie sehen fast wie Weiden,
verlieren auch den Kern, und die Rinde klafft auseinander. Aber sie
haben dessenungeachtet ein festeres Ansehn. Man sieht auch dem Holze
an, da� es langsam w�chst und sich uns�glich fein organisiert. Das
Blatt ist weidenartig, nur weniger Bl�tter am Zweige. Um Florenz an
den Bergen ist alles mit �lb�umen und Weinst�cken bepflanzt,
dazwischen wird das Erdreich zu K�rnern benutzt. Bei Arezzo und so
weiter l��t man die Felder freier. Ich finde, da� man dem Efeu nicht
genug abwehrt, der den �lb�umen und andern sch�dlich ist, da es so ein
leichtes w�re, ihn zu zerst�ren. Wiesen sieht man gar nicht. Man
sagt, das t�rkische Korn zehre den Boden aus; seitdem es eingef�hrt
worden, habe der Ackerbau in anderm Betracht verloren. Ich glaube es
wohl bei dem geringen D�nger.
Heute abend habe ich von meinem Hauptmann Abschied genommen, mit der
Versicherung, mit dem Versprechen, ihn auf meiner R�ckreise in Bologna
zu besuchen. Er ist ein wahrer Repr�sentant vieler seiner Landsleute.
Hier einiges, das ihn besonders bezeichnet. Da ich oft still und
nachdenklich war, sagte er einmal: "Che pensa! non deve mai pensar
l'uomo, pensando s'invecchia." Das ist verdolmetscht: "Was denkt Ihr
viel! der Mensch mu� niemals denken, denkend altert man nur." Und
nach einigem Gespr�ch: "Non deve fermarsi l'uomo in una sola cosa,
perch� allora divien matto; bisogna aver mille cose, una confusione
nella testa." Auf deutsch: "Der Mensch mu� sich nicht auf eine
einzige Sache heften, denn da wird er toll, man mu� tausend Sachen,
eine Konfusion im Kopfe haben."
Der gute Mann konnte freilich nicht wissen, da� ich eben darum still
und nachdenkend war, weil eine Konfusion von alten und neuen
Gegenst�nden mir den Kopf verwirrte. Die Bildung eines solchen
Italieners wird man noch klarer aus folgendem erkennen. Da er wohl
merkte, da� ich Protestant sei, sagte er nach einigem Umschweif, ich
m�chte ihm doch gewisse Fragen erlauben, denn er habe so viel
Wunderliches von uns Protestanten geh�rt, wor�ber er endlich einmal
Gewi�heit zu haben w�nsche. "D�rft ihr denn", so fragte er, "mit
einem h�bschen M�dchen auf einem guten Fu� leben, ohne mit ihr gerade
verheiratet zu sein?--erlauben euch das eure Priester?" Ich erwiderte
darauf: "Unsere Priester sind kluge Leute, welche von solchen
Kleinigkeiten keine Notiz nehmen. Freilich, wenn wir sie darum fragen
wollten, so w�rden sie es uns nicht erlauben."--"Ihr braucht sie also
nicht zu fragen?" rief er aus. "O ihr Gl�cklichen! und da ihr ihnen
nicht beichtet, so erfahren sie's nicht." Hierauf erging er sich in
Schelten und Mi�billigen seiner Pfaffen und in dem Preise unserer
seligen Freiheit.--"Was jedoch die Beichte betrifft", fuhr er fort,
"wie verh�lt es sich damit? Man erz�hlt uns, da� alle Menschen, auch
die keine Christen sind, dennoch beichten m�ssen; weil sie aber in
ihrer Verstockung nicht das Rechte treffen k�nnen, so beichten sie
einem alten Baume, welches denn freilich l�cherlich und gottlos genug
ist, aber doch beweist, da� sie die Notwendigkeit der Beichte
anerkennen." Hierauf erkl�rte ich ihm unsere Begriffe von der Beichte
und wie es dabei zugehe. Das kam ihm sehr bequem vor, er meinte aber,
es sei ungef�hr ebensogut, als wenn man einem Baum beichtete. Nach
einigem Zaudern ersucht' er mich sehr ernsthaft, �ber einen andern
Punkt ihm redlich Auskunft zu geben, er habe n�mlich aus dem Munde
eines seiner Priester, der ein wahrhafter Mann sei, geh�rt, da� wir
unsere Schwestern heiraten d�rften, welches denn doch eine starke
Sache sei. Als ich diesen Punkt verneinte und ihm einige menschliche
Begriffe von unserer Lehre beibringen wollte, mochte er nicht
sonderlich darauf merken, denn es kam ihm zu allt�glich vor, und er
wandte sich zu einer neuen Frage:--"Man versichert uns", sagte er,
"da� Friedrich der Gro�e, welcher so viele Siege selbst �ber die
Gl�ubigen davongetragen und die Welt mit seinem Ruhm erf�llt, da� er,
den jedermann f�r einen Ketzer h�lt, wirklich katholisch sei und vom
Papste die Erlaubnis habe, es zu verheimlichen; denn er kommt, wie man
wei�, in keine eurer Kirchen, verrichtet aber seinen Gottesdienst in
einer unterirdischen Kapelle mit zerknirschtem Herzen, da� er die
heilige Religion nicht �ffentlich bekennen darf; denn freilich, wenn
er das t�te, w�rden ihn seine Preu�en, die ein bestialisches Volk und
w�tende Ketzer sind, auf der Stelle totschlagen, wodurch denn der
Sache nicht geholfen w�re. Deswegen hat ihm der heilige Vater jene
Erlaubnis gegeben, daf�r er denn aber auch die alleinseligmachende
Religion im stillen so viel ausbreitet und beg�nstigt als m�glich."
Ich lie� das alles gelten und erwiderte nur: da es ein gro�es
Geheimnis sei, k�nnte freilich niemand davon Zeugnis geben. Unsere
fernere Unterhaltung war ungef�hr immer von derselben Art, so da� ich
mich �ber die kluge Geistlichkeit wundern mu�te, welche alles
abzulehnen und zu entstellen sucht, was den dunkeln Kreis ihrer
herk�mmlichen Lehre durchbrechen und verwirren k�nnte.
Aus Palladio und Volkmann wu�te ich, da� ein k�stlicher Tempel der
Minerva, zu Zeiten Augusts gebaut, noch vollkommen erhalten dastehe.
Ich verlie� bei Madonna delAngelo meinen Vetturin, der seinen Weg nach
Foligno verfolgte, und stieg unter einem starken Wind nach Assisi
hinauf, denn ich sehnte mich, durch die f�r mich so einsame Welt eine
Fu�wanderung anzustellen. Die ungeheueren Substruktionen der
babylonisch �bereinander get�rmten Kirchen, wo der heilige Franziskus
ruht, lie� ich links mit Abneigung, denn ich dachte mir, da� darin die
K�pfe so wie mein Hauptmannskopf gestempelt w�rden. Dann fragte ich
einen h�bschen Jungen nach der Maria della Minerva; er begleitete mich
die Stadt hinauf, die an einen Berg gebaut ist. Endlich gelangten wir
in die eigentliche alte Stadt, und siehe, das l�blichste Werk stand
vor meinen Augen, das erste vollst�ndige Denkmal der alten Zeit, das
ich erblickte. Ein bescheidener Tempel, wie er sich f�r eine so
kleine Stadt schickte, und doch so vollkommen, so sch�n gedacht, da�
er �berall gl�nzen w�rde. Nun vorerst von seiner Stellung! Seitdem
ich in Vitruv und Palladio gelesen, wie man St�dte bauen, Tempel und
�ffentliche Geb�ude stellen m�sse, habe ich einen gro�en Respekt vor
solchen Dingen. Auch hierin waren die Alten so gro� im Nat�rlichen.
Der Tempel steht auf der sch�nen mittlern H�he des Berges, wo eben
zwei H�gel zusammentreffen, auf dem Platz, der noch jetzt "der Platz"
hei�t. Dieser steigt selbst ein wenig an, und es kommen auf demselben
vier Stra�en zusammen, die ein sehr gedr�cktes Andreaskreuz machen,
zwei von unten herauf, zwei von oben herunter. Wahrscheinlich standen
zur alten Zeit die H�user noch nicht, die jetzt, dem Tempel gegen�ber
gebaut, die Aussicht versperren. Denkt man sie weg, so blickte man
gegen Mittag in die reichste Gegend, und zugleich w�rde Minervens
Heiligtum von allen Seiten her gesehen. Die Anlage der Stra�en mag
alt sein; denn sie folgen aus der Gestalt und dem Abhange des Berges.
Der Tempel steht nicht in der Mitte des Platzes, aber so gerichtet,
da� er dem von Rom Heraufkommenden verk�rzt gar sch�n sichtbar wird.
Nicht allein das Geb�ude sollte man zeichnen, sondern auch die
gl�ckliche Stellung.
An der Fassade konnte ich mich nicht satt sehen, wie genialisch
konsequent auch hier der K�nstler gehandelt. Die Ordnung ist
korinthisch, die S�ulenweiten etwas �ber zwei Model. Die S�ulenf��e
und die Platten darunter scheinen auf Piedestalen zu stehen, aber es
scheint auch nur; denn der Sockel ist f�nfmal durchschnitten, und
jedesmal gehen f�nf Stufen zwischen den S�ulen hinauf, da man denn auf
die Fl�che gelangt, worauf eigentlich die S�ulen stehen, und von
welcher man auch in den Tempel hineingeht. Das Wagst�ck, den Sockel
zu durchschneiden, war hier am rechten Platze, denn da der Tempel am
Berge liegt, so h�tte die Treppe, die zu ihm hinauff�hrte, viel zu
weit vorgelegt werden m�ssen und w�rde den Platz verengt haben.
Wieviel Stufen noch unterhalb gelegen, l��t sich nicht bestimmen; sie
sind au�er wenigen versch�ttet und zugepflastert. Ungern ri� ich mich
von dem Anblick los und nahm mir vor, alle Architekten auf dieses
Geb�ude aufmerksam zu machen, damit uns ein genauer Ri� davon zuk�me.
Denn was �berlieferung f�r ein schlechtes Ding sei, mu�te ich dieses
Mal wieder bemerken. Palladio, auf den ich alles vertraute, gibt zwar
dieses Tempels Bild, er kann ihn aber nicht selbst gesehen haben, denn
er setzt wirklich Piedestale auf die Fl�che, wodurch die S�ulen
unm��ig in die H�he kommen und ein garstiges palmyrisches Ungeheuer
entsteht, anstatt da� in der Wirklichkeit ein ruhiger, lieblicher, das
Auge und den Verstand befriedigender Anblick erfreut. Was sich durch
die Beschauung dieses Werks in mir entwickelt, ist nicht auszusprechen
und wird ewige Fr�chte bringen. Ich ging am sch�nsten Abend die
r�mische Stra�e bergab, im Gem�t zum sch�nsten beruhigst, als ich
hinter mir rauhe, heftige Stimmen vernahm, die untereinander stritten.
Ich vermutete, da� es die Sbirren sein m�chten, die ich schon in der
Stadt bemerkt hatte. Ich ging gelassen vor mich hin und horchte
hinterw�rts. Da konnte ich nun gar bald bemerken, da� es auf mich
gem�nzt sei. Vier solcher Menschen, zwei davon mit Flinten bewaffnet,
in unerfreulicher Gestalt, gingen vor mir vorbei, brummten, kehrten
nach einigen Schritten zur�ck und umgaben mich. Sie fragten, wer ich
w�re und was ich hier t�te. Ich erwiderte, ich sei ein Fremder, der
seinen Weg �ber Assisi zu Fu�e mache, indessen der Vetturin nach
Foligno fahre. Dies kam ihnen nicht wahrscheinlich vor, da� jemand
einen Wagen bezahle und zu Fu�e gehe. Sie fragten, ob ich im Gran
Convento gewesen sei. Ich verneinte dies und versicherte ihnen, ich
kenne das Geb�ude von alten Zeiten her. Da ich aber ein Baumeister
sei, habe ich diesmal nur die Maria della Minerva in Augenschein
genommen, welches, wie sie w��ten, ein musterhaftes Geb�ude sei. Das
leugneten sie nicht, nahmen aber sehr �bel, da� ich dem Heiligen meine
Aufwartung nicht gemacht, und gaben ihren Verdacht zu erkennen, da�
wohl mein Handwerk sein m�chte, Kontrebande einzuschw�rzen. Ich
zeigte ihnen das L�cherliche, da� ein Mensch, der allein auf der
Stra�e gehe, ohne Ranzen, mit leeren Taschen, f�r einen
Kontrebandisten gehalten werden solle. Darauf erbot ich mich, mit
ihnen nach der Stadt zur�ck und zum Podest� zu gehen, ihm meine
Papiere vorzulegen, da er mich denn als einen ehrenvollen Fremden
anerkennen werde. Sie brummten hierauf und meinten, es sei nicht
n�tig, und als ich mich immerfort mit entschiedenem Ernst betrug,
entfernten sie sich endlich wieder nach der Stadt zu. Ich sah ihnen
nach. Da gingen nun diese rohen Kerle im Vordergrunde, und hinter
ihnen her blickte mich die liebliche Minerva noch einmal sehr
freundlich und tr�stend an, dann schaute ich links auf den tristen Dom
des heiligen Franziskus und wollte meinen Weg verfolgen, als einer der
Unbewaffneten sich von der Truppe sonderte und ganz freundlich auf
mich los kam. Gr��end sagte er sogleich: "Ihr solltet, mein Herr
Fremder, wenigstens mir ein Trinkgeld geben, denn ich versichere, da�
ich Euch alsobald f�r einen braven Mann gehalten und dies laut gegen
meine Gesellen erkl�rt habe. Das sind aber Hitzk�pfe und gleich oben
hinaus und haben keine Weltkenntnis. Auch werdet Ihr bemerkt haben,
da� ich Euren Worten zuerst Beifall und Gewicht gab." Ich lobte ihn
deshalb und ersuchte ihn, ehrenhafte Fremde, die nach Assisi sowohl
wegen der Religion als wegen der Kunst k�men, zu besch�tzen; besonders
die Baumeister, die zum Ruhme der Stadt den Minerventempel, den man
noch niemals recht gezeichnet und in Kupfer gestochen, nunmehro messen
und abzeichnen wollten. Er m�chte ihnen zur Hand gehen, da sie sich
denn gewi� dankbar erweisen w�rden, und somit dr�ckte ich ihm einige
Silberst�cke in die Hand, die ihn �ber seine Erwartung erfreuten. Er
bat mich, ja wiederzukommen, besonders m�sse ich das Fest des Heiligen
nicht vers�umen, wo ich mich mit gr��ter Sicherheit erbauen und
vergn�gen sollte. Ja, wenn es mir, als einem h�bschen Manne, wie
billig, um ein h�bsches Frauenzimmer zu tun sei, so k�nne er mir
versichern, da� die sch�nste und ehrbarste Frau von ganz Assisi auf
seine Empfehlung mich mit Freuden aufnehmen werde. Er schied nun
beteurend, da� er noch heute abend bei dem Grabe des Heiligen meiner
in Andacht gedenken und f�r meine fernere Reise beten wolle. So
trennten wir uns, und mir war sehr wohl, mit der Natur und mit mir
selbst wieder allein zu sein. Der Weg nach Foligno war einer der
sch�nsten und anmutigsten Spazierg�nge, die ich jemals zur�ckgelegt.
Vier volle Stunden an einem Berge hin, rechts ein reichbebautes Tal.
Mit den Vetturinen ist es eine leidige Fahrt; das Beste, da� man ihnen
bequem zu Fu�e folgen kann. Von Ferrara lass' ich mich nun immer bis
hieher so fortschleppen. Dieses Italien, von Natur h�chlich
beg�nstiget, blieb in allem Mechanischen und Technischen, worauf doch
eine bequemere und frischere Lebensweise gegr�ndet ist, gegen alle
L�nder unendlich zur�ck. Das Fuhrwerk der Vetturine, welches noch
Sedia, ein Sessel, hei�t, ist gewi� aus den alten Tragsesseln
entstanden, in welchen sich Frauen, �ltere und vornehmere Personen von
Maultieren tragen lie�en. Statt des hintern Maultiers, das man hervor
neben die Gabel spannte, setzte man zwei R�der unter, und an keine
weitere Verbesserung ward gedacht. Man wird wie vor Jahrhunderten
noch immer fortgeschaukelt, und so sind sie in ihren Wohnungen und
allem.
Wenn man die erste poetische Idee, da� die Menschen meist unter freiem
Himmel lebten und sich gelegentlich manchmal aus Not in H�hlen
zur�ckzogen, noch realisiert sehen will, so mu� man die Geb�ude hier
herum, besonders auf dem Lande, betreten, ganz im Sinn und Geschmack
der H�hlen. Eine so unglaubliche Sorglosigkeit haben sie, um �ber dem
Nachdenken nicht zu veralten. Mt unerh�rtem Leichtsinn vers�umen sie,
sich auf den Winter, auf l�ngere N�chte vorzubereiten, und leiden
deshalb einen guten Teil des Jahres wie die Hunde. Hier in Foligno,
in einer v�llig homerischen Haushaltung, wo alles um ein auf der Erde
brennendes Feuer in einer gro�en Halle versammelt ist, schreit und
l�rmt, am langen Tische speist, wie die Hochzeit von Kana gemalt wird,
ergreife ich die Gelegenheit, dieses zu schreiben, da einer ein
Tintenfa� holen l��t, woran ich unter solchen Umst�nden nicht gedacht
h�tte. Aber man sieht auch diesem Blatt die K�lte und die
Unbequemlichkeit meines Schreibtisches an.
Wieder in einer H�hle sitzend, die vor einem Jahr vom Erdbeben
gelitten; das St�dtchen liegt in einer k�stlichen Gegend, die ich auf
einem Rundgange um dasselbe her mit Freuden beschaute, am Anfang einer
sch�nen Plaine zwischen Bergen, die alle noch Kalk sind. Wie Bologna
dr�ben, so ist Terni h�ben an den Fu� des Gebirgs gesetzt.
Nun da der p�pstliche Soldat mich verlassen, ist ein Priester mein
Gef�hrte. Dieser scheint schon mehr mit seinem Zustande zufrieden und
belehrt mich, den er freilich schon als Ketzer erkennt, auf meine
Fragen sehr gern von dem Ritus und andern dahin geh�rigen Dingen.
Dadurch, da� ich immer wieder unter neue Menschen komme, erreiche ich
durchaus meine Absicht; man mu� das Volk nur untereinander reden h�ren,
was das f�r ein lebendiges Bild des ganzen Landes gibt. Sie sind auf
die wunderbarste Weise s�mtlich Widersacher, haben den sonderbarsten
Provinzial--und Stadteifer, k�nnen sich alle nicht leiden, die St�nde
sind in ewigem Streit, und das alles mit immer lebhafter gegenw�rtiger
Leidenschaft, da� sie einem den ganzen Tag Kom�die geben und sich
blo�stellen, und doch fassen sie zugleich wieder auf und merken gleich,
wo der Fremde sich in ihr Tun und Lassen nicht finden kann.
Spoleto hab' ich bestiegen und war auf der Wasserleitung, die zugleich
Br�cke von einem Berg zu einem andern ist. Die zehen Bogen, welche
�ber das Tal reichen, stehen von Backsteinen ihre Jahrhunderte so
ruhig da, und das Wasser quillt immer noch in Spoleto an allen Orten
und Enden. Das ist nun das dritte Werk der Alten, das ich sehe, und
immer derselbe gro�e Sinn. Eine zweite Natur, die zu b�rgerlichen
Zwecken handelt, das ist ihre Baukunst, so steht das Amphitheater, der
Tempel und der Aquadukt. Nun f�hle ich erst, wie mir mit Recht alle
Willk�rlichkeiten verha�t waren, wie z. B. der Winterkasten auf dem
Wei�enstein, ein Nichts um Nichts, ein ungeheurer Konfektaufsatz, und
so mit tausend andern Dingen. Das steht nun alles totgeboren da, denn
was nicht eine wahre innere Existenz hat, hat kein Leben und kann
nicht gro� sein und nicht gro� werden.
Was bin ich nicht den letzten acht Wochen schuldig geworden an Freuden
und Einsicht; aber auch M�he hat mich's genug gekostet. Ich halte die
Augen nur immer offen und dr�cke mir die Gegenst�nde recht ein.
Urteilen m�chte ich gar nicht, wenn es nur m�glich w�re.
San Crocefisso, eine wunderliche Kapelle am Wege, halte ich nicht f�r
den Rest eines Tempels, der am Orte stand, sondern man hat S�ulen,
Pfeiler, Geb�lke gefunden und zusammengeflickt, nicht dumm, aber toll.
Beschreiben l��t sich's gar nicht, es ist wohl irgendwo in Kupfer
gestochen.
Und so wird es einem denn doch wunderbar zumute, da� uns, indem wir
bem�ht sind, einen Begriff des Altertums zu erwerben, nur Ruinen
entgegenstellen, aus denen man sich nun wieder das k�mmerlich
aufzuerbauen h�tte, wovon man noch keinen Begriff hat.
Mit dem, was man klassischen Boden nennt, hat es eine andere
Bewandtnis. Wenn man hier nicht phantastisch verf�hrt, sondern die
Gegend real nimmt, wie sie daliegt, so ist sie doch immer der
entscheidende Schauplatz, der die gr��ten Taten bedingt, und so habe
ich immer bisher den geologischen und landschaftlichen Blick benutzt,
um Einbildungskraft und Empfindung zu unterdr�cken und mir ein freies,
klares Anschauen der Lokalit�t zu erhalten. Da schlie�t sich denn auf
eine wundersame Weise die Geschichte lebendig an, und man begreift
nicht, wie einem geschieht, und ich f�hle die gr��te Sehnsucht, den
Tacitus in Rom zu lesen.
Das Wetter darf ich auch nicht ganz hintansetzen. Da ich von Bologna
die Apenninen heraufkam, zogen die Wolken noch immer nach Norden,
sp�terhin ver�nderten sie ihre Richtung und zogen nach dem
trasimenischen See. Hier blieben sie hangen, zogen auch wohl gegen
Mittag. Statt also da� die gro�e Plaine des Po den Sommer �ber alle
Wolken nach dem Tiroler Gebirg schickt, sendet sie jetzt einen Teil
nach den Apenninen, daher mag die Regenzeit kommen.
Man f�ngt nun an, die Oliven abzulesen. Sie tun es hier mit den
H�nden, an andern Orten schlagen sie mit St�cken drein. Kommt ein
fr�hzeitiger Winter, so bleiben die �brigen bis gegen das Fr�hjahr
h�ngen. Heute habe ich auf sehr steinigem Boden die gr��ten, �ltesten
B�ume gesehen.
Die Gunst der Musen wie die der D�monen besucht uns nicht immer zur
rechten Zeit. Heute ward ich aufgeregt, etwas auszubilden, was gar
nicht an der Zeit ist. Dem Mittelpunkte des Katholizismus mich
n�hernd, von Katholiken umgeben, mit einem Priester in eine Sedie
eingesperrt, indem ich mit reinstem Sinn die wahrhafte Natur und die
edle Kunst zu beobachten und aufzufassen trachte, trat mir so lebhaft
vor die Seele, da� vom urspr�nglichen Christentum alle Spur verloschen
ist; ja, wenn ich mir es in seiner Reinheit vergegenw�rtigte, so wie
wir es in der Apostelgeschichte sehen, so mu�te mir schaudern, was nun
auf jenen gem�tlichen Anf�ngen ein unf�rmliches, ja barockes Heidentum
lastet. Da fiel mir der ewige Jude wieder ein, der Zeuge aller dieser
wundersamen Ent--und Aufwicklungen gewesen und so einen wunderlichen
Zustand erlebte, da� Christus selbst, als er zur�ckkommt, um sich nach
den Fr�chten seiner Lehre umzusehen, in Gefahr ger�t, zum zweitenmal
gekreuzigt zu werden. Jene Legende: "Venio iterum crucifigi" sollte
mir bei dieser Katastrophe zum Stoff dienen.
Den letzten Abend will ich nicht fehlen. Es ist noch nicht acht Uhr
und alles schon zu Bette; so kann ich noch zu guter Letzt des
Vergangenen gedenken und mich aufs n�chst K�nftige freuen. Heute war
ein ganz heiterer, herrlicher Tag, der Morgen sehr kalt, der Tag klar
und warm, der Abend etwas windig, aber sehr sch�n.
Von Terni fuhren wir sehr fr�h aus; Narni kamen wir hinauf, ehe es Tag
war, und so habe ich die Br�cke nicht gesehen. T�ler und Tiefen,
N�hen und Fernen, k�stliche Gegenden, alles Kalkgebirg, auch nicht
eine Spur eines andern Gesteins.
Sobald man �ber die Br�cke hin�ber ist, findet man sich im
vulkanischen Terrain, es sei nun unter wirklichen Laven oder unter
fr�herm Gestein, durch R�stung und Schmelzung ver�ndert. Man steigt
einen Berg herauf, den man f�r graue Lava ansprechen m�chte. Sie
enth�lt viele wei�e, granatf�rmig gebildete Kristalle. Die Chaussee,
die von der H�he nach Citt� Castellana geht, von eben diesem Stein,
sehr sch�n glatt gefahren, die Stadt auf vulkanischen Tuff gebaut, in
welchem ich Asche, Bimsstein und Lavast�cke zu entdecken glaubte. Vom
Schlosse ist die Aussicht sehr sch�n; der Berg Soracte steht einzeln
gar malerisch da, wahrscheinlich ein zu den Apenninen geh�riger
Kalkberg. Die vulkanisierenden Strecken sind viel niedriger als die
Apenninen, und nur das durchrei�ende Wasser hat aus ihnen Berge und
Felsen gebildet, da denn herrlich malerische Gegenst�nde, �berhangende
Klippen und sonstige landschaftliche Zuf�lligkeiten gebildet werden.
Morgen abend also in Rom. Ich glaube es noch jetzt kaum, und wenn
dieser Wunsch erf�llt ist, was soll ich mir nachher w�nschen? Ich
w��te nichts, als da� ich mit meinem Fasanenkahn gl�cklich zu Hause
landen und meine Freunde gesund, froh und wohlwollend antreffen m�ge.
Rom
Endlich kann ich den Mund auftun und meine Freunde mit Frohsinn
begr��en. Verziehen sei mir das Geheimnis und die gleichsam
unterirdische Reise hierher. Kaum wagte ich mir selbst zu sagen,
wohin ich ging, selbst unterwegs f�rchtete ich noch, und nur unter der
Porta del Popolo war ich mir gewi�, Rom zu haben.
Und la�t mich nun auch sagen, da� ich tausendmal, ja best�ndig eurer
gedenke in der n�he der gegenst�nde, die ich allein zu sehen niemals
glaubte. Nur da ich jedermann mit leib und seele in norden gefesselt,
alle anmutung nach diesen gegenden verschwunden sah, konnte ich mich
entschlie�en, einen langen, einsamen weg zu machen und den mittelpunkt
zu suchen, nach dem mich ein unwiderstehliches bed�rfnis hinzog. Ja,
die letzten jahre wurde es eine art von krankheit, von der mich nur
der anblick und die gegenwart heilen konnte. Jetzt darf ich es
gestehen; zuletzt durft' ich kein lateinisch buch mehr ansehen, keine
zeichnung einer italienischen gegend. Die begierde, dieses land zu
sehen, war �berreif: da sie befriedigt ist, werden mir freunde und
vaterland erst wieder recht aus dem grunde lieb und die r�ckkehr
w�nschenswert, ja um desto w�nschenswerter, da ich mit sicherheit
empfinde, da� ich so viele sch�tze nicht zu eignem besitz und
privatgebrauch mitbringe, sondern da� sie mir und andern durchs ganze
leben zur leitung und f�rdernis dienen sollen.
Ja, ich bin endlich in dieser Hauptstadt der Welt angelangt! Wenn ich
sie in guter Begleitung, angef�hrt von einem recht verst�ndigen Manne,
vor funfzehn Jahren gesehen h�tte, wollte ich mich gl�cklich preisen.
Sollte ich sie aber allein, mit eignen Augen sehen und besuchen, so
ist es gut, da� mir diese Freude so sp�t zuteil ward.
�ber das Tiroler Gebirg bin ich gleichsam weggezogen. Verona, Vicenz,
Padua, Venedig habe ich gut, Ferrara, Cento, Bologna fl�chtig und
Florenz kaum gesehen. Die Begierde, nach Rom zu kommen, war so gro�,
wuchs so sehr mit jedem Augenblicke, da� kein Bleiben mehr war, und
ich mich nur drei Stunden in Florenz aufhielt. Nun bin ich hier und
ruhig und, wie es scheint, auf mein ganzes Leben beruhigt. Denn es
geht, man darf wohl sagen, ein neues Leben an, wenn man das Ganze mit
Augen sieht, das man teilweise in--und auswendig kennt. Alle Tr�ume
meiner Jugend seh' ich nun lebendig; die ersten Kupferbilder, deren
ich mich erinnere (mein Vater hatte die Prospekte von Rom auf einem
Vorsaale aufgeh�ngt), seh' ich nun in Wahrheit, und alles, was ich in
Gem�lden und Zeichnungen, Kupfern und Holzschnitten, in Gips und Kork
schon lange gekannt, steht nun beisammen vor mir; wohin ich gehe,
finde ich eine Bekanntschaft in einer neuen Welt; es ist alles, wie
ich mir's dachte, und alles neu. Ebenso kann ich von meinen
Beobachtungen, von meinen Ideen sagen. Ich habe keinen ganz neuen
Gedanken gehabt, nichts ganz fremd gefunden, aber die alten sind so
bestimmt, so lebendig, so zusammenh�ngend geworden, da� sie f�r neu
gelten k�nnen.
Da Pygmalions Elise, die er sich ganz nach seinen W�nschen geformt und
ihr so viel Wahrheit und Dasein gegeben hatte, als der K�nstler vermag,
endlich auf ihn zukam und sagte: "Ich bin's!", wie anders war die
Lebendige als der gebildete Stein!
Wie moralisch heilsam ist mir es dann auch, unter einem ganz
sinnlichen Volke zu leben, �ber das so viel Redens und Schreibens ist,
das jeder Fremde nach dem Ma�stabe beurteilt, den er mitbringt. Ich
verzeihe jedem, der sie tadelt und schilt; sie stehn zu weit von uns
ab, und als Fremder mit ihnen zu verkehren, ist beschwerlich und
kostspielig.
Mich ergriff ein wunderbar Verlangen, das Oberhaupt der Kirche m�ge
den goldenen Mund auftun und, von dem unaussprechlichen Heil der
seligen Seelen mit Entz�cken sprechend, uns in Entz�cken versetzen.
Da ich ihn aber vor dem Altare sich nur hin und her bewegen sah, bald
nach dieser, bald nach jener Seite sich wendend, sich wie ein gemeiner
Pfaffe geb�rdend und murmelnd, da regte sich die protestantische
Erbs�nde, und mir wollte das bekannte und gewohnte Me�opfer hier
keineswegs gefallen. Hat doch Christus schon als Knabe durch
m�ndliche Auslegung der Schrift und in seinem J�nglingsleben gewi�
nicht schweigend gelehrt und gewirkt; denn er sprach gern, geistreich
und gut, wie wir aus den Evangelien wissen. Was w�rde der sagen,
dacht' ich, wenn er hereintr�te und sein Ebenbild auf Erden summend
und hin und wider wankend antr�fe? Das "Venio iterum crucifigi!" fiel
mir ein, und ich zupfte meinen Gef�hrten, da� wir ins Freie der
gew�lbten und gemalten S�le k�men.
Hier fanden wir eine Menge Personen die k�stlichen Gem�lde aufmerksam
betrachtend, denn dieses Fest Allerseelen ist auch zugleich das Fest
aller K�nstler in Rom. Ebenso wie die Kapelle ist der ganze Palast
und die s�mtlichen Zimmer jedem zug�nglich und diesen Tag f�r viele
Stunden frei und offen, man braucht kein Trinkgeld zu geben und wird
von dem Kastellan nicht gedr�ngt.
Die Wandgem�lde besch�ftigten mich, und ich lernte da neue, mir kaum
dem Namen nach bekannte treffliche M�nner kennen, so wie z. B. den
heitern Karl Maratti sch�tzen und lieben.
Noch mehr erstaunte ich vor einem Bilde von Tizian. Es �berleuchtet
alle, die ich gesehen habe. Ob mein Sinn schon ge�bter, oder ob es
wirklich das vortrefflichste sei, wei� ich nicht zu unterscheiden.
Ein ungeheures Me�gewand, das von Stickerei, ja von getriebenen
Goldfiguren starrt, umh�llt eine ansehnliche bisch�fliche Gestalt.
Den massiven Hirtenstab in der Linken, blickt er entz�ckt in die H�he,
mit der Rechten h�lt er ein Buch, woraus er soeben eine g�ttliche
Ber�hrung empfangen zu haben scheint. Hinter ihm eine sch�ne Jungfrau,
die Palme in der Hand, mit lieblicher Teilnahme nach dem
aufgeschlagenen Buche hinschauend. Ein ernster Alter dagegen zur
Rechten, dem Buche ganz nahe, scheint er dessen nicht zu achten: die
Schl�ssel in der Hand, mag er sich wohl eigenen Aufschlu� zutrauen.
Dieser Gruppe gegen�ber ein nackter, wohlgebildeter, gebundener, von
Pfeilen verletzter J�ngling, vor sich hinsehend, bescheiden ergeben.
In dem Zwischenraume zwei M�nche, Kreuz und Lilie tragend, and�chtig
gegen die Himmlischen gekehrt. Denn oben offen ist das halbrunde
Gem�uer, das sie s�mtlich umschlie�t. Dort bewegt sich in h�chster
Glorie eine herabw�rts teilnehmende Mutter. Das lebendig muntere Kind
in ihrem Scho�e reicht mit heiterer Geb�rde einen Kranz her�ber, ja
scheint ihn herunterzuwerfen. Auf beiden Seiten schweben Engel,
Kr�nze schon im Vorrat haltend. �ber allen aber und �ber dreifachem
Strahlenkreise waltet die himmlische Taube, als Mittelpunkt und
Schlu�stein zugleich.
Wir sagen uns: hier mu� ein heiliges altes �berliefertes zum Grunde
liegen, da� diese verschiedenen, unpassenden Personen so kunstreich
und bedeutungsvoll zusammengestellt werden konnten. Wir fragen nicht
nach wie und warum, wir lassen es geschehen und bewundern die
unsch�tzbare Kunst.
Ich mischte mich nun freim�tiger unter die K�nstlerschar und fragte
nach den Meistern verschiedener Bilder, deren Kunstweise mir noch
nicht bekannt geworden. Endlich zog mich ein Bild besonders an, den
heiligen Georg, den Drachen�berwinder und Jungfrauenbefreier,
vorstellend. Niemand konnte mir den Meister nennen. Da trat ein
kleiner, bescheidener, bisher lautloser Mann hervor und belehrte mich,
es sei von Pordenone, dem Venezianer, eines seiner besten Bilder, an
dem man sein ganzes Verdienst erkenne. Nun konnt' ich meine Neigung
gar wohl erkl�ren: das Bild hatte mich angemutet, weil ich, mit der
venezianischen Schule schon n�her bekannt, die Tugenden ihrer Meister
besser zu sch�tzen wu�te.
Der belehrende K�nstler ist Heinrich Meyer, ein Schweizer, der mit
einem Freunde namens C�lla seit einigen Jahren hier studiert, die
antiken B�sten in Sepia vortrefflich nachbildet und in der
Kunstgeschichte wohl erfahren ist.
Nun bin ich sieben Tage hier, und nach und nach tritt in meiner Seele
der allgemeine Begriff dieser Stadt hervor. Wir gehn flei�ig hin und
wider, ich mache mir die Plane des alten und neuen Roms bekannt,
betrachte die Ruinen, die Geb�ude, besuche ein und die andere Villa,
die gr��ten Merkw�rdigkeiten werden ganz langsam behandelt, ich tue
nur die Augen auf und seh' und geh' und komme wieder, denn man kann
sich nur in Rom auf Rom vorbereiten.
Gestehen wir jedoch, es ist ein saures und trauriges Gesch�ft, das
alte Rom aus dem neuen herauszuklauben, aber man mu� es denn doch tun
und zuletzt eine unsch�tzbare Befriedigung hoffen. Man trifft Spuren
einer Herrlichkeit und einer Zerst�rung, die beide �ber unsere
Begriffe gehen. Was die Barbaren stehenlie�en, haben die Baumeister
des neuen Roms verw�stet.
Wenn man so eine Existenz ansieht, die zweitausend Jahre und dar�ber
alt ist, durch den Wechsel der Zeiten so mannigfaltig und vom Grund
aus ver�ndert und doch noch derselbe Boden, derselbe Berg, ja oft
dieselbe S�ule und Mauer, und im Volke noch die Spuren des alten
Charakters, so wird man ein Mitgenosse der gro�en Ratschl�sse des
Schicksals, und so wird es dem Betrachter von Anfang schwer, zu
entwickeln, wie Rom auf Rom folgt, und nicht allein das neue auf das
alte, sondern die verschiedenen Epochen des alten und neuen selbst
aufeinander. Ich suche nur erst selbst die halbverdeckten Punkte
herauszuf�hlen, dann lassen sich erst die sch�nen Vorarbeiten recht
vollst�ndig nutzen; denn seit dem funfzehnten Jahrhundert bis auf
unsere Tage haben sich treffliche K�nstler und Gelehrte mit diesen
Gegenst�nden ihr ganzes Leben durch besch�ftigt.
Und dieses Ungeheure wirkt ganz ruhig auf uns ein, wenn wir in Rom hin
und her eilen, um zu den h�chsten Gegenst�nden zu gelangen. Anderer
Orten mu� man das Bedeutende aufsuchen, hier werden wir davon
�berdr�ngt und �berf�llt. Wie man geht und steht, zeigt sich ein
landschaftliches Bild aller Art und Weise, Pal�ste und Ruinen, G�rten
und Wildnis, Fernen und Engen, H�uschen, St�lle, Triumphb�gen und
S�ulen, oft alles zusammen so nah, da� es auf ein Blatt gebracht
werden k�nnte. Man m��te mit tausend Griffeln schreiben, was soll
hier eine Feder! und dann ist man abends m�de und ersch�pft vom
Schauen und Staunen.
Verzeihen mir jedoch meine Freunde, wenn ich k�nftig wortkarg erfunden
werde; w�hrend eines Reisezugs rafft man unterwegs auf, was man kann,
jeder Tag bringt etwas Neues, und man eilt, auch dar�ber zu denken und
zu urteilen. Hier aber k�mmt man in eine gar gro�e Schule, wo ein Tag
so viel sagt, da� man von dem Tage nichts zu sagen wagen darf. Ja,
man t�te wohl, wenn man, jahrelang hier verweilend, ein
pythagoreisches Stillschweigen beobachtete.
An demselben.
Ich bin recht wohl. Das Wetter ist, wie die R�mer sagen, brutto; es
geht ein Mittagwind, Scirocco, der t�glich mehr oder weniger Regen
herbeif�hrt; ich kann aber diese Witterung nicht unangenehm finden, es
ist warm dabei, wie es bei uns im Sommer regnichte Tage nicht sind.
Den 7. November.
Tischbeins Talente sowie seine Vors�tze und Kunstabsichten lerne ich
nun immer mehr kennen und sch�tzen. Er legte mir seine Zeichnungen
und Skizzen vor, welche sehr viel Gutes geben und verk�nden. Durch
den Aufenthalt bei Bodmer sind seine Gedanken auf die ersten Zeiten
des menschlichen Geschlechts gef�hrt worden, da, wo es sich auf die
Erde gesetzt fand und die Aufgabe l�sen sollte, Herr der Welt zu
werden.
Dann hat er auf einem h�chst merkw�rdigen Blatte den Mann zugleich als
Pferdeb�ndiger und allen Tieren der Erde, der Luft und des Wassers, wo
nicht an St�rke, doch an List �berlegen dargestellt. Die Komposition
ist au�erordentlich sch�n, als �lbild m��te es eine gro�e Wirkung tun.
Eine Zeichnung davon m�ssen wir notwendig in Weimar besitzen. Sodann
denkt er an eine Versammlung der alten, weisen und gepr�ften M�nner,
wo er Gelegenheit nehmen wird, wirkliche Gestalten darzustellen. Mit
dem gr��ten Enthusiasmus aber skizziert er an einer Schlacht, wo sich
zwei Parteien Reiterei wechselseitig mit gleicher Wut angreifen, und
zwar an einer Stelle, wo eine ungeheure Felsschlucht sie trennt, �ber
welche das Pferd nur mit gr��ter Anstrengung hin�bersetzen kann. An
Verteidigung ist hier nicht zu denken. K�hner Angriff, wilder
Entschlu�, Gelingen oder Sturz in den Abgrund. Dieses Bild wird ihm
Gelegenheit geben, die Kenntnisse, die er von dem Pferde, dessen Bau
und Bewegung besitzt, auf eine sehr bedeutende Weise zu entfalten.
Diese Bilder sodann und eine Reihe von folgenden und eingeschalteten
w�nscht er durch einige Gedichte verkn�pft, welche dem Dargestellten
zur Erkl�rung dienten, und denen er dagegen wieder durch bestimmte
Gestalten K�rper und Reiz verliehe.
Der Gedanke ist sch�n, nur mu�te man freilich mehrere Jahre zusammen
sein, um ein solches Werk auszuf�hren.
Den 7. November.
Die Logen von Raffael und die gro�en Gem�lde der "Schule von Athen"
etc. hab' ich nur erst einmal gesehen, und da ist's, als wenn man den
Homer aus einer zum Teil verloschenen, besch�digten Handschrift heraus
studieren sollte. Das Vergn�gen des ersten Eindrucks ist unvollkommen,
nur wenn man nach und nach alles recht durchgesehn und studiert hat,
wird der Genu� ganz. Am erhaltensten sind die Deckenst�cke der Logen,
die biblische Geschichten vorstellen, so frisch wie gestern gemalt,
zwar die wenigsten von Raffaels eigner Hand, doch aber gar trefflich
nach seinen Zeichnungen und unter seiner Aufsicht.
Den 7. November.
Ich habe manchmal in fr�herer Zeit die wunderliche Grille gehabt, da�
ich mir sehnlichst w�nschte, von einem wohlunterrichteten Manne, von
einem kunst--und geschichtskundigen Engl�nder nach Italien gef�hrt zu
werden; und nun hat sich das alles indessen sch�ner gebildet, als ich
h�tte ahnen k�nnen. Tischbein lebte so lange hier als mein herzlicher
Freund, er lebte hier mit dem Wunsche, mir Rom zu zeigen; unser
Verh�ltnis ist alt durch Briefe, neu durch Gegenwart; wo h�tte mir ein
werterer F�hrer erscheinen k�nnen? Ist auch meine Zeit nur beschr�nkt,
so werde ich doch das M�glichste genie�en und lernen.
Und bei allem dem seh' ich voraus, da� ich w�nschen werde, anzukommen,
wenn ich weggehe.
Den 8. November.
Den 9. November.
Manchmal stehe ich wie einen Augenblick still und �berschaue die
h�chsten Gipfel des schon Gewonnenen. Sehr gerne blicke ich nach
Venedig zur�ck, auf jenes gro�e Dasein, dem Scho�e des Meeres wie
Pallas aus dem Haupte Jupiters entsprossen. Hier hat mich die Rotonda,
so die �u�ere wie die innere, zu einer freudigen Verehrung ihrer
Gro�heit bewogen. In St. Peter habe ich begreifen lernen, wie die
Kunst sowohl als die Natur alle Ma�vergleichung aufheben kann. Und so
hat mich Apoll von Belvedere aus der Wirklichkeit hinausger�ckt. Denn
wie von jenen Geb�uden die richtigsten Zeichnungen keinen Begriff
geben, so ist es hier mit dem Original von Marmor gegen die
Gipsabg�sse, deren ich doch sehr sch�ne fr�her gekannt habe.
Ich lebe nun hier mit einer Klarheit und Ruhe, von der ich lange kein
Gef�hl hatte. Meine �bung, alle Dinge, wie sie sind, zu sehen und
abzulesen, meine Treue, das Auge licht sein zu lassen, meine v�llige
Ent�u�erung von aller Pr�tention kommen mir einmal wieder recht
zustatten und machen mich im stillen h�chst gl�cklich. Alle Tage ein
neuer merkw�rdiger Gegenstand, t�glich frische, gro�e, seltsame Bilder
und ein Ganzes, das man sich lange denkt und tr�umt, nie mit der
Einbildungskraft erreicht.
Heute war ich bei der Pyramide des Cestius und abends auf dem Palatin,
oben auf den Ruinen der Kaiserpal�ste, die wie Felsenw�nde dastehn.
Hievon l��t sich nun freilich nichts �berliefern! Wahrlich, es gibt
hier nichts Kleines, wenn auch wohl hier und da etwas Scheltenswertes
und Abgeschmacktes; doch auch ein solches hat teil an der allgemeinen
Gro�heit genommen.
Kehr' ich nun in mich selbst zur�ck, wie man doch so gern tut bei
jeder Gelegenheit, so entdecke ich ein Gef�hl, das mich unendlich
freut, ja, das ich sogar auszusprechen wage. Wer sich mit Ernst hier
umsieht und Augen hat zu sehen, mu� solid werden, er mu� einen Begriff
von Solidit�t fassen, der ihm nie so lebendig ward.
Der Geist wird zur T�chtigkeit gestempelt, gelangt zu einem Ernst ohne
Trockenheit, zu einem gesetzten Wesen mit Freude. Mir wenigstens ist
es, als wenn ich die Dinge dieser Welt nie so richtig gesch�tzt h�tte
als hier. Ich freue mich der gesegneten Folgen auf mein ganzes Leben.
Und so la�t mich aufraffen, wie es kommen will, die Ordnung wird sich
geben. Ich bin nicht hier, um nach meiner Art zu genie�en;
beflei�igen will ich mich der gro�en Gegenst�nde, lernen und mich
ausbilden, ehe ich vierzig Jahre alt werde.
Heut' hab' ich die Nymphe Egeria besucht, dann die Rennbahn des
Caracalla, die zerst�rten Grabst�tten l�ngs der Via Appia und das Grab
der Metella, das einem erst einen Begriff von solidem Mauerwerk gibt.
Diese Menschen arbeiteten f�r die Ewigkeit, es war auf alles
kalkuliert, nur auf den Unsinn der Verw�ster nicht, dem alles weichen
mu�te. Recht sehnlich habe ich dich herzugew�nscht. Die Reste der
gro�en Wasserleitung sind h�chst ehrw�rdig. Der sch�ne, gro�e Zweck,
ein Volk zu tr�nken durch eine so ungeheure Anstalt! Abends kamen wir
ans Coliseo, da es schon d�mmrig war. Wenn man das ansieht, scheint
wieder alles andre klein, es ist so gro�, da� man das Bild nicht in
der Seele behalten kann; man erinnert sich dessen nur kleiner wieder,
und kehrt man dahin zur�ck, kommt es einem aufs neue gr��er vor.
Die Gesellschaft ist zu Bette, und ich schreibe noch aus der
Tuschmuschel, aus welcher gezeichnet worden ist. Wir haben ein paar
sch�ne, regenfreie Tage hier gehabt, warm und freundlichen
Sonnenschein, da� man den Sommer nicht vermi�t. Die Gegend ist sehr
angenehm, der Ort liegt auf einem H�gel, vielmehr an einem Berge, und
jeder Schritt bietet dem Zeichner die herrlichsten Gegenst�nde. Die
Aussicht ist unbegrenzt, man sieht Rom liegen und weiter die See, an
der rechten Seite die Gebirge von Tivoli und so fort. In dieser
lustigen Gegend sind Landh�user recht zur Lust angelegt, und wie die
alten R�mer schon hier ihre Villen hatten, so haben vor hundert Jahren
und mehr reiche und �berm�tige R�mer ihre Landh�user auch auf die
sch�nsten Flecke gepflanzt. Zwei Tage gehn wir schon hier herum, und
es ist immer etwas Neues und Reizendes.
Und doch l��t sich kaum sagen, ob nicht die Abende noch vergn�gter als
der Tag hingehen. Sobald die stattliche Wirtin die messingene
dreiarmige Lampe auf den gro�en runden Tisch gesetzt und "Felicissima
notte!" gesagt hat, versammelt sich alles im Kreise und legt die
Bl�tter vor, welche den Tag �ber gezeichnet und skizziert worden.
Dar�ber spricht man, ob der Gegenstand h�tte g�nstiger aufgenommen
werden sollen, ob der Charakter getroffen ist, und was solche erste
allgemeine Fordernisse sind, wovon man sich schon bei dem ersten
Entwurf Rechenschaft geben kann. Hofrat Reiffenstein wei� diese
Sitzungen durch seine Einsicht und Autorit�t zu ordnen und zu leiten.
Diese l�bliche Anstalt aber schreibt sich eigentlich von Philipp
Hackert her, welcher h�chst geschmackvoll die wirklichen Aussichten zu
zeichnen und auszuf�hren wu�te. K�nstler und Liebhaber, M�nner und
Frauen, Alte und Junge lie� er nicht ruhen, er munterte jeden auf,
nach seinen Gaben und Kr�ften sich gleichfalls zu versuchen, und ging
mit gutem Beispiel vor. Diese Art, eine Gesellschaft zu versammeln
und zu unterhalten, hat Hofrat Reiffenstein nach der Abreise jenes
Freundes treulich fortgesetzt, und wir finden, wie l�blich es sei, den
t�tigen Anteil eines jeden zu wecken. Die Natur und Eigenschaft der
verschiedenen Gesellschaftsglieder tritt auf eine anmutige Weise
hervor. Tischbein z. B. sieht als Historienmaler die Landschaft ganz
anders an als der Landschaftszeichner. Er findet bedeutende Gruppen
und andere anmutige, vielsagende Gegenst�nde da, wo ein anderer nichts
gewahr w�rde, und so gl�ckt es ihm auch, manchen menschlichen naiven
Zug zu erhaschen, es sei nun an Kindern, Landleuten, Bettlern und
andern dergleichen Naturmenschen, oder auch an Tieren, die er mit
wenigen charakteristischen Strichen gar gl�cklich darzustellen wei�
und dadurch der Unterhaltung immer neuen angenehmen Stoff unterlegt.
Wir sind zur�ck! Heute nacht fiel ein entsetzlicher Regengu� mit
Donner und Blitzen, nun regnet es fort und ist immer warm dabei.
Ich aber kann nur mit wenig Worten das Gl�ck dieses Tages bezeichnen.
Ich habe die Freskogem�lde von Dominichin in Andrea della Valle,
angleichen die Farnesische Galerie von Carracci gesehen. Freilich
zuviel f�r Monate, geschweige f�r einen Tag.
Ich sah in der Farnesina die Geschichte der Psyche, deren farbige
Nachbildungen so lange meine Zimmer erheitern, dann zu St. Peter in
Montorio die "Verkl�rung" von Raffael. Alles alte Bekannte, wie
Freunde, die man sich in der Ferne durch Briefwechsel gemacht hat, und
die man nun von Angesicht sieht. Das Mitleben ist doch ganz was
anders, jedes wahre Verh�ltnis und Mi�verh�ltnis spricht sich sogleich
aus.
Auch finden sich aller Orten und Enden herrliche Sachen, von denen
nicht so viel Redens ist, die nicht so oft durch Kupfer und
Nachbildungen in die Welt gestreut sind. Hievon bringe ich manches
mit, gezeichnet von guten jungen K�nstlern.
Da� ich mit Tischbein schon so lange durch Briefe in dem besten
Verh�ltnis stehe, da� ich ihm so manchen Wunsch, sogar ohne Hoffnung,
nach Italien zu kommen, mitgeteilt, machte unser Zusammentreffen
sogleich fruchtbar und erfreulich. Er hatte immer an mich gedacht und
f�r mich gesorgt. Auch was die Steine betrifft, mit welchen die Alten
und Neuen gebaut, ist er vollkommen zu Hause, er hat sie recht
gr�ndlich studiert, wobei ihm sein K�nstlerauge und die K�nstlerlust
an sinnlichen Dingen sehr zustatten kommt. Eine f�r mich ausgew�hlte
Sammlung von Musterst�cken hat er vor kurzem nach Weimar abgesendet,
die mich bei meiner Zur�ckkunft freundlich empfangen soll. Ein
bedeutender Nachtrag hat sich indessen gefunden. Ein Geistlicher, der
sich jetzt in Frankreich aufh�lt und �ber die antiken Steinarten ein
Werk auszuarbeiten dachte, erhielt durch die Gunst der Propagande
ansehnliche St�cke Marmor von der Insel Paros. Diese wurden hier zu
Musterst�cken verschnitten, und zw�lf verschiedene St�cke auch f�r
mich beiseitegelegt vom feinsten bis zum gr�bsten Korn, von der
gr��ten Reinheit und dann minder und mehr mit Glimmer gemischt, jene
zur Bildhauerei, diese zur Architektur anwendbar. Wie viel eine
genaue Kenntnis des Materials, worin die K�nste gearbeitet, zu ihrer
Beurteilung hilft, f�llt genugsam in die Augen.
Nun mu� ich aber auch von einem wunderbaren problematischen Bilde
sprechen, das sich auf jene trefflichen Dinge noch immer gut sehen
l��t.
Schon vor mehrern Jahren hielt sich hier ein Franzos auf, als
Liebhaber der Kunst und Sammler bekannt. Er kommt zum Besitz eines
antiken Gem�ldes auf Kalk, niemand wei� woher; er l��t das Bild durch
Mengs restaurieren und hat es als ein gesch�tztes Werk in seiner
Sammlung. Winckelmann spricht irgendwo mit Enthusiasmus davon. Es
stellt den Ganymed vor, der dem Jupiter eine Schale Wein reicht und
dagegen einen Ku� empf�ngt. Der Franzose stirbt und hinterl��t das
Bild seiner Wirtin als antik. Mengs stirbt und sagt auf seinem
Todbette, es sei nicht antik, er habe es gemalt. Und nun streitet
alles gegeneinander. Der eine behauptet, es sei von Mengs zum Scherz
nur so leicht hingemacht, der andere Teil sagt, Mengs habe nie so
etwas machen k�nnen, ja es sei beinahe f�r Raffael zu sch�n. Ich habe
es gestern gesehn und mu� sagen, da� ich auch nichts Sch�neres kenne
als die Figur Ganymeds, Kopf und R�cken, das andere ist viel
restauriert. Indessen ist das Bild diskreditiert, und die arme Frau
will niemand von dem Schatz erl�sen.
Da uns die Erfahrung genugsam belehrt, da� man zu Gedichten jeder Art
Zeichnungen und Kupfer w�nscht, ja der Maler selbst seine
ausf�hrlichsten Bilder der Stelle irgendeines Dichters widmet, so ist
Tischbeins Gedanke h�chst beifallsw�rdig, da� Dichter und K�nstler
zusammenarbeiten sollten, um gleich vom Ursprunge herauf eine Einheit
zu bilden. Die Schwierigkeit w�rde um vieles freilich vermindert,
wenn es kleine Gedichte w�ren, die sich leicht �bersehen und f�rdern
lie�en.
Das Andenken dieses gl�cklichen Tages mu� ich durch einige Zeilen
lebhaft erhalten und, was ich genossen, wenigstens historisch
mitteilen. Es war das sch�nste, ruhigste Wetter, ein ganz heiterer
Himmel und warme Sonne. Ich ging mit Tischbein nach dem Petersplatze,
wo wir erst auf und ab gehend und, wenn es uns zu warm wurde, im
Schatten des gro�en Obelisks, der eben f�r zwei breit genug geworfen
wird, spazierten und Trauben verzehrten, die wir in der N�he gekauft
hatten. Dann gingen wir in die Sixtinische Kapelle, die wir auch hell
und heiter, die Gem�lde wohlerleuchtet fanden. Das "J�ngste Gericht"
und die mannigfaltigen Gem�lde der Decke, von Michelangelo, teilten
unsere Bewunderung. Ich konnte nur sehen und anstaunen. Die innere
Sicherheit und M�nnlichkeit des Meisters, seine Gro�heit geht �ber
allen Ausdruck. Nachdem wir alles wieder und wieder gesehen,
verlie�en wir dieses Heiligtum und gingen nach der Peterskirche, die
von dem heitern Himmel das sch�nste Licht empfing und in allen Teilen
hell und klar erschien. Wir erg�tzten uns als genie�ende Menschen an
der Gr��e und der Pracht, ohne durch allzu eklen und zu verst�ndigen
Geschmack uns diesmal irremachen zu lassen, und unterdr�ckten jedes
sch�rfere Urteil. Wir erfreuten uns des Erfreulichen.
Endlich bestiegen wir das Dach der Kirche, wo man das Bild einer
wohlgebauten Stadt im kleinen findet. H�user und Magazine, Brunnen,
(dem Ansehn nach) Kirchen und einen gro�en Tempel, alles in der Luft,
und sch�ne Spazierg�nge dazwischen. Wir bestiegen die Kuppel und
besahen die hell-heitere Gegend der Apenninen, den Berg Soracte, nach
Tivoli die vulkanischen H�gel, Frascati, Castel Gandolfo und die
Plaine und weiter das Meer. Nahe vor uns die ganze Stadt Rom in ihrer
Breite und Weite, mit ihren Bergpal�sten, Kuppeln etc. Es r�hrte sich
keine Luft, und in dem kupfernen Knopf war es hei� wie in einem
Treibhause. Nachdem wir das alles beherzigt hatten, stiegen wir herab
und lie�en uns die T�ren zu den Gesimsen der Kuppel, des Tambours und
des Schiffs aufschlie�en; man kann um selbe herumgehen und diese Teile
und die Kirche von oben betrachten. Als wir auf dem Gesimse des
Tambours standen, ging der Papst unten in der Tiefe vorbei, seine
Nachmittagsandacht zu halten. Es fehlte uns also nichts zur
Peterskirche. Wir stiegen v�llig wieder herab, nahmen in einem
benachbarten Gasthofe ein fr�hliches, frugales Mahl und setzten unsern
Weg nach der C�cilienkirche fort.
Viele Worte w�rde ich brauchen, um die Auszierung der ganz mit
Menschen angef�llten Kirche zu beschreiben. Man sah eben keinen Stein
der Architektur mehr. Die S�ulen waren mit rotem Samt �berzogen und
mit goldenen Tressen umwunden, die Kapit�le mit gesticktem Samt in
ungef�hrer Kapit�lform, so alle Gesimse und Pfeiler behangen und
bedeckt. Alle Zwischenr�ume der Mauern mit lebhaft gemalten St�cken
bekleidet, da� die ganze Kirche mit Mosaik ausgelegt schien, und �ber
zweihundert Wachskerzen brannten um und neben dem Hochaltar, so da�
die ganze eine Wand mit Lichtern besetzt und das Schiff der Kirche
vollkommen erleuchtet war. Die Seiteng�nge und Seitenalt�re ebenso
geziert und erhellt. Gegen dem Hochaltar �ber, unter der Orgel, zwei
Ger�ste, auch mit Samt �berzogen, auf deren einem die S�nger, auf dem
andern die Instrumente standen, die anhaltend Musik machten. Die
Kirche war voll gedr�ngt.
Eine sch�ne Art musikalischer Auff�hrung h�rt' ich hier. Wie man
Violin--oder andere Konzerte hat, so f�hren sie Konzerte mit Stimmen
auf, da� die eine Stimme, der Sopran z. B., herrschend ist und solo
singt, das Chor von Zeit zu Zeit einf�llt und ihn begleitet, es
versteht sich, immer mit dem ganzen Orchester. Es tut gute Wirkung.
--Ich mu� endigen, wie wir den Tag enden mu�ten. Den Abend gelangten
wir noch ans Opernhaus, wo eben die "Litiganti" aufgef�hrt wurden, und
hatten des Guten so viel genossen, da� wir vor�bergingen.
Damit es mir denn aber doch mit meinem beliebten Inkognito nicht wie
dem Vogel Strau� ergehe, der sich f�r versteckt h�lt, wenn er den Kopf
verbirgt, so gebe ich auf gewisse Weise nach, meine alte These
immerfort behauptend. Den F�rsten von Liechtenstein, den Bruder der
mir so werten Gr�fin Harrach, habe ich gern begr��t und einigemal bei
ihm gespeist, und konnte bald merken, da� diese meine Nachgiebigkeit
mich weiter f�hren w�rde, und so kam es auch. Man hatte mir von dem
Abbate Monti pr�ludiert, von seinem "Aristodem", einer Trag�die, die
n�chstens gegeben werden sollte. Der Verfasser, sagte man, w�nsche
sie mir vorzulegen und meine Meinung dar�ber zu h�ren. Ich lie� die
Sache fallen, ohne sie abzulehnen, endlich fand ich einmal den Dichter
und einen seiner Freunde beim F�rsten, und das St�ck ward vorgelesen.
Der Held ist, wie bekannt, ein K�nig von Sparta, der sich wegen
allerlei Gewissensskrupel selbst entleibt, und man gab mir auf eine
artige Weise zu verstehen, der Verfasser des "Werthers" w�rde wohl
nicht �bel finden, wenn er in diesem St�cke einige Stellen seines
trefflichen Buches benutzt finde. Und so konnte ich selbst in den
Mauern von Sparta den erz�rnten Manen des ungl�cklichen J�nglings
nicht entgehen.
Das St�ck hat einen sehr einfachen, ruhigen Gang, die Gesinnungen wie
die Sprache sind, dem Gegenstande gem��, kr�ftig und doch weichm�tig.
Die Arbeit zeugt von einem sehr sch�nen Talente.
Ich verfehlte nicht, nach meiner Weise, freilich nicht nach der
italienischen, alles Gute und Lobensw�rdige des St�cks herauszuheben,
womit man zwar leidlich zufrieden war, aber doch mit s�dlicher
Ungeduld etwas mehr verlangte. Besonders sollte ich weissagen, was
von dem Effekt des St�cks auf das Publikum zu hoffen sei. Ich
entschuldigte mich mit meiner Unkunde des Landes, der Vorstellungsart
und des Geschmacks, war aber aufrichtig genug, hinzuzusetzen, da� ich
nicht recht einsehe, wie die verw�hnten R�mer, die ein komplettes
Lustspiel von drei Akten und eine komplette Oper von zwei Akten als
Zwischenspiel oder eine gro�e Oper mit ganz fremdartigen Balletts als
Intermezz zu sehen gewohnt seien, sich an dem edlen, ruhigen Gang
einer ununterbrochen fortgehenden Trag�die erg�tzen k�nnten. Alsdann
schien mir auch der Gegenstand des Selbstmordes ganz au�er dem Kreise
italienischer Begriffe zu liegen. Da� man andere totschlage, davon
h�tte ich fast Tag f�r Tag zu h�ren, da� man sich aber selbst das
liebe Leben raube, oder es nur f�r m�glich hielte, davon sei mir noch
nichts vorgekommen.
Hierauf lie� ich mich gern umst�ndlich unterrichten, was gegen meinen
Unglauben einzuwenden sein m�chte, und ergab mich sehr gern in die
plausibeln Argumente, versicherte auch, da� ich nichts mehr w�nsche,
als das St�ck auff�hren zu sehen und demselben mit einem Chor von
Freunden den aufrichtigsten, lautesten Beifall zu zollen. Diese
Erkl�rung wurde freundlichst aufgenommen, und ich hatte alle Ursache,
diesmal mit meiner Nachgiebigkeit zufrieden zu sein--wie denn F�rst
Liechtenstein die Gef�lligkeit selbst ist und mir Gelegenheit
geschafft hat, mit ihm gar manche Kunstsch�tze zu sehen, wozu
besondere Erlaubnis der Besitzer und also eine h�here Einwirkung n�tig
ist.
Dagegen aber reichte mein guter Humor nicht hin, als die Tochter des
Pr�tendenten das fremde Murmeltier gleichfalls zu sehen verlangte.
Das habe ich abgelehnt und bin ganz entschieden wieder untergetaucht.
Und doch ist das auch nicht die ganz rechte Art, und ich f�hle hier
sehr lebhaft, was ich schon fr�her im Leben bemerken konnte, da� der
Mensch, der das Gute will, sich ebenso t�tig und r�hrig gegen andere
verhalten m�sse als der Eigenn�tzige, der Kleine, der B�se. Einsehen
l��t sich's gut; es ist aber schwer in diesem Sinne handeln.
Von der Nation w��te ich nichts weiter zu sagen, als da� es
Naturmenschen sind, die unter Pracht und W�rde der Religion und der
K�nste nicht ein Haar anders sind, als sie in H�hlen und W�ldern auch
sein w�rden. Was allen Fremden auff�llt, und was heute wieder die
ganze Stadt reden, aber auch nur reden macht, sind die Totschl�ge, die
gew�hnlich vorkommen. Viere sind schon in unserm Bezirk in diesen
drei Wochen ermordet worden. Heute ward ein braver K�nstler
Schwendimann, ein Schweizer, Medailleur, der letzte Sch�ler von
Hedlinger, �berfallen, v�llig wie Winckelmann. Der M�rder, mit dem er
sich herumbalgte, gab ihm an die zwanzig Stiche, und da die Wache
hinzukam, erstach sich der B�sewicht selbst. Das ist sonst hier nicht
Mode. Der M�rder erreicht eine Kirche, und so ist's gut.
Den 1. Dezember.
Moritz ist hier, der uns durch "Anton Reiser" und die "Wanderungen
nach England" merkw�rdig geworden. Es ist ein reiner, trefflicher
Mann, an dem wir viel Freude haben.
Den 1. Dezember.
Hier in Rom, wo man so viel Fremde sieht, die nicht alle der h�heren
Kunst wegen diese Hauptstadt der Welt besuchen, sondern auch wohl auf
andere Art unterhalten sein wollen, ist man auf allerlei vorbereitet.
Es gibt so gewisse Halbk�nste, welche Handgeschicklichkeit und
Handwerkslust verlangen, worin man es hier sehr weit gebracht hat und
die Fremden gern mit ins Interesse zieht.
Dahin geh�rt die Wachsmalerei, die einen jeden, der sich einigerma�en
mit Wasserfarben abgegeben hat, durch ihre Vorarbeiten und
Vorbereitungen, sodann zuletzt durch das Einbrennen, und was sonst
noch dazu geh�rt, mechanisch besch�ftigen und einen oft geringen
Kunstwert durch die Neuheit des Unternehmens erh�hen kann. Es gibt
geschickte K�nstler, die hierin Unterricht geben und unter dem Vorwand
der Anleitung oft das Beste bei der Sache tun, so da� zuletzt, wenn
das von Wachs erh�hte und gl�nzende Bild in goldenem Rahmen erscheint,
die sch�ne Sch�lerin ganz �berrascht von ihrem unbewu�ten Talent
dasteht.
Das sch�ne, warme, ruhige Wetter, das nur manchmal von einigen
Regentagen unterbrochen wird, ist mir zu Ende Novembers ganz was Neues.
Wir gebrauchen die gute Zeit in freier Luft, die b�se im Zimmer,
�berall findet sich etwas zum Freuen, Lernen und Tun.
Wir gingen von da auf die Logen Raffaels, und kaum darf ich sagen, da�
man diese nicht ansehen durfte. Das Auge war von jenen gro�en Formen
und der herrlichen Vollendung aller Teile so ausgeweitet und verw�hnt,
da� man die geistreichen Spielereien der Arabesken nicht ansehen
mochte, und die biblischen Geschichten, so sch�n sie sind, hielten auf
jene nicht Stich. Diese Werke nun �fter gegeneinander zu sehen, mit
mehr Mu�e und ohne Vorurteil zu vergleichen, mu� eine gro�e Freude
gew�hren; denn anfangs ist doch alle Teilnahme nur einseitig.
Von da schlichen wir, fast bei zu warmem Sonnenschein, auf die Villa
Pamfili, wo sehr sch�ne Gartenpartien sind, und blieben bis an den
Abend. Eine gro�e, mit immergr�nen Eichen und hohen Pinien eingefa�te
flache Wiese war ganz mit Ma�lieben �bers�et, die ihre K�pfchen alle
nach der Sonne wendeten; nun gingen meine botanischen Spekulationen an,
denen ich den andern Tag auf einem Spaziergange nach dem Monte Mario,
der Villa Melini und Villa Madama weiter nachhing. Es ist gar
interessant, zu bemerken, wie eine lebhaft fortgesetzte und durch
starke K�lte nicht unterbrochene Vegetation wirkt; hier gibt's keine
Knospen, und man lernt erst begreifen, was eine Knospe sei. Der
Erdbeerbaum (arbutus unedo) bl�ht jetzt wieder, indem seine letzten
Fr�chte reif werden, und so zeigt sich der Orangenbaum mit Bl�ten,
halb und ganz reifen Fr�chten (doch werden letztere B�ume, wenn sie
nicht zwischen Geb�uden stehen, nun bedeckt). �ber die Zypresse, den
respektabelsten Baum, wenn er recht alt und wohl gewachsen ist, gibt's
genug zu denken. Ehstens werd' ich den botanischen Garten besuchen
und hoffe, da manches zu erfahren. �berhaupt ist mit dem neuen Leben,
das einem nachdenkenden Menschen die Betrachtung eines neuen Landes
gew�hrt, nichts zu vergleichen. Ob ich gleich noch immer derselbe bin,
so mein' ich, bis aufs innerste Knochenmark ver�ndert zu sein.
F�r diesmal schlie�' ich und werde das n�chste Blatt einmal ganz von
Unheil, Mord, Erdbeben und Ungl�ck anf�llen, da� doch auch Schatten in
meine Gem�lde komme.
Den 3. Dezember.
Die Witterung hat bisher meist von sechs zu sechs Tagen abgewechselt.
Zwei ganz herrliche, ein tr�ber, zwei bis drei Regentage und dann
wieder sch�ne. Ich suche jeden nach seiner Art aufs beste zu nutzen.
Doch immer sind mir noch diese herrlichen Gegenst�nde wie neue
Bekanntschaften. Man hat nicht mit ihnen gelebt, ihnen ihre
Eigent�mlichkeiten nicht abgewonnen. Einige rei�en uns mit Gewalt an
sich, da� man eine Zeitlang gleichg�ltig, ja ungerecht gegen andere
wird. So hat z. B. das Pantheon, der Apoll von Belvedere, einige
kolossale K�pfe und neuerlich die Sixtinische Kapelle so mein Gem�t
eingenommen, da� ich daneben fast nichts mehr sehe. Wie will man sich
aber klein wie man ist und ans Kleine gewohnt, diesem Edlen,
Ungeheuren, Gebildeten gleichstellen? Und wenn man es einigerma�en
zurechtr�cken m�chte, so dr�ngt sich abermals eine ungeheure Menge von
allen Seiten zu, begegnet dir auf jedem Schritt, und jedes fordert f�r
sich den Tribut der Aufmerksamkeit. Wie will man sich da
herausziehen? Anders nicht, als da� man es geduldig wirken und
wachsen l��t und flei�ig auf das merkt, was andere zu unsern Gunsten
gearbeitet haben.
Den 5. Dezember.
In den wenigen Wochen, da ich hier bin, habe ich schon manchen Fremden
kommen und gehen sehen und mich �ber die Leichtigkeit verwundert, mit
welcher so viele diese w�rdigen Gegenst�nde behandeln. Gott sei Dank,
da� mir von diesen Zugv�geln k�nftig keiner mehr imponiert, wenn er
mir im Norden von Rom spricht, keiner mir die Eingeweide mehr erregt;
denn ich hab's doch auch gesehn und wei� schon einigerma�en, woran ich
bin.
Den 8. Dezember.
Wir haben mitunter die sch�nsten Tage. Der Regen, der von Zeit zu
Zeit f�llt, macht Gras und Gartenkr�uter gr�n. Die immergr�nen B�ume
stehen auch hier hin und wieder, so da� man das abgefallene Laub der
�brigen kaum vermi�t. In den G�rten stehen Pomeranzenb�ume voller
Fr�chte, aus der Erde wachsend und unbedeckt.
Von einer sehr angenehmen Spazierfahrt, die wir ans Meer machten, und
von dem Fischfang daselbst dachte ich umst�ndlich zu erz�hlen, als
abends der gute Moritz hereinreitend den Arm brach, indem sein Pferd
auf dem glatten r�mischen Pflaster ausglitschte. Das zerst�rte die
ganze Freude und brachte in unsern kleinen Zirkel ein b�ses Hauskreuz.
Wie herzlich freut es mich, da� ihr mein Verschwinden so ganz, wie ich
w�nschte, genommen habt. Vers�hnt mir nun auch jedes Gem�t, das daran
d�rfte Ansto� genommen haben. Ich habe niemand kr�nken wollen und
kann nun auch nichts sagen, um mich zu rechtfertigen. Gott beh�te
mich, da� ich jemals mit den Pr�missen zu diesem Entschlusse einen
Freund betr�be.
Ich erhole mich nun hier nach und nach von meinem salto mortale und
studiere mehr, als da� ich genie�e. Rom ist eine Welt, und man
braucht Jahre, um sich nur erst drinnen gewahr zu werden. Wie
gl�cklich find' ich die Reisenden, die sehen und gehn.
Heute fr�h fielen mir Winckelmanns Briefe, die er aus Italien schrieb,
in die Hand. Mit welcher R�hrung hab' ich sie zu lesen angefangen!
Vor einunddrei�ig Jahren, in derselben Jahreszeit kam er, ein noch
�rmerer Narr als ich, hier her, ihm war es auch so deutsch Ernst um
das Gr�ndliche und Sichere der Altert�mer und der Kunst. Wie brav und
gut arbeitete er sich durch! Und was ist mir nun aber auch das
Andenken dieses Mannes auf diesem Platze!
Au�er den Gegenst�nden der Natur, die in allen ihren Teilen wahr und
konsequent ist, spricht doch nichts so laut als die Spur eines guten,
verst�ndigen Mannes, als die echte Kunst, die ebenso folgerecht ist
als jene. Hier in Rom kann man das recht f�hlen, wo so manche
Willk�rlichkeit gew�tet hat, wo so mancher Unsinn durch Macht und Geld
verewigt worden.
Das Gesagte pa�t recht auf meine Art, den Sachen hier nachzugehn, und
gewi�, man hat au�er Rom keinen Begriff, wie man hier geschult wird.
Man mu� sozusagen wiedergeboren werden, und man sieht auf seine
vorigen Begriffe wie auf Kinderschuhe zur�ck. Der gemeinste Mensch
wird hier zu etwas, wenigstens gewinnt er einen ungemeinen Begriff,
wenn es auch nicht in sein Wesen �bergehen kann.
Dieser Brief kommt euch zum neuen Jahre, alles Gl�ck zum Anfange, vor
Ende sehn wir uns wieder, und das wird keine geringe Freude sein. Das
vergangene war das wichtigste meines Lebens; ich mag nun sterben oder
noch eine Weile dauern, in beiden F�llen war es gut. Jetzt noch ein
Wort an die Kleinen.
Den Kindern m�gt ihr folgendes lesen oder erz�hlen: Man merkt den
Winter nicht, die G�rten sind mit immergr�nen B�umen bepflanzt, die
Sonne scheint hell und warm, Schnee sieht man nur auf den
entferntesten Bergen gegen Norden. Die Zitronenb�ume, die in den
G�rten an den W�nden gepflanzt sind, werden nun nach und nach mit
Decken von Rohr �berdeckt, die Pomeranzenb�ume aber bleiben frei
stehen. Es h�ngen viele Hunderte der sch�nsten Fr�chte an so einem
Baum, der nicht wie bei uns beschnitten und in einen K�bel gepflanzt
ist, sondern in der Erde frei und froh in einer Reihe mit seinen
Br�dern steht. Man kann sich nichts Lustigeres denken als einen
solchen Anblick. F�r ein geringes Trinkgeld i�t man deren so viel man
will. Sie sind schon jetzt recht gut, im M�rz werden sie noch besser
sein.
Neulich waren wir am Meere und lie�en einen Fischzug tun; da kamen die
wunderlichsten Gestalten zum Vorschein an Fischen, Krebsen und
seltsamen Unformen; auch der Fisch, der dem Ber�hrenden einen
elektrischen Schlag gibt.
Und doch ist das alles mehr M�he und Sorge als Genu�. Die
Wiedergeburt, die mich von innen heraus umarbeitet, wirkt immer fort.
Ich dachte wohl, hier was Rechts zu lernen; da� ich aber so weit in
die Schule zur�ckgehen, da� ich so viel verlernen, ja durchaus
umlernen m��te, dachte ich nicht. Nun bin ich aber einmal �berzeugt
und habe mich ganz hingegeben, und je mehr ich mich selbst verleugnen
mu�, desto mehr freut es mich. Ich bin wie ein Baumeister, der einen
Turm auff�hren wollte und ein schlechtes Fundament gelegt hatte; er
wird es noch beizeiten gewahr und bricht gern wieder ab, was er schon
aus der Erde gebracht hat, seinen Grundri� sucht er zu erweitern, zu
veredeln, sich seines Grundes mehr zu versichern, und freut sich schon
im voraus der gewissern Festigkeit des k�nftigen Baues. Gebe der
Himmel, da� bei meiner R�ckkehr auch die moralischen Folgen an mir zu
f�hlen sein m�chten, die mir das Leben in einer weitern Welt gebracht
hat. Ja, es ist zugleich mit dem Kunstsinn der sittliche, welcher
gro�e Erneuerung leidet.
Doktor M�nter ist hier, von seiner Reise nach Sizilien zur�ckkehrend,
ein energischer, heftiger Mann, seine Zwecke kenne ich nicht. Er wird
im Mai zu euch kommen und mancherlei zu erz�hlen wissen. Er reiste
zwei Jahr in Italien. Mit den Italienern ist er unzufrieden, welche
die bedeutenden Empfehlungsschreiben, die er mitgebracht, und die ihm
manches Archiv, manche geheime Bibliothek er�ffnen sollten, nicht
genugsam respektiert, so da� er nicht v�llig zu seinen W�nschen
gelangt.
Sch�ne M�nzen hat er gesammelt und besitzt, wie er mir sagte, ein
Manuskript, welches die M�nzwissenschaft auf scharfe Kennzeichen, wie
die Linn�schen sind, zur�ckf�hrt. Herder erkundigt sich wohl mehr
darum, vielleicht wird eine Abschrift erlaubt. So etwas zu machen,
ist m�glich, gut, wenn es gemacht ist, und wir m�ssen doch auch, fr�h
oder spat, in dieses Fach ernstlicher hinein.
Goethe am Fenster seiner Wohnung in Rom. Tuschezeichnung von
Tischbein
Ich fange nun schon an, die besten Sachen zum zweitenmal zu sehen, wo
denn das erste Staunen sich in ein Mitleben und reineres Gef�hl des
Wertes der Sache aufl�st. Um den h�chsten Begriff dessen, was die
Menschen geleistet haben, in sich aufzunehmen, mu� die Seele erst zur
vollkommenen Freiheit gelangen.
Der Marmor ist ein seltsames Material, deswegen ist Apoll von
Belvedere im Urbilde so grenzenlos erfreulich, denn der h�chste Hauch
des lebendigen, j�nglingsfreien, ewig jungen Wesens verschwindet
gleich im besten Gipsabgu�.
Und doch, was f�r eine Freude bringt es, zu einem Gipsgie�er
hineinzutreten, wo man die herrlichen Glieder der Statuen einzeln aus
der Form hervorgehen sieht und dadurch ganz neue Ansichten der
Gestalten gewinnt. Alsdann erblickt man nebeneinander, was sich in
Rom zerstreut befindet, welches zur Vergleichung unsch�tzbar dienlich
ist. Ich habe mich nicht enthalten k�nnen, den kolossalen Kopf eines
Jupiters anzuschaffen. Er steht meinem Bette gegen�ber, wohl
beleuchtet, damit ich sogleich meine Morgenandacht an ihn richten kann,
und der uns bei aller seiner Gro�heit und W�rde das lustigste
Geschichtchen veranla�t hat.
Unserer alten Wirtin schleicht gew�hnlich, wenn sie das Bett zu machen
hereinkommt, ihre vertraute Katze nach. Ich sa� im gro�en Saale und
h�rte die Frau drinne ihr Gesch�ft treiben. Auf einmal, sehr eilig
und heftig gegen ihre Gewohnheit, �ffnet sie die T�re und ruft mich,
eilig zu kommen und ein Wunder zu sehen. Auf meine Frage, was es sei,
erwiderte sie, die Katze bete Gott-Vater an. Sie habe diesem Tiere
wohl l�ngst angemerkt, da� es Verstand habe wie ein Christ, dieses
aber sei doch ein gro�es Wunder. Ich eilte, mit eigenen Augen zu
sehen, und es war wirklich wunderbar genug. Die B�ste steht auf einem
hohen Fu�e, und der K�rper ist weit unter der Brust abgeschnitten, so
da� also der Kopf in die H�he ragt. Nun war die Katze auf den Tisch
gesprungen, hatte ihre Pfoten dem Gott auf die Brust gelegt, und
reichte mit ihrer Schnauze, indem sie die Glieder m�glichst ausdehnte,
gerade bis an den heiligen Bart, den sie mit der gr��ten Zierlichkeit
beleckte und sich weder durch die Interjektion der Wirtin noch durch
meine Dazwischenkunft im mindesten st�ren lie�. Der guten Frau lie�
ich ihre Verwundrung, erkl�rte mir aber diese seltsame Katzenandacht
dadurch, da� dieses scharf riechende Tier wohl das Fett m�chte gesp�rt
haben, das sich aus der Form in die Vertiefungen des Bartes gesenkt
und dort verhalten hatte.
Von Tischbein mu� ich noch vieles erz�hlen und r�hmen, wie ganz
original deutsch er sich aus sich selbst herausbildete, sodann aber
dankbar melden, da� er die Zeit seines zweiten Aufenthalts in Rom �ber
f�r mich gar freundschaftlich gesorgt hat, indem er mir eine Reihe
Kopien nach den besten Meistern fertigen lie�, einige in schwarzer
Kreide, andere in Sepia und Aquarell, die erst in Deutschland, wo man
von den Originalen entfernt ist, an Wert gewinnen und mich an das
Beste erinnern werden.
Den zweiten Teil der "Zerstreuten Bl�tter" brachte ich mit hieher und
war doppelt willkommen. Wie gut dies B�chlein auch bei wiederholtem
Lesen wirkt, sollte wohl Herder zu seiner Belohnung recht umst�ndlich
erfahren. Tischbein wollte gar nicht begreifen, wie man so etwas habe
schreiben k�nnen, ohne in Italien gewesen zu sein.
Ja, es ist hier wie allenthalben, und was mit mir und durch mich
geschehen k�nnte, macht mir schon Langeweile, ehe es geschieht. Man
mu� sich zu einer Partei schlagen, ihre Leidenschaften und Kabalen
verfechten helfen, K�nstler und Dilettanten loben, Mitwerber
verkleinern, sich von Gro�en und Reichen alles gefallen lassen. Diese
s�mtliche Litanei, um derentwillen man aus der Welt laufen m�chte,
sollte ich hier mitbeten und ganz ohne Zweck?
Nein, ich gehe nicht tiefer, als nur um das auch zu kennen und dann
auch von dieser Seite zu Hause zufrieden zu sein und mir und andern
alle Lust in die liebe weite Welt zu benehmen. Ich will Rom sehen,
das bestehende, nicht das mit jedem Jahrzehnt vor�bergehende. H�tte
ich Zeit, ich wollte sie besser anwenden. Besonders liest sich
Geschichte von hier aus ganz anders als an jedem Orte der Welt.
Anderw�rts liest man von au�en hinein, hier glaubt man, von innen
hinaus zu lesen, es lagert sich alles um uns her und geht wieder aus
von uns. Und das gilt nicht allein von der r�mischen Geschichte,
sondern von der ganzen Weltgeschichte. Kann ich doch von hier aus die
Eroberer bis an die Weser und bis an den Euphrat begleiten oder, wenn
ich ein Maulaffe sein will, die zur�ckkehrenden Triumphatoren in der
heiligen Stra�e erwarten, indessen habe ich mich von Korn--und
Geldspenden gen�hrt und nehme behaglich teil an aller dieser
Herrlichkeit.
Ihr habt mich oft ausgespottet und zur�ckziehen wollen, wenn ich
Steine, Kr�uter und Tiere mit besonderer Neigung aus gewissen
entschiedenen Gesichtspunkten betrachtete: nun richte ich meine
Aufmerksamkeit auf den Baumeister, Bildhauer und Maler und werde mich
auch hier finden lernen.
Den 6. Januar.
Eben komme ich von Moritz, dessen geheilter Arm heute aufgebunden
worden. Es steht und geht recht gut. Was ich diese vierzig Tage bei
diesem Leidenden als W�rter, Beichtvater und Vertrauter, als
Finanzminister und geheimer Sekret�r erfahren und gelernt, mag uns in
der Folge zugute kommen. Die fatalsten Leiden und die edelsten
Gen�sse gingen diese Zeit her immer einander zur Seite.
Ich habe aber auch f�r die Zukunft die N�he einer so guten
Gesellschaft wohl verdient, denn ich kann nun vermelden, da�
"Iphigenia" endlich fertig geworden ist, d. h. da� sie in zwei
ziemlich gleichlautenden Exemplaren vor mir auf dem Tische liegt,
wovon das eine n�chstens zu euch wandern soll. Nehmt es freundlich
auf, denn freilich steht nicht auf dem Papiere, was ich gesollt, wohl
aber kann man erraten, was ich gewollt habe.
Ihr beklagtet euch schon einigemal �ber dunkle Stellen meiner Briefe,
die auf einen Druck hindeuten, den ich unter den herrlichsten
Erscheinungen erleide. Hieran hatte diese griechische Reisegef�hrtin
nicht geringen Anteil, die mich zur T�tigkeit n�tigte, wenn ich h�tte
schauen sollen.
Ich erinnerte mich jenes trefflichen Freundes, der sich auf eine gro�e
Reise eingerichtet hatte, die man wohl eine Entdeckungsreise h�tte
nennen k�nnen. Nachdem er einige Jahre darauf studiert und
�konomisiert, fiel es ihm zuletzt noch ein, die Tochter eines
angesehenen Hauses zu entf�hren, weil er dachte, es ging' in einem hin.
Als ich den Brenner verlie�, nahm ich sie aus dem gr��ten Paket und
steckte sie zu mir. Am Gardasee, als der gewaltige Mittagswind die
Wellen ans Ufer trieb, wo ich wenigstens so allein war als meine
Heldin am Gestade von Tauris, zog ich die ersten Linien der neuen
Bearbeitung, die ich in Verona, Vicenz, Padua, am flei�igsten aber in
Venedig fortsetzte. Sodann aber geriet die Arbeit in Stocken, ja, ich
ward auf eine neue Erfindung gef�hrt, n�mlich "Iphigenia auf Delphi"
zu schreiben, welches ich auch sogleich getan h�tte, wenn nicht die
Zerstreuung und ein Pflichtsgef�hl gegen das �ltere St�ck mich
abgehalten h�tte.
Den 6. Januar.
Da� ich auch einmal wieder von kirchlichen Dingen rede, so will ich
erz�hlen, da� wir die Christnacht herumschw�rmten und die Kirchen
besuchten, wo Funktionen gehalten werden. Eine besonders ist sehr
besucht, deren Orgel und Musik �berhaupt so eingerichtet ist, da� zu
einer Pastoral-Musik nichts an Kl�ngen abgeht, weder die Schalmeien
der Hirten, noch das Zwitschern der V�gel, noch das Bl�ken der Schafe.
Am ersten Christfeste sah ich den Papst und die ganze Klerisei in der
Peterskirche, da er zum Teil vor dem Thron, zum Teil vom Thron herab
das Hochamt hielt. Es ist ein einziges Schauspiel in seiner Art,
pr�chtig und w�rdig genug, ich bin aber im protestantischen
Diogenismus so alt geworden, da� mir diese Herrlichkeit mehr nimmt als
gibt; ich m�chte auch wie mein frommer Vorfahre zu diesen geistlichen
Welt�berwindern sagen: "Verdeckt mir doch nicht die Sonne h�herer
Kunst und reiner Menschheit."
Auch da hab' ich wieder gef�hlt, da� ich f�r alles zu alt bin, nur
f�rs Wahre nicht. Ihre Zeremonien und Opern, ihre Umg�nge und
Ballette, es flie�t alles wie Wasser von einem Wachstuchmantel an mir
herunter. Eine Wirkung der Natur hingegen wie der Sonnenuntergang,
von Villa Madama gesehen, ein Werk der Kunst wie die viel verehrte
Juno machen tiefen und bleibenden Eindruck.
Nun graut mir schon vor dem Theaterwesen. Die n�chste Woche werden
sieben B�hnen er�ffnet. Anfossi ist selbst hier und gibt "Alexander
in Indien"; auch wird ein "Cyrus" gegeben und die "Eroberung von
Troja" als Ballett. Das w�re was f�r die Kinder.
Hier folgt denn also das Schmerzenskind, denn dieses Beiwort verdient
"Iphigenia", aus mehr als einem Sinne. Bei Gelegenheit, da� ich sie
unsern K�nstlern vorlas, strich ich verschiedene Zeilen an, von denen
ich einige nach meiner �berzeugung verbesserte, die andern aber
stehenlasse, ob vielleicht Herder ein paar Federz�ge hineintun will.
Ich habe mich daran ganz stumpf gearbeitet.
Denn warum ich die Prosa seit mehreren Jahren bei meinen Arbeiten
vorzog, daran war doch eigentlich schuld, da� unsere Prosodie in der
gr��ten Unsicherheit schwebt, wie denn meine einsichtigen, gelehrten,
mitarbeitenden Freunde die Entscheidung mancher Fragen dem Gef�hl, dem
Geschmack anheimgeben, wodurch man denn doch aller Richtschnur
ermangelte.
Es ist auffallend, da� wir in unserer Sprache nur wenige Silben finden,
die entschieden kurz oder lang sind. Mit den andern verf�hrt man
nach Geschmack oder Willk�r. Nun hat Moritz ausgekl�gelt, da� es eine
gewisse Rangordnung der Silben gebe, und da� die dem Sinne nach
bedeutendere gegen eine weniger bedeutende lang sei und jene kurz
mache, dagegen aber auch wieder kurz werden k�nne, wenn sie in die
N�he von einer andern ger�t, welche mehr Geistesgewicht hat. Hier ist
denn doch ein Anhalten, und wenn auch damit nicht alles getan w�re, so
hat man doch indessen einen Leitfaden, an dem man sich hinschlingen
kann. Ich habe diese Maxime �fters zu Rate gezogen und sie mit meiner
Empfindung �bereinstimmend getroffen.
Da ich oben von einer Vorlesung sprach, so mu� ich doch auch, wie es
damit zugegangen, k�rzlich erw�hnen. Diese jungen M�nner, an jene
fr�heren, heftigen, vordringenden Arbeiten gew�hnt, erwarteten etwas
Berlichingisches und konnten sich in den ruhigen Gang nicht gleich
finden; doch verfehlten die edlen und reinen Stellen nicht ihre
Wirkung. Tischbein, dem auch diese fast g�nzliche Ent�u�erung der
Leidenschaft kaum zu Sinne wollte, brachte ein artiges Gleichnis oder
Symbol zum Vorschein. Er verglich es einem Opfer, dessen Rauch, von
einem sanften Luftdruck niedergehalten, an der Erde hinzieht, indessen
die Flamme freier nach der H�he zu gewinnen sucht. Er zeichnete dies
sehr h�bsch und bedeutend. Das Bl�ttchen lege ich bei.
Und so hat mich denn diese Arbeit, �ber die ich bald hinauszukommen
dachte, ein v�lliges Vierteljahr unterhalten und aufgehalten, mich
besch�ftigt und gequ�lt. Es ist nicht das erste Mal, da� ich das
Wichtigste nebenher tue, und wir wollen dar�ber nicht weiter
grillisieren und rechten.
Einen h�bschen geschnittenen Stein lege ich bei, ein L�wchen, dem eine
Bremse vor der Nase schnurrt. Die Alten liebten diesen Gegenstand und
haben ihn oft wiederholt. Ich w�nsche, da� ihr damit k�nftig eure
Briefe siegelt, damit durch diese Kleinigkeit eine Art von Kunstecho
von euch zu mir her�berschalle.
Wieviel h�tte ich jeden Tag zu sagen, und wie sehr h�lt mich
Anstrengung und Zerstreuung ab, ein kluges Wort aufs Papier zu bringen.
Dazu kommen noch die frischen Tage, wo es �berall besser ist als in
den Zimmern, die ohne Ofen und Kamin uns nur zum Schlafen oder
Mi�behagen aufnehmen. Einige Vorf�lle der letzten Woche darf ich
jedoch nicht unber�hrt lassen.
Nun noch ein Geschichtchen, wie lose man im heiligen Rom das Heilige
behandelt. Der verstorbene Kardinal Albani war in einer solchen
Festversammlung, wie ich sie eben beschrieben. Einer der Sch�ler fing
in einer fremden Mundart an, gegen die Kardin�le gewendet: "Gnaja!
gnaja!", so da� es ungef�hr klang wie "Canaglia! canaglia!". Der
Kardinal wendete sich zu seinen Mitbr�dern und sagte: "Der kennt uns
doch!"
Und so ist denn endlich auch "Aristodem", und zwar sehr gl�cklich und
mit dem gr��ten Beifall, aufgef�hrt. Da Abbate Monti zu den
Hausverwandten des Nepoten geh�rt und in den obern St�nden sehr
gesch�tzt ist, so war von daher alles Gute zu hoffen. Auch sparten
die Logen ihren Beifall nicht. Das Parterre war gleich von vornherein
durch die sch�ne Diktion des Dichters und die treffliche Rezitation
der Schauspieler gewonnen, und man vers�umte keine Gelegenheit, seine
Zufriedenheit an den Tag zu legen. Die deutsche K�nstlerbank
zeichnete sich dabei nicht wenig aus, und es war diesmal ganz am
Platze, da sie �berhaupt ein wenig vorlaut ist.
Der Verfasser war zu Hause geblieben, voller Sorge wegen des Gelingens
des St�cks, von Akt zu Akt kamen g�nstige Botschaften, welche nach und
nach seine Besorglichkeit in die gr��te Freude verwandelten. Nun
fehlt es nicht an Wiederholung der Vorstellung, und alles ist in dem
besten Gleise. So kann man durch die entgegengesetztesten Dinge, wenn
nur jedes sein ausgesprochenes Verdienst hat, den Beifall der Menge
sowohl als der Kenner erwerben.
Aber die Vorstellung war auch sehr l�blich, und der Hauptakteur, der
das ganze St�ck ausf�llt, sprach und spielte vortrefflich: man glaubte
einen der alten Kaiser auftreten zu sehen. Sie hatten das Kost�m, das
uns an den Statuen so sehr imponiert, recht gut in Theaterpracht
�bersetzt, und man sah dem Schauspieler an, da� er die Antiken
studiert hatte.
Ein gro�er Kunstverlust steht Rom bevor. Der K�nig von Neapel l��t
den Herkules Farnese in seine Residenz bringen. Die K�nstler trauern
s�mtlich, indessen werden wir bei dieser Gelegenheit etwas sehen, was
unsern Vorfahren verborgen blieb.
Gedachte Statue n�mlich vom Kopf bis an die Knie und sodann die
unteren F��e mit dem Sockel, worauf sie stehen, wurde auf farnesischem
Grund und Boden gefunden, die Beine aber, vom Knie bis an die Kn�chel,
fehlten und wurden durch Wilhelm Porta ersetzt. Auf diesen steht er
nun bis auf den heutigen Tag. Indessen waren auf borghesischem Grund
und Boden die echten alten Beine gefunden worden, die man denn auch in
der Borghesischen Villa aufgestellt sah.
Gestern, als am Feste des heiligen Antonius Abbas, machten wir uns
einen lustigen Tag, es war das sch�nste Wetter von der Welt, hatte die
Nacht Eis gefroren, und der Tag war heiter und warm.
Es l��t sich bemerken, da� alle Religionen, die entweder ihren Kultus
oder ihre Spekulationen ausdehnten, zuletzt dahin gelangen mu�ten, da�
sie auch die Tiere einigerma�en geistlicher Beg�nstigungen teilhaft
werden lie�en. Sankt Anton, der Abt oder Bischof, ist Patron der
vierf��igen Gesch�pfe, sein Fest ein saturnalischer Feiertag f�r die
sonst belasteten Tiere sowie f�r ihre W�rter und Lenker. Alle
Herrschaften m�ssen heute zu Hause bleiben oder zu Fu� gehen, man
verfehlt niemals, bedenkliche Geschichten zu erz�hlen, wie ungl�ubige
Vornehme, welche ihre Kutscher an diesem Tage zu fahren gen�tigt,
durch gro�e Unf�lle gestraft worden.
So hat denn der gro�e K�nig, dessen Ruhm die Welt erf�llte, dessen
Taten ihn sogar des katholischen Paradieses wert machten, endlich auch
das Zeitliche gesegnet, um sich mit den Heroen seinesgleichen im
Schattenreiche zu unterhalten. Wie gern ist man still, wenn man einen
solchen zur Ruh' gebracht hat.
Heute machten wir uns einen guten Tag, besahen einen Teil des Kapitols,
den ich bisher vernachl�ssigt, dann setzten wir �ber die Tiber und
tranken spanischen Wein auf einem neugelandeten Schiffe. In dieser
Gegend will man Romulus und Remus gefunden haben, und so kann man wie
an einem doppelt und dreifachen Pfingstfeste zugleich vom heiligen
Kunstgeiste, von der mildesten Atmosph�re, von antiquarischen
Erinnerungen und von s��em Weine trunken werden.
Auf Anatomie bin ich so ziemlich vorbereitet, und ich habe mir die
Kenntnis des menschlichen K�rpers bis auf einen gewissen Grad nicht
ohne M�he erworben. Hier wird man durch die ewige Betrachtung der
Statuen immerfort, aber auf eine h�here Weise hingewiesen. Bei
unserer medizinisch-chirurgischen Anatomie kommt es blo� darauf an,
den Teil zu kennen, und hierzu dient auch wohl ein k�mmerlicher Muskel.
In Rom aber wollen die Teile nichts hei�en, wenn sie nicht zugleich
eine edle, sch�ne Form darbieten.
In dem gro�en Lazarett San Spirito hat man den K�nstlern zulieb einen
sehr sch�nen Muskelk�rper dergestalt bereitet, da� die Sch�nheit
desselben in Verwunderung setzt. Er k�nnte wirklich f�r einen
geschundenen Halbgott, f�r einen Marsyas gelten.
So pflegt man auch nach Anleitung der Alten das Skelett nicht als eine
k�nstlich zusammengereihte Knochenmasse zu studieren, vielmehr
zugleich mit den B�ndern, wodurch es schon Leben und Bewegung erh�lt.
Sage ich nun, da� wir auch abends Perspektiv studieren, so zeigt es
doch wohl, da� wir nicht m��ig sind. Bei allem dem aber hofft man
immer mehr zu tun, als wirklich geschieht.
Von dem deutschen Kunstsinn und dem dortigen Kunstleben kann man wohl
sagen: man h�rt l�uten, aber nicht zusammenklingen. Bedenke ich jetzt,
was f�r herrliche Sachen in unserer Nachbarschaft sind, und wie wenig
sie von mir genutzt worden, so m�chte ich verzweifeln, und dann kann
ich mich wieder auf den R�ckweg freuen, wenn ich hoffen kann, jene
Meisterwerke zu erkennen, an denen ich nur herumtappte.
Doch auch in Rom ist zu wenig f�r den gesorgt, dem es Ernst ist, ins
Ganze zu studieren. Er mu� alles aus unendlichen, obgleich
�berreichen Tr�mmern zusammenstoppeln. Freilich ist's wenigen Fremden
reiner Ernst, etwas Rechts zu sehen und zu lernen. Sie folgen ihren
Grillen, ihrem D�nkel, und das merken sich alle diejenigen wohl, die
mit Fremden zu tun haben. Jeder F�hrer hat Absichten, jeder will
irgendeinen Handelsmann empfehlen, einen K�nstler beg�nstigen, und
warum sollte er es nicht? Denn schl�gt der Unerfahrne nicht das
Vortrefflichste aus, das man ihm anbietet?
Dieser gute Ruf erscholl nun bis zu Reiffenstein und Angelika, und da
sollte ich denn meine Arbeit abermals produzieren. Ich erbat mir
einige Frist, trug aber sogleich die Fabel und den Gang des St�cks mit
einiger Umst�ndlichkeit vor. Mehr, als ich glaubte, gewann sich diese
Darstellung die Gunst gedachter Personen, auch Herr Zucchi, von dem
ich es am wenigsten erwartet, nahm recht freien und wohlempfundenen
Anteil. Dieses kl�rt sich aber dadurch sehr gut auf, da� das St�ck
sich der Form n�hert, die man im Griechischen, Italienischen,
Franz�sischen l�ngst gewohnt ist, und welche demjenigen noch immer am
besten zusagt, welcher sich an die englischen K�hnheiten noch nicht
gew�hnt hat.
Man kann das Gegenw�rtige nicht ohne das Vergangene erkennen, und die
Vergleichung von beiden erfordert mehr Zeit und Ruhe. Schon die Lage
dieser Hauptstadt der Welt f�hrt uns auf ihre Erbauung zur�ck. Wir
sehen bald, hier hat sich kein wanderndes, gro�es, wohlgef�hrtes Volk
niedergelassen und den Mittelpunkt eines Reichs weislich festgesetzt;
hier hat kein m�chtiger F�rst einen schicklichen Ort zum Wohnsitz
einer Kolonie bestimmt. Nein, Hirten und Gesindel haben sich hier
zuerst eine St�tte bereitet, ein paar r�stige J�nglinge haben auf dem
H�gel den Grund zu Pal�sten der Herren der Welt gelegt, an dessen Fu�
sie die Willk�r des Ausrichters zwischen Morast und Schilf einst
hinlegte. So sind die sieben H�gel Roms nicht Erh�hungen gegen das
Land, das hinter ihnen liegt, sie sind es gegen die Tiber und gegen
das uralte Bette der Tiber, was Campus Martius ward. Erlaubt mir das
Fr�hjahr weitere Exkursionen, so will ich die ungl�ckliche Lage
ausf�hrlicher schildern. Schon jetzt nehm' ich den herzlichsten
Anteil an dem Jammergeschrei und den Schmerzen der Weiber von Alba,
die ihre Stadt zerst�ren sehn und den sch�nen, von einem klugen
Anf�hrer gew�hlten Platz verlassen m�ssen, um an den Nebeln der Tiber
teilzunehmen, den elenden H�gel Coelius zu bewohnen und von da nach
ihrem verlassenen Paradiese zur�ckzusehn. Ich kenne noch wenig von
der Gegend, aber ich bin �berzeugt, kein Ort der �ltern V�lker lag so
schlecht als Rom, und da die R�mer endlich alles verschlungen hatten,
mu�ten sie wieder mit ihren Landh�usern hinaus und an die Pl�tze der
zerst�rten St�dte r�cken, um zu leben und das Leben zu genie�en.
Man hofft einen Kupferstich entweder nach dieser Kopie oder nach
andern, mit denen man sich besch�ftigt. Es wird das gr��te Geschenk
sein, wenn eine treue Nachbildung im gro�en Publikum erscheint.
Vor einigen Tagen besuchte ich den Pater Jacquier, einen Franziskaner,
auf Trinit� de' Monti. Er ist Franzos von Geburt, durch mathematische
Schriften bekannt, hoch in Jahren, sehr angenehm und verst�ndig. Er
kannte zu seiner Zeit die besten M�nner, und hat sogar einige Monate
bei Voltaire zugebracht, der ihn sehr in Affektion nahm.
Und so habe ich noch mehr gute, solide Menschen kennen lernen,
dergleichen sich hier unz�hlige befinden, die ein pf�ffisches
Mi�trauen auseinander h�lt. Der Buchhandel gibt keine Verbindung, und
die literarischen Neuigkeiten sind selten fruchtbar.
Zuerst also wird man bei dem ungeheuern und doch nur tr�mmerhaften
Reichtum dieser Stadt, bei jedem Kunstgegenstande aufgefordert, nach
der Zeit zu fragen, die ihm das Dasein gegeben. Durch Winckelmann
sind wir dringend aufgeregt, die Epochen zu sondern, den verschiedenen
Stil zu erkennen, dessen sich die V�lker bedienten, den sie in Folge
der Zeiten nach und nach ausgebildet und zuletzt wieder verbildet.
Hievon �berzeugte sich jeder wahre Kunstfreund. Anerkennen tun wir
alle die Richtigkeit und das Gewicht der Forderung.
Von vielen andern Sachen sammelt's sich auch um mich, und nichts
Vergebliches oder Leeres, welches hier unm�glich w�re; alles
unterrichtend und bedeutend. Am liebsten ist mir denn aber doch, was
ich in der Seele mitnehme, und was, immer wachsend, sich immer
vermehren kann.
Vor meiner Abreise nach Neapel konnte ich einer nochmaligen Vorlesung
meiner "Iphigenia" nicht entgehen. Madam Angelika und Hofrat
Reiffenstein waren die Zuh�rer, und selbst Herr Zucchi hatte darauf
gedrungen, weil es der Wunsch seiner Gattin war; er arbeitete indes an
einer gro�en architektonischen Zeichnung, die er in Dekorationsart
vortrefflich zu machen versteht. Er war mit Clerisseau in Dalmatien,
hatte sich �berhaupt mit ihm assoziiert, zeichnete die Figuren zu den
Geb�uden und Ruinen, die jener herausgab, und lernte dabei so viel
Perspektive und Effekt, da� er sich in seinen alten Tagen auf eine
w�rdige Weise auf dem Papier damit vergn�gen kann.
Die zarte Seele Angelika nahm das St�ck mit unglaublicher Innigkeit
auf; sie versprach mir, eine Zeichnung daraus aufzustellen, die ich
zum Andenken besitzen sollte. Und nun gerade, als ich mich von Rom zu
scheiden bereite, werde ich auf eine zarte Weise mit diesen
wohlwollenden Personen verbunden. Es ist mir zugleich ein angenehmes
und schmerzliches Gef�hl, wenn ich mich �berzeuge, da� man mich ungern
wegl��t.
Die gl�ckliche Ankunft der" Iphigenia" ward mir auf eine �berraschende
und angenehme Weise verk�ndigt. Auf dem Wege nach der Oper brachte
man mir den Brief von wohlbekannter Hand, und diesmal doppelt
willkommen mit dem L�wchen gesiegelt, als vorl�ufiges Wahrzeichen des
gl�cklich angelangten Pakets. Ich dr�ngte mich in das Opernhaus und
suchte mir mitten unter dem fremden Volk einen Platz unter dem gro�en
L�ster zu verschaffen. Hier f�hlte ich mich nun so nah an die
Meinigen ger�ckt, da� ich h�tte aufh�pfen und sie umarmen m�gen.
Herzlich dank' ich, da� mir die nackte Ankunft gemeldet worden, m�get
ihr euer N�chstes mit einem guten Worte des Beifalls begleiten!
Hier folgt das Verzeichnis, wie die Exemplare, die ich von G�schen zu
erwarten habe, unter die Freunde verteilt werden sollen, denn ob es
mir gleich ganz gleichg�ltig ist, wie das Publikum diese Sachen
betrachtet, so w�nscht' ich doch, dadurch meinen Freunden einige
Freude bereitet zu haben.
Man unternimmt nur zuviel. Denke ich an meine vier letzten B�nde im
ganzen, so m�chte mir schwindelnd werden, ich mu� sie einzeln
angreifen, und so wird es gehn.
H�tte ich nicht besser getan, nach meinem ersten Entschlu� diese Dinge
fragmentarisch in die Welt zu schicken und neue Gegenst�nde, an denen
ich frischeren Anteil nehme, mit frischem Mut und Kr�ften zu
unternehmen? T�t' ich nicht besser, " Iphigenia auf Delphi" zu
schreiben, als mich mit den Grillen des "Tasso" herumzuschlagen? Und
doch habe ich auch dahinein schon zuviel von meinem Eignen gelegt, als
da� ich es fruchtlos aufgeben sollte.
Ich habe mich auf den Vorsaal ans Kamin gesetzt, und die W�rme eines
diesmal gut gen�hrten Feuers gibt mir frischen Mut, ein neues Blatt
anzufangen; denn es ist doch gar zu sch�n, da� man mit seinen neusten
Gedanken soweit in die Ferne reichen, ja seine n�chsten Umgebungen
durch Worte dorthin versetzen kann. Das Wetter ist ganz herrlich, die
Tage nehmen merklich zu, Lorbeeren und Buchsb�ume bl�hen, auch die
Mandelb�ume. Heute fr�h �berraschte mich ein wundersamer Anblick, ich
sah von ferne hohe, stangen�hnliche B�ume, �ber und �ber von dem
sch�nsten Violett bekleidet. Bei n�herer Untersuchung war es der Baum,
in unsern Treibh�usern unter dem Namen Judenbaum bekannt, dem
Botaniker als cercis siliquastrum. Seine violetten
Schmetterlingsblumen bringt er unmittelbar aus dem Stamme hervor.
Abgeholzt den letzten Winter waren die Stangen, die ich vor mir sah,
aus deren Rinde die wohlgebildete und gef�rbte Blume zu Tausenden
hervorbrach. Die Ma�lieben dringen wie Ameisen aus dem Boden, Krokus
und Adonis erscheinen seltner, aber desto zierlicher und zierender.
Was wird mir nicht erst das mitt�gigere Land f�r Freuden und
Kenntnisse geben, aus denen f�r mich neue Resultate hervortreten! Es
ist mit nat�rlichen Dingen wie mit der Kunst; es ist so viel dr�ber
geschrieben, und jeder, der sie sieht, kann sie doch wieder in neue
Kombination setzen.
Doch schlage ich mir die Hoffnung jener vielbedeutenden Ansichten gern
aus dem Sinne, um vor meiner Abreise die alte Hauptstadt der Welt noch
recht zu benutzen.
Seit vierzehn Tagen bin ich von Morgen bis in die Nacht in Bewegung;
was ich noch nicht gesehn, such' ich auf. Das Vorz�glichste wird zum
zweiten--und drittenmal betrachtet, und nun ordnet sich's einigerma�en.
Denn indem die Hauptgegenst�nde an ihre rechte Stelle kommen, so ist
f�r viele mindere dazwischen Platz und Raum. Meine Liebschaften
reinigen und entscheiden sich, und nun erst kann mein Gem�t dem
Gr��eren und Echtesten mit gelassener Teilnahme sich entgegenheben.
Dabei findet man denn wohl den K�nstler beneidenswert, der durch
Nachbildung und Nachahmung auf alle Weise jenen gro�en Intentionen
sich mehr n�hert, sie besser begreift als der blo� Beschauende und
Denkende. Doch mu� am Ende jeder tun, was er vermag, und so spanne
ich denn alle Segel meines Geistes auf, um diese K�sten zu umschiffen.
Das Kamin ist diesmal recht durchgew�rmt und die sch�nsten Kohlen
aufgeh�uft, welches bei uns selten geschieht, weil nicht leicht jemand
Lust und Zeit hat, dem Kaminfeuer ein paar Stunden Aufmerksamkeit zu
widmen, und so will ich denn dieses sch�ne Klima benutzen, um einige
Bemerkungen aus meiner Schreibtafel zu retten, die schon halb
verloschen sind.
Darauf suchten wir das Freie und kamen nach einem gro�en Spaziergange
auf St. Onofrio, wo Tasso in einem Winkel begraben liegt. Auf der
Klosterbibliothek steht seine B�ste. Das Gesicht ist von Wachs, und
ich glaube gern, da� es �ber seinen Leichnam abgeformt sei. Nicht
ganz scharf und hie und da verdorben, deutet es doch im ganzen mehr
als irgendein anderes seiner Bildnisse auf einen talentvollen, zarten,
feinen, in sich geschlossenen Mann.
Soviel f�r diesmal. Jetzt will ich an des ehrlichen Volkmanns zweiten
Teil, der Rom enth�lt, um auszuziehen, was ich noch nicht gesehn habe.
Ehe ich nach Neapel reise, mu� die Ernte wenigstens niedergem�ht sein;
sie in Garben zu binden, werden auch schon gute Tage kommen.
Das Wetter ist unglaublich und uns�glich sch�n, den ganzen Februar bis
auf vier Regentage ein reiner, heller Himmel, gegen Mittag fast zu
warm. Nun sucht man das Freie, und wenn man bisher sich nur mit
G�ttern und Helden abgeben mochte, so tritt die Landschaft auf einmal
wieder in ihre Rechte, und man heftet sich an die Umgebungen, die der
herrlichste Tag belebt. Manchmal erinnere ich mich, wie der K�nstler
in Norden den Strohd�chern und verfallenen Schl�ssern etwas
abzugewinnen sucht, wie man sich an Bach und Busch und zerbr�ckeltem
Gestein herumdr�ckt, um eine malerische Wirkung zu erhaschen, und ich
komme mir ganz wunderbar vor, um so mehr, als jene Dinge nach so
langer Gewohnheit einem noch immer ankleben; nun habe ich mir aber
seit vierzehn Tagen einen Mut gefa�t und bin mit kleinen Bl�ttern
hinausgegangen durch die Tiefen und H�hen der Villen und habe mir ohne
viel Besinnens kleine auffallende, wahrhaft s�dliche und r�mische
Gegenst�nde entworfen und suche nun mit H�lfe des guten Gl�cks ihnen
Licht und Schatten zu geben. Es ist ganz eigen, da� man deutlich
sehen und wissen kann, was gut und besser ist; will man sich's aber
zueignen, so schwindet's gleichsam unter den H�nden, und wir greifen
nicht nach dem Rechten, sondern nach dem, was wir zu fassen gewohnt
sind. Nur durch geregelte �bung k�nnte man vorw�rts kommen, wo aber
sollte ich Zeit und Sammlung finden! Indessen f�hle ich mich denn
doch durch das leidenschaftliche, vierzehnt�gige Streben um vieles
gebessert.
Die K�nstler belehren mich gerne, denn ich fasse geschwind. Nun ist
aber das Gefa�te nicht gleich geleistet; etwas schnell zu begreifen,
ist ja ohnehin die Eigenschaft des Geistes, aber etwas recht zu tun,
dazu geh�rt die �bung des ganzen Lebens.
Und doch soll der Liebhaber, so schwach er auch nachstrebt, sich nicht
abschrecken lassen. Die wenigen Linien, die ich aufs Papier ziehe,
oft �bereilt, selten richtig, erleichtern mir jede Vorstellung von
sinnlichen Dingen, denn man erhebt sich ja eher zum Allgemeinen, wenn
man die Gegenst�nde genauer und sch�rfer betrachtet.
Mit dem K�nstler nur mu� man sich nicht vergleichen, sondern nach
seiner eigenen Art verfahren; denn die Natur hat f�r ihre Kinder
gesorgt, der Geringste wird nicht, auch durch das Dasein des
Trefflichsten, an seinem Dasein gehindert: "Ein kleiner Mann ist auch
ein Mann!" Und dabei wollen wir's denn bewenden lassen.
Ich habe zweimal das Meer gesehn, erst das adriatische, dann das
mittell�ndische, nur gleichsam zum Besuch. In Neapel wollen wir
bekannter werden. Es r�ckt alles auf einmal in mir herauf; warum
nicht fr�her, warum nicht wohlfeiler! Wie viele tausend Sachen,
manche ganz neu und von vornen, h�tte ich mitzuteilen!
Ich lasse bei meiner Abreise Moritzen ungern allein. Er ist auf gutem
Wege, doch wie er f�r sich geht, so sucht er sich gleich beliebte
Schlupfwinkel. Ich habe ihn aufgemuntert, an Herdern zu schreiben,
der Brief liegt bei, ich w�nsche eine Antwort, die etwas Dienliches
und H�lfreiches enthalte. Es ist ein sonderbar guter Mensch, er w�re
viel weiter, wenn er von Zeit zu Zeit Personen gefunden h�tte, f�hig
und liebevoll genug, ihn �ber seinen Zustand aufzukl�ren. Gegenw�rtig
kann er kein gesegneteres Verh�ltnis ankn�pfen, als wenn ihm Herder
erlaubt, manchmal zu schreiben. Er besch�ftigt sich mit einem
lobensw�rdigen antiquarischen Unternehmen, das wohl verdient,
gef�rdert zu werden. Freund Herder wird nicht leicht eine M�he besser
angewendet und gute Lehre kaum in einen fruchtbarern Boden gelegt
haben.
Das gro�e Portr�t, welches Tischbein von mir unternommen, w�chst schon
aus der Leinwand heraus. Der K�nstler hat sich durch einen fertigen
Bildhauer ein kleines Modell von Ton machen lassen, welches gar
zierlich mit einem Mantel drapiert worden. Darnach malt er flei�ig,
denn es sollte freilich vor unserer Abreise nach Neapel schon auf
einen gewissen Punkt gebracht sein, und es geh�rt schon Zeit dazu,
eine so gro�e Leinwand mit Farben auch nur zu bedecken.
Das Wetter f�hrt fort, �ber allen Ausdruck sch�n zu sein; heute war
ein Tag, den ich mit Schmerzen unter den Narren zubrachte. Mit
Anbruch der Nacht erholte ich mich auf der Villa Medicis; Neumond ist
eben vorbei, und neben der zarten Mondsichel konnte ich die ganze
dunkle Scheibe fast mit blo�en Augen, durchs Perspektiv ganz deutlich
sehn. �ber der Erde schwebt ein Duft des Tags �ber, den man nur aus
Gem�lden und Zeichnungen des Claude kennt, das Ph�nomen in der Natur
aber nicht leicht so sch�n sieht als hier. Nun kommen mir Blumen aus
der Erde, die ich noch nicht kenne, und neue Bl�ten von den B�umen;
die Mandeln bl�hen und machen eine neue luftige Erscheinung zwischen
den dunkelgr�nen Eichen; der Himmel ist wie ein hellblauer Taft, von
der Sonne beschienen. Wie wird es erst in Neapel sein! Wir finden
das meiste schon gr�n. Meine botanischen Grillen bekr�ftigen sich an
allem diesen, und ich bin auf dem Wege, neue sch�ne Verh�ltnisse zu
entdecken, wie die Natur, solch ein Ungeheueres, das wie nichts
aussieht, aus dem Einfachen das Mannigfaltigste entwickelt.
Der Vesuv wirft Steine und Asche aus, und bei Nacht sieht man den
Gipfel gl�hen. Gebe uns die wirkende Natur einen Lavaflu�! Nun kann
ich kaum erwarten, bis auch diese gro�en Gegenst�nde mir eigen werden.
Nun ist der Narrheit ein Ende. Die unz�hligen Lichter gestern abend
waren noch ein toller Spektakel. Das Karnaval in Rom mu� man gesehen
haben, um den Wunsch v�llig loszuwerden, es je wieder zu sehen. Zu
schreiben ist davon gar nichts, bei einer m�ndlichen Darstellung
m�chte es allenfalls unterhaltend sein. Was man dabei unangenehm
empfindet, da� die innere Fr�hlichkeit den Menschen fehlt und es ihnen
an Gelde mangelt, das bi�chen Lust, was sie noch haben m�gen,
auszulassen. Die Gro�en sind �konomisch und halten zur�ck, der
Mittelmann unverm�gend, das Volk lahm. An den letzten Tagen war ein
unglaublicher L�rm, aber keine Herzensfreude. Der Himmel, so
unendlich rein und sch�n, blickte so edel und unschuldig auf diese
Possen.
Da man aber doch das Nachbilden hier nicht lassen kann, so sind zur
Lust der Kinder Masken des Karnavals und r�mische eigent�mliche
Kleidungen gezeichnet, dann mit Farben angestrichen worden, da sie
denn ein fehlenden Kapitel des "Orbis pictus" den lieben Kleinen
ersetzen m�gen.
Das Einpacken wird mir leicht, ich tue es mit leichterem Herzen als
vor einem halben Jahre, da ich mich von allem losl�ste, was mir so
lieb und wert war. Ja, es ist schon ein halbes Jahr, und von den vier
Monaten, in Rom zugebracht, habe ich keinen Augenblick verloren,
welches zwar viel hei�en will, aber doch nicht zuviel gesagt ist.
Da� "Iphigenia" angekommen, wei� ich; m�ge ich am Fu�e des Vesuvs
erfahren, da� ihr eine gute Aufnahme zuteil geworden.
Mit Tischbein, der so einen herrlichen Blick in Natur als Kunst hat,
diese Reise zu machen, ist f�r mich von der gr��ten Wichtigkeit; doch
k�nnen wir als echte Deutsche uns doch nicht losmachen von Vors�tzen
und Aussichten auf Arbeit. Das sch�nste Papier ist gekauft, und wir
nehmen uns vor, darauf zu zeichnen, obgleich die Menge, die Sch�nheit
und der Glanz der Gegenst�nde h�chst wahrscheinlich unserm guten
Willen Grenzen setzt.
Eins habe ich �ber mich gewonnen, da� ich von meinen poetischen
Arbeiten nichts mitnehme als "Tasso" allein, zu ihm habe ich die beste
Hoffnung. W��t' ich nun, was ihr zu "Iphigenien" sagt, so k�nnte mir
dies zur Leitung dienen, denn es ist doch eine �hnliche Arbeit, der
Gegenstand fast noch beschr�nkter als jener und will im einzelnen noch
mehr ausgearbeitet sein; doch wei� ich noch nicht, was es werden kann,
das Vorhandene mu� ich ganz zerst�ren, das hat zu lange gelegen, und
weder die Personen, noch der Plan, noch der Ton haben mit meiner
jetzigen Ansicht die mindeste Verwandtschaft.
Beim Aufr�umen fallen mir einige eurer lieben Briefe in die Hand, und
da treffe ich beim Durchlesen auf den Vorwurf, da� ich mir in meinen
Briefen widerspreche. Das kann ich zwar nicht merken, denn was ich
geschrieben habe, schicke ich gleich fort, es ist mir aber selbst sehr
wahrscheinlich, denn ich werde von ungeheuern M�chten hin und wider
geworfen, und da ist es wohl nat�rlich, da� ich nicht immer wei�, wo
ich stehe.
Man erz�hlt von einem Schiffer, der, von einer st�rmischen Nacht auf
der See �berfallen, nach Hause zu steuern trachtete. Sein S�hnchen,
in der Finsternis an ihn geschmiegt, fragte: "Vater, was ist denn das
f�r ein n�rrisches Lichtchen dort, das ich bald �ber uns, bald unter
uns sehe?" Der Vater versprach ihm die Erkl�rung des andern Tags, und
da fand es sich, da� es die Flamme des Leuchtturms gewesen, die einem
von wilden Wogen auf und nieder geschaukelten Auge bald unten, bald
oben erschien.
Auch ich steure auf einem leidenschaftlich bewegten Meere dem Hafen zu,
und halte ich die Glut des Leuchtturms nur scharf im Auge, wenn sie
mir auch den Platz zu ver�ndern scheint, so werde ich doch zuletzt am
Ufer genesen.
Bei der Abreise f�llt einem doch immer jedes fr�here Scheiden und auch
das k�nftige letzte unwillk�rlich in den Sinn, und mir dr�ngt sich,
diesmal st�rker als sonst, dabei die Bemerkung auf, da� wir viel zu
viel Voranstalten machen, um zu leben, denn so kehren auch wir,
Tischbein und ich, so vielen Herrlichkeiten, sogar unserm
wohlausgestatteten eignen Museum den R�cken. Da stehn nun drei
Junonen zur Vergleichung nebeneinander, und wir verlassen sie, als
wenn's keine w�re.
Neapel
Nun darf ich nicht weiter beschreiben und sage nur, da�, als wir von
der H�he die Gebirge von Sezza, die pontinischen S�mpfe, das Meer und
die Inseln erblickten, da� in dem Moment ein starker Streifregen �ber
die S�mpfe nach dem Meer zog, Licht und Schatten, abwechselnd und
bewegt, die �de Fl�che gar mannigfaltig belebten. Sehr sch�n wirkten
hiezu mehrere von der Sonne erleuchtete Rauchs�ulen, die aus
zerstreuten, kaum sichtbaren H�tten emporstiegen.
Velletri liegt sehr angenehm auf einem vulkanischen H�gel, der nur
gegen Norden mit andern zusammenh�ngt, �ber drei Himmelsgegenden aber
den freisten Anblick gew�hrt.
Nun besahen wir das Kabinett des Cavaliere Borgia, welcher, beg�nstigt
durch die Verwandtschaft mit dem Kardinal und der Propaganda,
treffliche Altert�mer und sonstige Merkw�rdigkeiten hier
zusammenstellen konnte: �gyptische G�tzen, aus dem h�rtesten Steine
gebildet, kleine Metallfiguren fr�herer und sp�terer Zeit; in der
Gegend ausgegrabene, aus Ton gebrannte, flach erhobene Bildwerke,
durch welche veranla�t man den alten Volskern einen eignen Stil
zuschreiben will.
Dies schreib' ich in einer sehr �beln Herberge und f�hle in mir weder
Kraft noch Behagen, weiter fortzufahren. Also die freundlichste gute
Nacht!
Schon fr�h um drei Uhr waren wir auf dem Wege. Als es tagte, fanden
wir uns in den pontinischen S�mpfen, welche kein so �bles Ansehn haben,
als man sie in Rom gemeiniglich beschreibt. Man kann zwar ein so
gro�es und weitl�ufiges Unternehmen, als die beabsichtigte
Austrocknung ist, auf der Durchreise nicht beurteilen, allein es
scheint mir doch, da� die Arbeiten, welche der Papst angeordnet, die
gew�nschten Endzwecke wenigstens zum gr��ten Teil erreichen werden.
Man denke sich ein weites Tal, das sich von Norden nach S�den mit
wenigem Falle hinzieht, ostw�rts gegen die Gebirge zu vertieft,
westw�rts aber gegen das Meer zu erh�ht liegt.
Der ganzen L�nge nach in gerader Linie ist die alte Via Appia
wiederhergestellt, an der rechten Seite derselben der Hauptkanal
gezogen, und das Wasser flie�t darin gelind hinab, dadurch ist das
Erdreich der rechten Seite nach dem Meere zu ausgetrocknet und dem
Feldbau �berantwortet; soweit das Auge sehen kann, ist es bebaut oder
k�nnte es werden, wenn sich P�chter f�nden, einige Flecke ausgenommen,
die allzutief liegen.
Die linke Seite nach dem Gebirg' zu ist schon schwerer zu behandeln.
Zwar gehen Querkan�le unter der Chaussee in den Hauptkanal; da jedoch
der Boden gegen die Berge zu abf�llt, so kann er auf diese Weise nicht
vom Wasser befreit werden. Man will, sagt man, einen zweiten Kanal am
Gebirge herf�hren. Gro�e Strecken, besonders gegen Terracina, sind
mit Weiden und Pappeln angeflogen.
Wir verlie�en das Meer und kamen bald in die reizende Ebene von Fondi.
Dieser kleine Raum fruchtbaren und bebauten Erdreichs, von einem
nicht allzu rauhen Gebirg' umschlossen, mu� jedermann anlachen. Noch
h�ngt die Mehrzahl der Orangen an den B�umen, die Saat steht gr�n,
durchaus Weizen; Oliven auf den Ackern, das St�dtchen im Grunde. Ein
Palmbaum zeichnet sich aus und ward begr��t. So viel f�r diesen Abend.
Verzeihung der laufenden Feder. Ich mu� schreiben, ohne zu denken,
damit ich nur schreibe. Der Gegenst�nde sind zuviel, der Aufenthalt
zu schlecht und doch meine Begierde allzugro�, einiges dem Papiere
anzuvertrauen. Mit einbrechender Nacht kamen wir an, und es ist nun
Zeit, Ruhe zu suchen.
In einer kalten Kammer mu� ich Nachricht von einem sch�nen Tage geben.
Als wir aus Fondi herausfuhren, ward es eben helle, und wir wurden
sogleich durch die �ber die Mauern h�ngenden Pomeranzen auf beiden
Seiten des Wegs begr��t. Die B�ume h�ngen so voll, als man sich's nur
denken kann. Obenher ist das junge Laub gelblich, unten aber und in
der Mitte von dem saftigsten Gr�n. Mignon hatte wohl recht, sich
dahin zu sehnen.
Dann zog der Weg im Tale hin, zwischen steinichten, aber gut gebauten
�ckern, die Saat vom sch�nsten Gr�n. An einigen Orten sah man
ger�umige, runde, gepflasterte Pl�tze, mit niedrigen M�uerchen umgeben;
hier drischt man die Frucht sogleich aus, ohne sie in Garben nach
Hause zu fahren. Das Tal ward schm�ler, der Weg ging bergan,
Kalkfelsen standen nackt an beiden Seiten. Der Sturm war heftiger
hinter uns her. Es fielen Graupeln, die sehr langsam tauten.
Hier fand ich am Ufer die ersten Seesterne und Seeigel ausgesp�lt.
Ein sch�nes gr�nes Blatt, wie das feinste Velinpapier, dann aber
merkw�rdige Geschiebe: am h�ufigsten die gew�hnlichen Kalksteine,
sodann aber auch Serpentin, Jaspis, Quarze, Kieselbreccien, Granite,
Porphyre, Marmorarten, Glas von gr�ner und blauer Farbe. Die zuletzt
genannten Steinarten sind schwerlich in dieser Gegend erzeugt, sind
wahrscheinlich Tr�mmern alter Geb�ude, und so sehen wir denn, wie die
Welle vor unsern Augen mit den Herrlichkeiten der Vorwelt spielen darf.
Wir verweilten gern und hatten unsere Lust an der Natur der Menschen,
die sich beinahe als Wilde betrugen. Von Mola sich entfernend, hat
man immer sch�ne Aussicht, wenn sich auch das Meer verliert. Der
letzte Blick darauf ist eine liebliche Seebucht, die gezeichnet ward.
Nun folgt gutes Fruchtfeld, mit Aloen eingez�unt. Wir erblickten eine
Wasserleitung, die sich vom Gebirg' her nach unkenntlichen,
verworrenen Ruinen zog.
Dann folgt die �berfahrt �ber den Flu� Garigliano. Man wandert sodann
durch ziemlich fruchtbare Gegenden auf ein Gebirg' los. Nichts
Auffallendes. Endlich der erste vulkanische Aschenh�gel. Hier
beginnt eine gro�e, herrliche Gegend von Bergen und Gr�nden, �ber
welche zuletzt Schneegipfel hervorragen. Auf der n�hern H�he eine
lange, wohl in die Augen fallende Stadt. In dem Tal liegt St. Agata,
ein ansehnlicher Gasthof, wo ein lebhaftes Feuer in einem Kamin, das
als Kabinett angelegt ist, brannte. Indessen ist unsere Stube kalt,
keine Fenster, nur L�den, und ich eile, zu schlie�en.
Der Vesuv blieb uns immer zur linken Seite, gewaltsam dampfend, und
ich war still f�r mich erfreut, da� ich diesen merkw�rdigen Gegenstand
endlich auch mit Augen sah. Der Himmel ward immer kl�rer, und zuletzt
schien die Sonne recht hei� in unsere enge rollende Wohnung. Bei ganz
rein heller Atmosph�re kamen wir Neapel n�her; und nun fanden wir uns
wirklich in einem andern Lande. Die Geb�ude mit flachen D�chern
deuten auf eine andere Himmelsgegend, inwendig m�gen sie nicht sehr
freundlich sein. Alles ist auf der Stra�e, sitzt in der Sonne, so
lange sie scheinen will. Der Neapolitaner glaubt, im Besitz des
Paradieses zu sein, und hat von den n�rdlichen L�ndern einen sehr
traurigen Begriff: "Sempre neve, case di legno, gran ignoranza, ma
danari assai." Solch ein Bild machen sie sich von unserm Zustande.
Zur Erbauung s�mtlicher deutschen V�lkerschaften hei�t diese
Charakteristik �bersetzt: "Immer Schnee, h�lzerne H�user, gro�e
Unwissenheit; aber Geld genug."
Neapel selbst k�ndigt sich froh, frei und lebhaft an, unz�hlige
Menschen rennen durcheinander, der K�nig ist auf der Jagd, die K�nigin
guter Hoffnung, und so kann's nicht besser gehn.
"Alla Locanda del Sgr. Moriconi al Largo del Castello". Unter dieser
ebenso heiter als pr�chtig klingenden Aufschrift w�rden uns Briefe aus
allen vier Teilen der Welt nunmehr auffinden. In der Gegend des am
Meere liegenden gro�en Kastells erstreckt sich eine gro�e Weitung, die
man, obgleich von allen vier Seiten mit H�usern umgeben, nicht Platz,
sondern Weite (largo) genannt hat, wahrscheinlicherweise von den
ersten Zeiten her, da dieses noch ein unbegrenztes Feld war. Hier nun
tritt an der einen Seite ein gro�es Eckhaus herein, und wir fa�ten Fu�
in einem ger�umigen Ecksaale, der einen freien und frohen �berblick
�ber die immer bewegte Fl�che gew�hrt. Ein eiserner Balkon zieht sich
au�en an mehrern Fenstern vorbei, selbst um die Ecke hin. Man w�rde
davon nicht wegkommen, wenn der scharfe Wind nicht �u�erst f�hlbar
w�re.
Der Saal ist munter dekoriert, besonders aber die Decke, deren
Arabesken in hundert Abteilungen schon die N�he von Pompeji und
Herculanum verk�nden. Das w�re nun alles sch�n und gut, aber keine
Feuerst�tte, kein Kamin ist zu bemerken, und der Februar �bt denn doch
auch hier seine Rechte. Ich sehnte mich nach einiger Erw�rmung.
Man brachte mir einen Dreifu�, von der Erde dergestalt erh�ht, da� man
die H�nde bequem dr�ber halten konnte. Auf demselben war ein flaches
Becken befestigt, dieses enthielt ganz zarte gl�hende Kohlen, gar
glatt mit Asche bedeckt. Hier gilt es nun haush�ltig sein, wie wir es
in Rom schon gelernt. Mit dem Ohr eines Schl�ssels zieht man von Zeit
zu Zeit die oberfl�chliche Asche behutsam weg, so da� von den Kohlen
wieder etwas an die freie Luft gelange. Wollte man jedoch ungeduldig
die Glut aufw�hlen, so w�rde man einen Augenblick gr��ere W�rme sp�ren,
aber sehr bald die ganze Glut ersch�pft haben, da denn das Becken
abermals gegen Erlegung einer gewissen Summe zu f�llen w�re.
Ich befand mich nicht ganz wohl und h�tte freilich mehr Bequemlichkeit
gew�nscht. Eine Schilfmatte diente gegen die Einfl�sse des Estrichs;
Pelze sind nicht gew�hnlich, und ich entschlo� mich, eine
Schifferkutte, die wir aus Scherz mitgenommen hatten, anzuziehen, die
mir gute Dienste leistete, besonders nachdem ich sie mit einem
Kofferstrick um den Leib befestigt hatte, da ich mir denn als
Mittelding zwischen Matrosen und Kapuziner sehr komisch vorkommen
mu�te. Tischbein, der von Besuchen bei Freunden zur�ckkehrte, konnte
sich des Lachens nicht enthalten.
Gestern bracht' ich den Tag in Ruhe zu, um eine kleine k�rperliche
Unbequemlichkeit erst abzuwarten, heute ward geschwelgt und die Zeit
mit Anschauung der herrlichsten Gegenst�nde zugebracht. Man sage,
erz�hle, male, was man will, hier ist mehr als alles. Die Ufer,
Buchten und Busen des Meeres, der Vesuv, die Stadt, die Vorst�dte, die
Kastelle, die Lustr�ume!--Wir sind auch noch abends in die Grotte des
Posilipo gegangen, da eben die untergehende Sonne zur andern Seite
hereinschien. Ich verzieh es allen, die in Neapel von Sinnen kommen,
und erinnerte mich mit R�hrung meines Vaters, der einen
unausl�schlichen Eindruck besonders von denen Gegenst�nden, die ich
heut zum erstenmal sah, erhalten hatte. Und wie man sagt, da� einer,
dem ein Gespenst erschienen, nicht wieder froh wird, so konnte man
umgekehrt von ihm sagen, da� er nie ganz ungl�cklich werden konnte,
weil er sich immer wieder nach Neapel dachte. Ich bin nun nach meiner
Art ganz stille und mache nur, wenn's gar zu toll wird, gro�e, gro�e
Augen.
Dann gingen wir ans Meer und sahen allerlei Fische und wunderliche
Gestalten aus den Wellen ziehen. Der Tag war herrlich, die Tramontane
leidlich.
Abends.
Von dem heutigen Tage w�re schwerlich Rechenschaft zu geben. Wer hat
es nicht erfahren, da� die fl�chtige Lesung eines Buchs, das ihn
unwiderstehlich fortri�, auf sein ganzes Leben den gr��ten Einflu�
hatte und schon die Wirkung entschied, zu der Wiederlesen und
ernstliches Betrachten kaum in der Folge mehr hinzutun konnte. So
ging es mir einst mit "Sakontala", und geht es uns mit bedeutenden
Menschen nicht gleicherweise? Eine Wasserfahrt bis Pozzuoli, leichte
Landfahrten, heitere Spazierg�nge durch die wundersamste Gegend von
der Welt. Unterm reinsten Himmel der unsicherste Boden. Tr�mmern
undenkbarer Wohlh�bigkeit, zerl�stert und unerfreulich. Siedende
Wasser, Schwefel aushauchende Gr�fte, dem Pflanzenleben widerstrebende
Schlackenberge, kahle, widerliche R�ume und dann doch zuletzt eine
immer �ppige Vegetation, eingreifend, wo sie nur irgend vermag, sich
�ber alles Ert�tete erhebend, um Landseen und B�che umher, ja, den
herrlichsten Eichwald an den W�nden eines alten Kraters behauptend.
bestieg ich den Vesuv, obgleich bei tr�bem Wetter und umw�lktem Gipfel.
Fahrend gelangt' ich nach Resina, sodann auf einem Maultiere den
Berg zwischen Weing�rten hinauf; nun zu Fu� �ber die Lava vom Jahre
Einundsiebenzig, die schon feines, aber festes Moos auf sich erzeugt
hatte; dann an der Seite der Lava her. Die H�tte des Einsiedlers
blieb mir links auf der H�he. Ferner den Aschenberg hinauf, welches
eine sauere Arbeit ist. Zwei Dritteile dieses Gipfels waren mit
Wolken bedeckt. Endlich erreichten wir den alten, nun ausgef�llten
Krater, fanden die neuen Laven von zwei Monaten vierzehn Tagen, ja,
eine schwache von f�nf Tagen schon erkaltet. Wir stiegen �ber sie an
einem erst aufgeworfenen vulkanischen H�gel hinauf, er dampfte aus
allen Enden. Der Rauch zog von uns weg, und ich wollte nach dem
Krater gehn. Wir waren ungef�hr funfzig Schritte in den Dampf hinein,
als er so stark wurde, da� ich kaum meine Schuhe sehen konnte. Das
Schnupftuch vorgehalten half nichts, der F�hrer war mir auch
verschwunden, die Tritte auf den ausgeworfenen Lavabr�ckchen unsicher,
ich fand f�r gut, umzukehren und mir den gew�nschten Anblick auf einen
heitern Tag und verminderten Rauch zu sparen. Indes wei� ich doch
auch, wie schlecht es sich in solcher Atmosph�re Atem holt.
�brigens war der Berg ganz still. Weder Flamme, noch Brausen, noch
Steinwurf, wie er doch die ganze Zeit her trieb. Ich habe ihn nun
rekognosziert, um ihn f�rmlich, sobald das Wetter gut werden will, zu
belagern.
Die Laven, die ich fand, waren mir meist bekannte Gegenst�nde. Ein
Ph�nomen hab' ich aber entdeckt, das mir sehr merkw�rdig schien und
das ich n�her untersuchen, nach welchem ich mich bei Kennern und
Sammlern erkundigen will. Es ist eine tropfsteinf�rmige Bekleidung
einer vulkanischen Esse, die ehemals zugew�lbt war, jetzt aber
aufgeschlagen ist und aus dem alten, nun ausgef�llten Krater
herausragt. Dieses feste, grauliche, tropfsteinf�rmige Gestein
scheint mir durch Sublimation der allerfeinsten vulkanischen
Ausd�nstungen ohne Mitwirkung von Feuchtigkeit und ohne Schmelzung
gebildet worden zu sein; es gibt zu weitern Gedanken Gelegenheit.
Heute, den dritten M�rz, ist der Himmel bedeckt und ein Scirocco weht;
zum Posttage gutes Wetter.
Sehr gemischte Menschen, sch�ne Pferde und wunderliche Fische habe ich
hier �brigens schon genug gesehn.
Von der Lage der Stadt und ihren Herrlichkeiten, die so oft
beschrieben und belobt sind, kein Wort. "Vedi Napoli e poi muori!"
sagen sie hier. "Siehe Neapel und stirb!"
Da� kein Neapolitaner von seiner Stadt weichen will, da� ihre Dichter
von der Gl�ckseligkeit der hiesigen Lage in gewaltigen Hyperbeln
singen, ist ihnen nicht zu verdenken, und wenn auch noch ein paar
Vesuve in der Nachbarschaft st�nden. Man mag sich hier an Rom gar
nicht zur�ckerinnern; gegen die hiesige freie Lage kommt einem die
Hauptstadt der Welt im Tibergrunde wie ein altes, �belplaciertes
Kloster vor.
Heute, als an einem Freitage, war die gro�e Spazierfahrt des Adels, wo
jeder seine Equipagen, besonders Pferde, produziert. Man kann
unm�glich etwas Zierlicheres sehen als diese Gesch�pfe hier; es ist
das erste Mal in meinem Leben, da� mir das Herz gegen sie aufgeht.
Hier schick' ich einige gedr�ngte Bl�tter als Nachricht von dem
Einstande, den ich hier gegeben. Auch ein an der Ecke angeschmauchtes
Kuvert eures letzten Briefes zum Zeugnis, da� er mit auf dem Vesuv
gewesen. Doch mu� ich euch nicht, weder im Traume noch im Wachen, von
Gefahr umgeben erscheinen; seid versichert, da, wo ich gehe, ist nicht
mehr Gefahr als auf der Chaussee nach Belvedere. Die Erde ist �berall
des Herrn! kann man wohl bei dieser Gelegenheit sagen. Ich suche
keine Abenteuer aus Vorwitz noch Sonderbarkeit, aber weil ich meist
klar bin und dem Gegenstand bald seine Eigent�mlichkeit abgewinne, so
kann ich mehr tun und wagen als ein anderer. Nach Sizilien ist's
nichts weniger als gef�hrlich. Vor einigen Tagen fuhr die Fregatte
nach Palermo mit g�nstigem Nordostwind ab, sie lie� Capri rechts und
hat gewi� den Weg in sechsunddrei�ig Stunden zur�ckgelegt. Dr�ben
sieht es auch in der Wirklichkeit nicht so gef�hrlich aus, als man es
in der Ferne zu machen beliebt.
Vom Erdbeben sp�rt man jetzt im untern Teile von Italien gar nichts,
im obern ward neulich Rimini und naheliegende Orte besch�digt. Es hat
wunderliche Launen, man spricht hier davon wie von Wind und Wetter und
in Th�ringen von Feuersbr�nsten.
Mich freut, da� ihr nun mit der neuen Bearbeitung der "Iphigenia" euch
befreundet; noch lieber w�re mir's, wenn euch der Unterschied
f�hlbarer geworden w�re. Ich wei�, was ich daran getan habe, und darf
davon reden, weil ich es noch weiter treiben k�nnte. Wenn es eine
Freude ist, das Gute zu genie�en, so ist es eine gr��ere, das Bessere
zu empfinden, und in der Kunst ist das Beste gut genug.
Von einem trefflichen Manne, den ich diese Tage kennen gelernt, mu�
ich k�rzlich das Allgemeinste erw�hnen. Es ist Ritter Filangieri,
bekannt durch sein Werk �ber die Gesetzgebung. Er geh�rt zu den
ehrw�rdigen jungen M�nnern, welche das Gl�ck der Menschen und eine
l�bliche Freiheit derselben im Auge behalten. An seinem Betragen kann
man den Soldaten, den Ritter und Weltmann erkennen, gemildert ist
jedoch dieser Anstand durch den Ausdruck eines zarten sittlichen
Gef�hls, welches, �ber die ganze Person verbreitet, aus Wort und Wesen
gar anmutig hervorleuchtet. Auch er ist seinem K�nige und dessen
K�nigreich im Herzen verb�ndet, wenn er auch nicht alles billigt, was
geschieht; aber auch er ist gedr�ckt durch die Furcht vor Joseph dem
Zweiten. Das Bild eines Despoten, wenn es auch nur in der Luft
schwebt, ist edlen Menschen schon f�rchterlich. Er sprach mit mir
ganz offen, was Neapel von jenem zu f�rchten habe. Er unterh�lt sich
gern �ber Montesquieu, Beccaria, auch �ber seine eigenen Schriften,
alles in demselben Geiste des besten Wollens und einer herzlichen
jugendlichen Lust, das Gute zu wirken. Er mag noch in den Drei�igen
stehen.
Wir fuhren auf zwei Kalessen, weil wir uns als Selbstf�hrer durch das
Gew�hl der Stadt nicht durchzuwinden getrauten. Der Fahrende schreit
unaufh�rlich: "Platz, Platz!", damit Esel, Holz oder Kehricht Tragende,
entgegenrollende Kalessen, lastschleppende oder frei wandelnde
Menschen, Kinder und Greise sich vorsehen, ausweichen, ungehindert
aber der scharfe Trab fortgesetzt werde.
Der Weg durch die �u�ersten Vorst�dte und G�rten sollte schon auf
etwas Plutonisches hindeuten. Denn da es lange nicht geregnet, waren
von dickem, aschgrauem Staube die von Natur immergr�nen Bl�tter
�berdeckt, alle D�cher, Gurtgesimse und was nur irgend eine Fl�che bot,
gleichfalls �bergraut, so da� nur der herrliche blaue Himmel und die
hereinscheinende m�chtige Sonne ein Zeugnis gab, da� man unter den
Lebendigen wandle.
Am Fu�e des steilen Hanges empfingen uns zwei F�hrer, ein �lterer und
ein j�ngerer, beides t�chtige Leute. Der erste schleppte mich, der
zweite Tischbein den Berg hinauf. Sie schleppten, sage ich; denn ein
solcher F�hrer umg�rtet sich mit einem ledernen Riemen, in welchen der
Reisende greift und, hinaufw�rts gezogen, sich an einem Stabe auf
seinen eigenen F��en desto leichter emporhilft.
So erlangten wir die Fl�che, �ber welcher sich der Kegelberg erhebt,
gegen Norden die Tr�mmer der Somma.
Ein Blick westw�rts �ber die Gegend nahm wie ein heilsames Bad alle
Schmerzen der Anstrengung und alle M�digkeit hinweg, und wir
umkreisten nunmehr den immer qualmenden, Stein und Asche auswerfenden
Kegelberg. Solange der Raum gestattete, in geh�riger Entfernung zu
bleiben, war es ein gro�es, geisterhebendes Schauspiel. Erst ein
gewaltsamer Donner, der aus dem tiefsten Schlunde hervort�nte, sodann
Steine, gr��ere und kleinere, zu Tausenden in die Luft geschleudert,
von Aschenwolken eingeh�llt. Der gr��te Teil fiel in den Schlund
zur�ck. Die andern, nach der Seite zu getriebenen Brocken, auf die
Au�enseite des Kegels niederfallend, machten ein wunderbares Ger�usch:
erst plumpten die schwereren und hupften mit dumpfem Get�n an die
Kegelseite hinab, die geringeren klapperten hinterdrein, und zuletzt
rieselte die Asche nieder. Dieses alles geschah in regelm��igen
Pausen, die wir durch ein ruhiges Z�hlen sehr wohl abmessen konnten.
Zwischen der Somma und dem Kegelberge ward aber der Raum enge genug,
schon fielen mehrere Steine um uns her und machten den Umgang
unerfreulich. Tischbein f�hlte sich nunmehr auf dem Berge noch
verdrie�licher, da dieses Unget�m, nicht zufrieden, h��lich zu sein,
auch noch gef�hrlich werden wollte.
Wie aber durchaus eine gegenw�rtige Gefahr etwas Reizendes hat und den
Widerspruchsgeist im Menschen auffordert, ihr zu trotzen, so bedachte
ich, da� es m�glich sein m�sse, in der Zwischenzeit von zwei
Eruptionen den Kegelberg hinauf an den Schlund zu gelangen und auch in
diesem Zeitraum den R�ckweg zu gewinnen. Ich ratschlagte hier�ber mit
den F�hrern unter einem �berh�ngenden Felsen der Somma, wo wir, in
Sicherheit gelagert, uns an den mitgebrachten Vorr�ten erquickten.
Der j�ngere getraute sich, das Wagest�ck mit mir zu bestehen, unsere
Hutk�pfe f�tterten wir mit leinenen und seidenen T�chern, wir stellten
uns bereit, die St�be in der Hand, ich seinen G�rtel fassend.
Noch klapperten die kleinen Steine um uns herum, noch rieselte die
Asche, als der r�stige J�ngling mich schon �ber das gl�hende Ger�lle
hinaufri�. Hier standen wir an dem ungeheuren Rachen, dessen Rauch
eine leise Luft von uns ablenkte, aber zugleich das Innere des
Schlundes verh�llte, der ringsum aus tausend Ritzen dampfte. Durch
einen Zwischenraum des Qualmes erblickte man hie und da geborstene
Felsenw�nde. Der Anblick war weder unterrichtend noch erfreulich,
aber eben deswegen, weil man nichts sah, verweilte man, um etwas
herauszusehen. Das ruhige Z�hlen war vers�umt, wir standen auf einem
scharfen Rande vor dem ungeheuern Abgrund. Auf einmal erscholl der
Donner, die furchtbare Ladung flog an uns vorbei, wir duckten uns
unwillk�rlich, als wenn uns das vor den niederst�rzenden Massen
gerettet h�tte; die kleineren Steine klapperten schon, und wir, ohne
zu bedenken, da� wir abermals eine Pause vor uns hatten, froh, die
Gefahr �berstanden zu haben, kamen mit der noch rieselnden Asche am
Fu�e des Kegels an, H�te und Schultern genugsam einge�schert.
Auf unserer R�ckkehr nach Neapel wurden mir kleine H�user merkw�rdig,
einst�ckig, sonderbar gebaut, ohne Fenster, die Zimmer nur durch die
auf die Stra�e gehende T�re erleuchtet. Von fr�her Tageszeit bis in
die Nacht sitzen die Bewohner davor, da sie sich denn zuletzt in ihre
H�hlen zur�ckziehen.
Und so hat mir diese Woche Tischbein redlich einen gro�en Teil der
Kunstsch�tze von Neapel gezeigt und ausgelegt. Er, ein trefflicher
Tierkenner und Zeichner, machte mich schon fr�her aufmerksam auf einen
Pferdekopf von Erz im Palast Colombrano. Wir gingen heute dahin.
Dieser Kunstrest steht gerade der Torfahrt gegen�ber im Hofe in einer
Nische �ber einem Brunnen und setzt in Erstaunen; was mu� das Haupt
erst mit den �brigen Gliedern, zu einem Ganzen verbunden, f�r Wirkung
getan haben! Das Pferd im ganzen war viel gr��er als die auf der
Markuskirche, auch l��t hier das Haupt, n�her und einzeln beschaut,
Charakter und Kraft nur desto deutlicher erkennen und bewundern. Der
pr�chtige Stirnknochen, die schnaubende Nase, die aufmerkenden Ohren,
die starre M�hne! Ein m�chtig aufgeregtes, kr�ftiges Gesch�pf.
Wir kehrten uns um, eine weibliche Statue zu bemerken, die �ber dem
Torwege in einer Nische stand. Sie wird f�r die Nachbildung einer
T�nzerin schon von Winckelmann gehalten, wie denn solche K�nstlerinnen
in lebendiger Bewegung auf das mannigfaltigste dasjenige vorstellen,
was die bildenden Meister uns als erstarrte Nymphen und G�ttinnen
aufbewahren. Sie ist sehr leicht und sch�n, der Kopf war abgebrochen,
ist aber gut wieder aufgesetzt, �brigens nichts daran versehrt, und
verdiente wohl einen bessern Platz.
Heute erhalte ich die liebsten Briefe vom 16. Februar. Schreibet nur
immer fort. Ich habe meine Zwischenposten wohl bestellt und werde es
auch tun, wenn ich weitergehen sollte. Gar sonderbar kommt es mir vor,
in so gro�er Entfernung zu lesen, da� die Freunde nicht
zusammenkommen, und doch ist oft nichts nat�rlicher, als da� man nicht
zusammenkommt, wenn man so nahe beisammen ist.
Das Wetter hat sich verdunkelt, es ist im Wechseln, das Fr�hjahr tritt
ein, und wir werden Regentage haben. Noch ist der Gipfel des Vesuvs
nicht heiter geworden, seit ich droben war. Diese letzten N�chte sah
man ihn manchmal flammen, jetzt h�lt er wieder inne, man erwartet
st�rkeren Ausbruch.
Die St�rme dieser Tage haben uns ein herrliches Meer gezeigt, da
lie�en sich die Wellen in ihrer w�rdigen Art und Gestalt studieren;
die Natur ist doch das einzige Buch, das auf allen Bl�ttern gro�en
Gehalt bietet. Dagegen gibt mir das Theater gar keine Freude mehr.
Sie spielen hier in den Fasten geistliche Opern, die sich von den
weltlichen in gar nichts unterscheiden, als da� keine Ballette
zwischen den Akten eingeschaltet sind; �brigens aber so bunt als
m�glich. Im Theater St. Carlo f�hren sie auf: "Zerst�rung von
Jerusalem durch Nebukadnezar". Mir ist es ein gro�er Guckkasten; es
scheint, ich bin f�r solche Dinge verdorben.
Heute waren wir mit dem F�rsten von Waldeck auf Capo di Monte, wo die
gro�e Sammlung von Gem�lden, M�nzen u. d. g. sich befindet, nicht
angenehm aufgestellt, doch kostbare Sachen. Mir bestimmen und
best�tigen sich nunmehr so viele Traditionsbegriffe. Was von M�nzen,
Gemmen, Vasen einzeln wie die gestutzten Zitronenb�ume nach Norden
kommt, sieht in Masse hier ganz anders aus, da, wo diese Sch�tze
einheimisch sind. Denn wo Werke der Kunst rar sind, gibt auch die
Rarit�t ihnen einen Wert, hier lernt man nur das W�rdige sch�tzen.
Sie bezahlen jetzt gro�es Geld f�r die etrurischen Vasen, und gewi�
finden sich sch�ne und treffliche St�cke darunter. Kein Reisender,
der nicht etwas davon besitzen wollte. Man schl�gt sein Geld nicht so
hoch an als zu Hause, ich f�rchte, selbst noch verf�hrt zu werden.
Das ist das Angenehme auf Reisen, da� auch das Gew�hnliche durch
Neuheit und �berraschung das Ansehen eines Abenteuers gewinnt. Als
ich von Capo di Monte zur�ckkam, machte ich noch einen Abendbesuch bei
Filangieri, wo ich auf dem Kanapee neben der Hausfrau ein Frauenzimmer
sitzend fand, deren �u�eres mir nicht zu dem vertraulichen Betragen zu
passen schien, dem sie sich ganz ohne Zwang hingab. In einem leichten,
gestreiften, seidenen F�hnchen, den Kopf wunderlich aufgeputzt, sah
die kleine, niedliche Figur einer Putzmacherin �hnlich, die, f�r die
Zierde anderer sorgend, ihrem eigenen Aussehen wenig Aufmerksamkeit
schenkt. Sie sind so gewohnt, ihre Arbeit bezahlt zu sehen, da� sie
nicht begreifen, wie sie f�r sich selbst etwas gratis tun sollen.
Durch meinen Eintritt lie� sie sich in ihrem Plaudern nicht st�ren und
brachte eine Menge possierliche Geschichten vor, welche ihr dieser
Tage begegnet oder vielmehr durch ihre Strudeleien veranla�t worden.
Die Dame vom Hause wollte mir auch zum Wort verhelfen, sprach �ber die
herrliche Lage von Capo di Monte und die Sch�tze daselbst. Das
muntere Weibchen dagegen sprang in die H�he und war, auf ihren F��en
stehend, noch artiger als zuvor. Sie empfahl sich, rannte nach der
T�re und sagte mir im Vorbeigehen: "Filangieris kommen diese Tage zu
mir zu Tische, ich hoffe, Sie auch zu sehen!" Fort war sie, ehe ich
noch zusagen konnte. Nun vernahm ich, es sei die Prinzessin ***, mit
dem Hause nah verwandt. Filangieris waren nicht reich und lebten in
anst�ndiger Einschr�nkung. So dacht' ich mir das Prinze�chen auch, da
ohnehin solche hohe Titel in Neapel nicht selten sind. Ich merkte mir
den Namen, Tag und Stunde und zweifelte nicht, mich am rechten Orte zu
geh�riger Zeit einzufinden.
Bedenkt man die Entfernung dieses Orts vom Vesuv, so kann die
bedeckende vulkanische Masse weder durch ein Schleudern noch durch
einen Windsto� hierher getrieben sein; man mu� sich vielmehr
vorstellen, da� diese Steine und Asche eine Zeitlang wolkenartig in
der Luft geschwebt, bis sie endlich �ber diesem ungl�cklichen Orte
niedergegangen.
Wenn man sich nun dieses Ereignis noch mehr versinnlichen will, so
denke man allenfalls ein eingeschneites Bergdorf. Die R�ume zwischen
den Geb�uden, ja die zerdr�ckten Geb�ude selbst wurden ausgef�llt,
allein Mauerwerk mochte hier und da noch herausstehen, als fr�her oder
sp�ter der H�gel zu Weinbergen und G�rten benutzt wurde. So hat nun
gewi� mancher Eigent�mer, auf seinem Anteil niedergrabend, eine
bedeutende Vorlese gehalten. Mehrere Zimmer fand man leer und in der
Ecke des einen einen Haufen Asche, der mancherlei kleines Hausger�te
und Kunstarbeiten versteckte.
N�her an der Stadt fielen mir die kleinen H�user wieder auf, die als
vollkommene Nachbildungen der pompejanischen dastehen. Wir erbaten
uns die Erlaubnis, in eins hineinzutreten, und fanden es sehr reinlich
eingerichtet. Nett geflochtene Rohrst�hle, eine Kommode ganz
vergoldet, mit bunten Blumen staffiert und lackiert, so da� nach so
vielen Jahrhunderten, nach unz�hligen Ver�nderungen diese Gegend ihren
Bewohnern �hnliche Lebensart und Sitte, Neigungen und Liebhabereien
einfl��t.
Heute schlich ich beobachtend meiner Weise nach durch die Stadt und
notierte mir viele Punkte zu dereinstiger Schilderung derselben, davon
ich leider gegenw�rtig nichts mitteilen kann. Alles deutet dahin, da�
ein gl�ckliches, die ersten Bed�rfnisse reichlich anbietendes Land
auch Menschen von gl�cklichem Naturell erzeugt, die ohne K�mmernis
erwarten k�nnen, der morgende Tag werde bringen, was der heutige
gebracht, und deshalb sorgenlos dahin leben. Augenblickliche
Befriedigung, m��iger Genu�, vor�bergehender Leiden heiteres Dulden!
--Von dem letzteren ein artiges Beispiel.
Der Morgen war kalt und feuchtlich, es hatte wenig geregnet. Ich
gelangte auf einen Platz, wo die gro�en Quadern des Pflasters reinlich
gekehrt erschienen. Zu meiner gro�en Verwunderung sah ich auf diesem
v�llig ebenen, gleichen Boden eine Anzahl zerlumpter Knaben im Kreise
kauzend, die H�nde gegen den Boden gewendet, als wenn sie sich w�rmten.
Erst hielt ich's f�r eine Posse, als ich aber ihre Mienen v�llig
ernsthaft und beruhigt sah wie bei einem befriedigten Bed�rfnis, so
strengte ich meinen Scharfsinn m�glichst an, er wollte mich aber nicht
beg�nstigen. Ich mu�te daher fragen, was denn diese �ffchen zu der
sonderbaren Positur verleite und sie in diesen regelm��igen Kreis
versammle.
Hierauf erfuhr ich, da� ein anwohnender Schmied auf dieser Stelle eine
Radschiene hei� gemacht, welches auf folgende Weise geschieht. Der
eiserne Reif wird auf den Boden gelegt und auf ihn im Kreise so viel
Eichensp�ne geh�uft, als man n�tig h�lt, ihn bis auf den
erforderlichen Grad zu erweichen. Das entz�ndete Holz brennt ab, die
Schiene wird ums Rad gelegt und die Asche sorgf�ltig weggekehrt. Die
dem Pflaster mitgeteilte W�rme benutzen sogleich die kleinen Huronen
und r�hren sich nicht eher von der Stelle, als bis sie den letzten
warmen Hauch ausgezogen haben. Beispiele solcher Gen�gsamkeit und
aufmerksamen Benutzens dessen, was sonst verlorenginge, gibt es hier
unz�hlige. Ich finde in diesem Volk die lebhafteste und geistreichste
Industrie, nicht um reich zu werden, sondern um sorgenfrei zu leben.
Abends.
Ein Paar Fl�gelt�ren taten sich auf, hinter einem �ltlichen Herrn, der
hereintrat, gleich wieder verschlossen. Der Geistliche ging auf ihn
los, ich auch, wir begr��ten ihn mit wenigen h�flichen Worten, die er
mit bellenden, stotternden T�nen erwiderte, so da� ich mir keine Silbe
des hottentottischen Dialekts entr�tseln konnte. Als er sich ans
Kamin gestellt, zog sich der Geistliche zur�ck und ich mit ihm. Ein
stattlicher Benediktiner trat herein, begleitet von einem j�ngeren
Gef�hrten; auch er begr��te den Wirt, auch er wurde angebellt, worauf
er sich denn zu uns ans Fenster zur�ckzog. Die Ordensgeistlichen,
besonders die eleganter gekleideten, haben in der Gesellschaft die
gr��ten Vorz�ge; ihre Kleidung deutet auf Demut und Entsagung, indem
sie ihnen zugleich entschiedene W�rde verleiht. In ihrem Betragen
k�nnen sie, ohne sich wegzuwerfen, unterw�rfig erscheinen, und dann,
wenn sie wieder strack auf ihren H�ften stehen, kleidet sie eine
gewisse Selbstgef�lligkeit sogar wohl, welche man allen �brigen
St�nden nicht zugute gehen lie�e. So war dieser Mann. Ich fragte
nach Monte Cassino, er lud mich dahin und versprach mir die beste
Aufnahme. Indessen hatte sich der Saal bev�lkert: Offiziere, Hofleute,
Weltgeistliche, ja sogar einige Kapuziner waren gegenw�rtig.
Vergebens suchte ich nach einer Dame, und daran sollte es denn auch
nicht fehlen. Abermals ein Paar Fl�gelt�ren taten sich auf und
schlossen sich. Eine alte Dame war hereingetreten, wohl noch �lter
als der Herr, und nun gab mir die Gegenwart der Hausfrau die v�llige
Versicherung, da� ich in einem fremden Palast, unbekannt v�llig den
Bewohnern sei. Schon wurden die Speisen aufgetragen, und ich hielt
mich in der N�he der geistlichen Herren, um mit ihnen in das Paradies
des Tafelzimmers zu schl�pfen, als auf einmal Filangieri mit seiner
Gemahlin hereintrat, sich entschuldigend, da� er versp�tet habe. Kurz
darauf sprang Prinze�chen auch in den Saal, fuhr unter Knicksen,
Beugungen, Kopfnicken an allen vorbei auf mich los. "Es ist recht
sch�n, da� Sie Wort halten!" rief sie, "setzen Sie sich bei Tafel zu
mir, Sie sollen die besten Bissen haben. Warten Sie nur! Ich mu� mir
erst den rechten Platz aussuchen, dann setzen Sie sich gleich an mich."
So aufgefordert, folgte ich den verschiedenen Winkelz�gen, die sie
machte, und wir gelangten endlich zum Sitze, die Benediktiner gerade
gegen uns �ber, Filangieri an meiner andern Seite.--"Das Essen ist
durchaus gut", sagte sie, "alles Fastenspeisen, aber ausgesucht, das
Beste will ich Ihnen andeuten. Jetzt mu� ich aber die Pfaffen scheren.
Die Kerls kann ich nicht ausstehen; sie hucken unserm Hause
tagt�glich etwas ab. Was wir haben, sollten wir selbst mit Freunden
verzehren!"--Die Suppe war herumgegeben, der Benediktiner a� mit
Anstand.--"Bitte, sich nicht zu genieren, Hochw�rden", rief sie aus,
"ist etwa der L�ffel zu klein? Ich will einen gr��ern holen lassen,
die Herren sind ein t�chtiges Maulvoll gewohnt." Der Pater versetzte,
es sei in ihrem f�rstlichen Hause alles so vortrefflich eingerichtet,
da� ganz andere G�ste als er eine vollkommenste Zufriedenheit
empfinden w�rden.
Von den Pastetchen nahm sich der Pater nur eins, sie rief ihm zu, er
m�chte doch ein halb Dutzend nehmen! Bl�tterteig, wisse er ja,
verdaue sich leicht genug. Der verst�ndige Mann nahm noch ein
Pastetchen, f�r die gn�dige Attention dankend, als habe er den
l�sterlichen Scherz nicht vernommen. Und so mu�te ihr auch bei einem
derbern Backwerk Gelegenheit werden, ihre Bosheit auszulassen; denn
als der Pater ein St�ck anstach und es auf seinen Teller zog, rollte
ein zweites nach.--"Ein drittes", rief sie, "Herr Pater, Sie scheinen
einen guten Grund legen zu wollen!"--"Wenn so vortreffliche
Materialien gegeben sind, hat der Baumeister leicht arbeiten!"
versetzte der Pater.--Und so ging es immer fort, ohne da� sie eine
andere Pause gemacht h�tte, als mir gewissenhaft die besten Bissen
zuzuteilen.
Ich sprach indessen mit meinem Nachbar von den ernstesten Dingen.
�berhaupt habe ich Filangieri nie ein gleichg�ltiges Wort reden h�ren.
Er gleicht darin wie in manchem andern unserm Freunde Georg Schlosser,
nur da� er als Neapolitaner und Weltmann eine weichere Natur und
einen bequemem Umgang hat.
Die ganze Zeit war den geistlichen Herren von dem Mutwillen meiner
Nachbarin keine Ruhe geg�nnt, besonders gaben ihr die zur Fastenzeit
in Fleischgestalt verwandelten Fische unersch�pflichen Anla�,
gott--und sittenlose Bemerkungen anzubringen, besonders aber auch die
Fleischeslust hervorzuheben und zu billigen, da� man sich wenigstens
an der Form erg�tze, wenn auch das Wesen verboten sei.
Ich habe mir noch mehr solcher Scherze gemerkt, die ich jedoch
mitzuteilen nicht Mut habe. Dergleichen mag sich im Leben und aus
einem sch�nen Munde noch ganz ertr�glich ausnehmen, schwarz auf wei�
dagegen wollen sie mir selbst nicht mehr gefallen. Und dann hat
freche Verwegenheit das Eigene, da� sie in der Gegenwart erfreut, weil
sie in Erstaunen setzt, erz�hlt aber erscheint sie uns beleidigend und
widerlich.
Das Dessert war aufgetragen, und ich f�rchtete, nun gehe es immer so
fort; unerwartet aber wandte sich meine Nachbarin ganz beruhigt zu mir
und sagte: "Den Syrakuser sollen die Pfaffen in Ruhe verschlucken, es
gelingt mir doch nicht, einen zu Tode zu �rgern, nicht einmal, da� ich
ihnen den Appetit verderben k�nnte. Nun lassen Sie uns ein
vern�nftiges Wort reden! Denn was war das wieder f�r ein Gespr�ch mit
Filangieri! Der gute Mann! er macht sich viel zu schaffen. Schon oft
habe ich ihm gesagt: "Wenn ihr neue Gesetze macht, so m�ssen wir uns
wieder neue M�he geben, um auszusinnen, wie wir auch die zun�chst
�bertreten k�nnen; bei den alten haben wir es schon weg." Sehen Sie
nur einmal, wie sch�n Neapel ist; die Menschen leben seit so vielen
Jahren sorglos und vergn�gt, und wenn von Zeit zu Zeit einmal einer
geh�ngt wird, so geht alles �brige seinen herrlichen Gang." Sie tat
mir hierauf den Vorschlag, ich solle nach Sorrent gehen, wo sie ein
gro�es Gut habe, ihr Haushofmeister werde mich mit den besten Fischen
und dem k�stlichsten Milchkalbfleisch (mungana) herausf�ttern. Die
Bergluft und die himmlische Aussicht sollten mich von aller
Philosophie kurieren, dann wollte sie selbst kommen, und von den
s�mtlichen Runzeln, die ich ohnehin zu fr�h einrei�en lasse, solle
keine Spur �brigbleiben, wir wollten zusammen ein recht lustiges Leben
f�hren.
Auch heute schreib' ich einige Worte, damit ein Brief den andern
treibe. Es geht mir gut, doch seh' ich weniger, als ich sollte. Der
Ort inspiriert Nachl�ssigkeit und gem�chlich Leben, indessen wird mir
das Bild der Stadt nach und nach runder.
Die vesuvianischen Produkte hab' ich auch nun gut studiert; es wird
doch alles anders, wenn man es in Verbindung sieht. Eigentlich sollt'
ich den Rest meines Lebens auf Beobachtung wenden, ich w�rde manches
auffinden, was die menschlichen Kenntnisse vermehren d�rfte. Herdern
bitte zu melden, da� meine botanischen Aufkl�rungen weiter und weiter
gehen; es ist immer dasselbe Prinzip, aber es geh�rte ein Leben dazu,
um es durchzuf�hren. Vielleicht bin ich noch imstande, die
Hauptlinien zu ziehen.
Nun freu' ich mich auf das Museum von Portici. Man sieht es sonst
zuerst, wir werden es zuletzt sehen. Noch wei� ich nicht, wie es
weiter mit mir werden wird: alles will mich auf Ostern nach Rom zur�ck
haben. Ich will es ganz gehen lassen. Angelika hat aus meiner
"Iphigenie" ein Bild zu malen unternommen; der Gedanke ist sehr
gl�cklich, und sie wird ihn trefflich ausf�hren. Den Moment, da sich
Orest in der N�he der Schwester und des Freundes wiederfindet. Das,
was die drei Personen hintereinander sprechen, hat sie in eine
gleichzeitige Gruppe gebracht und jene Worte in Geb�rden verwandelt.
Man sieht auch hieran, wie zart sie f�hlt und wie sie sich zuzueignen
wei�, was in ihr Fach geh�rt. Und es ist wirklich die Achse des
St�cks.
Lebt wohl und liebt mich! Hier sind mir die Menschen alle gut, wenn
sie auch nichts mit mir anzufangen wissen; Tischbein dagegen
befriedigt sie besser, er malt ihnen abends gleich einige K�pfe in
Lebensgr��e vor, wobei und wor�ber sie sich wie Neuseel�nder bei
Erblickung eines Kriegsschiffes geb�rden. Hievon sogleich die lustige
Geschichte:
Bei Hackert in seiner h�chst behaglichen Wohnung, die ihm in dem alten
Schlosse geg�nnt ist. Das neue, freilich ein ungeheurer Palast,
escurialartig, ins Viereck gebaut, mit mehrern H�fen; k�niglich genug.
Die Lage au�erordentlich sch�n auf der fruchtbarsten Ebene von der
Welt, und doch erstrecken sich die Gartenanlagen bis ans Gebirge. Da
f�hrt nun ein Aqu�dukt einen ganzen Strom heran, um Schlo� und Gegend
zu tr�nken, und die ganze Wassermasse kann, auf k�nstlich angelegte
Felsen geworfen, zur herrlichsten Kaskade gebildet werden. Die
Gartenanlagen sind sch�n und geh�ren recht in eine Gegend, welche ganz
Garten ist.
Das Schlo�, wahrhaft k�niglich, schien mir nicht genug belebt, und
unsereinem k�nnen die ungeheuern leeren R�ume nicht behaglich
vorkommen. Der K�nig mag ein �hnliches Gef�hl haben, denn es ist im
Gebirge f�r eine Anlage gesorgt, die, enger an den Menschen sich
anschlie�end, zur Jagd--und Lebenslust geeignet ist.
Von dem besondern Vertrauen, womit ihn die K�nigin beehrt, zeugt nicht
allein, da� er den Prinzessinnen praktischen Unterricht gibt, sondern
vorz�glich, da� er �ber Kunst und was daran grenzt abends �fters zu
belehrender Unterhaltung gerufen wird. Er legt dabei Sulzers
W�rterbuch zum Grunde, woraus er nach Belieben und �berzeugung einen
oder den andern Artikel w�hlt.
Ich mu�te das billigen und dabei �ber mich selbst l�cheln. Welch ein
Unterschied ist nicht zwischen einem Menschen, der sich von innen aus
auferbauen, und einem, der auf die Welt wirken und sie zum
Hausgebrauch belehren will! Sulzers Theorie war mir wegen ihrer
falschen Grundmaxime immer verha�t, und nun sah ich, da� dieses Werk
noch viel mehr enthielt, als die Leute brauchen. Die vielen
Kenntnisse, die hier mitgeteilt werden, die Denkart, in welcher ein so
wackrer Mann als Sulzer sich beruhigte, sollten die nicht f�r
Weltleute hinreichend sein?
Die lieben Briefe vom 19. Februar kommen heute mir zur Hand, und
gleich soll ein Wort dagegen abgehen. Wie gerne mag ich, an die
Freunde denkend, zur Besinnung kommen.
Neapel ist ein Paradies, jedermann lebt in einer Art von trunkner
Selbstvergessenheit. Mit geht es ebenso, ich erkenne mich kaum, ich
scheine mir ein ganz anderer Mensch. Gestern dacht' ich: "Entweder du
warst sonst toll, oder du bist es jetzt."
Die Reste des alten Capua und was sich daran kn�pft, hab' ich nun von
hier aus auch besucht.
In dieser Gegend lernt man erst verstehen, was Vegetation ist und
warum man den Acker baut. Der Lein ist schon nah am Bl�hen und der
Weizen anderthalb Spannen hoch. Um Caserta das Land v�llig eben, die
Acker so gleich und klar gearbeitet wie Gartenbeete. Alles mit
Pappeln besetzt, an denen sich die Rebe hinaufschlingt, und ungeachtet
solcher Beschattung tr�gt der Boden noch die vollkommenste Frucht.
Wenn nun erst das Fr�hjahr mit Gewalt eintritt! Bisher haben wir bei
sch�ner Sonne sehr kalte Winde gehabt, das macht der Schnee in den
Bergen.
Doch das soll mich nicht abschrecken, mit "Tasso" eine �hnliche
Operation vorzunehmen. Lieber w�rf' ich ihn ins Feuer, aber ich will
bei meinem Entschlu� beharren, und da es einmal nicht anders ist, so
wollen wir ein wunderlich Werk daraus machen. Deshalb ist mir's ganz
angenehm, da� es mit dem Abdruck meiner Schriften so langsam geht.
Und dann ist es doch wieder gut, sich in einiger Ferne vom Setzer
bedroht zu sehen. Wunderlich genug, da� man zu der freisten Handlung
doch einige N�tigung erwartet, ja fordert.
Wenn man in Rom gern studieren mag, so will man hier nur leben; man
vergi�t sich und die Welt, und f�r mich ist es eine wunderliche
Empfindung, nur mit genie�enden Menschen umzugehen. Der Ritter
Hamilton, der noch immer als englischer Gesandter hier lebt, hat nun
nach so langer Kunstliebhaberei, nach so langem Naturstudium den
Gipfel aller Natur--und Kunstfreude in einem sch�nen M�dchen gefunden.
Er hat sie bei sich, eine Engl�nderin von etwa zwanzig Jahren. Sie
ist sehr sch�n und wohl gebaut. Er hat ihr ein griechisch Gewand
machen lassen, das sie trefflich kleidet, dazu l�st sie ihre Haare auf,
nimmt ein paar Schals und macht eine Abwechslung von Stellungen,
Geb�rden, Mienen etc., da� man zuletzt wirklich meint, man tr�ume.
Man schaut, was so viele tausend K�nstler gerne geleistet h�tten, hier
ganz fertig in Bewegung und �berraschender Abwechslung. Stehend,
knieend, sitzend, liegend, ernst, traurig, neckisch, ausschweifend,
bu�fertig, lockend, drohend, �ngstlich etc., eins folgt aufs andere
und aus dem andern. Sie wei� zu jedem Ausdruck die Falten des
Schleiers zu w�hlen, zu wechseln, und macht sich hundert Arten von
Kopfputz mit denselben T�chern. Der alte Ritter h�lt das Licht dazu
und hat mit ganzer Seele sich diesem Gegenstand ergeben. Er findet in
ihr alle Antiken, alle sch�nen Profile der sizilianischen M�nzen, ja
den Belvederschen Apoll selbst. So viel ist gewi�, der Spa� ist
einzig! Wir haben ihn schon zwei Abende genossen. Heute fr�h malt
sie Tischbein.
Vom Personal des Hofs und den Verh�ltnissen, was ich erfahren und
kombiniert, mu� erst gepr�ft und geordnet werden. Heute ist der K�nig
auf die Wolfsjagd, man hofft, wenigstens f�nfe zu erlegen.
Wenn ich Worte schreiben will, so stehen mir immer Bilder vor Augen
des fruchtbaren Landes, des freien Meeres, der duftigen Inseln, des
rauchenden Berges, und mir fehlen die Organe, das alles darzustellen.
Ich habe viel gesehen und noch mehr gedacht: die Welt er�ffnet sich
mehr und mehr, auch alles, was ich schon lange wei�, wird mir erst
eigen. Welch ein fr�h wissendes und sp�t �bendes Gesch�pf ist doch
der Mensch!
Und doch ist die Welt nur ein einfach Rad, in dem ganzen Umkreise sich
gleich und gleich, das uns aber so wunderlich vorkommt, weil wir
selbst mit herumgetrieben werden.
Was ich mir immer sagte, ist eingetroffen: da� ich so manche Ph�nomene
der Natur und manche Verworrenheiten der Meinungen erst in diesem
Lande verstehen und entwickeln lerne. Ich fasse von allen Seiten
zusammen und bringe viel zur�ck, auch gewi� viel Vaterlandsliebe und
Freude am Leben mit wenigen Freunden.
�ber meine sizilianische Reise halten die G�tter noch die Waage in
H�nden; das Z�nglein schl�gt her�ber und hin�ber.
Wer mag der Freund sein, den man mir so geheimnisvoll ank�ndigt? Da�
ich ihn nur nicht �ber meiner Irr--und Inselfahrt vers�ume!
Die Fregatte von Palermo ist wieder zur�ck, heut �ber acht Tage geht
sie abermals von hier ab; ob ich noch mitsegele, zur Karwoche nach Rom
zur�ckkehre, wei� ich nicht. Noch nie bin ich so unentschieden
gewesen; ein Augenblick, eine Kleinigkeit mag entscheiden.
Mit den Menschen geht mir es schon besser, man mu� sie nur mit dem
Kr�mergewicht, keineswegs mit der Goldwaage wiegen, wie es leider
sogar oft Freunde untereinander aus hypochondrischer Grille und
seltsamer Anforderung zu tun pflegen.
Hier wissen die Menschen gar nichts voneinander, sie merken kaum, da�
sie nebeneinander hin und her laufen; sie rennen den ganzen Tag in
einem Paradiese hin und wider, ohne sich viel umzusehen, und wenn der
benachbarte H�llenschlund zu toben anf�ngt, hilft man sich mit dem
Blute des heiligen Januarius, wie sich die �brige Welt gegen Tod und
Teufel auch wohl mit--Blute hilft oder helfen m�chte.
Nun durften wir nicht l�nger s�umen, Herkulanum und die ausgegrabene
Sammlung in Portici zu sehen. Jene alte Stadt, am Fu�e des Vesuvs
liegend, war vollkommen mit Lava bedeckt, die sich durch nachfolgende
Ausbr�che erh�hte, so da� die Geb�ude jetzt sechzig Fu� unter der Erde
liegen. Man entdeckte sie, indem man einen Brunnen grub und auf
get�felte Marmorfu�b�den traf. Jammerschade, da� die Ausgrabung nicht
durch deutsche Bergleute recht planm��ig geschehen; denn gewi� ist bei
einem zuf�llig r�uberischen Nachw�hlen manches edle Altertum vergeudet
worden. Man steigt sechzig Stufen hinunter in eine Gruft, wo man das
ehmals unter freiem Himmel stehende Theater bei Fackelschein anstaunt
und sich erz�hlen l��t, was alles da gefunden und hinaufgeschafft
worden.
In das Museum traten wir wohl empfohlen und wohl empfangen. Doch war
auch uns irgend etwas aufzuzeichnen nicht erlaubt. Vielleicht gaben
wir nur desto besser acht und versetzten uns desto lebhafter in die
verschwundene Zeit, wo alle diese Dinge zu lebendigem Gebrauch und
Genu� um die Eigent�mer umherstanden. Jene kleinen H�user und Zimmer
in Pompeji erschienen mir nun zugleich enger und weiter; enger, weil
ich sie mir von so viel w�rdigen Gegenst�nden vollgedr�ngt dachte,
weiter, weil gerade diese Gegenst�nde nicht blo� als notd�rftig
vorhanden, sondern durch bildende Kunst aufs geistreichste und
anmutigste verziert und belebt den Sinn erfreuen und erweitern, wie es
die gr��te Hausger�umigkeit nicht tun k�nnte.
In den letzten Tagen hat sich ein neues Verh�ltnis n�her angekn�pft.
Nachdem in diesen vier Wochen Tischbein mir sein treues Geleit durch
Natur--und Kunstgegenst�nde f�rderlich geleistet und wir gestern noch
zusammen in Portici gewesen, ergab sich aus wechselseitiger
Betrachtung, da� seine Kunstzwecke sowohl als diejenigen Gesch�fte,
die er, eine k�nftige Anstellung in Neapel hoffend, in der Stadt und
bei Hofe zu betreiben pflichtig ist, mit meinen Absichten, W�nschen
und Liebhabereien nicht zu verbinden seien. Er schlug mir daher,
immer f�r mich besorgt, einen jungen Mann vor als best�ndigen
Gesellschafter, den ich seit den ersten Tagen �fter sah, nicht ohne
Teilnahme und Neigung. Es ist Kniep, der sich eine Zeitlang in Rom
aufgehalten, sodann sich aber nach Neapel, in das eigentlichste
Element des Landschafters, begeben hatte. Schon in Rom h�rte ich ihn
als einen geschickten Zeichner preisen, nur seiner T�tigkeit wollte
man nicht gleiches Lob erteilen. Ich habe ihn schon ziemlich kennen
gelernt und m�chte diesen ger�gten Mangel eher Unentschlossenheit
nennen, die gewi� zu �berwinden ist, wenn wir eine Zeitlang beisammen
sind. Ein gl�cklicher Anfang best�tigt mir diese Hoffnung, und wenn
es mir nach geht, sollen wir auf geraume Zeit gute Gesellen bleiben.
Man darf nur auf der Stra�e wandeln und Augen haben, man sieht die
unnachahmlichsten Bilder.
So war auch heute Fest des heiligen Josephs; er ist der Patron aller
Frittaruolen, d. h. Gebacknesmacher, versteht sich Gebacknes im
gr�bsten Sinne. Weil nun immerfort starke Flammen unter schwarzem und
siedendem �l hervorschlagen, so geh�rt auch alle Feuerqual in ihr Fach;
deswegen hatten sie gestern abend vor den H�usern mit Gem�lden zum
besten aufgeputzt: Seelen im Fegfeuer, J�ngste Gerichte gl�hten und
flammten umher. Gro�e Pfannen standen vor der T�re auf leicht
gebauten Herden. Ein Gesell wirkte den Teig, ein anderer formte, zog
ihn zu Kringlen und warf sie in die siedende Fettigkeit. An der
Pfanne stand ein dritter, mit einem kleinen Bratspie�e, er holte die
Kringlen, wie sie gar wurden, heraus, schob sie einem vierten auf ein
ander Spie�chen, der sie den Umstehenden anbot; die beiden letzten
waren junge Burschen mit blonden und lockenreichen Per�cken, welches
hier Engel bedeutet. Noch einige Figuren vollendeten die Gruppe,
reichten Wein den Besch�ftigten, tranken selbst und schrieen, die Ware
zu loben; auch die Engel, die K�che, alle schrieen. Das Volk dr�ngte
sich herzu; denn alles Gebackene wird diesen Abend wohlfeiler gegeben
und sogar ein Teil der Einnahme den Armen.
Und so gibt es noch manche originale Unterhaltung, wenn man mit dem
Volke lebt; es ist so nat�rlich, da� man mit ihm nat�rlich werden
k�nnte. Da ist z. B. der Pulcinell, die eigentliche Nationalmaske,
der Harlekin, aus Bergamo, Hanswurst, aus Tirol geb�rtig. Pulcinell
nun, ein wahrhaft gelassener, ruhiger, bis auf einen gewissen Grad
gleichg�ltiger, beinahe fauler und doch humoristischer Knecht. Und so
findet man �berall Kellner und Hausknecht. Mit dem unsrigen macht'
ich mir heute eine besondere Lust, und es war weiter nichts, als da�
ich ihn schickte, Papier und Federn zu holen. Halber Mi�verstand,
Zaudern, guter Wille und Schalkheit brachte die anmutigste Szene
hervor, die man auf jedem Theater mit Gl�ck produzieren k�nnte.
Die Kunde einer soeben ausbrechenden Lava, die, f�r Neapel unsichtbar,
nach Ottajano hinunterflie�t, reizte mich, zum dritten Male den Vesuv
zu besuchen. Kaum war ich am Fu�e desselben aus meinem zweir�drigen,
einpferdigen Fuhrwerk gesprungen, so zeigten sich schon jene beiden
F�hrer, die uns fr�her hinaufbegleitet hatten. Ich wollte keinen
missen und nahm den einen aus Gewohnheit und Dankbarkeit, den andern
aus Vertrauen, beide der mehreren Bequemlichkeit wegen mit mir.
Auf die H�he gelangt, blieb der eine bei den M�nteln und Viktualien,
der j�ngere folgte mir, und wir gingen mutig auf einen ungeheuren
Dampf los, der unterhalb des Kegelschlundes aus dem Berge brach;
sodann schritten wir an dessen Seite her gelind hinabw�rts, bis wir
endlich unter klarem Himmel aus dem wilden Dampfgew�lke die Lava
hervorquellen sahen.
Durch die hellste Sonne erschien die Glut verd�stert, nur ein m��iger
Rauch stieg in die reine Luft. Ich hatte Verlangen, mich dem Punkte
zu n�hern, wo sie aus dem Berge bricht; dort sollte sie, wie mein
F�hrer versicherte, sogleich Gew�lb und Dach �ber sich her bilden, auf
welchem er �fters gestanden habe. Auch dieses zu sehen und zu
erfahren, stiegen wir den Berg wieder hinauf, um jenem Punkte von
hintenher beizukommen. Gl�cklicherweise fanden wir die Stelle durch
einen lebhaften Windzug entbl��t, freilich nicht ganz, denn ringsum
qualmte der Dampf aus tausend Ritzen, und nun standen wir wirklich auf
der breiartig gewundenen, erstarrten Decke, die sich aber so weit
vorw�rts erstreckte, da� wir die Lava nicht konnten herausquellen
sehen.
Wir versuchten noch ein paar Dutzend Schritte, aber der Boden ward
immer gl�hender; sonneverfinsternd und erstickend wirbelte ein
un�berwindlicher Qualm. Der vorausgegangene F�hrer kehrte bald um,
ergriff mich, und wir entwanden uns diesem H�llenbrudel.
Nachdem wir die Augen an der Aussicht, Gaumen und Brust aber am Weine
gelabt, gingen wir umher, noch andere Zuf�lligkeiten dieses mitten im
Paradies aufget�rmten H�llengipfels zu beobachten. Einige Schl�nde,
die als vulkanische Essen keinen Rauch, aber eine gl�hende Luft
fortw�hrend gewaltsam aussto�en, betrachtete ich wieder mit
Aufmerksamkeit. Ich sah sie durchaus mit einem tropfsteinartigen
Material tapeziert, welches zitzen--und zapfenartig die Schl�nde bis
oben bekleidete. Bei der Ungleichheit der Essen fanden sich mehrere
dieser herabh�ngenden Dunstprodukte ziemlich zur Hand, so da� wir sie
mit unsern St�ben und einigen hakenartigen Vorrichtungen gar wohl
gewinnen konnten. Bei dem Lavah�ndler hatte ich schon dergleichen
Exemplare unter der Rubrik der wirklichen Laven gefunden, und ich
freute mich, entdeckt zu haben, da� es vulkanischer Ru� sei, abgesetzt
aus den hei�en Schwaden, die darin enthaltenen verfl�chtigten
mineralischen Teile offenbarend.
Triebe mich nicht die deutsche Sinnesart und das Verlangen, mehr zu
lernen und zu tun als zu genie�en, so sollte ich in dieser Schule des
leichten und lustigen Lebens noch einige Zeit verweilen und mehr zu
profitieren suchen. Es ist hier gar vergn�glich sein, wenn man sich
nur ein klein wenig einrichten k�nnte. Die Lage der Stadt, die Milde
des Klimas kann nie genug ger�hmt werden, aber darauf ist auch der
Fremde fast allein angewiesen.
Freilich wer sich Zeit nimmt, Geschick und Verm�gen hat, kann sich
auch hier breit und gut niederlassen. So hat sich Hamilton eine
sch�ne Existenz gemacht und genie�t sie nun am Abend seines Lebens.
Die Zimmer, die er sich in englischem Geschmack einrichtete, sind
allerliebst, und die Aussicht aus dem Eckzimmer vielleicht einzig.
Unter uns das Meer, im Angesicht Capri, rechts der Posilipo, n�her der
Spaziergang Villa Reale, links ein altes Jesuitengeb�ude, weiterhin
die K�ste von Sorrent bis ans Kap Minerva. Dergleichen m�cht' es wohl
in Europa schwerlich zum zweiten Male geben, wenigstens nicht im
Mittelpunkte einer gro�en, bev�lkerten Stadt.
Hamilton ist ein Mann von allgemeinem Geschmack und, nachdem er alle
Reiche der Sch�pfung durchwandert, an ein sch�nes Weib, das
Meisterst�ck des gro�en K�nstlers, gelangt.
Und nun nach allem diesem und hundertf�ltigem Genu� locken mich die
Sirenen jenseits des Meeres, und wenn der Wind gut ist, geh' ich mit
diesem Briefe zugleich ab, er nordw�rts, ich s�dw�rts. Des Menschen
Sinn ist unb�ndig, ich besonders bedarf der Weite gar sehr. Nicht
sowohl das Beharren als ein schnelles Auffassen mu� jetzt mein
Augenmerk sein. Hab' ich einem Gegenstande nur die Spitze des Fingers
abgewonnen, so kann ich mir die ganze Hand durch H�ren und Denken wohl
zueignen.
Heute sahen wir ein Bild von Correggio, das verk�uflich ist, zwar
nicht vollkommen erhalten, das aber doch das gl�cklichste Gepr�g des
Reizes unausgel�scht mit sich f�hrt. Es stellt eine Mutter Gottes vor,
das Kind in dem Augenblicke, da es zwischen der Mutter Brust und
einigen Birnen, die ihm ein Engelchen darreicht, zweifelhaft ist.
Also eine "Entw�hnung Christi". Mir scheint die Idee �u�erst zart,
die Komposition bewegt, nat�rlich und gl�cklich, h�chst reizend
ausgef�hrt. Es erinnert sogleich an das "Verl�bnis der heiligen
Katharina" und scheint mir unbezweifelt von Correggios Hand.
Neapel, Freitag, den 23. M�rz 1787.
Nun hat sich das Verh�ltnis zu Kniep auf eine recht praktische Weise
ausgebildet und befestigt. Wir waren zusammen in P�stum, woselbst er,
so wie auf der Hin--und Herreise, mit Zeichnen sich auf das t�tigste
erwies. Die herrlichsten Umrisse sind gewonnen, ihn freut nun selbst
dieses bewegte, arbeitsame Leben, wodurch ein Talent aufgeregt wird,
das er sich selbst kaum zutraute. Hier gilt es resolut sein; aber
gerade hier zeigt sich seine genaue und reinliche Fertigkeit. Das
Papier, worauf gezeichnet werden soll, mit einem rechtwinkligen
Viereck zu umziehen, vers�umt er niemals, die besten englischen
Bleistifte zu spitzen und immer wieder zu spitzen, ist ihm fast eine
ebenso gro�e Lust als zu zeichnen; daf�r sind aber auch seine Konture,
was man w�nschen kann.
Nun haben wir folgendes verabredet. Von heute an leben und reisen wir
zusammen, ohne da� er weiter f�r etwas sorgt als zu zeichnen, wie
diese Tage geschehen. Alle Konture geh�ren mein, damit aber nach
unserer R�ckkehr daraus ein ferneres Wirken f�r ihn entspringe, so
f�hrt er eine Anzahl auszuw�hlender Gegenst�nde bis auf eine gewisse
bestimmte Summe f�r mich aus; da sich denn indessen bei seiner
Geschicklichkeit, bei der Bedeutsamkeit der zu erobernden Aussichten
und sonst wohl das Weitere ergeben wird. Diese Einrichtung macht mich
ganz gl�cklich, und jetzt erst kann ich von unserer Fahrt kurze
Rechenschaft geben.
Ein gleicher Umri� ward abends aus den Fenstern von Salern genommen,
welcher mich aller Beschreibung �berheben wird, einer ganz einzig
lieblichen und fruchtbaren Gegend. Wer w�re nicht geneigt gewesen, an
diesem Orte zu studieren, zur sch�nen Zeit der bl�henden hohen Schule?
Beim fr�hsten Morgen fuhren wir auf ungebahnten, oft morastigen Wegen
einem Paar sch�n geformten Bergen zu, wir kamen durch Bach und
Gew�sser, wo wir den nilpferdischen B�ffeln in die blutroten wilden
Augen sahen.
Das Land ward immer flacher und w�ster, wenige Geb�ude deuteten auf
k�rgliche Landwirtschaft. Endlich, ungewi�, ob wir durch Felsen oder
Tr�mmer f�hren, konnten wir einige gro�e l�nglich-viereckige Massen,
die wir in der Ferne schon bemerkt hatten, als �berbliebene Tempel und
Denkmale einer ehemals so pr�chtigen Stadt unterscheiden. Kniep,
welcher schon unterwegs die zwei malerischen Kalkgebirge umrissen,
suchte sich schnell einen Standpunkt, von wo aus das Eigent�mliche
dieser v�llig unmalerischen Gegend aufgefa�t und dargestellt werden
k�nnte.
Von einem Landmanne lie� ich mich indessen in den Geb�uden herumf�hren;
der erste Eindruck konnte nur Erstaunen erregen. Ich befand mich in
einer v�llig fremden Welt. Denn wie die Jahrhunderte sich aus dem
Ernsten in das Gef�llige bilden, so bilden sie den Menschen mit, ja
sie erzeugen ihn so. Nun sind unsere Augen und durch sie unser ganzes
inneres Wesen an schlankere Baukunst hinangetrieben und entschieden
bestimmt, so da� uns diese stumpfen, kegelf�rmigen, enggedr�ngten
S�ulenmassen l�stig, ja furchtbar erscheinen. Doch nahm ich mich bald
zusammen, erinnerte mich der Kunstgeschichte, gedachte der Zeit, deren
Geist solche Bauart gem�� fand, vergegenw�rtigte mir den strengen Stil
der Plastik, und in weniger als einer Stunde f�hlte ich mich
befreundet, ja ich pries den Genius, da� er mich diese so wohl
erhaltenen Reste mit Augen sehen lie�, da sich von ihnen durch
Abbildung kein Begriff geben l��t. Denn im architektonischen Aufri�
erscheinen sie eleganter, in perspektivischer Darstellung plumper, als
sie sind, nur wenn man sich um sie her, durch sie durch bewegt, teilt
man ihnen das eigentliche Leben mit; man f�hlt es wieder aus ihnen
heraus, welches der Baumeister beabsichtigte, ja hineinschuf. Und so
verbrachte ich den ganzen Tag, indessen Kniep nicht s�umte, uns die
genausten Umrisse zuzueignen. Wie froh war ich, von dieser Seite ganz
unbesorgt zu sein und f�r die Erinnerung so sichere Merkzeichen zu
gewinnen. Leider war keine Gelegenheit, hier zu �bernachten, wir
kehrten nach Salern zur�ck, und den andern Morgen ging es zeitig nach
Neapel. Der Vesuv, von der R�ckseite gesehn, in der fruchtbarsten
Gegend; Pappeln pyramidalkolossal an der Chaussee im Vordergrunde.
Dies war auch ein angenehmes Bild, das wir durch ein kurzes
Stillhalten erwarben.
Nun erreichten wir eine H�he; der gr��te Anblick tat sich vor uns auf.
Neapel in seiner Herrlichkeit, die meilenlange Reihe von H�usern am
flachen Ufer des Golfs hin, die Vorgebirge, Erdzungen, Felsw�nde, dann
die Inseln und dahinter das Meer war ein entz�ckender Anblick.
Eine Weile r�hrte er sich nicht, dann klopfte er mir sachte auf die
Schulter, streckte seinen rechten Arm mit aufgehobenem Zeigefinger
zwischen uns durch und sagte: "Signor, perdonate! questa � la mia
patria!"--Das hei�t verdolmetscht: "Herr, verzeiht! Ist das doch mein
Vaterland!"--Und so war ich zum zweiten Male �berrascht. Mir armem
Nordl�nder kam etwas Tr�nenartiges in die Augen!
Ob ich gleich empfand, da� Kniep sehr gern mit mir nach Sizilien gehe,
so konnte ich doch bemerken, da� er ungern etwas zur�cklie�. Bei
seiner Aufrichtigkeit blieb mir nicht lange verborgen, da� ihm ein
Liebchen eng und treu verbunden sei. Wie sie zusammen bekannt
geworden, war artig genug zu h�ren; wie sich das M�dchen bisher
betragen, konnte f�r sie einnehmen; nun sollte ich sie aber auch sehen,
wie h�bsch sie sei. Hiezu war Anstalt getroffen, und zwar so, da�
ich zugleich eine der sch�nsten Aussichten �ber Neapel genie�en k�nnte.
Er f�hrte mich auf das flache Dach eines Hauses, von wo man
besonders den untern Teil der Stadt nach dem Molo zu, den Golf, die
K�ste von Sorrent vollkommen �bersehen konnte; alles weiter rechts
Liegende verschob sich auf die sonderbarste Weise, wie man es, ohne
auf diesem Punkte zu stehen, nicht leicht sehen wird. Neapel ist
�berall sch�n und herrlich.
Als wir nun die Gegend bewunderten, stieg, obgleich erwartet, doch
unversehens ein gar artiges K�pfchen aus dem Boden hervor. Denn zu
einem solchen S�ller macht nur eine l�nglich viereckige �ffnung im
Estrich, welche mit einer Fallt�re zugedeckt werden kann, den Eingang.
Und da nun das Engelchen v�llig hervortrat, fiel mir ein, da� �ltere
K�nstler die Verk�ndigung Mari� also vorstellen, da� der Engel eine
Treppe heraufk�mmt. Dieser Engel aber war nun wirklich von gar
sch�ner Gestalt, h�bschem Gesichtchen und einem guten, nat�rlichen
Betragen. Es freute mich, unter dem herrlichen Himmel und im
Angesicht der sch�nsten Gegend von der Welt meinen neuen Freund so
gl�cklich zu sehen. Er gestand mir, als sie sich wieder entfernt
hatte, da� er eben deshalb eine freiwillige Armut bisher getragen,
weil er dabei sich zugleich ihrer Liebe erfreut und ihre Gen�gsamkeit
sch�tzen lernen, nun sollten ihm auch seine bessern Aussichten und ein
reichlicher Zustand vorz�glich deshalb w�nschenswert sein, damit er
auch ihr bessere Tage bereiten k�nne.
Nach diesem angenehmen Abenteuer spazierte ich am Meere hin und war
still und vergn�glich. Da kam mir eine gute Erleuchtung �ber
botanische Gegenst�nde. Herdern bitte ich zu sagen, da� ich mit der
Urpflanze bald zustande bin, nur f�rchte ich, da� niemand die �brige
Pflanzenwelt darin wird erkennen wollen. Meine famose Lehre von den
Kotyledonen ist so sublimiert, da� man schwerlich wird weiter gehen
k�nnen.
Morgen geht dieser Brief von hier zu euch. Donnerstag den 29. geh'
ich mit der Korvette, die ich, des Seewesens unkundig, in meinem
vorigen Briefe zum Rang einer Fregatte erhob, endlich nach Palermo.
Der Zweifel, ob ich reisen oder bleiben sollte, machte einen Teil
meines hiesigen Aufenthaltes unruhig; nun, da ich entschlossen bin,
geht es besser. F�r meine Sinnesart ist diese Reise heilsam, ja
notwendig. Sizilien deutet mir nach Asien und Afrika, und auf dem
wundersamen Punkte, wohin so viele Radien der Weltgeschichte gerichtet
sind, selbst zu stehen, ist keine Kleinigkeit.
Neapel habe ich nach seiner eignen Art behandelt; ich war nichts
weniger als flei�ig, doch hab' ich viel gesehen und mir einen
allgemeinen Begriff von dem Lande, seinen Einwohnern und Zust�nden
gebildet. Bei der Wiederkehr soll manches nachgeholt werden; freilich
nur manches, denn vor dem 29. Juni mu� ich wieder in Rom sein. Hab'
ich die heilige Woche vers�umt, so will ich dort wenigstens den St.
-Peters-Tag feiern. Meine sizilianische Reise darf mich nicht
allzuweit von meiner ersten Absicht weglenken.
Vorgestern hatten wir ein gewaltiges Wetter mit Donner, Blitz und
Regeng�ssen; jetzt hat sich's wieder ausgehellt, eine herrliche
Tramontane weht her�ber; bleibt sie best�ndig, so haben wir die
schnellste Fahrt.
Gestern war ich mit meinem Gef�hrten, unser Schiff zu besehen und das
K�mmerchen zu besuchen, das uns aufnehmen soll. Eine Seereise fehlte
mir ganz in meinen Begriffen; diese kleine �berfahrt, vielleicht eine
K�stenumschiffung wird meiner Einbildungskraft nachhelfen und mir die
Welt erweitern. Der Kapit�n ist ein junger, munterer Mann, das Schiff
gar zierlich und nett, in Amerika gebaut, ein guter Segler.
Hier f�ngt nun alles an, gr�n zu werden, in Sizilien find' ich es noch
weiter. Wenn ihr diesen Brief erhaltet, bin ich auf der R�ckreise und
habe Trinakrien hinter mir. So ist der Mensch: immer springt er in
Gedanken vor--und r�ckw�rts; ich war noch nicht dort und bin schon
wieder bei euch. Doch an der Verworrenheit dieses Briefes bin ich
nicht schuld; jeden Augenblick werd' ich unterbrochen und m�chte doch
gern dieses Blatt zu Ende schreiben.
Soeben besuchte mich ein Marchese Berio, ein junger Mann, der viel zu
wissen scheint. Er wollte den Verfasser des "Werther" doch auch
kennen lernen. �berhaupt ist hier gro�er Drang und Lust nach Bildung
und Wissen. Sie sind nur zu gl�cklich, um auf den rechten Weg zu
kommen. H�tte ich nur mehr Zeit, so wollt' ich ihnen gern meine Zeit
geben. Diese vier Wochen--was waren die gegen das ungeheure Leben!
Nun gehabt euch wohl! Reisen lern' ich wohl auf dieser Reise, ob ich
leben lerne, wei� ich nicht. Die Menschen, die es zu verstehen
scheinen, sind in Art und Wesen zu sehr von mir verschieden, als da�
ich auf dieses Talent sollte Anspruch machen k�nnen.
Lebet wohl und liebt mich, wie ich eurer von Herzen gedenke.
Diese Tage gehen mir nun g�nzlich mit Einpacken und Abschiednehmen,
mit Besorgen und Bezahlen, Nachholen und Vorbereiten, sie gehen mir
v�llig verloren.
Der F�rst von Waldeck beunruhigte mich noch beim Abschied, denn er
sprach von nichts weniger, als da� ich bei meiner R�ckkehr mich
einrichten sollte, mit ihm nach Griechenland und Dalmatien zu gehen.
Wenn man sich einmal in die Welt macht und sich mit der Welt einl��t,
so mag man sich ja h�ten, da� man nicht entr�ckt oder wohl gar
verr�ckt wird. Zu keiner Silbe weiter bin ich f�hig.
Sizilien
Nicht wie bei dem letzten Abgange des Paketboots wehte diesmal ein
f�rderlicher frischer Nordost, sondern leider von der Gegenseite ein
lauer S�dwest, der allerhinderlichste; und so erfuhren wir denn, wie
der Seefahrer vom Eigensinne des Wetters und Windes abh�ngt.
Ungeduldig verbrachten wir den Morgen bald am Ufer, bald im Kaffeehaus;
endlich bestiegen wir zu Mittag das Schiff und genossen beim
sch�nsten Wetter des herrlichsten Anblicks. Unfern vom Molo lag die
Korvette vor Anker. Bei klarer Sonne eine dunstreiche Atmosph�re,
daher die beschatteten Felsenw�nde von Sorrent vom sch�nsten Blau.
Das beleuchtete, lebendige Neapel gl�nzte von allen Farben. Erst mit
Sonnenuntergang bewegte sich das Schiff, jedoch nur langsam, von der
Stelle, der Widerwind schob uns nach dem Posilipo und dessen Spitze
hin�ber. Die ganze Nacht ging das Schiff ruhig fort. Es war in
Amerika gebaut, schnellsegelnd, inwendig mit artigen K�mmerchen und
einzelnen Lagerst�tten eingerichtet. Die Gesellschaft anst�ndig
munter: Operisten und T�nzer, nach Palermo verschrieben.
Bei Tagesanbruch fanden wir uns zwischen Ischia und Capri, ungef�hr
von letzterem eine Meile. Die Sonne ging hinter den Gebirgen von
Capri und Capo Minerva herrlich auf. Kniep zeichnete flei�ig die
Umrisse der K�sten und Inseln und ihre verschiedenen Ansichten; die
langsame Fahrt kam seiner Bem�hung zustatten. Wir setzten mit
schwachem und halbem Winde unsern Weg fort. Der Vesuv verlor sich
gegen vier Uhr aus unsern Augen, als Capo Minerva und Ischia noch
gesehen wurden. Auch diese verloren sich gegen Abend. Die Sonne ging
unter ins Meer, begleitet von Wolken und einem langen, meilenweit
reichenden Streifen, alles purpurgl�nzende Lichter. Auch dieses
Ph�nomen zeichnete Kniep. Nun war kein Land mehr zu sehen, der
Horizont ringsum ein Wasserkreis, die Nacht hell und sch�ner
Mondschein.
Die Sonne tauchte klar aus dem Meere herauf. Um sieben Uhr erreichten
wir ein franz�sisches Schiff, welches zwei Tage vor uns abgegangen war;
um so viel besser segelten wir, und doch sahen wir noch nicht das
Ende unserer Fahrt. Einigen Trost gab uns die Insel Ustica, doch
leider zur Linken, da wir sie eben, wie auch Capri, h�tten rechts
lassen sollen. Gegen Mittag war uns der Wind ganz zuwider, und wir
kamen nicht von der Stelle. Das Meer fing an, h�her zu gehen, und im
Schiffe war fast alles krank.
Ich blieb in meiner gewohnten Lage, das ganze St�ck ward um und um,
durch und durch gedacht. Die Stunden gingen vor�ber, ohne da� ich
ihre Einteilung bemerkt h�tte, wenn nicht der schelmische Kniep, auf
dessen Appetit die Wellen keinen Einflu� hatten, von Zeit zu Zeit,
indem er mir Wein und Brot brachte, die treffliche Mittagstafel, die
Heiterkeit und Anmut des jungen t�chtigen Kapit�ns, dessen Bedauern,
da� ich meine Portion nicht mitgenie�e, zugleich schadenfroh ger�hmt
h�tte. Ebenso gab ihm der �bergang von Scherz und Lust zu Mi�behagen
und Krankheit und wie sich dieses bei einzelnen Gliedern der
Gesellschaft gezeigt, reichen Stoff zu mutwilliger Schilderung.
Nachmittags vier Uhr gab der Kapit�n dem Schiff eine andere Richtung.
Die gro�en Segel wurden wieder aufgezogen und unsere Fahrt gerade auf
die Insel Ustica gerichtet, hinter welcher wir zu gro�er Freude die
Berge von Sizilien erblickten. Der Wind besserte sich, wir fuhren
schneller auf Sizilien los, auch kamen uns noch einige Inseln zu
Gesichte. Der Sonnenuntergang war tr�be, das Himmelslicht hinter
Nebel versteckt. Den ganzen Abend ziemlich g�nstiger Wind. Gegen
Mitternacht fing das Meer an, sehr unruhig zu werden.
Da wir weit unter dem Winde waren, fuhr der Kapit�n gerade auf eine
Bucht zu, gleich hinter Capo Gallo. Kniep vers�umte die sch�ne
Gelegenheit nicht, die mannigfaltigsten Ansichten ziemlich im Detail
zu zeichnen. Mit Sonnenuntergang wendete der Kapit�n das Schiff
wieder dem hohen Meer zu und fuhr nordostw�rts, um die H�he von
Palermo zu erreichen. Ich wagte mich manchmal aufs Verdeck, doch lie�
ich meinen dichterischen Vorsatz nicht aus dem Sinne, und ich war des
ganzen St�cks so ziemlich Herr geworden. Bei tr�blichem Himmel heller
Mondschein, der Widerschein auf dem Meer unendlich sch�n. Die Maler,
um der Wirkung willen, lassen uns oft glauben, der Widerschein der
Himmelslichter im Wasser habe zun�chst dem Beschauer die gr��te Breite,
wo er die gr��te Energie hat. Hier aber sah man am Horizont den
Widerschein am breitesten, der sich wie eine zugespitzte Pyramide
zun�chst am Schiff in blinkenden Wellen endigte. Der Kapit�n
ver�nderte die Nacht noch einigemal das Man�ver.
fanden wir uns Palermo gegen�ber. Dieser Morgen erschien f�r mich
h�chst erfreulich. Der Plan meines Dramas war diese Tage daher im
Walfischbauch ziemlich gediehen. Ich befand mich wohl und konnte nun
auf dem Verdeck die K�sten Siziliens mit Aufmerksamkeit betrachten.
Kniep zeichnete emsig fort, und durch seine gewandte Genauigkeit
wurden mehrere Streifen Papier zu einem sehr sch�tzbaren Andenken
dieses versp�teten Landens.
Endlich gelangten wir mit Not und Anstrengung nachmittags um drei Uhr
in den Hafen, wo uns ein h�chst erfreulicher Anblick entgegentrat.
V�llig hergestellt, wie ich war, empfand ich das gr��te Vergn�gen.
Die Stadt gegen Norden gekehrt, am Fu� hoher Berge liegend; �ber ihr,
der Tageszeit gem��, die Sonne her�berscheinend. Die klaren
Schattenseiten aller Geb�ude sahen uns an, vom Widerschein erleuchtet.
Monte Pellegrino rechts, seine zierlichen Formen im vollkommensten
Lichte, links das weit hingestreckte Ufer mit Buchten, Landzungen und
Vorgebirgen. Was ferner eine allerliebste Wirkung hervorbrachte, war
das junge Gr�n zierlicher B�ume, deren Gipfel, von hinten erleuchtet,
wie gro�e Massen vegetabilischer Johannisw�rmer vor den dunkeln
Geb�uden hin und wider wogten. Ein klarer Duft blaute alle Schatten.
Anstatt ungeduldig ans Ufer zu eilen, blieben wir auf dem Verdeck, bis
man uns wegtrieb; wo h�tten wir einen gleichen Standpunkt, einen so
gl�cklichen Augenblick so bald wieder hoffen k�nnen!
Der helle Mondschein lockte uns des Abends noch auf die Reede und
hielt nach der R�ckkehr uns noch eine lange Zeit auf dem Altan. Die
Beleuchtung war sonderbar, Ruhe und Anmut gro�.
Unser erstes war, die Stadt n�her zu betrachten, die sehr leicht zu
�berschauen und schwer zu kennen ist, leicht, weil eine meilenlange
Stra�e vom untern zum obern Tor, vom Meere bis gegen das Gebirg' sie
durchschneidet und diese ungef�hr in der Mitte von einer andern
abermals durchschnitten wird: was auf diesen Linien liegt, ist bequem
zu finden; das Innere der Stadt hingegen verwirrt den Fremden, und er
entwirrt sich nur mit H�lfe eines F�hrers in diesem Labyrinthe.
Zwei Stunden vor Nacht war der Vollmond eingetreten und verherrlichte
den Abend unaussprechlich. Die Lage von Palermo gegen Norden macht,
da� sich Stadt und Ufer sehr wundersam gegen die gro�en Himmelslichter
verh�lt, deren Widerschein man niemals in den Wellen erblickt.
Deswegen wir auch heute an dem heitersten Tage das Meer dunkelblau,
ernsthaft und zudringlich fanden, anstatt da� es bei Neapel von der
Mittagsstunde an immer heiterer, lustiger und ferner gl�nzt.
Kniep hatte mich schon heute manchen Weg und manche Betrachtung allein
machen lassen, um einen genauen Kontur des Monte Pellegrino zu nehmen,
des sch�nsten aller Vorgebirge der Welt.
Wir fuhren Donnerstag, den 29. M�rz, mit Sonnenuntergang von Neapel
und landeten erst nach vier Tagen um drei Uhr im Hafen von Palermo.
Ein kleines Diarium, das ich beilege, erz�hlt �berhaupt unsere
Schicksale. Ich habe nie eine Reise so ruhig angetreten als diese,
habe nie eine ruhigere Zeit gehabt als auf der durch best�ndigen
Gegenwind sehr verl�ngerten Fahrt, selbst auf dem Bette im engen
K�mmerchen, wo ich mich die ersten Tage halten mu�te, weil mich die
Seekrankheit stark angriff. Nun denke ich ruhig zu euch hin�ber; denn
wenn irgend etwas f�r mich entscheidend war, so ist es diese Reise.
Hat man sich nicht ringsum vom Meere umgeben gesehen, so hat man
keinen Begriff von Welt und von seinem Verh�ltnis zur Welt. Als
Landschaftszeichner hat mir diese gro�e, simple Linie ganz neue
Gedanken gegeben.
Wir haben, wie das Diarium ausweist, auf dieser kurzen Fahrt
mancherlei Abwechslungen und gleichsam die Schicksale der Seefahrer im
kleinen gehabt. �brigens ist die Sicherheit und Bequemlichkeit des
Paketboots nicht genug zu loben. Der Kapit�n ist ein sehr braver und
recht artiger Mann. Die Gesellschaft war ein ganzes Theater,
gutgesittet, leidlich und angenehm. Mein K�nstler, den ich bei mir
habe, ist ein munterer, treuer, guter Mensch, der mit der gr��ten
Akkuratesse zeichnet; er hat alle Inseln und K�sten, wie sie sich
zeigten, umrissen; es wird euch gro�e Freude machen, wenn ich alles
mitbringe. �brigens hat er mir, die langen Stunden der �berfahrt zu
verk�rzen, das Mechanische der Wasserfarbenmalerei (Aquarell), die man
in Italien jetzt sehr hoch getrieben hat, aufgeschrieben. Versteht
sich den Gebrauch gewisser Farben, um gewisse T�ne hervorzubringen, an
denen man sich, ohne das Geheimnis zu wissen, zu Tode mischen w�rde.
Ich hatte wohl in Rom manches davon erfahren, aber niemals im
Zusammenhange. Die K�nstler haben es in einem Lande ausstudiert wie
Italien, wie dieses ist. Mit keinen Worten ist die dunstige Klarheit
auszudr�cken, die um die K�sten schwebte, als wir am sch�nsten
Nachmittage gegen Palermo anfuhren. Die Reinheit der Konture, die
Weichheit des Ganzen, das Auseinanderweichen der T�ne, die Harmonie
von Himmel, Meer und Erde. Wer es gesehen hat, der hat es auf sein
ganzes Leben. Nun versteh' ich erst die Claude Lorrains und habe
Hoffnung, auch dereinst in Norden aus meiner Seele Schattenbilder
dieser gl�cklichen Wohnung hervor--3zubringen. W�re nur alles
Kleinliche so rein daraus weggewaschen als die Kleinheit der
Strohd�cher aus meinen Zeichenbegriffen. Wir wollen sehen, was diese
K�nigin der Inseln tun kann.
Wie sie uns empfangen hat, habe ich keine Worte auszudr�cken: mit
frischgr�nenden Maulbeerb�umen, immergr�nendem Oleander,
Zitronenhecken etc. In einem �ffentlichen Garten stehn weite Beete von
Ranunkeln und Anemonen. Die Luft ist mild, warm und wohlriechend, der
Wind lau. Der Mond ging dazu voll hinter einem Vorgebirge herauf und
schien ins Meer; und diesen Genu�, nachdem man vier Tage und N�chte
auf den Wellen geschwebt! Verzeiht, wenn ich mit einer stumpfen Feder
aus einer Tuschmuschel, aus der mein Gef�hrte die Umrisse nachzieht,
dieses hinkritzle. Es kommt doch wie ein Lispeln zu euch hin�ber,
indes ich allen, die mich lieben, ein ander Denkmal dieser meiner
gl�cklichen Stunden bereite. Was es wird, sag' ich nicht, wann ihr es
erhaltet, kann ich auch nicht sagen.
Palermo, Dienstag, den 3. April 1787.
Dieses Blatt sollte nun, meine Geliebten, euch des sch�nsten Genusses,
insofern es m�glich w�re, teilhaft machen; es sollte die Schilderung
der unvergleichlichen, eine gro�e Wassermasse umfassenden Bucht
�berliefern. Von Osten herauf, wo ein fl�cheres Vorgebirg weit in die
See greift, an vielen schroffen, wohlgebildeten, waldbewachsenen
Felsen hin bis an die Fischerwohnungen der Vorst�dte herauf, dann an
der Stadt selbst her, deren �u�ere H�user alle nach dem Hafen schauen,
wie unsere Wohnung auch, bis zu dem Tore, durch welches wir
hereinkamen.
Kniep zeichnete, ich schematisierte, beide mit gro�em Genu�, und nun,
da wir fr�hlich nach Hause kommen, f�hlen wir beide weder Kr�fte noch
Mut, zu wiederholen und auszuf�hren. Unsere Entw�rfe m�ssen also f�r
k�nftige Zeiten liegenbleiben, und dieses Blatt gibt euch blo� ein
Zeugnis unseres Unverm�gens, diese Gegenst�nde genugsam zu fassen,
oder vielmehr unserer Anma�ung, sie in so kurzer Zeit erobern und
beherrschen zu wollen.
Noch wunderlicher erschien ich diesem Begleiter, als ich auf allen
seichten Stellen, deren der Flu� gar viele trocken l��t, nach
Steinchen suchte und die verschiedenen Arten derselben mit mir
forttrug. Ich konnte ihm abermals nicht erkl�ren, da� man sich von
einer gebirgigen Gegend nicht schneller einen Begriff machen kann, als
wenn man die Gesteinsarten untersucht, die in den B�chen
herabgeschoben werden, und da� hier auch die Aufgabe sei, durch
Tr�mmer sich eine Vorstellung von jenen ewig klassischen H�hen des
Erdaltertums zu verschaffen.
Auch war meine Ausbeute aus diesem Flusse reich genug, ich brachte
beinahe vierzig St�cke zusammen, welche sich freilich in wenige
Rubriken unterordnen lie�en. Das meiste war eine Gebirgsart, die man
bald f�r Jaspis oder Hornstein, bald f�r Tonschiefer ansprechen konnte.
Ich fand sie teils in abgerundeten, teils unf�rmigen Geschieben,
teils rhombisch gestaltet, von vielerlei Farben. Ferner kamen viele
Ab�nderungen des �ltern Kalkes vor, nicht weniger Breccien, deren
Bindemittel Kalk, die verbundenen Steine aber bald Jaspis, bald Kalk
waren. Auch fehlte es nicht an Geschieben von Muschelkalk.
Die Pferde f�ttern sie mit Gerste, H�ckerling und Kleien; im Fr�hjahr
geben sie ihnen gescho�te gr�ne Gerste, um sie zu erfrischen, per
rinfrescar, wie sie es nennen. Da sie keine Wiesen haben, fehlt es an
Heu. Auf den Bergen gibt es einige Weide, auch auf den �ckern, da ein
Drittel als Brache liegenbleibt. Sie halten wenig Schafe, deren Rasse
aus der Barbarei kommt, �berhaupt auch mehr Maultiere als Pferde, weil
jenen die hitzige Nahrung besser bekommt als diesen.
Die Plaine, worauf Palermo liegt, sowie au�er der Stadt die Gegend Ai
Colli, auch ein Teil der Bagaria, hat im Grunde Muschelkalk woraus die
Stadt gebaut ist, daher man denn auch gro�e Steinbr�che in diesen
Lagen findet. In der N�he von Monte Pellegrino sind sie an einer
Stelle �ber funfzig Fu� tief. Die untern Lager sind wei�er von Farbe.
Man findet darin viel versteinte Korallen und Schaltiere, vorz�glich
gro�e Pilgermuscheln. Das obere Lager ist mit rotem Ton gemischt und
enth�lt wenig oder gar keine Muscheln. Ganz obenauf liegt roter Ton,
dessen Lage jedoch nicht stark ist. Der Monte Pellegrino hebt sich
aus allem diesem hervor; er ist ein �lterer Kalk, hat viele L�cher und
Spaltungen, welche, genau betrachtet, obgleich sehr unregelm��ig, sich
doch nach der Ordnung der B�nke richten. Das Gestein ist fest und
klingend.
Wir gingen die Stadt im besondern durch. Die Bauart gleicht meistens
der von Neapel, doch stehen �ffentliche Monumente, z. B. Brunnen,
noch weiter entfernt vom guten Geschmack. Hier ist nicht wie in Rom
ein Kunstgeist, welcher die Arbeit regelt; nur von Zuf�lligkeiten
erh�lt das Bauwerk Gestalt und Dasein. Ein von dem ganzen Inselvolke
angestaunter Brunnen existierte schwerlich, wenn es in Sizilien nicht
sch�nen, bunten Marmor g�be, und wenn nicht gerade ein Bildhauer,
ge�bt in Tiergestalten, damals Gunst gehabt h�tte. Es wird
schwerhalten, diesen Brunnen zu beschreiben. Auf einem m��igen Platze
steht ein rundes architektonisches Werk, nicht gar stockhoch, Sockel,
Mauer und Gesims von farbigem Marmor; in die Mauer sind in einer
Flucht mehrere Nischen angebracht, aus welchen, von wei�em Marmor
gebildet, alle Arten Tierk�pfe auf gestreckten H�lsen herausschauen:
Pferd, L�we, Kamel, Elefant wechseln miteinander ab, und man erwartete
kaum hinter dem Kreise dieser Menagerie einen Brunnen, zu welchem von
vier Seiten durch gelassene L�cken marmorne Stufen hinauff�hren, um
das reichlich gespendete Wasser sch�pfen zu lassen.
Gegen Abend machte ich eine heitere Bekanntschaft, indem ich auf der
langen Stra�e bei einem kleinen Handelsmanne eintrat, um verschiedene
Kleinigkeiten einzukaufen. Als ich vor dem Laden stand, die Ware zu
besehen, erhob sich ein geringer Luftsto�, welcher, l�ngs der Stra�e
herwirbelnd, einen unendlichen erregten Staub in alle Buden und
Fenster sogleich verteilte. "Bei allen Heiligen! sagt mir", rief ich
aus, "woher kommt die Unreinlichkeit eurer Stadt, und ist derselben
denn nicht abzuhelfen? Diese Stra�e wetteifert an L�nge und Sch�nheit
mit dem Corso zu Rom. An beiden Seiten Schrittsteine, die jeder
Laden--und Werkstattbesitzer mit unabl�ssigem Kehren reinlich h�lt,
indem er alles in die Mitte hinunterschiebt, welche dadurch nur immer
unreinlicher wird und euch mit jedem Windshauch den Unrat zur�cksendet,
den ihr der Hauptstra�e zugewiesen habt. In Neapel tragen
gesch�ftige Esel jeden Tag das Kehricht nach G�rten und Feldern,
sollte denn bei euch nicht irgendeine �hnliche Einrichtung entstehen
oder getroffen werden?"
"Es ist bei uns nun einmal, wie es ist", versetzte der Mann; "was wir
aus dem Hause werfen, verfault gleich vor der T�re �bereinander. Ihr
seht hier Schichten von Stroh und Rohr, von K�chenabg�ngen und
allerlei Unrat, das trocknet zusammen auf und kehrt als Staub zu uns
zur�ck. Gegen den wehren wir uns den ganzen Tag. Aber seht, unsere
sch�nen, gesch�ftigen, niedlichen Besen vermehren, zuletzt abgestumpft,
nur den Unrat vor unsern H�usern."
Der Monte Pellegrino, eine gro�e Felsenmasse, breiter als hoch, liegt
an dem nordwestlichen Ende des Golfs von Palermo. Seine sch�ne Form
l��t sich mit Worten nicht beschreiben; eine unvollkommene Abbildung
davon findet sich in dem "Voyage pittoresque de la Sicile". Er
bestehet aus einem grauen Kalkstein der fr�heren Epoche. Die Felsen
sind ganz nackt, kein Baum, kein Strauch w�chst auf ihnen, kaum, da�
die flachliegenden Teile mit etwas Rasen und Moos bedeckt sind.
Die And�chtigen wallfahrteten flei�ig auf den Berg, und man erbaute
mit gro�en Kosten einen Weg, der wie eine Wasserleitung auf Pfeilern
und Bogen ruht und in einem Zickzack zwischen zwei Klippen
hinaufsteigt.
Der Andachtsort selbst ist der Demut der Heiligen, welche sich dahin
fl�chtete, angemessener als die pr�chtigen Feste, welche man ihrer
v�lligen Ent�u�erung von der Welt zu Ehren anstellte. Und vielleicht
hat die ganze Christenheit, welche nun achtzehnhundert Jahre ihren
Besitz, ihre Pracht, ihre feierlichen Lustbarkeiten auf das Elend
ihrer ersten Stifter und eifrigsten Bekenner gr�ndet, keinen heiligen
Ort aufzuweisen, der auf eine so unschuldige und gef�hlvolle Art
verziert und verehrt w�re.
Wenn man den Berg erstiegen hat, wendet man sich um eine Felsenecke,
wo man einer steilen Felswand nah gegen�ber steht, an welcher die
Kirche und das Kloster gleichsam festgebaut sind.
Die H�hle selbst ist zum Chor umgebildet, ohne da� man ihr von der
nat�rlichen rauhen Gestalt etwas genommen h�tte. Einige Stufen f�hren
hinauf: gleich steht der gro�e Pult mit dem Chorbuche entgegen, auf
beiden Seiten die Chorst�hle. Alles wird von dem aus dem Hofe oder
Schiff einfallenden Tageslicht erleuchtet. Tief hinten in dem Dunkel
der H�hle steht der Hauptaltar in der Mitte.
Man hat, wie schon gesagt, an der H�hle nichts ver�ndert; allein da
die Felsen immer von Wasser tr�ufeln, war es n�tig, den Ort trocken zu
halten. Man hat dieses durch bleierne Rinnen bewirkt, welche man an
den Kanten der Felsen hergef�hrt und verschiedentlich miteinander
verbunden hat. Da sie oben breit sind und unten spitz zulaufen, auch
mit einer schmutzig gr�nen Farbe angestrichen sind, so sieht es fast
aus, als wenn die H�hle inwendig mit gro�en Kaktusarten bewachsen w�re.
Das Wasser wird teils seitw�rts, teils hinten in einen klaren
Beh�lter geleitet, woraus es die Gl�ubigen sch�pfen und gegen allerlei
�bel gebrauchen.
Ich sah durch die �ffnungen eines gro�en, aus Messing getriebenen
Laubwerks Lampen unter dem Altar hervorschimmern, kniete ganz nahe
davor hin und blickte durch die �ffnungen. Es war inwendig noch ein
Gitterwerk von feinem geflochtenem Messingdraht vorgezogen, so da� man
nur wie durch einen Flor den Gegenstand dahinter unterscheiden konnte.
Ein sch�nes Frauenzimmer erblickt' ich bei dem Schein einiger stillen
Lampen.
Sie lag wie in einer Art von Entz�ckung, die Augen halb geschlossen,
den Kopf nachl�ssig auf die rechte Hand gelegt, die mit vielen Ringen
geschm�ckt war. Ich konnte das Bild nicht genug betrachten; es schien
mir ganz besondere Reize zu haben. Ihr Gewand ist aus einem
vergoldeten Blech getrieben, welches einen reich von Gold gewirkten
Stoff gar gut nachahmt. Kopf und H�nde, von wei�em Marmor, sind, ich
darf nicht sagen in einem hohen Stil, aber doch so nat�rlich und
gef�llig gearbeitet, da� man glaubt, sie m��te Atem holen und sich
bewegen.
Ein kleiner Engel steht neben ihr und scheint ihr mit einem
Lilienstengel K�hlung zuzuwehen.
Ich setzte mich auf eine Bank gegen dem Altar �ber und h�rte ihnen
eine Weile zu; alsdann begab ich mich wieder zum Altare, kniete nieder
und suchte das sch�ne Bild der Heiligen noch deutlicher gewahr zu
werden. Ich �berlie� mich ganz der reizenden Illusion der Gestalt und
des Ortes.
Der Gesang der Geistlichen verklang nun in der H�hle, das Wasser
rieselte in das Beh�ltnis gleich neben dem Altare zusammen, die
�berhangenden Felsen des Vorhofs, des eigentlichen Schiffs der Kirche,
schlossen die Szene noch mehr ein. Es war eine gro�e Stille in dieser
gleichsam wieder ausgestorbenen W�ste, eine gro�e Reinlichkeit in
einer wilden H�hle; der Flitterputz des katholischen, besonders
sizilianischen Gottesdienstes, hier noch zun�chst seiner nat�rlichen
Einfalt; die Illusion, welche die Gestalt der sch�nen Schl�ferin
hervorbr�chte, auch einem ge�bten Auge noch reizend--genug, ich konnte
mich nur mit Schwierigkeit von diesem Orte losrei�en und kam erst in
sp�ter Nacht wieder in Palermo an.
Aber der Eindruck jenes Wundergartens war mir zu tief geblieben; die
schw�rzlichen Wellen am n�rdlichen Horizonte, ihr Anstreben an die
Buchtkr�mmungen, selbst der eigene Geruch des d�nstenden Meeres, das
alles rief mir die Insel der seligen Ph�aken in die Sinne sowie ins
Ged�chtnis. Ich eilte sogleich, einen Homer zu kaufen, jenen Gesang
mit gro�er Erbauung zu lesen und eine �bersetzung aus dem Stegreif
Kniepen vorzutragen, der wohl verdiente, bei einem guten Glase Wein
von seinen strengen heutigen Bem�hungen behaglich auszuruhen.
Nun aber ging die l�rmige Freude �ber die gl�ckliche Auferstehung des
Herrn mit Tagesanbruch los. Petarden, Lauffeuer, Schl�ge, Schw�rmer
und dergleichen wurden kastenweis vor den Kircht�ren losgebrannt,
indessen die Gl�ubigen sich zu den er�ffneten Fl�gelpforten dr�ngten.
Glocken--und Orgelschall, Chorgesang der Prozessionen und der ihnen
entgegnenden geistlichen Ch�re konnten wirklich das Ohr derjenigen
verwirren, die an eine so l�rmende Gottesverehrung nicht gew�hnt waren.
Die fr�he Messe war kaum geendigt, als zwei wohlgeputzte Laufer des
Vizek�nigs unsern Gasthof besuchten, in der doppelten Absicht, einmal
den s�mtlichen Fremden zum Feste zu gratulieren und dagegen ein
Trinkgeld einzunehmen, mich sodann zur Tafel zu laden, weshalb meine
Gabe etwas erh�ht werden mu�te.
Als er vernahm, da� ich ein Deutscher sei, fragte er, ob ich ihm
Nachricht von Erfurt zu geben wisse, er habe daselbst einige Zeit sehr
angenehm zugebracht. Auf seine Erkundigungen nach der von
Dacher�dischen Familie, nach dem Koadjutor von Dalberg konnte ich ihm
hinreichende Auskunft geben, wor�ber er sehr vergn�gt nach dem �brigen
Th�ringen fragte. Mit bedenklichem Anteil erkundigte er sich nach
Weimar. "Wie steht es denn", sagte er, "mit dem Manne, der, zu meiner
Zeit jung und lebhaft, daselbst Regen und sch�nes Wetter machte? Ich
habe seinen Namen vergessen, genug aber, es ist der Verfasser des
Werthers'."
Nach einer kleinen Pause, als wenn ich mich bed�chte, erwiderte ich:
"Die Person, nach der Ihr Euch gef�llig erkundigt, bin ich selbst!
"--Mit dem sichtbarsten Zeichen des Erstaunens fuhr er zur�ck und rief
aus: "Da mu� sich viel ver�ndert haben!"--"O ja!" versetzte ich,
"zwischen Weimar und Palermo hab' ich manche Ver�nderung gehabt."
In dem Augenblick trat mit seinem Gefolge der Vizek�nig herein und
betrug sich mit anst�ndiger Freim�tigkeit, wie es einem solchen Herrn
geziemt. Er enthielt sich jedoch nicht des L�chelns �ber den Malteser,
welcher seine Verwunderung, mich hier zu sehen, auszudr�cken fortfuhr.
Bei Tafel sprach der Vizek�nig, neben dem ich sa�, �ber die Absicht
meiner Reise und versicherte, da� er Befehl geben wolle, mich in
Palermo alles sehen zu lassen und mich auf meinem Wege durch Sizilien
auf alle Weise zu f�rdern.
Heute den ganzen Tag besch�ftigte uns der Unsinn des Prinzen
Pallagonia, und auch diese Torheiten waren ganz etwas anders, als wir
uns lesend und h�rend vorgestellt. Denn bei der gr��ten
Wahrheitsliebe kommt derjenige, der vom Absurden Rechenschaft geben
soll, immer ins Gedr�nge: er will einen Begriff davon �berliefern, und
so macht er es schon zu etwas, da es eigentlich ein Nichts ist,
welches f�r etwas gehalten sein will. Und so mu� ich noch eine andere
allgemeine Reflexion vorausschicken, da� weder das Abgeschmackteste
noch das Vortrefflichste ganz unmittelbar aus einem Menschen, aus
einer Zeit hervorspringe, da� man vielmehr beiden mit einiger
Aufmerksamkeit eine Stammtafel der Herkunft nachweisen k�nne.
Wenn ein Lustschlo� in diesen Gegenden mehr oder weniger in der Mitte
des ganzen Besitztums liegt und man also, um zu der herrschaftlichen
Wohnung zu gelangen, durch gebaute Felder, K�cheng�rten und
dergleichen landwirtschaftliche N�tzlichkeiten zu fahren hat, erweisen
sie sich haush�lterischer als die Nordl�nder, die oft eine gro�e
Strecke guten Bodens zu einer Parkanlage verwenden, um mit
unfruchtbarem Gestr�uche dem Auge zu schmeicheln. Diese S�dl�nder
hingegen f�hren zwei Mauern auf, zwischen welchen man zum Schlo�
gelangt, ohne da� man gewahr werde, was rechts oder links vorgeht.
Dieser Weg beginnt gew�hnlich mit einem gro�en Portal, wohl auch mit
einer gew�lbten Halle und endigt im Schlo�hofe. Damit nun aber das
Auge zwischen diesen Mauern nicht ganz unbefriedigt sei, so sind sie
oben ausgebogen, mit Schn�rkeln und Postamenten verziert, worauf
allenfalls hie und da eine Vase steht. Die Fl�chen sind abget�ncht,
in Felder geteilt und angestrichen. Der Schlo�hof macht ein Rund von
einst�ckigen H�usern, wo Gesinde und Arbeitsleute wohnen; das
viereckte Schlo� steigt �ber alles empor.
Dies ist die Art der Anlage, wie sie herk�mmlich gegeben ist, wie sie
auch schon fr�her mag bestanden haben, bis der Vater des Prinzen das
Schlo� baute, zwar auch nicht in dem besten, aber doch ertr�glichem
Geschmack. Der jetzige Besitzer aber, ohne jene allgemeinen Grundz�ge
zu verlassen, erlaubt seiner Lust und Leidenschaft zu mi�gestaltetem,
abgeschmacktem Gebilde den freisten Lauf, und man erzeigt ihm viel
zuviel Ehre, wenn man ihm nur einen Funken Einbildungskraft zuschreibt.
Wir treten also in die gro�e Halle, welche mit der Grenze des
Besitztums selbst anf�ngt, und finden ein Achteck, sehr hoch zur
Breite. Vier ungeheure Riesen mit modernen, zugekn�pften Gamaschen
tragen das Gesims, auf welchem dem Eingang gerade gegen�ber die
heilige Dreieinigkeit schwebt.
Die Villa Palagonia in Bagheria. Aquatinta von Houel
Der Weg nach dem Schlosse zu ist breiter als gew�hnlich, die Mauer in
einen fortlaufenden hohen Sockel verwandelt, auf welchem
ausgezeichnete Basamente seltsame Gruppen in die H�he tragen, indessen
in dem Raum von einer zur andern mehrere Vasen aufgestellt sind. Das
Widerliche dieser von den gemeinsten Steinhauern gepfuschten
Mi�bildungen wird noch dadurch vermehrt, da� sie aus dem losesten
Muscheltuff gearbeitet sind; doch w�rde ein besseres Material den
Unwert der Form nur desto mehr in die Augen setzen. Ich sagte vorhin
Gruppen und bediente mich eines falschen, an dieser Stelle
uneigentlichen Ausdrucks; denn diese Zusammenstellungen sind durch
keine Art von Reflexion oder auch nur Willk�r entstanden, sie sind
vielmehr zusammengew�rfelt. Jedesmal drei bilden den Schmuck eines
solchen viereckten Postaments, indem ihre Basen so eingerichtet sind,
da� sie zusammen in verschiedenen Stellungen den viereckigen Raum
ausf�llen. Die vorz�glichste besteht gew�hnlich aus zwei Figuren, und
ihre Base nimmt den gr��ten vordern Teil des Piedestals ein; diese
sind meistenteils Ungeheuer von tierischer und menschlicher Gestalt.
Um nun den hintern Raum der Piedestalfl�che auszuf�llen, bedarf es
noch zweier St�cke; das von mittlerer Gr��e stellt gew�hnlich einen
Sch�fer oder eine Sch�ferin, einen Kavalier oder eine Dame, einen
tanzenden Affen oder Hund vor. Nun bleibt auf dem Piedestal noch eine
L�cke: diese wird meistens durch einen Zwerg ausgef�llt, wie denn
�berall dieses Geschlecht bei geistlosen Scherzen eine gro�e Rolle
spielt.
Da� wir aber die Elemente der Tollheit des Prinzen Pallagonia
vollst�ndig �berliefern, geben wir nachstehendes Verzeichnis.
Menschen: Bettler, Bettlerinnen, Spanier, Spanierinnen, Mohren, T�rken,
Buckelige, alle Arten Verwachsene, Zwerge, Musikanten, Pulcinelle,
antik kost�mierte Soldaten, G�tter, G�ttinnen, altfranz�sisch
Gekleidete, Soldaten mit Patrontaschen und Gamaschen, Mythologie mit
fratzenhaften Zutaten: Achill und Chiron mit Pulcinell. Tiere: nur
Teile derselben, Pferd mit Menschenh�nden, Pferdekopf auf
Menschenk�rper, entstellte Affen, viele Drachen und Schlangen, alle
Arten von Pfoten an Figuren aller Art, Verdoppelungen, Verwechslungen
der K�pfe. Vasen: alle Arten von Monstern und Schn�rkeln, die
unterw�rts zu Vasenb�uchen und Unters�tzen endigen.
Denke man sich nun dergleichen Figuren schockweise verfertigt und ganz
ohne Sinn und Verstand entsprungen, auch ohne Wahl und Absicht
zusammengestellt, denke man sich diesen Sockel, diese Piedestale und
Unformen in einer unabsehbaren Reihe, so wird man das unangenehme
Gef�hl mit empfinden, das einen jeden �berfallen mu�, wenn er durch
diese Spitzruten des Wahnsinns durchgejagt wird.
Wir n�hern uns dem Schlosse und werden durch die Arme eines halbrunden
Vorhofs empfangen; die entgegenstehende Hauptmauer, wodurch das Tor
geht, ist burgartig angelegt. Hier finden wir eine �gyptische Figur
eingemauert, einen Springbrunnen ohne Wasser, ein Monument, zerstreut
umherliegende Vasen, Statuen, vors�tzlich auf die Nase gelegt. Wir
treten in den Schlo�hof und finden das herk�mmliche, mit kleinen
Geb�uden umgebene Rund in kleineren Halbzirkeln ausgebogt, damit es ja
an Mannigfaltigkeit nicht fehle.
Der Boden ist gr��tenteils mit Gras bewachsen. Hier stehen wie auf
einem verfallenen Kirchhofe seltsam geschn�rkelte Marmorvasen vom
Vater her, Zwerge und sonstige Ungestalten aus der neuern Epoche
zuf�llig durcheinander, ohne da� sie bis jetzt einen Platz finden
k�nnen; sogar tritt man vor eine Laube, vollgepfropft von alten Vasen
und anderem geschn�rkeltem Gestein.
Gedenkt man sich aber aus allem diesem in das Schlo� zu retten,
welches, vom Vater erbaut, ein relativ vern�nftiges �u�eres Ansehen
hat, so findet man nicht weit vor der Pforte den lorbeerbekr�nzten
Kopf eines r�mischen Kaisers auf einer Zwerggestalt, die auf einem
Delphin sitzt.
�brigens ist der Palast nicht ausgebaut: ein gro�er, von dem Vater
bunt und reich angelegter, aber doch nicht widerlich verzierter Saal
war unvollendet geblieben; wie denn der grenzenlose Wahnsinn des
Besitzers mit seinen Narrheiten nicht zu Rande kommen kann.
Kniepen, dessen K�nstlersinn innerhalb dieses Tollhauses zur
Verzweiflung getrieben wurde, sah ich zum erstenmal ungeduldig; er
trieb mich fort, da ich mir die Elemente dieser Unsch�pfung einzeln zu
vergegenw�rtigen und zu schematisieren suchte. Gutm�tig genug
zeichnete er zuletzt noch eine von den Zusammenstellungen, die einzige,
die noch wenigstens eine Art von Bild gab. Sie stellt ein Pferdweib
auf einem Sessel sitzend, gegen einem unterw�rts altmodisch
gekleideten, mit Greifenkopf, Krone und gro�er Per�cke gezierten
Kavalier Karte spielend vor und erinnert an das nach aller Tollheit
noch immer h�chst merkw�rdige Wappen des Hauses Pallagonia: ein Satyr
h�lt einem Weibe, das einen Pferdekopf hat, einen Spiegel vor.
Heute fuhren wir bergauf nach Monreale. Ein herrlicher Weg, welchen
der Abt jenes Klosters zur Zeit eines �berschwenglichen Reichtums
angelegt hat; breit, bequemen Anstiegs, B�ume hie und da, besonders
aber weitl�ufige Spring--und R�hrenbrunnen, beinah pallagonisch
verschn�rkelt und verziert, desungeachtet aber Tiere und Menschen
erquickend.
Das Kloster San Martin, auf der H�he liegend, ist eine respektable
Anlage. Ein Hagestolz allein, wie man am Prinzen Pallagonia sieht,
hat selten etwas Vern�nftiges hervorgebracht, mehrere zusammen
hingegen die allergr��ten Werke, wie Kirchen und Kl�ster zeigen. Doch
wirkten die geistlichen Gesellschaften wohl nur deswegen so viel, weil
sie noch mehr als irgendein Familienvater einer unbegrenzten
Nachkommenschaft gewi� waren.
Die M�nche lie�en uns ihre Sammlungen sehen. Von Altert�mern und
nat�rlichen Sachen verwahren sie manches Sch�ne. Besonders fiel uns
auf eine Medaille mit dem Bilde einer jungen G�ttin, das Entz�cken
erregen mu�te. Gern h�tten uns die guten M�nner einen Abdruck
mitgegeben, es war aber nichts bei Handen, was zu irgend einer Art von
Form tauglich gewesen w�re.
Nachdem sie uns alles vorgezeigt, nicht ohne traurige Vergleichung der
vorigen und gegenw�rtigen Zust�nde, brachten sie uns in einen
angenehmen kleinen Saal, von dessen Balkon man eine liebliche Aussicht
geno�; hier war f�r uns beide gedeckt, und es fehlte nicht an einem
sehr guten Mittagessen. Nach dem aufgetragenen Dessert trat der Abt
herein, begleitet von seinen �ltesten M�nchen, setzte sich zu uns und
blieb wohl eine halbe Stunde, in welcher Zeit wir manche Frage zu
beantworten hatten. Wir schieden aufs freundlichste. Die j�ngern
begleiteten uns nochmals in die Zimmer der Sammlung und zuletzt nach
dem Wagen.
Wir fuhren mit ganz andern Gesinnungen nach Hause als gestern. Heute
hatten wir eine gro�e Anstalt zu bedauern, die eben zu der Zeit
versinkt, indessen an der andern Seite ein abgeschmacktes Unternehmen
mit frischem Wachstum hervorsteigt.
Der Weg nach San Martin geht das �ltere Kalkgebirg' hinauf. Man
zertr�mmert die Felsen und brennt Kalk daraus, der sehr wei� wird.
Zum Brennen brauchen sie eine starke, lange Grasart, in B�ndeln
getrocknet. Hier entsteht nun die Calcara. Bis an die steilsten
H�hen liegt roter Ton angeschwemmt, der hier die Dammerde vorstellt,
je h�her, je r�ter, wenig durch Vegetation geschw�rzt. Ich sah in der
Entfernung eine Grube fast wie Zinnober.
Nun f�hrte uns der Laufer au�erhalb der Stadt in Katakomben, welche,
mit architektonischem Sinn angelegt, keineswegs zu Grabpl�tzen
benutzte Steinbr�che sind. In einem ziemlich verh�rteten Tuff und
dessen senkrecht gearbeiteter Wand sind gew�lbte �ffnungen und
innerhalb dieser S�rge ausgegraben, mehrere �bereinander, alles aus
der Masse, ohne irgendeine Nachh�lfe von Mauerwerk. Die oberen S�rge
sind kleiner, und in den R�umen �ber den Pfeilern sind Grabst�tten f�r
Kinder angebracht.
Heute am Abend ward mir noch ein Wunsch erf�llt, und zwar auf eigene
Weise. Ich stand in der gro�en Stra�e auf den Schrittsteinen, an
jenem Laden mit dem Kaufherrn scherzend; auf einmal tritt ein Laufer,
gro�, wohlgekleidet, an mich heran, einen silbernen Teller rasch
vorhaltend, worauf mehrere Kupferpfennige, wenige Silberst�cke lagen.
Da ich nicht wu�te, was es hei�en solle, so zuckte ich, den Kopf
duckend, die Achseln, das gew�hnliche Zeichen, wodurch man sich
lossagt, man mag nun Antrag oder Frage nicht verstehen, oder nicht
wollen. Ebenso schnell, als er gekommen, war er fort, und nun
bemerkte ich auf der entgegengesetzten Seite der Stra�e seinen
Kameraden in gleicher Besch�ftigung.
Was das bedeute, fragte ich den Handelsmann, der mit bedenklicher
Geb�rde, gleichsam verstohlen, auf einen langen, hagern Herrn deutete,
welcher in der Stra�enmitte, hofm��ig gekleidet, anst�ndig und
gelassen �ber den Mist einherschritt. Frisiert und gepudert, den Hut
unter dem Arm, in seidenem Gewande, den Degen an der Seite, ein nettes
Fu�werk mit Steinschnallen geziert: so trat der Bejahrte ernst und
ruhig einher; aller Augen waren auf ihn gerichtet.
"Dies ist der Prinz Pallagonia", sagte der H�ndler, "welcher von Zeit
zu Zeit durch die Stadt geht und f�r die in der Barbarei gefangenen
Sklaven ein L�segeld zusammenheischt. Zwar betr�gt dieses Einsammeln
niemals viel, aber der Gegenstand bleibt doch im Andenken, und oft
vermachen diejenigen, welche bei Lebzeiten zur�ckhielten, sch�ne
Summen zu solchem Zweck. Schon viele Jahre ist der Prinz Vorsteher
dieser Anstalt und hat unendlich viel Gutes gestiftete"
"Statt auf die Torheiten seines Landsitzes", rief ich aus, "h�tte er
hierher jene gro�en Summen verwenden sollen. Kein F�rst in der Welt
h�tte mehr geleistet."
Dagegen sagte der Kaufmann: "Sind wir doch alle so! Unsere Narrheiten
bezahlen wir gar gerne selbst, zu unsern Tugenden sollen andere das
Geld hergeben."
Die T�tigkeit des Grafen scheint mir �brigens gr��er als seine
Kenntnisse; er verf�hrt mit einem gewissen Selbstbehagen, welches dem
bescheidenen Ernst zuwider ist, mit welchem man wichtige Gegenst�nde
behandeln sollte. Indessen ist sein Heft in Quart, ganz dem
sizilianischen Steinreich gewidmet, mir von gro�em Vorteil, und ich
konnte, dadurch vorbereitet, die Steinschleifer mit Nutzen besuchen,
welche, fr�her mehr besch�ftigt, zur Zeit als Kirchen und Alt�re noch
mit Marmor und Achaten �berlegt werden mu�ten, das Handwerk doch noch
immer forttreiben. Bei ihnen bestellte ich Muster von weichen und
harten Steinen; denn so unterscheiden sie Marmor und Achate
haupts�chlich deswegen, weil die Verschiedenheit des Preises sich nach
diesem Unterschiede richtet. Doch wissen sie au�er diesen beiden sich
noch viel mit einem Material, einem Feuererzeugnis ihrer Kalk�fen. In
diesen findet sich nach dem Brande eine Art Glasflu�, welcher von der
hellsten blauen Farbe zur dunkelsten, ja zur schw�rzesten �bergeht.
Diese Klumpen werden wie anderes Gestein in d�nne Tafeln geschnitten,
nach der H�he ihrer Farbe und Reinheit gesch�tzt und anstatt
Lapislazuli beim Furnieren von Alt�ren, Grabm�lern und andern
kirchlichen Verzierungen mit Gl�ck angewendet.
Eine vollst�ndige Sammlung, wie ich sie w�nsche, ist nicht fertig, man
wird sie mir erst nach Neapel schicken. Die Achate sind von der
gr��ten Sch�nheit, besonders diejenigen, in welchen unregelm��ige
Flecken von gelbem oder rotem Jaspis mit wei�em, gleichsam gefrornem
Quarze abwechseln und dadurch die sch�nste Wirkung hervorbringen.
Italien ohne Sizilien macht gar kein Bild in der Seele: hier ist erst
der Schl�ssel zu allem.
Vom Klima kann man nicht Gutes genug sagen; jetzt ist's Regenzeit,
aber immer unterbrochen; heute donnert und blitzt es, und alles wird
mit Macht gr�n. Der Lein hat schon zum Teil Knoten gewonnen, der
andere Teil bl�ht. Man glaubt in den Gr�nden kleine Teiche zu sehen,
so sch�n blaugr�n liegen die Leinfelder unten. Der reizenden
Gegenst�nde sind unz�hlige! Und mein Geselle ist ein exzellenter
Mensch, der wahre Hoffegut, so wie ich redlich den Treufreund
fortspiele. Er hat schon recht sch�ne Konture gemacht und wird noch
das Beste mitnehmen. Welche Aussicht, mit meinen Sch�tzen dereinst
gl�cklich nach Hause zu kommen!
Vom Essen und Trinken hierzuland hab' ich noch nichts gesagt, und doch
ist es kein kleiner Artikel. Die Gartenfr�chte sind herrlich,
besonders der Salat von Zartheit und Geschmack wie eine Milch; man
begreift, warum ihn die Alten Lactuca genannt haben. Das �l, der Wein
alles sehr gut, und sie k�nnten noch besser sein, wenn man auf ihre
Bereitung mehr Sorgfalt verwendete. Fische die besten, zartesten.
Auch haben wir diese Zeit her sehr gut Rindfleisch gehabt, ob man es
gleich sonst nicht loben will.
Nun vom Mittagsessen ans Fenster! auf die Stra�e! Es ward ein
Misset�ter begnadigt, welches immer zu Ehren der heilbringenden
Osterwoche geschieht. Eine Br�derschaft f�hrt ihn bis unter einen zum
Schein aufgebauten Galgen, dort mu� er vor der Leiter eine Andacht
verrichten, die Leiter k�ssen und wird dann wieder weggef�hrt. Es war
ein h�bscher Mensch vom Mittelstande, frisiert, einen wei�en Frack,
wei�en Hut, alles wei�. Er trug den Hut in der Hand, und man h�tte
ihm hie und da nur bunte B�nder anheften d�rfen, so konnte er als
Sch�fer auf jede Redoute gehen.
Und so sollte mir denn kurz vor dem Schlusse ein sonderbares Abenteuer
beschert sein, wovon ich sogleich umst�ndliche Nachricht erteile.
Unter solchen Gespr�chen berief sich einer der G�ste auf die
Bem�hungen, welche ein palermitanischer Rechtsgelehrter �bernommen,
diese Sache ins klare zu bringen. Er war durch das franz�sische
Ministerium veranla�t worden, dem Herkommen eines Mannes nachzusp�ren,
welcher die Frechheit gehabt hatte, vor dem Angesichte Frankreichs, ja
man darf wohl sagen der Welt, bei einem wichtigen und gef�hrlichen
Prozesse die albernsten M�rchen vorzubringen.
Nach einigen Tagen gingen wir hin und fanden ihn mit seinen Klienten
besch�ftigt. Als er diese abgefertigt und wir das Fr�hst�ck genommen
hatten, brachte er ein Manuskript hervor, welches den Stammbaum
Cagliostros, die zu dessen Begr�ndung n�tigen Dokumente in Abschrift
und das Konzept eines Memoire enthielt, das nach Frankreich abgegangen
war.
Er legte mir den Stammbaum vor und gab mir die n�tigen Erkl�rungen
dar�ber, wovon ich hier so viel anf�hre, als zu leichterer Einsicht
n�tig ist.
Das Memoire, welches uns der gef�llige Verfasser vorlas und mir auf
mein Ersuchen einige Tage anvertraute, war auf Taufscheine,
Ehekontrakte und andere Instrumente gegr�ndet, die mit Sorgfalt
gesammelt waren. Es enthielt ungef�hr die Umst�nde (wie ich aus einem
Auszug, den ich damals gemacht, ersehe), die uns nunmehr aus den
r�mischen Proze�akten bekannt geworden sind, da� Joseph Balsamo
anfangs Juni 1743 zu Palermo geboren, von Vincenza Martello,
verheirateter Cagliostro, aus der Taufe gehoben sei, da� er in seiner
Jugend das Kleid der Barmherzigen Br�der genommen, eines Ordens, der
besonders Kranke verpflegt, da� er bald viel Geist und Geschick f�r
die Medizin gezeigt, doch aber wegen seiner �beln Auff�hrung
fortgeschickt worden, da� er in Palermo nachher den Zauberer und
Schatzgr�ber gemacht.
Seine gro�e Gabe, alle H�nde nachzuahmen, lie� er nicht unbenutzt (so
f�hrt das Memoire fort). Er verf�lschte oder verfertigte vielmehr ein
altes Dokument, wodurch das Eigentum einiger G�ter in Streit geriet.
Er kam in Untersuchung, ins Gef�ngnis, entfloh und ward ediktaliter
zitiert. Er reiste durch Kalabrien nach Rom, wo er die Tochter eines
G�rtlers heiratete. Von Rom kehrte er nach Neapel unter dem Namen
Marchese Pellegrini zur�ck. Er wagte sich wieder nach Palermo, ward
erkannt, gef�nglich eingezogen und kam nur auf eine Weise los, die
wert ist, da� ich sie umst�ndlich erz�hle.
Donna Lorenza wu�te ihn zu gewinnen, und auf ihn baute der verstellte
Marchese Pellegrini seine Sicherheit. Der Prinz zeigte �ffentlich,
da� er dies angekommene Paar besch�tze; aber in welche Wut geriet er,
als Joseph Balsamo auf Anrufen der Partei, welche durch seinen Betrug
Schaden gelitten, abermals ins Gef�ngnis gebracht wurde! Er versuchte
verschiedene Mittel, ihn zu befreien, und da sie ihm nicht gelingen
wollten, drohte er im Vorzimmer des Pr�sidenten, den Advokaten der
Gegenpartei aufs grimmigste zu mi�handeln, wenn er nicht sogleich die
Verhaftung des Balsamo wieder aufh�be. Als der gegenseitige
Sachwalter sich weigerte, ergriff er ihn, schlug ihn, warf ihn auf die
Erde, trat ihn mit F��en und war kaum von mehreren Mi�handlungen
abzuhalten, als der Pr�sident selbst auf den L�rm herauseilte und
Frieden gebot.
Bald darauf entfernte er sich von Palermo und tat verschiedene Reisen,
von welchen der Verfasser nur unvollst�ndige Nachrichten geben konnte.
H�tte ich nicht damals vermuten m�ssen, da� man in Frankreich einen
�ffentlichen Gebrauch von jenem Aufsatz machen w�rde, da� ich ihn
vielleicht bei meiner Zur�ckkunft schon gedruckt antr�fe, so w�re es
mir erlaubt gewesen, eine Abschrift zu nehmen und meine Freunde und
das Publikum fr�her von manchen interessanten Umst�nden zu
unterrichten.
Indessen haben wir das meiste und mehr, als jenes Memoire enthalten
konnte, von einer Seite her erfahren, von der sonst nur Irrt�mer
auszustr�men pflegten. Wer h�tte geglaubt, da� Rom einmal zur
Aufkl�rung der Welt, zur v�lligen Entlarvung eines Betr�gers so viel
beitragen sollte, als es durch die Herausgabe jenes Auszugs aus den
Proze�akten geschehen ist! Denn obgleich diese Schrift weit
interessanter sein k�nnte und sollte, so bleibt sie doch immer ein
sch�nes Dokument in den H�nden eines jeden Vern�nftigen, der es mit
Verdru� ansehen mu�te, da� Betrogene, Halbbetrogene und Betr�ger
diesen Menschen und seine Possenspiele jahrelang verehrten, sich durch
die Gemeinschaft mit ihm �ber andere erhoben f�hlten und von der H�he
ihres gl�ubigen D�nkels den gesunden Menschenverstand bedauerten, wo
nicht geringsch�tzten.
Wer schwieg nicht gern w�hrend dieser Zeit? Und auch nur jetzt,
nachdem die ganze Sache geendigt und au�er Streit gesetzt ist, kann
ich es �ber mich gewinnen, zu Komplettierung der Akten dasjenige, was
mir bekannt ist, mitzuteilen.
Den folgenden Tag erschien der Schreiber und �u�erte wegen des
Unternehmens einige Bedenklichkeiten. "Ich habe", sagte er, "bisher
immer vermieden, diesen Leuten wieder unter die Augen zu treten; denn
um ihre Ehekontrakte, Taufscheine und andere Papiere in die H�nde zu
bekommen und von selbigen legale Kopien machen zu k�nnen, mu�te ich
mich einer eigenen List bedienen. Ich nahm Gelegenheit, von einem
Familienstipendio zu reden, das irgendwo vakant war, machte ihnen
wahrscheinlich, da� der junge Capitummino sich dazu qualifiziere, da�
man vor allen Dingen einen Stammbaum aufsetzen m�sse, um zu sehen,
inwiefern der Knabe Anspr�che darauf machen k�nne; es werde freilich
nachher alles auf Negoziation ankommen, die ich �bernehmen wolle, wenn
man mir einen billigen Teil der zu erhaltenden Summe f�r meine
Bem�hungen verspreche. Mit Freuden willigten die guten Leute in alles;
ich erhielt die n�tigen Papiere, die Kopien wurden genommen, der
Stammbaum ausgearbeitet, und seit der Zeit h�te ich mich, vor ihnen zu
erscheinen. Noch vor einigen Wochen wurde mich die alte Capitummino
gewahr, und ich wu�te mich nur mit der Langsamkeit, womit hier
dergleichen Sachen vorw�rts gehen, zu entschuldigen."
So sagte der Schreiber. Da ich aber von meinem Vorsatz nicht abging,
wurden wir nach einiger �berlegung dahin einig, da� ich mich f�r einen
Engl�nder ausgeben und der Familie Nachrichten von Cagliostro bringen
sollte, der eben aus der Gefangenschaft der Bastille nach London
gegangen war.
Zur gesetzten Stunde, es mochte etwa drei Uhr nach Mittag sein,
machten wir uns auf den Weg. Das Haus lag in dem Winkel eines G��chens,
nicht weit von der Hauptstra�e, il Cassaro genannt. Wir stiegen eine
elende Treppe hinauf und kamen sogleich in die K�che. Eine Frau von
mittlerer Gr��e, stark und breit, ohne fett zu sein, war besch�ftigt,
das K�chengeschirr aufzuwaschen. Sie war reinlich gekleidet und
schlug, als wir hineintraten, das eine Ende der Sch�rze hinauf, um vor
uns die schmutzige Seite zu verstecken. Sie sah meinen F�hrer freudig
an und sagte:" Signor Giovanni, bringen Sie uns gute Nachrichten?
Haben Sie etwas ausgerichtet?"
Er versetzte: "In unserer Sache hat mir's noch nicht gelingen wollen;
hier ist aber ein Fremder, der einen Gru� von Ihrem Bruder bringt und
Ihnen erz�hlen kann, wie er sich gegenw�rtig befindet."
Der Gru�, den ich bringen sollte, war nicht ganz in unserer Abrede;
indessen war die Einleitung einmal gemacht.--"Sie kennen meinen
Bruder?" fragte sie.--"Es kennt ihn ganz Europa", versetzte ich; "und
ich glaube, es wird Ihnen angenehm sein, zu h�ren, da� er sich in
Sicherheit und wohl befindet, da Sie bisher wegen seines Schicksals
gewi� in Sorgen gewesen sind."--"Treten Sie hinein", sagte sie, "ich
folge Ihnen gleich"; und ich trat mit dem Schreiber in das Zimmer.
Es war so gro� und hoch, da� es bei uns f�r einen Saal gelten w�rde;
es schien aber auch beinah die ganze Wohnung der Familie zu sein. Ein
einziges Fenster erleuchtete die gro�en W�nde, die einmal Farbe gehabt
hatten und auf denen schwarze Heiligenbilder in goldenen Rahmen
herumhingen. Zwei gro�e Betten ohne Vorh�nge standen an der einen
Wand, ein braunes Schr�nkchen, das die Gestalt eines Schreibtisches
hatte, an der andern. Alte, mit Rohr durchflochtene St�hle, deren
Lehnen ehmals vergoldet gewesen, standen daneben, und die Backsteine
des Fu�bodens waren an vielen Stellen tief ausgetreten. �brigens war
alles reinlich, und wir n�herten uns der Familie, die am andern Ende
des Zimmers an dem einzigen Fenster versammelt war.
Indes mein F�hrer der alten Balsamo, die in der Ecke sa�, die Ursache
unsers Besuchs erkl�rte und seine Worte wegen der Taubheit der guten
Alten mehrmals laut wiederholte, hatte ich Zeit, das Zimmer und die
�brigen Personen zu betrachten. Ein M�dchen von ungef�hr sechzehn
Jahren, wohlgewachsen, deren Gesichtsz�ge durch die Blattern
undeutlich geworden waren, stand am Fenster; neben ihr ein junger
Mensch, dessen unangenehme, durch die Blattern entstellte Bildung mir
auch auffiel. In einem Lehnstuhl sa� oder lag vielmehr gegen dem
Fenster �ber eine kranke, sehr ungestaltete Person, die mit einer Art
Schlafsucht behaftet schien.
Als mein F�hrer sich deutlich gemacht hatte, n�tigte man uns zum
Sitzen. Die Alte tat einige Fragen an mich, die ich mir aber mu�te
dolmetschen lassen, eh' ich sie beantworten konnte, da mir der
sizilianische Dialekt nicht gel�ufig war.
Ich betrachtete indessen die alte Frau mit Vergn�gen. Sie war von
mittlerer Gr��e, aber wohlgebildet; �ber ihre regelm��igen
Gesichtsz�ge, die das Alter nicht entstellt hatte, war der Friede
verbreitet, dessen gew�hnlich die Menschen genie�en, die des Geh�rs
beraubt sind; der Ton ihrer Stimme war sanft und angenehm.
Ich beantwortete ihre Fragen, und meine Antworten mu�ten ihr auch
wieder verdolmetscht werden.
Sie erz�hlte mir darauf ihre mi�liche Lage; sie sei eine Witwe mit
drei Kindern, von denen das eine M�dchen im Kloster erzogen werde; die
andere sei hier gegenw�rtig und ihr Sohn eben in die Lehrstunde
gegangen. Au�er diesen drei Kindern habe sie ihre Mutter bei sich,
f�r deren Unter halt sie sorgen m�sse, und �berdies habe sie aus
christlicher Liebe die ungl�ckliche kranke Person zu sich genommen,
die ihre Last noch vergr��ere; alle ihre Arbeitsamkeit reiche kaum hin,
sich und den Ihrigen das Notd�rftige zu verschaffen. Sie wisse zwar,
da� Gott diese guten Werke nicht unbelohnt lasse, seufze aber doch
sehr unter der Last, die sie schon so lange getragen habe.
Die jungen Leute mischten sich auch ins Gespr�ch, und die Unterhaltung
wurde lebhafter. Indem ich mit den andern sprach, h�rt' ich, da� die
Alte ihre Tochter fragte, ob ich denn auch wohl ihrer heiligen
Religion zugetan sei. Ich konnte bemerken, da� die Tochter auf eine
kluge Weise der Antwort auszuweichen suchte, indem sie, soviel ich
verstand, der Mutter bedeutete, da� der Fremde gut f�r sie gesinnt zu
sein schiene, und da� es sich wohl nicht schicke, jemanden sogleich
�ber diesen Punkt zu befragen.
Da sie h�rten, da� ich bald von Palermo abreisen wollte, wurden sie
dringender und ersuchten mich, da� ich doch ja wiederkommen m�chte;
besonders r�hmten sie die paradiesischen Tage des Rosalienfestes,
dergleichen in der ganzen Welt nicht m�sse gesehen und genossen werden.
Mein Begleiter, der schon lange Lust gehabt hatte, sich zu entfernen,
machte endlich der Unterredung durch seine Geb�rden ein Ende, und ich
versprach, den andern Tag gegen Abend wiederzukommen und den Brief
abzuholen. Mein Begleiter freute sich, da� alles so gl�cklich
gelungen sei, und wir schieden zufrieden voneinander.
Man kann sich den Eindruck denken, den diese arme, fromme,
wohlgesinnte Familie auf mich gemacht hatte. Meine Neugierde war
befriedigt, aber ihr nat�rliches und gutes Betragen hatte einen Anteil
in mir erregt, der sich durch Nachdenken noch vermehrte.
Sogleich aber entstand in mir die Sorge wegen des folgenden Tags. Es
war nat�rlich, da� diese Erscheinung, die sie im ersten Augenblick
�berrascht hatte, nach meinem Abschiede manches Nachdenken bei ihnen
erregen mu�te. Durch den Stammbaum war mir bekannt, da� noch mehrere
von der Familie lebten; es war nat�rlich, da� sie ihre Freunde
zusammenberiefen, um sich in ihrer Gegenwart dasjenige wiederholen zu
lassen, was sie tags vorher mit Verwunderung von mir geh�rt hatten.
Meine Absicht hatte ich erreicht, und es blieb mir nur noch �brig,
dieses Abenteuer auf eine schickliche Weise zu endigen. Ich begab
mich daher des andern Tags gleich nach Tische allein in ihre Wohnung.
Sie verwunderten sich, da ich hineintrat. Der Brief sei noch nicht
fertig, sagten sie, und einige ihrer Verwandten w�nschten mich auch
kennen zu lernen, welche sich gegen Abend einfinden w�rden.
Ich versetzte, da� ich morgen fr�h schon abreisen m�sse, da� ich noch
Visiten zu machen, auch einzupacken habe und also lieber fr�her als
gar nicht h�tte kommen wollen.
Indessen trat der Sohn herein, den ich des Tags vorher nicht gesehen
hatte. Er glich seiner Schwester an Wuchs und Bildung. Er brachte
den Brief, den man mir mitgeben wollte, den er, wie es in jenen
Gegenden gew�hnlich ist, au�er dem Hause bei einem der �ffentlich
sitzenden Notarien hatte schreiben lassen. Der junge Mensch hatte ein
stilles, trauriges und bescheidenes Wesen, erkundigte sich nach seinem
Oheim, fragte nach dessen Reichtum und Ausgaben und setzte traurig
hinzu, warum er seine Familie doch so ganz vergessen haben m�chte.
"Es w�re unser gr��tes Gl�ck", fuhr er fort, "wenn er einmal hieher
k�me und sich unserer annehmen wollte; aber", fuhr er fort, "wie hat
er Ihnen entdeckt, da� er noch Anverwandte in Palermo habe? Man sagt,
da� er uns �berall verleugne und sich f�r einen Mann von gro�er Geburt
ausgebe." Ich beantwortete diese Frage, welche durch die
Unvorsichtigkeit meines F�hrers bei unserm ersten Eintritt veranla�t
worden war, auf eine Weise, die es wahrscheinlich machte, da� der
Oheim, wenn er gleich gegen das Publikum Ursache habe, seine Abkunft
zu verbergen, doch gegen seine Freunde und Bekannten kein Geheimnis
daraus mache.
Die Mutter stimmte mit den Kindern ein. "Mein Herr", sagte sie, "ob
es sich zwar eigentlich nicht schickt, da ich eine erwachsene Tochter
habe, fremde M�nner in meinem Hause zu sehen, und man Ursache hat,
sich sowohl vor der Gefahr als der Nachrede zu h�ten, so sollen Sie
uns doch immer willkommen sein, wenn Sie in diese Stadt zur�ckkehren."
"O ja", versetzten die Kinder, "wir wollen den Herrn beim Feste
herumf�hren, wir wollen ihm alles zeigen, wir wollen uns auf die
Ger�ste setzen, wo wir die Feierlichkeit am besten sehen k�nnen. Wie
wird er sich �ber den gro�en Wagen und besonders �ber die pr�chtige
Illumination freuen!"
Indessen hatte die Gro�mutter den Brief gelesen und wieder gelesen.
Da sie h�rte, da� ich Abschied nehmen wollte, stand sie auf und
�bergab mir das zusammengefaltete Papier. "Sagen Sie meinem Sohn",
fing sie mit einer edlen Lebhaftigkeit, ja einer Art von Begeisterung
an, "sagen Sie meinem Sohn, wie gl�cklich mich die Nachricht gemacht
hat, die Sie mir von ihm gebracht haben! Sagen Sie ihm, da� ich ihn
so an mein Herz schlie�e"--hier streckte sie die Arme auseinander und
dr�ckte sie wieder auf ihre Brust zusammen--, "da� ich t�glich Gott
und unsere heilige Jungfrau f�r ihn im Gebet anflehe, da� ich ihm und
seiner Frau meinen Segen gebe, und da� ich nur w�nsche, ihn vor meinem
Ende noch einmal mit diesen Augen zu sehen, die so viele Tr�nen �ber
ihn vergossen haben."
Die eigne Zierlichkeit der italienischen Sprache beg�nstigte die Wahl
und die edle Stellung dieser Worte, welche noch �berdies von lebhaften
Geb�rden begleitet wurden, womit jene Nation �ber ihre �u�erungen
einen unglaublichen Reiz zu verbreiten gewohnt ist.
Ich nahm nicht ohne R�hrung von ihnen Abschied. Sie reichten mir alle
die H�nde, die Kinder geleiteten mich hinaus, und indes ich die Treppe
hinunterging, sprangen sie auf den Balkon des Fensters, das aus der
K�che auf die Stra�e ging, riefen mir nach, winkten mir Gr��e zu und
wiederholten, da� ich ja nicht vergessen m�chte, wiederzukommen. Ich
sah sie noch auf dem Balkon stehen, als ich um die Ecke herumging.
Ich brauche nicht zu sagen, da� der Anteil, den ich an dieser Familie
nahm, den lebhaften Wunsch in mir erregte, ihr n�tzlich zu sein und
ihrem Bed�rfnis zu H�lfe zu kommen. Sie war nun durch mich abermals
hintergangen, und ihre Hoffnungen auf eine unerwartete H�lfe waren
durch die Neugierde des n�rdlichen Europas auf dem Wege, zum
zweitenmal get�uscht zu werden.
Mein erster Vorsatz war, ihnen vor meiner Abreise jene vierzehn Unzen
zuzustellen, die ihnen der Fl�chtling schuldig geblieben, und durch
die Vermutung, da� ich diese Summe von ihm wiederzuerhalten hoffte,
mein Geschenk zu bedecken; allein als ich zu Hause meine Rechnung
machte, meine Kasse und Papiere �berschlug, sah ich wohl, da� in einem
Lande, wo durch den Mangel von Kommunikation die Entfernung gleichsam
ins Unendliche w�chst, ich mich selbst in Verlegenheit setzen w�rde,
wenn ich mir anma�te, die Ungerechtigkeit eines frechen Menschen durch
eine herzliche Gutm�tigkeit zu verbessern.
Gegen Abend trat ich noch zu meinem Handelsmanne und fragte ihn, wie
denn das Fest morgen ablaufen werde, da eine gro�e Prozession durch
die Stadt ziehen und der Vizek�nig selbst das Heiligste zu Fu�
begleiten solle. Der geringste Windsto� m�sse ja Gott und Menschen in
die dickste Staubwolke verh�llen.
Der muntere Mann versetzte, da� man in Palermo sich gern auf ein
Wunder verlasse. Schon mehrmals in �hnlichen F�llen sei ein
gewaltsamer Platzregen gefallen und habe die meist abh�ngige Stra�e
wenigstens zum Teil rein abgeschwemmt und der Prozession reinen Weg
gebahnt. Auch diesmal hege man die gleiche Hoffnung nicht ohne Grund,
denn der Himmel �berziehe sich und verspreche Regen auf die Nacht.
Auf den Schrittsteinen hatte man nach wie vor reinlichen Wandel, im
Innern der Stadt hingegen, wohin uns die Absicht, verschiedenes bis
jetzt Vernachl�ssigtes zu sehen, gerade heute gehen hie�, war es fast
unm�glich, durchzukommen, obgleich auch hier das Kehren und Aufh�ufen
nicht vers�umt war.
Da wir uns nun selbst mit einer nahen Abreise aus diesem Paradies
bedrohen m�ssen, so hoffte ich, heute noch im �ffentlichen Garten ein
vollkommenes Labsal zu finden, mein Pensum in der "Odyssee" zu lesen
und auf einem Spaziergang nach dem Tale am Fu�e des Rosalienbergs den
Plan der "Nausikaa" weiter durchzudenken und zu versuchen, ob diesem
Gegenstande eine dramatische Seite abzugewinnen sei. Dies alles ist,
wo nicht mit gro�em Gl�ck, doch mit vielem Behagen geschehen. Ich
verzeichnete den Plan und konnte nicht unterlassen, einige Stellen,
die mich besonders anzogen, zu entwerfen und auszuf�hren.
Es ist ein wahres Ungl�ck, wenn man von vielerlei Geistern verfolgt
und versucht wird! Heute fr�h ging ich mit dem festen, ruhigen
Vorsatz, meine dichterischen Tr�ume fortzusetzen, nach dem
�ffentlichen Garten, allein eh' ich mich's versah, erhaschte mich ein
anderes Gespenst, das mir schon diese Tage nachgeschlichen. Die
vielen Pflanzen, die ich sonst nur in K�beln und T�pfen, ja die gr��te
Zeit des Jahres nur hinter Glasfenstern zu sehen gewohnt war, stehen
hier froh und frisch unter freiem Himmel, und indem sie ihre
Bestimmung vollkommen erf�llen, werden sie uns deutlicher. Im
Angesicht so vielerlei neuen und erneuten Gebildes fiel mir die alte
Grille wieder ein, ob ich nicht unter dieser Schar die Urpflanze
entdecken k�nnte. Eine solche mu� es denn doch geben! Woran w�rde
ich sonst erkennen, da� dieses oder jenes Gebilde eine Pflanze sei,
wenn sie nicht alle nach einem Muster gebildet w�ren?
Beizeiten ritten wir aus Palermo. Kniep und der Vetturin hatten sich
beim Ein--und Aufpacken vortrefflich erwiesen. Wir zogen langsam die
herrliche Stra�e hinauf, die uns schon beim Besuch auf San Martino
bekannt geworden, und bewunderten abermals eine der Prachtfont�nen am
Wege, als wir auf die m��ige Sitte dieses Landes vorbereitet wurden.
Unser Reitknecht n�mlich hatte ein kleines Weinf��chen am Riemen
umgeh�ngt, wie unsere Marketenderinnen pflegen, und es schien f�r
einige Tage genugsam Wein zu enthalten. Wir verwunderten uns daher,
als er auf eine der vielen Springr�hren losritt, den Pfropf er�ffnete
und Wasser einlaufen lie�. Wir fragten mit wahrhaft deutschem
Erstaunen, was er da vorhabe, ob das F��chen nicht voll Wein sei,
worauf er mit gro�er Gelassenheit erwiderte, er habe ein Drittel davon
leer gelassen, und weil niemand ungemischten Wein trinke, so sei es
besser, man mische ihn gleich im ganzen, da vereinigten sich die
Fl�ssigkeiten besser und man sei ja nicht sicher, �berall Wasser zu
finden. Indessen war das F��chen gef�llt, und wir mu�ten uns diesen
altorientalischen Hochzeitsgebrauch gefallen lassen.
Als wir nun hinter Monreale auf die H�hen gelangten, sahen wir
wundersch�ne Gegenden, mehr im historischen als �konomischen Stil.
Wir blickten rechter Hand bis ans Meer, das zwischen den wundersamsten
Vorgebirgen �ber baumreiche und baumlose Gestade seine schnurgerade
Horizontallinie hinzog und so, entschieden ruhig, mit den wilden
Kalkfelsen herrlich kontrastierte. Kniep enthielt sich nicht, deren
in kleinem Format mehrere zu umrei�en.
Die gef�llige Wohnung in einem ruhigen Bergst�dtchen zieht uns an, und
wir fassen den Entschlu�, den ganzen Tag hier zuzubringen. Da mag
denn vor allen Dingen von gestrigen Ereignissen die Rede sein. Schon
fr�her leugnete ich des Prinzen Pallagonia Originalit�t; er hat
Vorg�nger gehabt und Muster gefunden. Auf dem Wege nach Monreale
stehen zwei Ungeheuer an einer Font�ne und auf dem Gel�nder einige
Vasen, v�llig, als wenn sie der F�rst bestellt h�tte.
Hinter Monreale, wenn man den sch�nen Weg verl��t und ins steinichte
Gebirge kommt, liegen oben auf dem R�cken Steine im Weg, die ich ihrer
Schwere und Anwitterung nach f�r Eisenstein hielt. Alle Landesfl�chen
sind bebaut und tragen besser oder schlechter. Der Kalkstein zeigte
sich rot, die verwitterte Erde an solchen Stellen desgleichen. Diese
rote, tonig-kalkige Erde ist weit verbreitet, der Boden schwer, kein
Sand darunter, tr�gt aber trefflichen Weizen. Wir fanden alte, sehr
starke, aber verst�mmelte �lb�ume.
Auf den h�heren Bergen findet sich noch immer der �lbaum, Caruba,
Fraxinus. Ihr Feldbau ist auch in drei Jahre geteilt. Bohnen,
Getreide und Ruhe, wobei sie sagen: "Mist tut mehr Wunder als die
Heiligen." Der Weinstock wird sehr niedrig gehalten.
Die Lage von Alcamo ist herrlich auf der H�he in einiger Entfernung
vom Meerbusen, die Gro�heit der Gegend zog uns an. Hohe Felsen, tiefe
T�ler dabei, aber Weite und Mannigfaltigkeit. Hinter Monreale r�ckt
man in ein sch�nes doppeltes Tal, in dessen Mitte sich noch ein
Felsr�cken herzieht. Die fruchtbaren Felder stehen gr�n und still,
indes auf dem breiten Wege wildes Geb�sch und Staudenmassen wie
unsinnig von Bl�ten gl�nzt: der Linsenbusch, ganz gelb von
Schmetterlingsblumen �berdeckt, kein gr�nes Blatt zu sehen, der
Wei�dorn, Strau� an Strau�, die Aloen r�cken in die H�he und deuten
auf Bl�ten, reiche Teppiche von amarantrotem Klee, die Insektenophrys,
Alpenr�slein, Hyazinthen mit geschlossenen Glocken, Borra�, Allien,
Asphodelen.
Der Tempel von Segesta ist nie fertig geworden, und man hat den Platz
um denselben nie verglichen, man ebnete nur den Umkreis, worauf die
S�ulen gegr�ndet werden sollten; denn noch jetzt stehen die Stufen an
manchen Orten neun bis zehn Fu� in der Erde, und es ist kein H�gel in
der N�he, von dem Steine und Erdreich h�tten herunterkommen k�nnen.
Auch liegen die Steine in ihrer meist nat�rlichen Lage, und man findet
keine Tr�mmer darunter.
Die S�ulen stehen alle; zwei, die umgefallen waren, sind neuerdings
wieder hergestellt. Inwiefern die S�ulen Sockel haben sollten, ist
schwer zu bestimmen und ohne Zeichnung nicht deutlich zu machen. Bald
sieht es aus, als wenn die S�ule auf der vierten Stufe st�nde, da mu�
man aber wieder eine Stufe zum Innern des Tempels hinab, bald ist die
oberste Stufe durchschnitten, dann sieht es aus, als wenn die S�ulen
Basen h�tten, bald sind diese Zwischenr�ume wieder ausgef�llt, und da
haben wir wieder den ersten Fall. Der Architekt mag dies genauer
bestimmen.
Die Nebenseiten haben zw�lf S�ulen ohne die Ecks�ulen, die vordere und
hintere Seite sechs mit den Ecks�ulen. Die Zapfen, an denen man die
Steine transportiert, sind an den Stufen des Tempels ringsum nicht
weggehauen, zum Beweis, da� der Tempel nicht fertig geworden. Am
meisten zeugt davon aber der Fu�boden: derselbe ist von den Seiten
herein an einigen Orten durch Platten angegeben, in der Mitte aber
steht noch der rohe Kalkfels h�her als das Niveau des angelegten
Bodens; er kann also nie geplattet gewesen sein. Auch ist keine Spur
von innerer Halle. Noch weniger ist der Tempel mit Stuck �berzogen
gewesen, da� es aber die Absicht war, l��t sich vermuten: an den
Platten der Kapit�le sind Vorspr�nge, wo sich vielleicht der Stuck
anschlie�en sollte. Das Ganze ist aus einem travertin�hnlichen
Kalkstein gebaut, jetzt sehr verfressen. Die Restauration von 1781
hat dem Geb�ude sehr wohl getan. Der Steinschnitt, der die Teile
zusammenf�gt, ist einfach, aber sch�n. Die gro�en besonderen Steine,
deren Riedesel erw�hnt, konnt' ich nicht finden, sie sind vielleicht
zu Restauration der S�ulen verbraucht worden.
Die Lage des Tempels ist sonderbar: am h�chsten Ende eines weiten,
langen Tales, auf einem isolierten H�gel, aber doch noch von Klippen
umgeben, sieht er �ber viel Land in eine weite Ferne, aber nur ein
Eckchen Meer. Die Gegend ruht in trauriger Fruchtbarkeit, alles
bebaut und fast nirgends eine Wohnung. Auf bl�henden Disteln
schw�rmten unz�hlige Schmetterlinge. Wilder Fenchel stand acht bis
neun Fu� hoch verdorret von vorigem Jahr her so reichlich und in
scheinbarer Ordnung, da� man es f�r die Anlage einer Baumschule h�tte
halten k�nnen. Der Wind sauste in den S�ulen wie in einem Walde, und
Raubv�gel schwebten schreiend �ber dem Geb�lke.
Von Alcamo auf Castel Vetrano kommt man am Kalkgebirge her �ber
Kiesh�gel. Zwischen den steilen, unfruchtbaren Kalkbergen weite,
h�glige T�ler, alles bebaut, aber fast kein Baum. Die Kiesh�gel voll
gro�er Geschiebe, auf alte Meeresstr�mungen hindeutend; der Boden
sch�n gemischt, leichter als bisher, wegen des Anteils von Sand.
Salemi blieb uns eine Stunde rechts, hier kamen wir �ber Gipsfelsen,
dem Kalke vorliegend, das Erdreich immer trefflicher gemischt. In der
Ferne sieht man das westliche Meer. Im Vordergrund das Erdreich
durchaus h�glig. Wir fanden ausgeschlagne Feigenb�ume, was aber Lust
und Bewunderung erregte, waren un�bersehbare Blumenmassen, die sich
auf dem �berbreiten Wege angesiedelt hatten und in gro�en, bunten,
aneinander sto�enden Fl�chen sich absonderten und wiederholten. Die
sch�nsten Winden, Hibiscus und Malven, vielerlei Arten Klee herrschten
wechselsweise, dazwischen das Allium, Galegagestr�uche. Und durch
diesen bunten Teppich wand man sich reitend hindurch, denen sich
kreuzenden unz�hligen schmalen Pfaden nachfolgend. Dazwischen weidet
sch�nes rotbraunes Vieh, nicht gro�, sehr nett gebaut, besonders
zierliche Gestalt der kleinen H�rner.
In der Nacht begegnete mir ein eignes Abenteuer. Wir hatten uns in
einem freilich nicht sehr zierlichen Lokal sehr m�de auf die Betten
geworfen, zu Mitternacht wach' ich auf und erblicke �ber mir die
angenehmste Erscheinung--einen Stern, so sch�n, als ich ihn nie
glaubte gesehen zu haben. Ich erquicke mich an dem lieblichen, alles
Gute weissagenden Anblick, bald aber verschwindet mein holdes Licht
und l��t mich in der Finsternis allein. Bei Tagesanbruch bemerkte ich
erst die Veranlassung dieses Wunders; es war eine L�cke im Dach, und
einer der sch�nsten Sterne des Himmels war in jenem Augenblick durch
meinen Meridian gegangen. Dieses nat�rliche Ereignis jedoch legten
die Reisenden mit Sicherheit zu ihren Gunsten aus.
Das Meer rollt hier nur Kalkgeschiebe, Quarz und Hornstein sind
abgeschnitten. Ich beobachtete die kleinen Fl�sse; Calata Bellotta
und Macasoli bringen auch nur Kalkgeschiebe, Platani gelben Marmor und
Feuersteine, die ewigen Begleiter dieses edlern Kalkgesteins. Wenige
St�ckchen Lava machten mich aufmerksam, allein ich vermute hier in der
Gegend nichts Vulkanisches, ich denke vielmehr, es sind Tr�mmer von
M�hlsteinen, oder zu welchem Gebrauch man solche St�cke aus der Ferne
geholt hat. Bei Monte allegro ist alles Gips: dichter Gips und
Fraueneis, ganze Felsen vor und zwischen dem Kalk. Die wunderliche
Felsenlage von Calata Bellotta!
Erst lie� er uns die ganz wohlgebauten Stra�en beschauen, dann f�hrte
er uns auf h�here Punkte, wo sich der Anblick durch gr��ere Weite und
Breite noch mehr verherrlichte, sodann zum Kunstgenu� in die
Hauptkirche. Diese enth�lt einen wohlerhaltenen Sarkophag, zum Altar
gerettet: Hippolyt mit seinen Jagdgesellen und Pferden wird von der
Amme Ph�dras aufgehalten, die ihm ein T�felchen zustellen will. Hier
war die Hauptabsicht, sch�ne J�nglinge darzustellen, deswegen auch die
Alte, ganz klein und zwergenhaft, als ein Nebenwerk, das nicht st�ren
soll, dazwischen gebildet ist. Mich d�nkt, von halberhabener Arbeit
nichts Herrlichers gesehen zu haben, zugleich vollkommen erhalten. Es
soll mir einstweilen als ein Beispiel der anmutigsten Zeit
griechischer Kunst gelten.
Auch den ganzen Abend wu�te unser F�hrer die Ungeduld zu bes�nftigen,
die uns hinabw�rts trieb, indem er uns abermals auf die H�he zu
herrlichen Aussichtspunkten f�hrte und uns dabei die �bersicht der
Lage gab alle der Merkw�rdigkeiten, die wir morgen in der N�he sehen
sollten.
Der Tempel steht gegenw�rtig auf einem verwitterten Felsen; von hier
aus erstreckten sich die Stadtmauern gerade ostw�rts auf einem
Kalklager hin, welches senkrecht �ber dem flachen Strande, den das
Meer fr�her und sp�ter, nachdem es diese Felsen gebildet und ihren Fu�
besp�lt, verlassen hatte. Teils aus den Felsen gehauen, teils aus
denselben erbaut waren die Mauern, hinter welchen die Reihe der Tempel
hervorragte. Kein Wunder also, da� der untere, der aufsteigende und
der h�chste Teil von Girgenti zusammen von dem Meere her einen
bedeutenden Anblick gew�hrte.
Der Tempel der Konkordia hat so vielen Jahrhunderten widerstanden;
seine schlanke Baukunst n�hert ihn schon unserm Ma�stabe des Sch�nen
und Gef�lligen, er verh�lt sich zu denen von P�stum wie G�ttergestalt
zum Riesenbilde. Ich will mich nicht beklagen, da� der neuere
l�bliche Vorsatz, diese Monumente zu erhalten, geschmacklos ausgef�hrt
worden, indem man die L�cken mit blendend wei�em Gips ausbesserte;
dadurch steht dieses Monument auch auf gewisse Weise zertr�mmert vor
dem Auge; wie leicht w�re es gewesen, dem Gips die Farbe des
verwitterten Steins zu geben! Sieht man freilich den so leicht sich
br�ckelnden Muschelkalk der S�ulen und Mauern, so wundert man sich da�
er noch so lange gehalten. Aber die Erbauer, hoffend auf eine
�hnliche Nachkommenschaft, hatten deshalb Vorkehrung getroffen: man
findet noch �berreste eines feinen T�nchs an den S�ulen, der zugleich
dem Auge schmeicheln und die Dauer verbergen sollte.
Die n�chste Station ward Godann bei den Ruinen des Jupitertempels
gehalten. Dieser liegt weit gestreckt, wie die Knochenmasse eines
Riesengerippes inner--und unterhalb mehrerer kleinen Besitzungen, von
Z�unen durchschnitten, von h�hern und niedern Pflanzen durchwachsen.
Alles Gebildete ist aus diesen Schutthaufen verschwunden au�er einem
ungeheueren Triglyph und einem St�ck einer demselben proportionierten
Halbs�ule. Jenen ma� ich mit ausgespannten Armen und konnte ihn nicht
erklaftern, von der Kannelierung der S�ule hingegen kann dies einen
Begriff geben, da� ich, darin stehend, dieselbe als eine kleine Nische
ausf�llte, mit beiden Schultern ansto�end. Zweiundzwanzig M�nner, im
Kreise nebeneinander gestellt, w�rden ungef�hr die Peripherie einer
solchen S�ule bilden. Wir schieden mit dem unangenehmen Gef�hle, da�
hier f�r den Zeichner gar nichts zu tun sei.
Der Tempel des Herkules hingegen lie� noch Spuren vormaliger Symmetrie
entdecken. Die zwei S�ulenreihen, die den Tempel h�ben und dr�ben
begleiteten, lagen in gleicher Richtung wie auf einmal zusammen
hingelegt, von Norden nach S�den; jene einen H�gel hinaufw�rts, diese
hinabw�rts. Der H�gel mochte aus der zerfallenen Zelle entstanden
sein. Die S�ulen, wahrscheinlich durch das Geb�lk zusammengehalten,
st�rzten auf einmal, vielleicht durch Sturmwut niedergestreckt, und
sie liegen noch regelm��ig, in die St�cke, aus denen sie
zusammengesetzt waren, zerfallen. Dieses merkw�rdige Vorkommen genau
zu zeichnen, spitzte Kniep schon in Gedanken seine Stifte.
Nun stiegen wir zum Grabmal Therons hinab und erfreuten uns der
Gegenwart dieses so oft nachgebildet gesehenen Monuments, besonders da
es uns zum Vordergrunde diente einer wundersamen Ansicht; denn man
schaute von Westen nach Osten an dem Felslager hin, auf welchem die
l�ckenhaften Stadtmauern sowie durch sie und �ber ihnen die Reste der
Tempel zu sehen waren. Unter Hackerts kunstreicher Hand ist diese
Ansicht zum erfreulichen Bilde geworden; Kniep wird einen Umri� auch
hier nicht fehlen lassen.
Girgenti, Donnerstag, den 26. April 1787.
Als ich erwachte, war Kniep schon bereit, mit einem Knaben, der ihm
den Weg zeigen und die Pappen tragen sollte, seine zeichnerische Reise
anzutreten. Ich geno� des herrlichsten Morgens am Fenster, meinen
geheimen, stillen, aber nicht stummen Freund an der Seite. Aus
frommer Scheu habe ich bisher den Namen nicht genannt des Mentors, auf
den ich von Zeit zu Zeit hinblicke und hinhorche; es ist der
treffliche von Riedesel, dessen B�chlein ich wie ein Brevier oder
Talisman am Busen trage. Sehr gern habe ich mich immer in solchen
Wesen bespiegelt, die das besitzen, was mir abgeht, und so ist es
grade hier: ruhiger Vorsatz, Sicherheit des Zwecks, reinliche,
schickliche Mittel, Vorbereitung und Kenntnis, inniges Verh�ltnis zu
einem meisterhaft Belehrenden, zu Winckelmann; dies alles geht mir ab
und alles �brige, was daraus entspringt. Und doch kann ich mir nicht
feind sein, da� ich das zu erschleichen, zu erst�rmen, zu erlisten
suche, was mir w�hrend meines Lebens auf dem gew�hnlichen Wege versagt
war. M�ge jener treffliche Mann in diesem Augenblick mitten in dem
Weltget�mmel empfinden, wie ein dankbarer Nachfahr seine Verdienste
feiert, einsam in dem einsamen Orte, der auch f�r ihn so viel Reize
hatte, da� er sogar hier, vergessen von den Seinigen und ihrer
vergessend, seine Tage zuzubringen w�nschte.
Nun durchzog ich die gestrigen Wege mit meinem kleinen geistlichen
F�hrer, die Gegenst�nde von mehrern Seiten betrachtend und meinen
flei�igen Freund hie und da besuchend.
Auf eine sch�ne Anstalt der alten m�chtigen Stadt machte mich mein
F�hrer aufmerksam. In den Felsen und Gem�uermassen, welche Girgenti
zum Bollwerk dienten, finden sich Gr�ber, wahrscheinlich den Tapfern
und Guten zur Ruhest�tte bestimmt. Wo konnten diese sch�ner, zu
eigener Glorie und zu ewig lebendiger Nacheiferung, beigesetzt werden!
In dem weiten Raume zwischen den Mauern und dem Meere finden sich noch
die Reste eines kleinen Tempels, als christliche Kapelle erhalten.
Auch hier sind Halbs�ulen mit den Quaderst�cken der Mauer aufs
sch�nste verbunden, und beides, ineinander gearbeitet, h�chst
erfreulich dem Auge. Man glaubt genau den Punkt zu f�hlen, wo die
dorische Ordnung ihr vollendetes Ma� erhalten hat.
Die Schichten des Muschelkalks fallen alle gegen das Meer. Wundersam
von unten und hinten ausgefressene Felsb�nke, deren Oberes und
Vorderes sich teilweise erhalten, so da� sie wie herunterh�ngende
Fransen aussehen. Ha� auf die Franzosen, weil sie mit den Barbaresken
Frieden haben und man ihnen schuld gibt, sie verrieten die Christen an
die Ungl�ubigen.
Vom Meere her war ein antikes Tor in Felsen gehauen. Die noch
bestehenden Mauern stufenweis auf den Felsen gegr�ndet. Unser
Cicerone hie� Don Michael Vella, Antiquar, wohnhaft bei Meister Gerio
in der N�he von St. Maria.
Die Folge ihres Fruchtbaus ist Bohnen, Weizen, Tumenia, das vierte
Jahr lassen sie es zur Wiese liegen. Unter Bohnen werden hier die
Puffbohnen verstanden. Ihr Weizen ist unendlich sch�n. Tumenia,
deren Namen sich von "bimenia" oder "trimenia" herschreiben soll, ist
eine herrliche Gabe der Ceres: es ist eine Art von Sommerkorn, das in
drei Monaten reif wird. Sie s�en es vom ersten Januar bis zum Juni,
wo es denn immer zur bestimmten Zeit reif ist. Sie braucht nicht viel
Regen, aber starke W�rme; anfangs hat sie ein sehr zartes Blatt, aber
sie w�chst dem Weizen nach und macht sich zuletzt sehr stark. Das
Korn s�en sie im Oktober und November, es reift im Juni. Die im
November ges�te Gerste ist den ersten Juni reif, an der K�ste
schneller, in Gebirgen langsamer.
Der Lein ist schon reif. Der Akanth hat seine pr�chtigen Bl�tter
entfaltet. Salsola fruticosa w�chst �ppig.
An den Feigen waren alle Bl�tter heraus, und die Fr�chte hatten
angesetzt. Sie werden zu Johanni reif, dann setzt der Baum noch
einmal an. Die Mandeln hingen sehr voll; ein gestutzter Karubenbaum
trug unendliche Schoten. Die Trauben zum Essen werden an Lauben
gezogen, durch hohe Pfeiler unterst�tzt. Melonen legen sie im M�rz,
die im Juni reifen. In den Ruinen des Jupitertempels wachsen sie
munter ohne eine Spur von Feuchtigkeit.
Als ich auf schwarze, feste Steine aufmerksam ward, die einer Lava
glichen, sagte mir der Antiquar, sie seien vom �tna, auch am Hafen
oder vielmehr Landungsplatz st�nden solche.
Der V�gel gibt's hierzulande nicht viel: Wachteln. Die Zugv�gel sind:
Nachtigallen, Lerchen und Schwalben. Rinnine, kleine schwarze V�gel,
die aus der Levante kommen, in Sizilien hecken und weiter gehen oder
zur�ck. Ridene, kommen im Dezember und Januar aus Afrika, fallen auf
dem Akragas nieder, und dann ziehen sie sich in die Berge.
Von der Vase des Doms noch ein Wort. Auf derselben steht ein Held in
v�lliger R�stung gleichsam als Ank�mmling vor einem sitzenden Alten,
der durch Kranz und Szepter als K�nig bezeichnet ist. Hinter diesem
steht ein Weib, das Haupt gesenkt, die linke Hand unter dem Kinn;
aufmerksam nachdenkende Stellung. Gegen�ber hinter dem Helden ein
Alter, gleichfalls bekr�nzt, er spricht mit einem spie�tragenden Manne,
der von der Leibwache sein mag. Der Alte scheint den Helden
eingef�hrt zu haben und zu der Wache zu sagen: "La�t ihn nur mit dem
K�nig reden, es ist ein braver Mann."
Das Rote scheint der Grund dieser Vase, das Schwarze darauf gesetzt.
Nur an dem Frauengewande scheint Rot auf Schwarz zu sitzen.
Durch dieses Gespr�ch ward bei mir die Frage wieder rege, ob ich den
Vorsatz, Malta zu besuchen, aufgeben sollte. Allein die schon fr�her
�berdachten Schwierigkeiten und Gefahren blieben noch immer dieselben,
und wir nahmen uns vor, unsern Vetturin bis Messina zu dingen.
Heute k�nnen wir denn endlich sagen, da� uns ein anschaulicher Begriff
geworden, wie Sizilien den Ehrennamen einer Kornkammer Italiens
erlangen k�nnen. Eine Strecke, nachdem wir Girgent verlassen, fing
der fruchtbare Boden an. Es sind keine gro�en Fl�chen, aber sanft
gegeneinander laufende Berg--und H�gelr�cken, durchg�ngig mit Weizen
und Gerste bestellt, die eine ununterbrochene Masse von Fruchtbarkeit
dem Auge darbieten. Der diesen Pflanzen geeignete Boden wird so
genutzt und so geschont, da� man nirgends einen Baum sieht, ja, alle
die kleinen Ortschaften und Wohnungen liegen auf R�cken der H�gel, wo
eine hinstreichende Reihe Kalkfelsen den Boden ohnehin unbrauchbar
macht. Dort wohnen die Weiber das ganze Jahr, mit Spinnen und Weben
besch�ftigt, die M�nner hingegen bringen zur eigentlichen Epoche der
Feldarbeit nur Sonnabend und Sonntag bei ihnen zu, die �brigen Tage
bleiben sie unten und ziehen sich nachts in Rohrh�tten zur�ck. Und so
war denn unser Wunsch bis zum �berdru� erf�llt, wir h�tten uns
Triptolems Fl�gelwagen gew�nscht, um dieser Einf�rmigkeit zu
entfliehen.
Nun ritten wir bei hei�em Sonnenschein durch diese w�ste Fruchtbarkeit
und freuten uns, in dem wohlgelegenen und wohlgebauten Caltanisetta
zuletzt anzukommen, wo wir jedoch abermals vergeblich um eine
leidliche Herberge bem�ht waren. Die Maultiere stehen in pr�chtig
gew�lbten St�llen, die Knechte schlafen auf dem Klee, der den Tieren
bestimmt ist, der Fremde aber mu� seine Haushaltung von vorn anfangen.
Ein allenfalls zu beziehendes Zimmer mu� erst gereinigt werden.
St�hle und B�nke gibt es nicht, man sitzt auf niedrigen B�cken von
starkem Holz, Tische sind auch nicht zu finden.
Will man jene B�cke in Bettf��e verwandeln, so geht man zum Tischler
und borgt so viel Bretter, als n�tig sind, gegen eine gewisse Miete.
Der gro�e Juchtensack, den uns Hackert geliehen, kam diesmal sehr
zugute und ward vorl�ufig mit H�ckerling angef�llt.
Vor allem aber mu�te wegen des Essens Anstalt getroffen werden. Wir
hatten unterwegs eine Henne gekauft, der Vetturin war gegangen, Reis,
Salz und Spezereien anzuschaffen, weil er aber nie hier gewesen, so
blieb lange uner�rtert, wo denn eigentlich gekocht werden sollte, wozu
in der Herberge selbst keine Gelegenheit war. Endlich bequemte sich
ein �ltlicher B�rger, Herd und Holz, K�chen--und Tischger�te gegen ein
billiges herzugeben und uns, indessen gekocht w�rde, in der Stadt
herumzuf�hren, endlich auf den Markt, wo die angesehensten Einwohner
nach antiker Weise umhersa�en, sich unterhielten und von uns
unterhalten sein wollten.
Wir mu�ten von Friederich dem Zweiten erz�hlen, und ihre Teilnahme an
diesem gro�en K�nige war so lebhaft, da� wir seinen Tod verhehlten, um
nicht durch eine so unselige Nachricht unsern Wirten verha�t zu werden.
Caltanisetta, Sonnabend, den 28. April 1787.
Quarzgeschiebe habe ich nur etwa auf halbem Wege in einem T�lchen
gefunden, das, an drei Seiten geschlossen, gegen Morgen und also gegen
das Meer zu offenstand.
Links in der Ferne war der hohe Berg bei Camerata merkw�rdig und ein
anderer wie ein gestutzter Kegel. Die gro�e H�lfte des Wegs kein Baum
zu sehen. Die Frucht stand herrlich, obgleich nicht so hoch wie zu
Girgent und am Meeresufer, jedoch so rein als m�glich; in den
unabsehbaren Weizen�ckern kein Unkraut. Erst sahen wir nichts als
gr�nende Felder, dann gepfl�gte, an feuchtlichen �rtern ein St�ckchen
Wiese. Hier kommen auch Pappeln vor. Gleich hinter Girgent fanden
wir �pfel und Birnen, �brigens an den H�hen und in der N�he der
wenigen Ortschaften etwas Feigen.
Diese drei�ig Miglien, nebst allem, was ich rechts und links erkennen
konnte, ist �lterer und neuerer Kalk, dazwischen Gips. Der
Verwitterung und Verarbeitung dieser drei untereinander hat das
Erdreich seine Fruchtbarkeit zu verdanken. Wenig Sand mag es
enthalten, es knirscht unter den Z�hnen. Eine Vermutung wegen des
Flusses Achates wird sich morgen best�tigen.
Die T�ler haben eine sch�ne Form, und ob sie gleich nicht ganz flach
sind, so bemerkt man doch keine Spur von Regeng�ssen, nur kleine B�che,
kaum merklich, rieseln hin, denn alles flie�t gleich unmittelbar nach
dem Meere. Wenig roter Klee ist zu sehen, die niedrige Palme
verschwindet auch sowie alle Blumen und Str�uche der s�dwestlichen
Seite. Den Disteln ist nur erlaubt, sich der Wege zu bem�chtigen,
alles andere geh�rt der Ceres an. �brigens hat die Gegend viel
�hnliches mit deutschen h�geligen und fruchtbaren Gegenden, z. B. mit
der zwischen Erfurt und Gotha, besonders wenn man nach den Gleichen
hinsieht. Sehr vieles mu�te zusammenkommen, um Sizilien zu einem der
fruchtbarsten L�nder der Welt zu machen.
Man sieht wenig Pferde auf der ganzen Tour, sie pfl�gen mit Ochsen,
und es besteht ein Verbot, keine K�he und K�lber zu schlachten.
Ziegen, Esel und Maultiere begegneten uns viele. Die Pferde sind
meist Apfelschimmel mit schwarzen F��en und M�hnen, man findet die
pr�chtigsten Stallr�ume mit gemauerten Bettstellen. Das Land wird zu
Bohnen und Linsen ged�ngt, die �brigen Feldfr�chte wachsen nach dieser
S�mmerung. In �hren gescho�te, noch gr�ne Gerste in B�ndeln, roter
Klee desgleichen werden dem Vorbeireitenden zu Kauf angeboten.
Auf dem Berg �ber Caltanisetta fand sich fester Kalkstein mit
Versteinerungen: die gro�en Muscheln lagen unten, die kleinen obenauf.
Im Pflaster des St�dtchens fanden wir Kalkstein mit Pektiniten.
Nun sahen wir den einzeln stehenden Bergr�cken vor uns, worauf Castro
Giovanni liegt und welcher der Gegend einen ernsten, sonderbaren
Charakter erteilt. Als wir den langen, an der Seite sich
hinanziehenden Weg ritten, fanden wir den Berg aus Muschelkalk
bestehend; gro�e, nur kalzinierte Schalen wurden aufgepackt. Man
sieht Castro Giovanni nicht eher, als bis man ganz oben auf den
Bergr�cken gelangt; denn es liegt am Felsabhang gegen Norden. Das
wunderliche St�dtchen selbst, der Turm, links in einiger Entfernung
das �rtchen Caltascibetta stehen gar ernsthaft gegeneinander. In der
Plaine sah man die Bohnen in voller Bl�te, wer h�tte sich aber dieses
Anblicks erfreuen k�nnen! Die Wege waren entsetzlich, noch
schrecklicher, weil sie ehemals gepflastert gewesen, und es regnete
immer fort. Das alte Enna empfing uns sehr unfreundlich: ein
Estrichzimmer mit L�den ohne Fenster, so da� wir entweder im Dunkeln
sitzen, oder den Spr�hregen, dem wir soeben entgangen waren, wieder
erdulden mu�ten. Einige �berreste unseres Reisevorrats wurden
verzehrt, die Nacht kl�glich zugebracht. Wir taten ein feierliches
Gel�bde, nie wieder nach einem mythologischen Namen unser Wegeziel zu
richten.
Von Castro Giovanni herab f�hrt ein rauher, unbequemer Stieg, wir
mu�ten die Pferde f�hren. Die Atmosph�re vor uns tief herab mit
Wolken bedeckt, wobei sich ein wunderbar Ph�nomen in der gr��ten H�he
sehen lie�. Es war wei� und grau gestreift und schien etwas
K�rperliches zu sein; aber wie k�me das K�rperliche in den Himmel!
Unser F�hrer belehrte uns, diese unsere Verwunderung gelte einer Seite
des �tna, welche durch die zerrissenen Wolken durchsehe: Schnee und
Bergr�cken abwechselnd bildeten die Streifen, es sei nicht einmal der
h�chste Gipfel.
Des alten Enna steiler Felsen lag nun hinter uns, wir zogen durch
lange, lange, einsame T�ler; unbebaut und unbewohnt lagen sie da, dem
weidenden Vieh �berlassen, das wir sch�n braun fanden, nicht gro�, mit
kleinen H�rnern, gar nett, schlank und munter wie die Hirschchen.
Diese guten Gesch�pfe hatten zwar Weide genug, sie war ihnen aber doch
durch ungeheure Distelmassen beengt und nach und nach verk�mmert.
Diese Pflanzen finden hier die sch�nste Gelegenheit, sich zu besamen
und ihr Geschlecht auszubreiten, sie nehmen einen unglaublichen Raum
ein, der zur Weide von ein paar gro�en Landg�tern hinreichte. Da sie
nicht perennieren, so w�ren sie jetzt, vor der Bl�te niedergem�ht, gar
wohl zu vertilgen.
In das Tal gelangt, wodurch der Flu� St. Paolo sich schl�ngelt, fanden
wir das Erdreich r�tlich schwarz und verwitterlichen Kalk; viel Brache,
sehr weite Felder, sch�nes Tal, durch das Fl��chen sehr angenehm.
Der gemischte gute Lehmboden ist mitunter zwanzig Fu� tief und
meistens gleich. Die Aloen hatten stark getrieben. Die Frucht stand
sch�n, doch mitunter unrein und, gegen die Mittagseite berechnet, weit
zur�ck. Hie und da kleine Wohnungen; kein Baum als unmittelbar unter
Castro Giovanni. Am Ufer des Flusses viel Weide, durch ungeheure
Distelmassen eingeschr�nkt. Im Flu�geschiebe das Quarzgestein wieder,
teils einfach, teils breccienartig.
Molimenti, ein neues �rtchen, sehr klug in der Mitte sch�ner Felder
angelegt, am Fl��chen St. Paolo. Der Weizen stand in der N�he ganz
unvergleichlich, schon den zwanzigsten Mai zu schneiden. Die ganze
Gegend zeigt noch keine Spur von vulkanischem Wesen, auch selbst der
Flu� f�hrt keine dergleichen Geschiebe. Der Boden, gut gemischt, eher
schwer als leicht, ist im ganzen kaffeebraun-violettlich anzusehen.
Alle Gebirge links, die den Flu� einschlie�en, sind Kalk--und
Sandstein, deren Abwechselung ich nicht beobachten konnte, welche
jedoch, verwitternd, die gro�e, durchaus gleiche Fruchtbarkeit des
untern Tals bereitet haben.
Gegen Ibla Major melden sich Lavageschiebe, welche das Wasser von
Norden herunterbringt. �ber der F�hre findet man Kalkstein, welcher
allerlei Arten Geschiebe, Hornstein, Lava und Kalk verbunden hat, dann
verh�rtete vulkanische Asche, mit Kalktuff �berzogen. Die gemischten
Kiesh�gel dauern immer fort bis gegen Catania, bis an dieselben und
�ber dieselben finden sich Lavastr�me des �tna. Einen
wahrscheinlichen Krater l��t man links. (Gleich unter Molimenti
rauften die Bauern den Flachs.) Wie die Natur das Bunte liebt, l��t
sie hier sehen, wo sie sich an der schwarzblaugrauen Lava erlustigt;
hochgelbes Moos �berzieht sie, ein sch�n rotes Sedum w�chst �ppig
darauf, andere sch�ne violette Blumen. Eine sorgsame Kultur beweist
sich an den Kaktuspflanzungen und Weinranken. Nun dr�ngen sich
ungeheure Lavafl�sse heran. Motta ist ein sch�ner, bedeutender Fels.
Hier stehen die Bohnen als sehr hohe Stauden. Die �cker sind
ver�nderlich, bald sehr kiesig, bald besser gemischt.
In unserer Herberge befanden wir uns freilich sehr �bel. Die Kost,
wie sie der Maultierknecht bereiten konnte, war nicht die beste. Eine
Henne, in Reis gekocht, w�re dennoch nicht zu verachten gewesen, h�tte
sie nicht ein unm��iger Safran so gelb als ungenie�bar gemacht. Das
unbequemste Nachtlager h�tte uns beinahe gen�tigt, Hackerts
Juchtensack wieder hervorzuholen, deshalb sprachen wir morgens zeitig
mit dem freundlichen Wirte. Er bedauerte, da� er uns nicht besser
versorgen k�nne: "Da dr�ben aber ist ein Haus, wo Fremde gut
aufgehoben sind und alle Ursache haben zufrieden zu sein."--Er zeigte
uns ein gro�es Eckhaus, von welchem die uns zugekehrte Seite viel
Gutes versprach. Wir eilten sogleich hin�ber, fanden einen r�hrigen
Mann, der sich als Lohnbedienter angab und in Abwesenheit des Wirts
uns ein sch�nes Zimmer neben einem Saal anwies, auch zugleich
versicherte, da� wir aufs billigste bedient werden sollten. Wir
erkundigten uns unges�umt hergebrachterweise, was f�r Quartier, Tisch,
Wein, Fr�hst�ck und sonstiges Bestimmbare zu bezahlen sei. Das war
alles billig, und wir schafften eilig unsere Wenigkeiten her�ber, sie
in die weitl�ufigen vergoldeten Kommoden einzuordnen. Kniep fand zum
ersten Male Gelegenheit, seine Pappe auszubreiten; er ordnete seine
Zeichnungen, ich mein Bemerktes. Sodann, vergn�gt �ber die sch�nen
R�ume, traten wir auf den Balkon des Saals, der Aussicht zu genie�en.
Nachdem wir diese genugsam betrachtet und gelobt, kehrten wir um nach
unsern Gesch�ften, und siehe! Da droben �ber unserm Haupte ein gro�er
goldener L�we. Wir sahen einander bedenklich an, l�chelten und
lachten. Von nun an aber blickten wir umher, ob nicht irgendwo eins
der Homerischen Schreckbilder hervorschauen m�chte.
Der Abb�, der uns gestern abend schon begr��t hatte, erschien heute
zeitig und f�hrte uns in den Palast, welcher auf einem hohen Sockel
einst�ckig gebaut ist, und zwar sahen wir zuerst das Museum, wo
marmorne und eherne Bilder, Vasen und alle Arten solcher Altert�mer
beisammenstehen. Wir hatten abermals Gelegenheit, unsere Kenntnisse
zu erweitern, besonders aber fesselte uns der Sturz eines Jupiters,
dessen Abgu� ich schon aus Tischbeins Werkstatt kannte und welcher
gr��ere Vorz�ge besitzt, als wir zu beurteilen vermochten. Ein
Hausgenosse gab die n�tigste historische Auskunft, und nun gelangten
wir in einen gro�en, hohen Saal. Die vielen St�hle an den W�nden
umher zeugten, da� gro�e Gesellschaft sich manchmal hier versammle.
Wir setzten uns in Erwartung einer g�nstigen Aufnahme. Da kamen ein
Paar Frauenzimmer herein und gingen der L�nge nach auf und ab. Sie
sprachen angelegentlich miteinander. Als sie uns gewahrten, stand der
Abb� auf, ich desgleichen, wir neigten uns. Ich fragte, wer sie seien,
und erfuhr, die j�ngere sei die Prinzessin, die �ltere eine edle
Catanierin. Wir hatten uns wieder gesetzt, sie gingen auf und ab, wie
man auf einem Marktplatze tun w�rde.
Wir wurden zum Prinzen gef�hrt, der, wie man mir schon bemerkt hatte,
uns seine M�nzsammlung aus besonderem Vertrauen vorwies, da wohl
fr�her seinem Herrn Vater und auch ihm nachher bei solchem Vorzeigen
manches abhanden gekommen und seine gew�hnliche Bereitwilligkeit
dadurch einigerma�en vermindert worden. Hier konnte ich nun schon
etwas kenntnisreicher scheinen, indem ich mich bei Betrachtung der
Sammlung des Prinzen Torremuzza belehrt hatte. Ich lernte wieder und
half mir an jenem dauerhaften Winckelmannischen Faden, der uns durch
die verschiedenen Kunstepochen durchleitet, so ziemlich hin. Der
Prinz, von diesen Dingen v�llig unterrichtet, da er keine Kenner, aber
aufmerksame Liebhaber vor sich sah, mochte uns gern in allem, wornach
wir forschten, belehren.
Nach dem wir diesen Betrachtungen geraume Zeit, aber doch noch immer
zu wenig gewidmet, standen wir im Begriff, uns zu beurlauben, als er
uns zu seiner Frau Mutter f�hrte, woselbst die �brigen kleineren
Kunstwerke zu sehen waren.
Wir fanden eine ansehnliche, nat�rlich edle Frau, die uns mit den
Worten empfing:" Sehen Sie sich bei mir um, meine Herren, Sie finden
hier alles noch, wie es mein seliger Gemahl gesammelt und geordnet hat.
Dies danke ich der Fr�mmigkeit meines Sohnes, der mich in seinen
besten Zimmern nicht nur wohnen, sondern auch hier nicht das geringste
entfernen oder verr�cken l��t, was sein seliger Herr Vater anschaffte
und aufstellte; wodurch ich den doppelten Vorteil habe, sowohl auf die
so lange Jahre her gewohnte Weise zu leben, als auch wie von jeher die
trefflichen Fremden zu sehen und n�her zu kennen, die, unsere Sch�tze
zu betrachten, von so weiten Orten herkommen."
Sie schlo� uns darauf selbst den Glasschrank auf, worin die Arbeiten
in Bernstein aufbewahrt standen. Der sizilianische unterscheidet sich
von dem nordischen darin, da� er von der durchsichtigen und
undurchsichtigen Wachs--und Honigfarbe durch alle Abschattungen eines
ges�ttigten Gelbs bis zum sch�nsten Hyazinthrot hinansteigt. Urnen,
Becher und andere Dinge waren daraus geschnitten, wozu man gro�e,
bewundernsw�rdige St�cke des Materials mitunter voraussetzen mu�te.
An diesen Gegenst�nden sowie an geschnittenen Muscheln, wie sie in
Trapani gefertigt werden, ferner an ausgesuchten Elfenbeinarbeiten
hatte die Dame ihre besondere Freude und wu�te dabei manche heitere
Geschichte zu erz�hlen. Der F�rst machte uns auf die ernsteren
Gegenst�nde aufmerksam, und so flossen einige Stunden vergn�gt und
belehrend vor�ber.
Indessen hatte die F�rstin vernommen, da� wir Deutsche seien, sie
fragte daher nach Herrn von Riedesel, Bartels, M�nter, welche sie
s�mtlich gekannt und, ihren Charakter und Betragen gar wohl
unterscheidend, zu w�rdigen wu�te. Wir trennten uns ungern von ihr,
und sie schien uns ungern wegzulassen. Dieser Inselzustand hat doch
immer etwas Einsames, nur durch vor�bergehende Teilnahme aufgefrischt
und erhalten.
Wer den Mann nicht vorher gesehen, h�tte glauben m�ssen, es sei ein
Riese, der solche Gewalt aus�be; da wir aber seine Pers�nlichkeit
schon kannten, bewunderten wir nur, da� er in diesem Kampf nicht schon
l�ngst aufgerieben sei.
Bald nach Tische kam der Abb� mit einem Wagen, da er uns den
entferntern Teil der Stadt zeigen sollte. Beim Einsteigen ereignete
sich ein wundersamer Rangstreit. Ich war zuerst eingestiegen und
h�tte ihm zur linken Hand gesessen, er, einsteigend, verlangte
ausdr�cklich, da� ich herumr�cken und ihn zu meiner Linken nehmen
sollte; ich bat ihn, dergleichen Zeremonien zu unterlassen.
"Verzeiht", sagte er, "da� wir also sitzen, denn wenn ich meinen Platz
zu Eurer Rechten nehme, so glaubt jedermann, da� ich mit Euch fahre,
sitze ich aber zur Linken, so ist es ausgesprochen, da� Ihr mit mir
fahrt, mit mir n�mlich, der ich Euch im Namen des F�rsten die Stadt
zeige." Dagegen war freilich nichts einzuwenden, und also geschah es.
Wir fuhren die Stra�en hinaufw�rts, wo die Lava, welche 1669 einen
gro�en Teil dieser Stadt zerst�rte, noch bis auf unsere Tage sichtbar
blieb. Der starre Feuerstrom ward bearbeitet wie ein anderer Fels,
selbst auf ihm waren Stra�en vorgezeichnet und teilweise gebaut. Ich
schlug ein unbezweifeltes St�ck des Geschmolzenen herunter, bedenkend,
da� vor meiner Abreise aus Deutschland schon der Streit �ber die
Vulkanit�t der Basalte sich entz�ndet hatte. Und so tat ich's an
mehrern Stellen, um zu mancherlei Ab�nderungen zu gelangen.
Als wir den Ritter um die Mittel befragten, wie man sich benehmen
m�sse, um den �tna zu besteigen, wollte er von einer Wagnis nach dem
Gipfel, besonders in der gegenw�rtigen Jahreszeit, gar nichts h�ren.
"�berhaupt", sagte er, nachdem er uns um Verzeihung gebeten, "die hier
ankommenden Fremden sehen die Sache f�r allzu leicht an; wir andern
Nachbarn des Berges sind schon zufrieden, wenn wir ein paarmal in
unserm Leben die beste Gelegenheit abgepa�t und den Gipfel erreicht
haben. Brydone, der zuerst durch seine Beschreibung die Lust nach
diesem Feuergipfel entz�ndet, ist gar nicht hinaufgekommen; Graf Borch
l��t den Leser in Ungewi�heit, aber auch er ist nur bis auf eine
gewisse H�he gelangt, und so k�nnte ich von mehrern sagen. F�r jetzt
erstreckt sich der Schnee noch allzuweit herunter und breitet
un�berwindliche Hindernisse entgegen. Wenn Sie meinem Rate folgen
m�gen, so reiten Sie morgen bei guter Zeit bis an den Fu� des Monte
Rosso, besteigen Sie diese H�he; Sie werden von da des herrlichsten
Anblicks genie�en und zugleich die alte Lava bemerken, welche dort,
1669 entsprungen, ungl�cklicherweise sich nach der Stadt hereinw�lzte.
Die Aussicht ist herrlich und deutlich; man tut besser, sich das
�brige erz�hlen zu lassen."
Folgsam dem guten Rate, machten wir ans zeitig auf den Weg und
erreichten, auf unsern Maultieren immer r�ckw�rts schauend, die Region
der durch die Zeit noch ungeb�ndigten Laven. Zackige Klumpen und
Tafeln starrten uns entgegen, durch welche nur ein zuf�lliger Pfad von
den Tieren gefunden wurde. Auf der ersten bedeutenden H�he hielten
wir still. Kniep zeichnete mit gro�er Pr�zision, was hinaufw�rts vor
uns lag: die Lavenmassen im Vordergrunde, den Doppelgipfel des Monte
Rosso links, gerade �ber uns die W�lder von Nicolosi, aus denen der
beschneite, wenig rauchende Gipfel hervorstieg. Wir r�ckten dem roten
Berge n�her, ich stieg hinauf: er ist ganz aus rotem vulkanischem Grus,
Asche und Steinen zusammengeh�uft. Um die M�ndung h�tte sich bequem
herumgehen lassen, h�tte nicht ein gewaltsam st�rmender Morgenwind
jeden Schritt unsicher gemacht; wollte ich nur einigerma�en fortkommen,
so mu�te ich den Mantel ablegen, nun aber war der Hut jeden
Augenblick in Gefahr, in den Krater getrieben zu werden und ich
hintendrein. Deshalb setzte ich mich nieder, um mich zu fassen und
die Gegend zu �berschauen; aber auch diese Lage half mir nichts: der
Sturm kam gerade von Osten her �ber das herrliche Land, das nah und
fern bis ans Meer unter mir lag. Den ausgedehnten Strand von Messina
bis Syrakus mit seinen Kr�mmungen und Buchten sah ich vor Augen,
entweder ganz frei oder durch Felsen des Ufers nur wenig bedeckt. Als
ich ganz bet�ubt wieder herunterkam, hatte Kniep im Schauer seine Zeit
gut angewendet und mit zarten Linien auf dem Papier gesichert, was der
wilde Sturm mich kaum sehen, viel weniger festhalten lie�.
In dem Rachen des Goldenen L�wen wieder angelangt, fanden wir den
Lohnbedienten, den wir nur mit M�he uns zu begleiten abgehalten hatten.
Er lobte, da� wir den Gipfel aufgegeben, schlug aber f�r morgen eine
Spazierfahrt auf dem Meere zu den Felsen von Jaci andringlich vor: das
sei die sch�nste Lustpartie, die man von Catania aus machen k�nne!
Man nehme Trank und Speise mit, auch wohl Ger�tschaften, um etwas zu
w�rmen. Seine Frau erbiete sich, dieses Gesch�ft zu �bernehmen.
Ferner erinnerte er sich des Jubels, wie Engl�nder wohl gar einen Kahn
mit Musik zur Begleitung genommen h�tten, welche Lust �ber alle
Vorstellung sei.
Die Felsen von Jaci zogen mich heftig an, ich hatte gro�es Verlangen,
mir so sch�ne Zeolithe herauszuschlagen, als ich bei Gioeni gesehen.
Man konnte ja die Sache kurz fassen, die Begleitung der Frau ablehnen.
Aber der warnende Geist des Engl�nders behielt die Oberhand, wir
taten auf die Zeolithe Verzicht und d�nkten uns nicht wenig wegen
dieser Enthaltsamkeit.
Unser geistlicher Begleiter blieb nicht aus. Er f�hrte uns, die Reste
alter Baukunst zu sehen, zu welchen der Beschauer freilich ein starkes
Restaurationstalent mitbringen mu�. Man zeigte die Reste von
Wasserbeh�ltern, einer Naumachie und andere dergleichen Ruinen, die
aber bei der vielfachen Zerst�rung der Stadt durch Laven, Erdbeben und
Krieg dergestalt versch�ttet und versenkt sind, da� Freude und
Belehrung nur dem genauesten Kenner altert�mlicher Baukunst daraus
entspringen kann.
Eine nochmalige Aufwartung beim Prinzen lehnte der Pater ab, und wir
schieden beiderseits mit lebhaften Ausdr�cken der Dankbarkeit und des
Wohlwollens.
Gott sei Dank, da� alles, was wir heute gesehen, schon genugsam
beschrieben ist, mehr aber noch, da� Kniep sich vorgenommen hat,
morgen den ganzen Tag oben zu zeichnen. Wenn man die H�he der
Felsenw�nde erstiegen hat, welche unfern des Meeresstrandes in die
H�he steilen, findet man zwei Gipfel durch ein Halbrund verbunden.
Was dies auch von Natur f�r eine Gestalt gehabt haben mag, die Kunst
hat nachgeholfen und daraus den amphitheatralischen Halbzirkel f�r
Zuschauer gebildet; Mauern und andere Angeb�ude von Ziegelsteinen,
sich anschlie�end, supplierten die n�tigen G�nge und Hallen. Am Fu�e
des stufenartigen Halbzirkels erbaute man die Szene quer vor, verband
dadurch die beiden Felsen und vollendete das ungeheuerste Natur--und
Kunstwerk.
Setzt man sich nun dahin, wo ehmals die obersten Zuschauer sa�en, so
mu� man gestehen, da� wohl nie ein Publikum im Theater solche
Gegenst�nde vor sich gehabt. Rechts zur Seite auf h�heren Felsen
erheben sich Kastelle, weiter unten liegt die Stadt, und obschon diese
Baulichkeiten aus neueren Zeiten sind, so standen doch vor alters wohl
eben dergleichen auf derselben Stelle. Nun sieht man an dem ganzen
langen Gebirgsr�cken des �tna hin, links das Meerufer bis nach Catania,
ja Syrakus; dann schlie�t der ungeheure, dampfende Feuerberg das
weite, breite Bild, aber nicht schrecklich, denn die mildernde
Atmosph�re zeigt ihn entfernter und sanfter, als er ist.
Wendet man sich von diesem Anblick in die an der R�ckseite der
Zuschauer angebrachten G�nge, so hat man die s�mtlichen Felsw�nde
links, zwischen denen und dem Meere sich der Weg nach Messina
hinschlingt. Felsgruppen und Felsr�cken im Meere selbst, die K�ste
von Kalabrien in der weitesten Ferne, nur mit Aufmerksamkeit von
gelind sich erhebenden Wolken zu unterscheiden.
Kniepen, mir vom Gl�ck zugef�hrt, kann ich nicht genug preisen, da er
mich einer B�rde entledigt, die mir unertr�glich w�re, und mich meiner
eigenen Natur wiedergibt. Er ist hinausgegangen, im einzelnen zu
zeichnen, was wir obenhin betrachtet. Er wird seine Bleistifte
manchmal spitzen, und ich sehe nicht, wie er fertig werden will. Das
h�tte ich nun auch alles wiedersehen k�nnen! Erst wollte ich mit
hinaufgehen, dann aber reizte mich's, hier zu bleiben, die Enge sucht'
ich wie der Vogel, der sein Nest bauen m�chte. In einem schlechten,
verwahrlosten Bauergarten habe ich mich auf Orangen�ste gesetzt und
mich in Grillen vertieft. Orangen�ste, worauf der Reisende sitzt,
klingt etwas wunderbar, wird aber ganz nat�rlich, wenn man wei�, da�
der Orangenbaum, seiner Natur �berlassen, sich bald �ber der Wurzel in
Zweige trennt, die mit der Zeit zu entschiedenen �sten werden.
Zu vergessen ist nicht, da� wir auf dieses sch�ne Ufer unter dem
reinsten Himmel von einem kleinen Altan herabschauten, Rosen
erblickten und Nachtigallen h�rten. Diese singen hier, wie man uns
versichert, sechs Monate hindurch.
War ich nun durch die Gegenwart und T�tigkeit eines geschickten
K�nstlers und durch eigne, obgleich nur einzelne und schw�chere
Bem�hungen gewi�, da� mir von den interessantesten Gegenden und ihren
Teilen feste, wohlgew�hlte Bilder, im Umri� und nach Belieben auch
ausgef�hrt, bleiben w�rden, so gab ich um so mehr einem nach und nach
auflebenden Drange nach: die gegenw�rtige herrliche Umgebung, das Meer,
die Inseln, die H�fen, durch poetische w�rdige Gestalten zu beleben
und mir auf und aus diesem Lokal eine Komposition zu bilden, in einem
Sinne und in einem Ton, wie ich sie noch nicht hervorgebracht. Die
Klarheit des Himmels, der Hauch des Meeres, die D�fte, wodurch die
Gebirge mit Himmel und Meer gleichsam in ein Element aufgel�st wurden,
alles dies gab Nahrung meinen Vors�tzen; und indem ich in jenem
sch�nen �ffentlichen Garten zwischen bl�henden Hecken von Oleander,
durch Lauben von fruchttragenden Orangen--und Zitronenb�umen wandelte
und zwischen andern B�umen und Str�uchen, die mir unbekannt waren,
verweilte, f�hlte ich den fremden Einflu� auf das allerangenehmste.
Ich hatte mir, �berzeugt, da� es f�r mich keinen bessern Kommentar zur
"Odyssee" geben k�nne als eben gerade diese lebendige Umgebung, ein
Exemplar verschafft und las es nach meiner Art mit unglaublichem
Anteil. Doch wurde ich gar bald zu eigner Produktion angeregt, die,
so seltsam sie auch im ersten Augenblicke schien, mir doch immer
lieber ward und mich endlich ganz besch�ftigte. Ich ergriff n�mlich
den Gedanken, den Gegenstand der Nausikaa als Trag�die zu behandeln.
Es ist mir selbst nicht m�glich, abzusehen, was ich daraus w�rde
gemacht haben, aber ich war �ber den Plan bald mit mir einig. Der
Hauptsinn war der: in der Nausikaa eine treffliche, von vielen
umworbene Jungfrau darzustellen, die, sich keiner Neigung bewu�t, alle
Freier bisher ablehnend behandelt, durch einen seltsamen Fremdling
aber ger�hrt, aus ihrem Zustand heraustritt und durch eine voreilige
�u�erung ihrer Neigung sich kompromittiert, was die Situation
vollkommen tragisch macht. Diese einfache Fabel sollte durch den
Reichtum der subordinierten Motive und besonders durch das Meer--und
Inselhafte der eigentlichen Ausf�hrung und des besondern Tons
erfreulich werden.
Der erste Akt begann mit dem Ballspiel. Die unerwartete Bekanntschaft
wird gemacht, und die Bedenklichkeit, den Fremden nicht selbst in die
Stadt zu f�hren, wird schon ein Vorbote der Neigung.
Der zweite Akt exponierte das Haus des Alcinous, die Charaktere der
Freier, und endigte mit Eintritt des Ulysses.
Der dritte war ganz der Bedeutsamkeit des Abenteurers gewidmet, und
ich hoffte, in der dialogierten Erz�hlung seiner Abenteuer, die von
den verschiedenen Zuh�rern sehr verschieden aufgenommen werden, etwas
K�nstliches und Erfreuliches zu leisten. W�hrend der Erz�hlung
erh�hen sich die Leidenschaften, und der lebhafte Anteil Nausikaas an
dem Fremdling wird durch Wirkung und Gegenwirkung endlich
hervorgeschlagen.
Man hat hohe Kalkfelsen links. Sie werden farbiger und machen sch�ne
Meerbusen; dann folgt eine Art Gestein, das man Tonschiefer oder
Grauwacke nennen m�chte. In den B�chen finden sich schon
Granitgeschiebe. Die gelben �pfel des Solanum, die roten Bl�ten des
Oleanders machen die Landschaft lustig. Der Fiume Nisi bringt
Glimmerschiefer sowie auch die folgenden B�che.
Vom Ostwinde best�rmt, ritten wir zwischen dem rechter Hand wogenden
Meere und den Felsw�nden hin, an denen wir vorgestern oben herab
gesehen hatten, diesen Tag best�ndig mit dem Wasser im Kampfe; wir
kamen �ber unz�hlige B�che, unter welchen ein gr��erer, Nisi, den
Ehrentitel eines Flusses f�hrt; doch diese Gew�sser sowie das Ger�lle,
das sie mitbringen, waren leichter zu �berwinden als das Meer, das
heftig st�rmte und an vielen Stellen �ber den Weg hinweg bis an die
Felsen schlug und zur�ck auf die Wanderer spritzte. Herrlich war das
anzusehen, und die seltsame Begebenheit lie� uns das Unbequeme
�bertragen.
Und so gelangten wir nach Messina, bequemten uns, weil wir keine
Gelegenheit kannten, die erste Nacht in dem Quartier des Vetturins
zuzubringen, um uns den andern Morgen nach einem bessern Wohnort
umzusehen. Dieser Entschlu� gab gleich beim Eintritt den
f�rchterlichsten Begriff einer zerst�rten Stadt; denn wir ritten eine
Viertelstunde lang an Tr�mmern nach Tr�mmern vorbei, ehe wir zur
Herberge kamen, die, in diesem ganzen Revier allein wieder aufgebaut,
aus den Fenstern des obern Stocks nur eine zackige Ruinenw�ste
�bersehen lie�. Au�er dem Bezirk dieses Geh�ftes sp�rte man weder
Mensch noch Tier, es war nachts eine furchtbare Stille. Die T�ren
lie�en sich weder verschlie�en noch verriegeln, auf menschliche G�ste
war man hier so wenig eingerichtet als in �hnlichen Pferdewohnungen,
und doch schliefen wir ruhig auf einer Matratze, welche der
dienstfertige Vetturin dem Wirte unter dem Leibe weggeschwatzt hatte.
Heute trennten wir uns von dem wackern F�hrer, ein gutes Trinkgeld
belohnte seine sorgf�ltigen Dienste. Wir schieden freundlich, nachdem
er uns vorher noch einen Lohnbedienten verschafft, der uns gleich in
die beste Herberge bringen und alles Merkw�rdige von Messina vorzeigen
sollte. Der Wirt, um seinen Wunsch, uns loszuwerden, schleunigst
erf�llt zu sehen, half Koffer und s�mtliches Gep�ck auf das schnellste
in eine angenehme Wohnung schaffen, n�her dem belebten Teile der Stadt,
das hei�t, au�erhalb der Stadt selbst. Damit aber verh�lt es sich
folgenderma�en. Nach dem ungeheuren Ungl�ck, das Messina betraf,
blieb nach zw�lftausend umgekommenen Einwohnern f�r die �brigen
drei�igtausend keine Wohnung: die meisten Geb�ude waren niedergest�rzt,
die zerrissenen Mauern der �brigen gaben einen unsichern Aufenthalt;
man errichtete daher eiligst im Norden von Messina auf einer gro�en
Wiese eine Bretterstadt, von der sich am schnellsten derjenige einen
Begriff macht, der zu Me�zeiten den R�merberg zu Frankfurt, den Markt
zu Leipzig durchwanderte, denn alle Kraml�den und Werkst�tte sind
gegen die Stra�e ge�ffnet, vieles ereignet sich au�erhalb. Daher sind
nur wenig gr��ere Geb�ude, auch nicht sonderlich gegen das �ffentliche
verschlossen, indem die Bewohner manche Zeit unter freiem Himmel
zubringen. So wohnen sie nun schon drei Jahre, und diese Buden-,
H�tten-, ja Zeltwirtschaft hat auf den Charakter der Einwohner
entschiedenen Einflu�. Das Entsetzen �ber jenes ungeheure Ereignis,
die Furcht vor einem �hnlichen treibt sie, der Freuden des Augenblicks
mit gutm�tigem Frohsinn zu genie�en. Die Sorge vor neuem Unheil ward
am einundzwanzigsten April, also ungef�hr vor zwanzig Tagen, erneuert,
ein merklicher Erdsto� ersch�tterte den Boden abermals. Man zeigte
uns eine kleine Kirche, wo eine Masse Menschen, gerade in dem
Augenblick zusammengedr�ngt, diese Ersch�tterung empfanden. Einige
Personen, die darin gewesen, schienen sich von ihrem Schrecken noch
nicht erholt zu haben.
Eben hatten wir unserm g�tigen F�hrer den Wunsch zu erkennen gegeben,
eine der gr��ern, obgleich auch nur einst�ckigen H�tten inwendig, ihre
Einrichtung und extemporierte Haushaltung zu sehen, als ein
freundlicher Mann sich an uns anschlo�, der sich bald als
franz�sischer Sprachmeister bezeichnete, welchem der Konsul nach
vollbrachtem Spaziergange unsern Wunsch, solch ein Geb�ude zu sehen,
er�ffnete, mit dem Ersuchen, uns bei sich einzuf�hren und mit den
Seinigen bekannt zu machen.
Wir traten in die mit Brettern beschlagene und gedeckte H�tte. Der
Eindruck war v�llig wie der jener Me�buden, wo man wilde Tiere oder
sonstige Abenteuer f�r Geld sehen l��t: das Zimmerwerk an den W�nden
wie am Dache sichtbar, ein gr�ner Vorhang sonderte den vordern Raum,
der, nicht gedielt, tennenartig geschlagen schien. St�hle und Tische
befanden sich da, nichts weiter von Hausger�te. Erleuchtet war der
Platz von oben durch zuf�llige �ffnungen der Bretter. Wir
diskutierten eine Zeitlang, und ich betrachtete mir die gr�ne H�lle
und das dar�ber sichtbare innere Dachgeb�lke, als auf einmal h�ben und
dr�ben des Vorhangs ein paar allerliebste M�dchenk�pfchen neugierig
herausguckten, schwarz�ugig, schwarzlockig, die aber, sobald sie sich
bemerkt sahen, wie der Blitz verschwanden, auf Ansuchen des Konsuls
jedoch nach so viel verflossener Zeit, als n�tig war, sich anzuziehen,
auf wohlgeputzten und niedlichen K�rperchen wieder hervortraten und
sich mit ihren bunten Kleidern gar zierlich vor dem gr�nen Teppich
ausnahmen. Aus ihren Fragen konnten wir wohl merken, da� sie uns f�r
fabelhafte Wesen aus einer andern Welt hielten, in welchem
liebensw�rdigen Irrtum sie unsere Antworten nur mehr best�rken mu�ten.
Auf eine heitere Weise malte der Konsul unsere m�rchenhafte
Erscheinung aus; die Unterhaltung war sehr angenehm, schwer, sich zu
trennen. Vor der T�r erst fiel uns auf, da� wir die innern R�ume
nicht gesehen und die Hauskonstruktion �ber die Bewohnerinnen
vergessen hatten.
Der Konsul unter andern sagte, da� es, wo nicht unumg�nglich n�tig,
doch wohlgetan sei, dem Gouverneur aufzuwarten, der, ein wunderlicher
alter Mann, nach Laune und Vorurteil ebensogut schaden als nutzen
k�nne; dem Konsul werde es zu Gunsten gerechnet, wenn er bedeutende
Fremde vorstelle, auch wisse der Ank�mmling nie, ob er dieses Mannes
auf eine oder andere Weise bed�rfe. Dem Freunde zu Gefallen ging ich
mit.
Ins Vorzimmer tretend, h�rten wir drinne ganz entsetzlichen L�rm, ein
Laufer mit Pulcinellgeb�rden raunte dem Konsul ins Ohr: "B�ser Tag!
gef�hrliche Stunde!" Doch traten wir hinein und fanden den uralten
Gouverneur, uns den R�cken zugewandt, zun�chst des Fensters an einem
Tische sitzen. Gro�e Haufen vergelbter alter Briefschaften lagen vor
ihm, von denen er die unbeschriebenen Bl�tter mit gr��ter Gelassenheit
abschnitt und seinen haush�ltischen Charakter dadurch zu erkennen gab.
W�hrend dieser friedlichen Besch�ftigung schalt und fluchte er
f�rchterlich auf einen anst�ndigen Mann los, der seiner Kleidung nach
mit Malta verwandt sein konnte und sich mit vieler Gem�tsruhe und
Pr�zision verteidigte, wozu ihm jedoch wenig Raum blieb. Der
Gescholtene und Angeschriene suchte mit Fassung einen Verdacht
abzulehnen, den der Gouverneur, so schien es, auf ihn als einen ohne
Befugnis mehrmals An--und Abreisenden mochte geworfen haben, der Mann
berief sich auf seine P�sse und bekannten Verh�ltnisse in Neapel.
Dies aber half alles nichts, der Gouverneur zerschnitt seine alten
Briefschaften, sonderte das wei�e Papier sorgf�ltig und tobte
fortw�hrend.
Au�er uns beiden standen noch etwa zw�lf Personen in einem weiten
Kreise, dieses Tiergefechtes Zeugen, uns wahrscheinlich den Platz an
der T�re beneidend, als gute Gelegenheit, wenn der Erz�rnte allenfalls
den Kr�ckenstock erheben und dreinschlagen sollte. Die Gesichtsz�ge
des Konsuls hatten sich bei dieser Szene merklich verl�ngert; mich
tr�stete des Laufers possenhafte N�he, der drau�en vor der Schwelle
hinter mir allerlei Faxen schnitt, mich, wenn ich manchmal umblickte,
zu beruhigen, als habe das so viel nicht zu bedeuten.
Auch entwirrte sich der gr��liche Handel noch ganz gelinde, der
Gouverneur schlo� damit, es halte ihn zwar nichts ab, den Betretenen
einzustecken und in Verwahrung zappeln zu lassen, allein es m�ge
diesmal hingehen, er solle die paar bestimmten Tage in Messina bleiben,
alsdann aber sich fortpacken und niemals wiederkehren. Ganz ruhig,
ohne die Miene zu ver�ndern, beurlaubte sich der Mann, gr��te
anst�ndig die Versammlung und uns besonders, die er durchschneiden
mu�te, um zur T�re zu gelangen. Als der Gouverneur, ihm noch etwas
nachzuschelten, sich ingrimmig umkehrte, erblickte er uns, fa�te sich
sogleich, winkte dem Konsul, und wir traten an ihn heran.
Ein Mann von sehr hohem Alter, geb�ckten Hauptes, unter grauen,
struppigen Augenbrauen schwarze, tiefliegende Blicke hervorsendend;
nun ein ganz anderer als kurz zuvor. Er hie� mich zu sich sitzen,
fragte, in seinem Gesch�ft ununterbrochen fortfahrend, nach mancherlei,
wor�ber ich ihm Bescheid gab, zuletzt f�gte er hinzu, ich sei, so
lange ich hier bliebe, zu seiner Tafel geladen. Der Konsul, zufrieden
wie ich, ja noch zufriedener, weil er die Gefahr, der wir entronnen,
besser kannte, flog die Treppe hinunter, und mir war alle Lust
vergangen, dieser L�wenh�hle je wieder nah zu treten.
An diesem seltsamen Ph�nomen ist Ursache, da� nach der von Reichen
begonnenen architektonischen Prachtanlage weniger beg�terte Nachbarn,
mit dem Scheine wetteifernd, ihre alten, aus gr��ern und kleinern
Flu�geschieben und vielem Kalk zusammengekneteten H�user hinter neuen,
aus Quaderst�cken aufgef�hrten Vorderseiten versteckten. Jenes an
sich schon unsichere Gef�ge mu�te, von der ungeheuern Ersch�tterung
aufgel�st und zerbr�ckelt, zusammenst�rzen; wie man denn unter manchen
bei so gro�em Ungl�ck vorgekommenen wunderbaren Rettungen auch
folgendes erz�hlt: der Bewohner eines solchen Geb�udes sei im
furchtbaren Augenblick gerade in die Mauervertiefung eines Fensters
getreten, das Haus aber hinter ihm v�llig zusammengest�rzt; und so
habe er, in der H�he gerettet, den Augenblick seiner Befreiung aus
diesem luftigen Kerker beruhigt abgewartet. Da� jene aus Mangel naher
Bruchsteine so schlechte Bauart haupts�chlich schuld an dem v�lligen
Ruin der Stadt gewesen, zeigt die Beharrlichkeit solider Geb�ude. Der
Jesuiten Kollegium und Kirche, von t�chtigen Quadern aufgef�hrt,
stehen noch unverletzt in ihrer anf�nglichen T�chtigkeit. Dem sei
aber, wie ihm wolle, Messinas Anblick ist �u�erst verdrie�lich und
erinnert an die Urzeiten, wo Sikaner und Sikuler diesen unruhigen
Erdboden verlie�en und die westliche K�ste Siziliens bebauten.
Und so brachten wir unsern Morgen zu, gingen dann, im Gasthof ein
frugales Mahl zu verzehren. Wir sa�en noch ganz vergn�gt beisammen,
als der Bediente des Konsuls atemlos hereinsprang und mir verk�ndigte,
der Gouverneur lasse mich in der ganzen Stadt suchen; er habe mich zur
Tafel geladen, und nun bleibe ich aus. Der Konsul lasse mich aufs
anst�ndigste bitten, auf der Stelle hinzugeben, ich m�chte gespeist
haben oder nicht, m�chte aus Vergessenheit oder aus Vorsatz die Stunde
vers�umt haben. Nun f�hlte ich erst den unglaublichen Leichtsinn,
womit ich die Einladung des Zyklopen aus dem Sinne geschlagen, froh,
da� ich das erste Mal entwischt. Der Bediente lie� mich nicht zaudern,
seine Vorstellungen waren die dringendsten und triftigsten: der
Konsul riskiere, hie� es, da� jener w�tende Despot ihn und die ganze
Nation auf den Kopf stelle.
Indessen ich nun Haare und Kleider zurechte putzte, fa�te ich mir ein
Herz und folgte mit heiterm Sinne meinem F�hrer, Odysseus, den Patron,
anrufend und mir seine Vorsprache bei Pallas Athene erbittend.
In der H�hle des L�wen angelangt, ward ich vom lustigen Laufer in
einen gro�en Speisesaal gef�hrt, wo etwa vierzig Personen, ohne da�
man einen Laut vernommen h�tte, an einer l�nglichrunden Tafel sa�en.
Der Platz zur Rechten des Gouverneurs war offen, wohin mich der Laufer
geleitete.
Nachdem ich den Hausherrn und die G�ste mit einer Verbeugung gegr��t,
setzte ich mich neben ihn, entschuldigte mein Au�enbleiben mit der
Weitl�uftigkeit der Stadt und dem Irrtum, in welchen mich die
ungew�hnliche Stundenzahl schon mehrmals gef�hrt. Er versetzte mit
gl�hendem Blick, man habe sich in fremden Landen nach den jedesmaligen
Gewohnheiten zu erkundigen und zu richten. Ich erwiderte, dies sei
jederzeit mein Bestreben, nur h�tte ich gefunden, da� bei den besten
Vors�tzen man gew�hnlich die ersten Tage, wo uns ein Ort noch neu und
die Verh�ltnisse unbekannt seien, in gewisse Fehler verfalle, welche
unverzeihlich scheinen m��ten, wenn man nicht die Erm�dung der Reise,
die Zerstreuung durch Gegenst�nde, die Sorge f�r ein leidliches
Unterkommen, ja sogar f�r eine weitere Reise als Gr�nde der
Entschuldigung m�chte gelten lassen.
Der Gouverneur entfernte sich, und nach einiger Zeit sagte mir der
Geistliche, es sei nun an der Stunde, zu gehen. Ich folgte ihm, die
�brige Gesellschaft hatte sich stille, stille verloren. Er f�hrte
mich an das Portal der Jesuitenkirche, das nach der bekannten
Architektur dieser V�ter prunkhaft und wirklich imposant in die Luft
steht. Ein Schlie�er kam uns schon entgegen und lud zum Eintritt, der
Geistliche hingegen hielt mich zur�ck mit der Weisung, da� wir zuvor
auf den Gouverneur zu warten h�tten. Dieser fuhr auch bald heran,
hielt auf dem Platze unfern der Kirche und winkte, worauf wir drei
ganz nah an seinem Kutschenschlag uns vereinigten. Er gebot dem
Schlie�er, da� er mir nicht allein die Kirche in allen ihren Teilen
zeigen, sondern auch die Geschichte der Alt�re und anderer Stiftungen
umst�ndlich erz�hlen solle; ferner habe er auch die Sakristeien
aufzuschlie�en und mich auf alles das darin enthaltene Merkw�rdige
aufmerksam zu machen. Ich sei ein Mann, den er ehren wolle, der alle
Ursache haben solle, in seinem Vaterlande r�hmlich von Messina zu
sprechen. "Vers�umen Sie nicht", sagte er darauf, zu mir gewandt, mit
einem L�cheln, insofern seine Z�ge dessen f�hig waren, "vers�umen Sie
nicht, so lange Sie hier sind, zur rechten Stunde an Tafel zu kommen,
Sie sollen immer wohl empfangen sein." Ich hatte kaum Zeit, ihm
hierauf verehrlich zu erwidern. Der Wagen bewegte sich fort.
Von diesem Augenblick an ward auch der Geistliche heiterer, wir traten
in die Kirche. Der Kastellan, wie man ihn wohl in diesem
entgottesdiensteten Zauberpalaste nennen d�rfte, schickte sich an, die
ihm scharf empfohlene Pflicht zu erf�llen, als der Konsul und Kniep in
das leere Heiligtum hereinst�rzten, mich umarmten und eine
leidenschaftliche Freude ausdr�ckten, mich, den sie schon in Gewahrsam
geglaubt, wiederzusehen. Sie hatten in H�llenangst gesessen, bis der
gewandte Laufer, wahrscheinlich vom Konsul gut pensioniert, einen
gl�cklichen Ausgang des Abenteuers unter hundert Possen erz�hlte,
worauf denn ein erheiternder Frohsinn sich �ber die beiden ergo�, die
mich sogleich aufsuchten, als die Aufmerksamkeit des Gouverneurs wegen
der Kirche ihnen bekannt geworden.
Nun war es aber eine wunderbare kontrapunktische Fuge, wenn Kniep und
der Konsul die Verlegenheit des Abenteuers, der Vorzeiger dagegen die
Kostbarkeiten der noch wohl erhaltenen Pracht verschr�nkt vortrugen,
beide von ihrem Gegenstand durchdrungen; wobei ich denn das doppelte
Vergn�gen hatte, den Wert meines gl�cklichen Entkommens zu f�hlen und
zugleich die sizilianischen Gebirgsprodukte, um die ich mir schon
manche M�he gegeben, architektonisch angewendet zu sehen.
Der Konsul hatte indessen nicht aufgeh�rt, mich �ber mein bedrohliches
Schicksal aufzukl�ren. Der Gouverneur n�mlich, mit sich selbst
unzufrieden, da� ich von seinem gewaltsamen Betragen gegen den
Quasi-Malteser gleich beim ersten Eintritt Zeuge gewesen, habe sich
vorgenommen, mich besonders zu ehren, und sich dar�ber einen Plan
festgesetzt, dieser habe durch mein Au�enbleiben gleich zu Anfang der
Ausf�hrung einen Strich erlitten. Nach langem Warten sich endlich zur
Tafel setzend, habe der Despot sein ungeduldiges Mi�vergn�gen nicht
verbergen k�nnen, und die Gesellschaft sei in Furcht gestanden,
entweder bei meinem Kommen oder nach aufgehobener Tafel eine Szene zu
erleben.
Indessen suchte der K�ster immer wieder das Wort zu erhaschen, �ffnete
die geheimen R�ume, nach sch�nen Verh�ltnissen gebaut, anst�ndig, ja
pr�chtig verziert, auch war darin noch manches bewegliche
Kirchenger�te �briggeblieben, dem Ganzen gem�� geformt und geputzt.
Von edeln Metallen sah ich nichts, so wenig als von �ltern und neuern
echten Kunstwerken.
�berzeugen wollt' ich ihn nicht, denn ich durfte ja nicht sagen, was
eigentlich mein Grund war. Merkw�rdig genug aber schien mir's, wie
sch�n und unschuldig die wohldenkenden M�nner unter einem despotischen
Regiment sich zu eignem und zu der Fremdlinge Schutz verb�ndet hatten.
Ich verhehlte ihm nicht, da� ich ihre Verh�ltnisse zu andern
deutschen Reisenden recht wohl kenne, verbreitete mich �ber die
l�blichen Zwecke, die erreicht werden sollten, und setzte ihn immer
mehr in Erstaunen �ber meine vertrauliche Hartn�ckigkeit. Er
versuchte alles m�gliche, mich aus meinem Inkognito hervorzuziehen,
welches ihm nicht gelang, teils weil ich, einer Gefahr entronnen, mich
nicht zwecklos in eine andere begeben konnte, teils weil ich gar wohl
bemerkte, die Ansichten dieser wackern Insulaner seien von den
meinigen so sehr verschieden, da� ihnen mein n�herer Umgang weder
Freude noch Trost bringen k�nne.
Dagegen wurden abends mit dem teilnehmenden und t�tigen Konsul noch
einige Stunden verbracht, der denn auch die Szene mit dem Malteser
aufkl�rte. Es sei dieser zwar kein eigentlicher Abenteurer, aber ein
unruhiger Ortswechsler. Der Gouverneur, aus einer gro�en Familie,
wegen Ernst und T�chtigkeit verehrt, wegen bedeutender Dienste
gesch�tzt, stehe doch im Rufe unbegrenzten Eigenwillens, zaumloser
Heftigkeit und ehernen Starrsinns. Argw�hnisch als Greis und Despot,
mehr besorgt als �berzeugt, da� er Feinde bei Hofe habe, hasse er
solche hin und wider ziehende Figuren, die er durchaus f�r Spione
halte. Diesmal sei ihm der Rotrock in die Quer gekommen, da er nach
einer ziemlichen Pause sich wieder einmal im Zorn habe ergehen m�ssen,
um die Leber zu befreien.
Messina und auf der See, Montag, den 13. Mai 1787.
So geschah denn auch dieser Aufruf gegen Mittag, wir eilten an Bord
und fanden unter der am Ufer versammelten Menge auch unsern guten
Konsul, von dem wir dankbar Abschied nahmen. Der gelbe Laufer dr�ngte
sich auch herbei, seine Erg�tzlichkeiten abzuholen. Dieser ward nun
belohnt und beauftragt, seinem Herrn unsere Abreise zu melden und mein
Au�enbleiben von Tafel zu entschuldigen.--"Wer absegelt, ist
entschuldigt!" rief er aus; sodann mit einem seltsamen Sprung sich
umkehrend, war er verschwunden.
Im Schiffe selbst sah es nun anders aus als auf der neapolitanischen
Korvette; doch besch�ftigte uns bei allm�hlicher Entfernung vom Ufer
die herrliche Ansicht des Palastzirkels, der Zitadelle, der hinter der
Stadt aufsteigenden Berge. Kalabrien an der andern Seite. Nun der
freie Blick in die Meerenge nord--und s�dw�rts, bei einer ausgedehnten,
an beiden Seiten sch�n beuferten Breite. Als wir dieses nach und
nach anstaunten, lie� man uns links in ziemlicher Ferne einige
Bewegung im Wasser, rechts aber etwas n�her einen vom Ufer sich
auszeichnenden Felsen bemerken, jene als Charybdis, diesen als Scylla.
Man hat sich bei Gelegenheit beider in der Natur so weit auseinander
stehenden, von dem Dichter so nah zusammenger�ckten Merkw�rdigkeiten
�ber die Fabelei der Poeten beschwert und nicht bedacht, da� die
Einbildungskraft aller Menschen durchaus Gegenst�nde, wenn sie sich
solche bedeutend vorstellen will, h�her als breit imaginiert und
dadurch dem Bilde mehr Charakter, Ernst und W�rde verschafft.
Tausendmal habe ich klagen h�ren, da� ein durch Erz�hlung gekannter
Gegenstand in der Gegenwart nicht mehr befriedige; die Ursache hievon
ist immer dieselbe: Einbildung und Gegenwart verhalten sich wie Poesie
und Prosa, jene wird die Gegenst�nde m�chtig und steil denken, diese
sich immer in die Fl�che verbreiten. Landschaftsmaler des sechzehnten
Jahrhunderts, gegen die unsrigen gehalten, geben das auffallendste
Beispiel. Eine Zeichnung von Jodocus Momper neben einem Kniepschen
Kontur w�rde den ganzen Kontrast sichtbar machen.
Und wirklich ist zwischen Himmel und Meer dieser wei�e Zipfel als
entscheidender Talisman merkw�rdig genug. Wie sich Abfahrende und
Zur�ckbleibende noch mit geschwungenen wei�en Taschent�chern begr��en
und dadurch wechselseitig ein sonst nie zu empfindendes Gef�hl der
scheidenden Freundschaft und Neigung erregen, so ist hier in dieser
einfachen Fahne der Ursprung geheiligt; eben als wenn einer sein
Taschentuch an eine Stange befestigte, um der ganzen Welt anzuk�ndigen,
es komme ein Freund �ber Meer.
Mit Wein und Brot von Zeit zu Zeit erquickt zum Verdru� des Hauptmanns,
welcher verlangte, da� ich essen sollte, was ich bezahlt hatte,
konnte ich doch auf dem Verdeck sitzen und an mancher Unterhaltung
teilnehmen. Kniep wu�te mich zu erheitern, indem er nicht wie auf der
Korvette, �ber die vortreffliche Kost triumphierend, meinen Neid zu
erregen suchte, mich vielmehr diesmal gl�cklich pries, da� ich keinen
Appetit habe.
Und so war der Nachmittag vorbeigegangen, ohne da� wir unsern W�nschen
gem�� in den Golf von Neapel eingefahren w�ren. Wir wurden vielmehr
immer westw�rts getrieben, und das Schiff, indem es sich der Insel
Capri n�herte, entfernte sich immer mehr von dem Kap Minerva.
Jedermann war verdrie�lich und ungeduldig, wir beiden aber, die wir
die Welt mit malerischen Augen betrachteten, konnten damit sehr
zufrieden sein; denn bei Sonnenuntergang genossen wir des herrlichsten
Anblicks, den uns die ganze Reise gew�hrt hatte. In dem gl�nzendsten
Farbenschmuck lag Kap Minerva mit den daransto�enden Gebirgen vor
unsern Augen, indes die Felsen, die sich s�dw�rts hinabziehen, schon
einen blaulichen Ton angenommen hatten. Vom Kap an zog sich die ganze
erleuchtete K�ste bis Sorrent hin. Der Vesuv war uns sichtbar, eine
ungeheure Dampfwolke �ber ihm aufget�rmt, von der sich ostw�rts ein
langer Streif weit hinzog, so da� wir den st�rksten Ausbruch vermuten
konnten. Links lag Capri, steil in die H�he strebend; die Formen
seiner Felsw�nde konnten wir durch den durchsichtigen bl�ulichen Dunst
vollkommen unterscheiden. Unter einem ganz reinen, wolkenlosen Himmel
gl�nzte das ruhige, kaum bewegte Meer, das bei einer v�lligen
Windstille endlich wie ein klarer Teich vor uns lag. Wir entz�ckten
uns an dem Anblick, Kniep trauerte, da� alle Farbenkunst nicht
hinreiche, diese Harmonie wiederzugeben, so wie der feinste englische
Bleistift die ge�bteste Hand nicht in den Stand setze, diese Linien
nachzuziehen. Ich dagegen, �berzeugt, da� ein weit geringeres
Andenken, als dieser geschickte K�nstler zu erhalten vermochte, in der
Zukunft h�chst w�nschenswert sein w�rde, ich ermunterte ihn, Hand und
Auge zum letztenmal anzustrengen; er lie� sich bereden und lieferte
eine der genausten Zeichnungen, die er nachher kolorierte und ein
Beispiel zur�cklie�, da� bildlicher Darstellung das Unm�gliche m�glich
wird. Den �bergang vorn Abend zur Nacht verfolgten wir mit ebenso
begierigen Augen. Capri lag nun ganz finster vor uns, und zu unserm
Erstaunen entz�ndete sich die vesuvische Wolke sowie auch der
Wolkenstreif, je l�nger, je mehr, und wir sahen zuletzt einen
ansehnlichen Strich der Atmosph�re im Grunde unseres Bildes erleuchtet,
ja, wetterleuchten.
Aufmerksam durch diese Reden, betrachteten wir nun unser Schicksal mit
Grauen; denn obgleich die Nacht die zunehmende Gefahr nicht
unterscheiden lie�, so bemerkten wir doch, da� das Schiff, schwankend
und schwippend, sich den Felsen n�herte, die immer finsterer vor uns
standen, w�hrend �ber das Meer hin noch ein leichter Abendschimmer
verbreitet lag. Nicht die geringste Bewegung war in der Luft zu
bemerken: Schnupft�cher und leichte B�nder wurden von jedem in die
H�he und ins Freie gehalten, aber keine Andeutung eines erw�nschten
Hauches zeigte sich. Die Menge ward immer lauter und wilder. Nicht
etwa betend knieten die Weiber mit ihren Kindern auf dem Verdeck,
sondern weil der Raum zu eng war, sich darauf zu bewegen, lagen sie
gedr�ngt aneinander. Sie noch mehr als die M�nner, welche besonnen
auf H�lfe und Rettung dachten, schalten und tobten gegen den Kapit�n.
Nun ward ihm alles vorgeworfen, was man auf der ganzen Reise
schweigend zu erinnern gehabt: f�r teures Geld einen schlechten
Schiffsraum, geringe Kost, ein zwar nicht unfreundliches, aber doch
stummes Betragen. Er hatte niemand von seinen Handlungen Rechenschaft
gegeben, ja, selbst noch den letzten Abend ein hartn�ckiges
Stillschweigen �ber seine Manoeuvres beobachtet. Nun hie� er und der
Steuermann hergelaufene Kr�mer, die ohne Kenntnis der Schiffskunst
sich aus blo�em Eigennutz den Besitz eines Fahrzeuges zu verschaffen
gewu�t und nun durch Unf�higkeit und Ungeschicklichkeit alle, die
ihnen anvertraut, zugrunde richteten. Der Hauptmann schwieg und
schien immer noch auf Rettung zu sinnen; mir aber, dem von Jugend auf
Anarchie verdrie�licher gewesen als der Tod selbst, war es unm�glich,
l�nger zu schweigen. Ich trat vor sie hin und redete ihnen zu, mit
ungef�hr ebensoviel Gem�tsruhe als den V�geln von Malcesine. Ich
stellte ihnen vor, da� gerade in diesem Augenblick ihr L�rmen und
Schreien denen, von welchen noch allein Rettung zu hoffen sei, Ohr und
Kopf verwirrten, so da� sie weder denken noch sich untereinander
verst�ndigen k�nnten. "Was euch betrifft", rief ich aus, "kehrt in
euch selbst zur�ck und dann wendet euer br�nstiges Gebet zur Mutter
Gottes, auf die es ganz allein ankommt, ob sie sich bei ihrem Sohne
verwenden mag, da� er f�r euch tue, was er damals f�r seine Apostel
getan, als auf dem st�rmenden See Tiberias die Wellen schon in das
Schiff schlugen, der Herr aber schlief, der jedoch, als ihn die
Trost--und H�lflosen aufweckten, sogleich dem Winde zu ruhen gebot,
wie er jetzt der Luft gebieten kann, sich zu regen, wenn es anders
sein heiliger Wille ist."
Diese Worte taten die beste Wirkung. Eine unter den Frauen, mit der
ich mich schon fr�her �ber sittliche und geistliche Gegenst�nde
unterhalten hatte, rief aus: "Ah! il Barlam�! benedetto il Barlam�!"
und wirklich fingen sie, da sie ohnehin schon auf den Knieen lagen,
ihre Litaneien mit mehr als herk�mmlicher Inbrunst leidenschaftlich zu
beten an. Sie konnten dies mit desto gr��erer Beruhigung tun, als die
Schiffsleute noch ein Rettungsmittel versuchten, das wenigstens in die
Augen fallend war: sie lie�en das Boot hinunter, das freilich nur
sechs bis acht M�nner fassen konnte, befestigten es durch ein langes
Seil an das Schiff, welches die Matrosen durch Ruderschl�ge nach sich
zu ziehen kr�ftig bem�ht waren. Auch glaubte man einen Augenblick,
da� sie es innerhalb der Str�mung bewegten, und hoffte es bald aus
derselben herausgerettet zu sehen. Ob aber gerade diese Bem�hungen
die Gegengewalt der Str�mung vermehrt, oder wie es damit beschaffen
sein mochte, so ward mit einmal an dem langen Seile das Boot und seine
Mannschaft im Bogen r�ckw�rts nach dem Schiffe geschleudert, wie die
Schmitze einer Peitsche, wenn der Fuhrmann einen Zug tut. Auch diese
Hoffnung ward aufgegeben!--Gebet und Klagen wechselten ab, und der
Zustand wuchs um so schauerlicher, da nun oben auf den Felsen die
Ziegenhirten, deren Feuer man schon l�ngst gesehen hatte, hohl
aufschrien, da unten strande das Schiff! Sie riefen einander noch
viel unverst�ndliche T�ne zu, in welchen einige, mit der Sprache
bekannt, zu vernehmen glaubten, als freuten sie sich auf manche Beute,
die sie am andern Morgen aufzufischen ged�chten. Sogar der tr�stliche
Zweifel, ob denn auch wirklich das Schiff dem Felsen sich so drohend
n�here, war leider nur zu bald gehoben, indem die Mannschaft zu gro�en
Stangen griff, um das Fahrzeug, wenn es zum �u�ersten k�me, damit von
den Felsen abzuhalten, bis denn endlich auch diese br�chen und alles
verloren sei. Immer st�rker schwankte das Schiff, die Brandung schien
sich zu vermehren, und meine durch alles dieses wiederkehrende
Seekrankheit dr�ngte mir den Entschlu� auf, hinunter in die Kaj�te zu
steigen. Ich legte mich halb bet�ubt auf meine Matratze, doch aber
mit einer gewissen angenehmen Empfindung, die sich vom See Tiberias
herzuschreiben schien; denn ganz deutlich schwebte mir das Bild aus
Merians Kupferbibel vor Augen. Und so bew�hrt sich die Kraft aller
sinnlich-sittlichen Eindr�cke jedesmal am st�rksten, wenn der Mensch
ganz auf sich selbst zur�ckgewiesen ist. Wie lange ich so in halbem
Schlafe gelegen, w��te ich nicht zu sagen, aufgeweckt aber ward ich
durch ein gewaltsames Get�se �ber mir; ich konnte deutlich vernehmen,
da� es die gro�en Seile waren, die man auf dem Verdeck hin und wider
schleppte, dies gab mir Hoffnung, da� man von den Segeln Gebrauch
mache. Nach einer kleinen Weile sprang Kniep herunter und k�ndigte
mir an, da� man gerettet sei, der gelindeste Windshauch habe sich
erhoben; in dem Augenblick sei man bem�ht gewesen, die Segel
aufzuziehen, er selbst habe nicht vers�umt, Hand anzulegen. Man
entferne sich schon sichtbar vom Felsen, und obgleich noch nicht
v�llig au�er der Str�mung, hoffe man nun doch, sie zu �berwinden.
Oben war alles stille; sodann kamen mehrere der Passagiere,
verk�ndigten den gl�cklichen Ausgang und legten sich nieder.
Als ich fr�h am vierten Tage unserer Fahrt erwachte, befand ich mich
frisch und gesund, so wie ich auch bei der �berfahrt zu eben dieser
Epoche gewesen war; so da� ich also auf einer l�ngern Seereise
wahrscheinlich mit einer dreit�gigen Unp��lichkeit meinen Tribut w�rde
bezahlt haben.
Vom Verdeck sah ich mit Vergn�gen die Insel Capri in ziemlicher
Entfernung zur Seite liegen und unser Schiff in solcher Richtung, da�
wir hoffen konnten, in den Golf hineinzufahren, welches denn auch bald
geschah. Nun hatten wir die Freude, nach einer ausgestandenen harten
Nacht dieselben Gegenst�nde, die uns abends vorher entz�ckt hatten, in
entgegengesetztem Lichte zu bewundern. Bald lie�en wir jene
gef�hrliche Felseninsel hinter uns. Hatten wir gestern die rechte
Seite des Golfs von weitem bewundert, so erschienen nun auch die
Kastelle und die Stadt gerade vor uns, sodann links der Posilipo und
die Erdzungen, die sich bis gegen Procida und Ischia erstreckten.
Alles war auf dem Verdeck, voran ein f�r seinen Orient sehr
eingenommener griechischer Priester, der den Landesbewohnern, die ihr
herrliches Vaterland mit Entz�cken begr��ten, auf ihre Frage, wie sich
denn Neapel zu Konstantinopel verhalte, sehr pathetisch antwortete:
"Anche questa � una citt�!"--"Auch dieses ist eine Stadt!"--Wir
langten zur rechten Zeit im Hafen an, umsummt von Menschen; es war der
lebhafteste Augenblick des Tages. Kaum waren unsere Koffer und
sonstigen Ger�tschaften ausgeladen und standen am Ufer, als gleich
zwei Lasttr�ger sich derselben bem�chtigten, und kaum hatten wir
ausgesprochen, da� wir bei Moriconi logieren w�rden, so liefen sie mit
dieser Last wie mit einer Beute davon, so da� wir ihnen durch die
menschenreichen Stra�en und �ber den bewegten Platz nicht mit den
Augen folgen konnten. Kniep hatte das Portefeuille unter dem Arm, und
wir h�tten wenigstens die Zeichnungen gerettet, wenn jene Tr�ger,
weniger ehrlich als die neapolitanischen armen Teufel, uns um
dasjenige gebracht h�tten, was die Brandung verschont hatte.
Neapel
An Herder
Hier bin ich wieder, meine Lieben, frisch und gesund. Ich habe die
Reise durch Sizilien leicht und schnell getrieben, wenn ich
wiederkomme, sollt Ihr beurteilen, wie ich gesehen habe. Da� ich
sonst so an den Gegenst�nden klebte und haftete, hat mir nun eine
unglaubliche Fertigkeit verschafft, alles gleichsam vom Blatt
wegzuspielen, und ich finde mich recht gl�cklich, den gro�en, sch�nen,
unvergleichbaren Gedanken von Sizilien so klar, ganz und lauter in der
Seele zu haben. Nun bleibt meiner Sehnsucht kein Gegenstand mehr im
Mittag, da ich auch gestern von P�stum zur�ckgekommen bin. Das Meer
und die Inseln haben mir Genu� und Leiden gegeben, und ich kehre
befriedigt zur�ck. La�t mich jedes Detail bis zu meiner Wiederkehr
aufsparen. Auch ist hier in Neapel kein Besinnens; diesen Ort werde
ich Euch nun besser schildern, als es meine ersten Briefe taten. Den
ersten Juni reise ich nach Rom, wenn mich nicht eine h�here Macht
hindert, und Anfangs Juli denke ich von dort wieder abzugehen. Ich
mu� Euch so bald als m�glich wiedersehen, es sollen gute Tage werden.
Ich habe uns�glich aufgeladen und brauche Ruhe, es wieder zu
verarbeiten.
F�r alles, was Du Liebes und Gutes an meinen Schriften tust, danke ich
Dir tausendmal, ich w�nschte immer, etwas Besseres auch Dir zur Freude
zu machen. Was mir auch von Dir begegnen wird und wo, soll mir
willkommen sein, wir sind so nah in unsern Vorstellungsarten, als es
m�glich ist, ohne eins zu sein, und in den Hauptpunkten am n�chsten.
Wenn Du diese Zeit her viel aus Dir selbst gesch�pft hast, so hab' ich
viel erworben, und ich kann einen guten Tausch hoffen.
Ich bin freilich, wie Du sagst, mit meiner Vorstellung sehr ans
Gegenw�rtige geheftet, und je mehr ich die Welt sehe, desto weniger
kann ich hoffen, da� die Menschheit je eine weise, kluge, gl�ckliche
Masse werden k�nne. Vielleicht ist unter den Millionen Welten eine,
die sich dieses Vorzugs r�hmen kann; bei der Konstitution der unsrigen
bleibt mit so wenig f�r sie, als f�r Sizilien bei der seinigen zu
hoffen.
In einem beiliegenden Blatte sag' ich etwas �ber den Weg nach Salerno
und �ber P�stum selbst; es ist die letzte und, fast m�cht' ich sagen,
herrlichste Idee, die ich nun nordw�rts vollst�ndig mitnehme. Auch
ist der mittlere Tempel nach meiner Meinung allem vorzuziehen, was man
noch in Sizilien sieht.
Was den Homer betrifft, ist mir wie eine Decke von den Augen gefallen.
Die Beschreibungen, die Gleichnisse etc. kommen uns poetisch vor und
sind doch uns�glich nat�rlich, aber freilich mit einer Reinheit und
Innigkeit gezeichnet, vor der man erschrickt. Selbst die
sonderbarsten erlogenen Begebenheiten haben eine Nat�rlichkeit, die
ich nie so gef�hlt habe als in der N�he der beschriebenen Gegenst�nde.
La� mich meinen Gedanken kurz so ausdr�cken: sie stellten die
Existenz dar, wir gew�hnlich den Effekt; sie schilderten das
F�rchterliche, wir schildern f�rchterlich; sie das Angenehme, wir
angenehm u.s.w. Daher kommt alles �bertriebene, alles Manierierte,
alle falsche Grazie, aller Schwulst. Denn wenn man den Effekt und auf
den Effekt arbeitet, so glaubt man ihn nicht f�hlbar genug machen zu
k�nnen. Wenn, was ich sage, nicht neu ist, so hab' ich es doch bei
neuem Anla� recht lebhaft gef�hlt. Nun ich alle diese K�sten und
Vorgebirge, Golfe und Buchten, Inseln und Erdzungen, Felsen und
Sandstreifen, buschige H�gel, sanfte Weiden, fruchtbare Felder,
geschm�ckte G�rten, gepflegte B�ume, h�ngende Reben, Wolkenberge und
immer heitere Ebnen, Klippen und B�nke und das alles umgebende Meer
mit so vielen Abwechselungen und Mannigfaltigkeiten im Geiste
gegenw�rtig habe, nun ist mir erst die Odyssee ein lebendiges Wort.
Ferner mu� ich Dir vertrauen, da� ich dem Geheimnis der
Pflanzenzeugung und -organisation ganz nahe bin und da� es das
einfachste ist, was nur gedacht werden kann. Unter diesem Himmel kann
man die sch�nsten Beobachtungen machen. Den Hauptpunkt, wo der Keim
steckt, habe ich ganz klar und zweifellos gefunden; alles �brige seh'
ich auch schon im ganzen, und nur noch einige Punkte m�ssen bestimmter
werden. Die Urpflanze wird das wunderlichste Gesch�pf von der Welt,
um welches mich die Natur selbst beneiden soll. Mit diesem Modell und
dem Schl�ssel dazu kann man alsdann noch Pflanzen ins Unendliche
erfinden, die konsequent sein m�ssen, das hei�t, die, wenn sie auch
nicht existieren, doch existieren k�nnten und nicht etwa malerische
oder dichterische Schatten und Scheine sind, sondern eine innerliche
Wahrheit und Notwendigkeit haben. Dasselbe Gesetz wird sich auf alles
�brige Lebendige anwenden lassen.
Tischbein, der nach Rom wieder zur�ckgekehrt ist, hat, wie wir merken,
hier in der Zwischenzeit so f�r uns gearbeitet, da� wir seine
Abwesenheit nicht empfinden sollen. Er scheint seinen s�mtlichen
hiesigen Freunden so viel Zutrauen zu uns eingefl��t zu haben, da� sie
sich alle offen, freundlich und t�tig gegen uns erweisen, welches ich
besonders in meiner gegenw�rtigen Lage sehr bedarf, weil kein Tag
vergeht, wo ich nicht jemand um irgendeine Gef�lligkeit und Beistand
anzurufen h�tte. Soeben bin ich im Begriff, ein summarisches
Verzeichnis aufzusetzen von dem, was ich noch zu sehen w�nschte; da
denn die K�rze der Zeit Meisterin bleiben und andeuten wird, was denn
auch wirklich nachgeholt werden k�nne.
Neapel, den 22. Mai 1787.
Eine Dame, die mich schon bei meinem ersten Aufenthalt vielfach
beg�nstigt, ersuchte mich, abends Punkt f�nf Uhr bei ihr einzutreffen:
es wolle mich ein Engl�nder sprechen, der mir �ber meinen "Werther"
etwas zu sagen habe.
Vor einem halben Jahre w�rde hierauf, und w�re sie mir doppelt wert
gewesen, gewi� eine abschl�gige Antwort erfolgt sein; aber daran, da�
ich zusagte, konnte ich wohl merken, meine sizilianische Reise habe
gl�cklich auf mich gewirkt, und ich versprach zu kommen.
Leider aber ist die Stadt zu gro� und der Gegenst�nde so viel, da� ich
eine Viertelstunde zu sp�t die Treppe hinaufstieg und eben an der
verschlossenen T�re auf der Schilfmatte stand, um zu klingeln, als die
T�re schon aufging und ein sch�ner Mann in mittlern Jahren heraustrat,
den ich sogleich f�r den Engl�nder erkannte. Er hatte mich kaum
angesehen, als er sagte: "Sie sind der Verfasser des "Werther"!" Ich
bekannte mich dazu und entschuldigte mich, nicht fr�her gekommen zu
sein.
Ich wollte irgend etwas dankbar dagegen erwidern, als er mir ins Wort
fiel und ausrief: "Ich darf keinen Augenblick l�nger s�umen, mein
Verlangen ist erf�llt, Ihnen dies selbst gesagt zu haben, leben Sie
recht wohl und gl�cklich!" Und so fuhr er die Treppe hinunter. Ich
stand einige Zeit �ber diesen ehrenvollen Text nachdenkend und
klingelte endlich. Die Dame vernahm mit Vergn�gen unser
Zusammentreffen und erz�hlte manches Vorteilhafte von diesem seltenen
und seltsamen Manne.
Mein lockeres Prinze�chen werde ich wohl nicht wiedersehen; sie ist
wirklich nach Sorrent und hat mir die Ehre angetan, vor ihrer Abreise
auf mich zu schelten, da� ich das steinichte und w�ste Sizilien ihr
habe vorziehen k�nnen. Einige Freunde gaben mir Auskunft �ber diese
sonderbare Erscheinung. Aus einem guten, doch unverm�genden Hause
geboren, im Kloster erzogen, entschlo� sie sich, einen alten und
reichen F�rsten zu heiraten, und man konnte sie um so eher dazu
�berreden, als die Natur sie zu einem zwar guten, aber zur Liebe
v�llig unf�higen Wesen gebildet hatte. In dieser reichen, aber durch
Familienverh�ltnisse h�chst beschr�nkten Lage suchte sie sich durch
ihren Geist zu helfen und, da sie in Tun und Lassen gehindert war,
wenigstens ihrem Mundwerk freies Spiel zu geben. Man versicherte mir,
da� ihr eigentlichster Wandel ganz untadelig sei, da� sie sich aber
fest vorgesetzt zu haben scheine, durch ein unb�ndiges Reden allen
Verh�ltnissen ins Angesicht zu schlagen. Man bemerkte scherzend, da�
keine Zensur ihre Diskurse, w�ren sie schriftlich verfa�t, k�nne
durchgehen lassen, weil sie durchaus nichts vorbringe, als was
Religion, Staat oder Sitten verletze.
Kurz vor dem Erdbeben, das Kalabrien betraf, war sie auf die dortigen
G�ter ihres Gemahls gezogen. Auch in der N�he ihres Schlosses war
eine Baracke gebaut, das hei�t ein h�lzernes einst�ckiges Haus,
unmittelbar auf den Boden aufgesetzt; �brigens tapeziert, m�bliert und
schicklich eingerichtet. Bei den ersten Anzeigen des Erdbebens
fl�chtete sie dahin. Sie sa� auf dem Sofa, Kn�tchen kn�pfend, vor
sich ein N�htischchen, gegen ihr �ber ein Abb�, ein alter
Hausgeistlicher. Auf einmal wogte der Boden, das Geb�ude sank an
ihrer Seite nieder, indem die entgegengesetzte sich emporhob, der Abb�
und das Tischchen wurde also auch in die H�he gehoben. "Pfui!" rief
sie, an der sinkenden Wand mit dem Kopfe gelehnt, "schickt sich das
f�r einen so ehrw�rdigen Mann? Ihr geb�rdet Euch ja, als wenn Ihr auf
mich fallen wolltet. Das ist ganz gegen alle Sitte und Wohlstand."
Indessen hatte das Haus sich wieder niedergesetzt, und sie wu�te sich
vor Lachen nicht zu lassen �ber die n�rrische, l�sterne Figur, die der
gute Alte sollte gespielt haben, und sie schien �ber diesen Scherz von
allen Kalamit�ten, ja dem gro�en Verlust, der ihre Familie und so viel
tausend Menschen betraf, nicht das mindeste zu empfinden. Ein
wundersam gl�cklicher Charakter, dem noch eine Posse gelingt, indem
ihn die Erde verschlingen will.
Der p�pstliche Hof jedoch, der einen so bedeutenden Mann in der N�he,
im Bezirk von Rom, unter seinem Gewahrsam hatte, lie� nicht nach, bis
dieser, der ohnehin ein geistliches Leben f�hrte, schon seine Wohnung
in Kl�stern nahm, daselbst lehrte, ermunterte, ja sogar, wo nicht
einen Orden, doch eine freie Versammlung zu stiften im Begriff war,
endlich beredet ward, die Weihe zu nehmen und alle die Vorteile damit
zu empfangen, die ihm denn doch bisher auf seinem Lebenswege ermangelt
hatten.
Will man auch seine k�rperliche wunderbare Erhebung �ber den Boden,
wie billig, in Zweifel ziehen, so war er doch dem Geiste nach hoch
�ber dieser Welt erhoben und deswegen ihm nichts so sehr zuwider als
Eitelkeit, Schein, Anma�ung, gegen die er auch immer, als gegen die
gr��ten Hindernisse eines wahren gottseligen Lebens, kr�ftig wirkte,
und zwar, wie uns manche Geschichte �berliefert, immer mit gutem Humor.
Diese Maxime kann man als leitendes Prinzip seines ganzen Lebens
ansehen; denn, um nur noch eins zu erz�hlen: als er die Kongregation
der Padri dell' Oratorio gestiftet hatte, die sich bald ein gro�es
Ansehn erwarb und gar vielen den Wunsch einfl��te, Mitglied derselben
zu werden, kam ein junger r�mischer Prinz, um Aufnahme bittend,
welchem denn auch das Noviziat und die demselben angewiesene Kleidung
zugestanden wurde. Da aber selbiger nach einiger Zeit um wirklichen
Eintritt nachsuchte, hie� es, da� vorher noch einige Pr�fungen zu
bestehen seien; wozu er sich denn auch bereit erkl�rte. Da brachte
Neri einen langen Fuchsschwanz hervor und forderte, der Prinz solle
diesen sich hinten an das lange R�ckchen anheften lassen und ganz
ernsthaft durch alle Stra�en von Rom gehen. Der junge Mann entsetzte
sich, wie oben die Nonne, und �u�erte, er habe sich gemeldet, nicht um
Schande, sondern um Ehre zu erlangen. Da meinte denn Vater Neri, dies
sei von ihrem Kreise nicht zu erwarten, wo die h�chste Entsagung das
erste Gesetz bleibe. Worauf denn der J�ngling seinen Abschied nahm.
Die s�mtlichen lieben Briefe vom Ende des vorigen Monats habe ich
gestern alle auf einmal von Rom her durch Graf Fries erhalten und mir
mit Lesen und Wiederlesen etwas Rechts zugute getan. Das sehnlich
erwartete Sch�chtelchen war auch dabei, und ich danke tausendmal f�r
alles.
Nun wird es aber bald Zeit, da� ich von hier fl�chte; denn indem ich
mir Neapel und seine Umgebungen noch recht zu guter Letzt
vergegenw�rtigen, den Eindruck erneuern und �ber manches abschlie�en
m�chte, so rei�t der Strom des Tages mich fort, und nun schlie�en auch
vorz�gliche Menschen sich an, die ich als alte und neue Bekannte
unm�glich so geradezu abweisen kann. Ich fand eine liebensw�rdige
Dame, mit der ich vorigen Sommer in Karlsbad die angenehmsten Tage
verlebt hatte. Um wie manche Stunde betrogen wir die Gegenwart in
heiterster Erinnerung. Alle die Lieben und Werten kamen wieder an die
Reihe, vor allem der heitere Humor unseres teuren F�rsten. Sie besa�
das Gedicht noch, womit ihn bei seinem Wegritt die M�dchen von
Engelhaus �berraschten. Es rief die lustigen Szenen alle zur�ck, die
witzigen Neckereien und Mystifikationen, die geistreichen Versuche,
das Vergeltungsrecht aneinander auszu�ben. Schnell f�hlten wir uns
auf deutschem Boden in der besten deutschen Gesellschaft,
eingeschr�nkt von Felsw�nden, durch ein seltsames Lokal
zusammengehalten, mehr noch durch Hochachtung, Freundschaft und
Neigung vereinigt. Sobald wir jedoch ans Fenster traten, rauschte der
neapolitanische Strom wieder so gewaltsam an uns vorbei, da� jene
friedlichen Erinnerungen nicht festzuhalten waren.
Der Bekanntschaft des Herzogs und der Herzogin von Ursel konnt' ich
ebensowenig ausweichen. Treffliche Personen von hohen Sitten, reinem
Natur--und Menschensinn, entschiedener Kunstliebe, Wohlwollen f�r
Begegnende. Eine fortgesetzte und wiederholte Unterhaltung war h�chst
anziehend.
Hamilton und seine Sch�ne setzten gegen mich ihre Freundlichkeit fort.
Ich speiste bei ihnen, und gegen Abend produzierte Mi� Harte auch
ihre musikalischen und melischen Talente.
Auf Antrieb Freund Hackerts, der sein Wohlwollen gegen mich steigert
und mir alles Merkw�rdige zur Kenntnis bringen m�chte, f�hrte uns
Hamilton in sein geheimes Kunstund Ger�mpelgew�lbe. Da sieht es denn
ganz verwirrt aus; die Produkte aller Epochen zuf�llig durcheinander
gestellt: B�sten, Torse, Vasen, Bronze, von sizilianischen Achaten
allerlei Hauszierat, sogar ein Kapellchen, Geschnitztes, Gemaltes und
was er nur zuf�llig zusammenkaufte. In einem langen Kasten an der
Erde, dessen aufgebrochenen Deckel ich neugierig beiseiteschob, lagen
zwei ganz herrliche Kandelaber von Bronze. Mit einem Wink machte ich
Hackerten aufmerksam und lispelte ihm die Frage zu, ob diese nicht
ganz denen in Portici �hnlich seien. Er winkte mir dagegen
Stillschweigen; sie mochten sich freilich aus den pompejischen Gr�ften
seitw�rts hieher verloren haben. Wegen solcher und �hnlicher
gl�cklicher Erwerbnisse mag der Ritter diese verborgenen Sch�tze nur
wohl seinen vertrautesten Freunden sehen lassen.
Hier ist der Ort, noch einer andern entschiedenen Liebhaberei der
Neapolitaner �berhaupt zu gedenken. Es sind die Krippchen (presepe),
die man zu Weihnachten in allen Kirchen sieht, eigentlich die Anbetung
der Hirten, Engel und K�nige vorstellend, mehr oder weniger
vollst�ndig, reich und kostbar zusammen gruppiert. Diese Darstellung
ist in dem heitern Neapel bis auf die flachen Hausd�cher gestiegen;
dort wird ein leichtes h�ttenartiges Ger�ste erbaut, mit immergr�nen
B�umen und Str�uchen aufgeschm�ckt. Die Mutter Gottes, das Kind und
die s�mtlichen Umstehenden und Umschwebenden, kostbar ausgeputzt, auf
welche Garderobe das Haus gro�e Summen verwendet. Was aber das Ganze
unnachahmlich verherrlicht, ist der Hintergrund, welcher den Vesuv mit
seinen Umgebungen einfa�t.
Da mag man nun manchmal auch lebendige Figuren zwischen die Puppen mit
eingemischt haben, und nach und nach ist eine der bedeutendsten
Unterhaltungen hoher und reicher Familien geworden, zu ihrer
Abenderg�tzung auch weltliche Bilder, sie m�gen nun der Geschichte
oder der Dichtkunst angeh�ren, in ihren Pal�sten aufzuf�hren.
Darf ich mir eine Bemerkung erlauben, die freilich ein wohlbehandelter
Gast nicht wagen sollte, so mu� ich gestehen, da� mir unsere sch�ne
Unterhaltende doch eigentlich als ein geistloses Wesen vorkommt, die
wohl mit ihrer Gestalt bezahlen, aber durch keinen seelenvollen
Ausdruck der Stimme, der Sprache sich geltend machen kann. Schon ihr
Gesang ist nicht von zusagender F�lle.
Und so mag es sich auch am Ende mit jenen starren Bildern verhalten.
Sch�ne Personen gibt's �berall, tiefempfindende, zugleich mit
g�nstigen Sprachorganen versehene viel seltener, am allerseltensten
solche, wo zu allem diesen noch eine einnehmende Gestalt hinzutritt.
Auf Herders dritten Teil freu' ich mich seht. Hebet mir ihn auf, bis
ich sagen kann, wo er mir begegnen soll. Er wird gewi� den sch�nen
Traumwunsch der Menschheit, da� es dereinst besser mit ihr werden
solle, trefflich ausgef�hrt haben. Auch, mu� ich selbst sagen, halt'
ich es f�r wahr, da� die Humanit�t endlich siegen wird, nur f�rcht'
ich, da� zu gleicher Zeit die Welt ein gro�es Hospital und einer des
andern humaner Krankenw�rter sein werde.
Der gute und so brauchbare Volkmann n�tigt mich, von Zeit zu Zeit von
seiner Meinung abzugehen. Er spricht z. B., da� drei�ig--bis
vierzigtausend M��igg�nger in Neapel zu finden w�ren, und wer
spricht's ihm nicht nach! Ich vermutete zwar sehr bald nach einiger
erlangter Kenntnis des s�dlichen Zustandes, da� dies wohl eine
nordische Ansicht sein m�chte, wo man jeden f�r einen M��igg�nger h�lt,
der sich nicht den ganzen Tag �ngstlich abm�ht. Ich wendete deshalb
vorz�gliche Aufmerksamkeit auf das Volk, es mochte sich bewegen oder
in Ruhe verharren, und konnte zwar sehr viel �belgekleidete Menschen
bemerken, aber keine unbesch�ftigten.
Ich fing an, mich in dem ungeheuren Gewirre mit den verschiedenen
Figuren bekannt zu machen, sie nach ihrer Gestalt, Kleidung, Betragen,
Besch�ftigung zu beurteilen und zu klassifizieren. Ich fand diese
Operation hier leichter als irgendwo, weil der Mensch sich hier mehr
selbst gelassen ist und sich seinem Stande auch �u�erlich gem��
bezeigt.
Ich fing meine Beobachtung bei fr�her Tageszeit an, und alle die
Menschen, die ich hie und da stillstehen oder ruhen fand, waren Leute,
deren Beruf es in dem Augenblick mit sich brachte.
Eine sehr gro�e Anzahl von Menschen, teils mittlern Alters, teils
Knaben, welche meistenteils sehr schlecht gekleidet sind, besch�ftigen
sich, das Kehricht auf Eseln aus der Stadt zu bringen. Das n�chste
Feld um Neapel ist nur ein K�chengarten, und es ist eine Freude, zu
sehen, welche uns�gliche Menge von K�chengew�chsen alle Markttage
hereingeschafft wird und wie die Industrie der Menschen sogleich die
�berfl�ssigen, von den K�chen verworfenen Teile wieder in die Felder
bringt, um den Zirkel der Vegetation zu beschleunigen. Bei der
unglaublichen Konsumtion von Gem�se machen wirklich die Str�nke und
Bl�tter von Blumenkohl, Broccoli, Artischocken, Kohl, Salat, Knoblauch
einen gro�en Teil des neapolitanischen Kehrichts aus; diesen wird denn
auch besonders nachgestrebt. Zwei gro�e biegsame K�rbe h�ngen auf dem
R�cken eines Esels und werden nicht allein ganz voll gef�llt, sondern
noch auf jeden mit besonderer Kunst ein Haufen aufget�rmt. Kein
Garten kann ohne einen solchen Esel bestehen. Ein Knecht, ein Knabe,
manchmal der Patron selbst eilen des Tags so oft als m�glich nach der
Stadt, die ihnen zu allen Stunden eine reiche Schatzgrube ist. Wie
aufmerksam diese Sammler auf den Mist der Pferde und Maultiere sind,
l��t sich denken. Ungern verlassen sie die Stra�e, wenn es Nacht wird,
und die Reichen, die nach Mitternacht aus der Oper fahren, denken
wohl nicht, da� schon vor Anbruch des Tages ein emsiger Mensch
sorgf�ltig die Spuren ihrer Pferde aufsuchen wird. Man hat mir
versichert, da� ein paar solche Leute, die sich zusammentun, sich
einen Esel kaufen und einem gr��ern Besitzer ein St�ckchen Krautland
abpachten, durch anhaltenden Flei� in dem gl�cklichen Klima, in
welchem die Vegetation niemals unterbrochen wird, es bald so weit
bringen, da� sie ihr Gewerbe ansehnlich erweitern.
Ich w�rde zu weit aus meinem Wege gehen, wenn ich hier von der
mannigfaltigen Kr�merei sprechen wollte, welche man mit Vergn�gen in
Neapel wie in jedem andern gro�en Orte bemerkt; allein ich mu� doch
hier von den Herumtr�gern sprechen, weil sie der letztern Klasse des
Volks besonders angeh�ren. Einige gehen herum mit F��chen Eiswasser,
Gl�sern und Zitronen, um �berall gleich Limonade machen zu k�nnen,
einen Trank, den auch der Geringste nicht zu entbehren vermag; andere
mit Kredenztellern, auf welchen Flaschen mit verschiedenen Lik�ren und
Spitzgl�sern in h�lzernen Ringen vor dem Fallen gesichert stehen;
andere tragen K�rbe allerlei Backwerks, N�scherei, Zitronen und
anderes Obst umher, und es scheint, als wolle jeder das gro�e Fest des
Genusses, das in Neapel alle Tage gefeiert wird, mitgenie�en und
vermehren.
Wie diese Art Herumtr�ger gesch�ftig sind, so gibt es noch eine Menge
kleine Kr�mer, welche gleichfalls herumgehen und ohne viele Umst�nde
auf einem Brett, in einem Schachteldeckel ihre Kleinigkeiten, oder auf
Pl�tzen geradezu auf flacher Erde ihren Kram ausbieten. Da ist nicht
von einzelnen Waren die Rede, die man auch in gr��ern L�den f�nde, es
ist der eigentliche Tr�delkram. Kein St�ckchen Eisen, Leder, Tuch,
Leinewand, Filz u. s. w., das nicht wieder als Tr�delware zu Markte
k�me und das nicht wieder von einem oder dem andern gekauft w�rde.
Noch sind viele Menschen der niedern Klasse bei Handelsleuten und
Handwerkern als Beil�ufer und Handlanger besch�ftigt.
Es ist wahr, man tut nur wenig Schritte, ohne einem sehr
�belgekleideten, ja sogar einem zerlumpten Menschen zu begegnen, aber
dies ist deswegen noch kein Faulenzer, kein Tagedieb! Ja, ich m�chte
fast das Paradoxon aufstellen, da� zu Neapel verh�ltnism��ig
vielleicht noch die meiste Industrie in der ganz niedern Klasse zu
finden sei. Freilich d�rfen wir sie nicht mit einer nordischen
Industrie vergleichen, die nicht allein f�r Tag und Stunde, sondern am
guten und heitern Tage f�r den b�sen und tr�ben, im Sommer f�r den
Winter zu sorgen hat. Dadurch, da� der Nordl�nder zur Vorsorge, zur
Einrichtung von der Natur gezwungen wird, da� die Hausfrau einsalzen
und r�uchern mu�, um die K�che das ganze Jahr zu versorgen, da� der
Mann den Holz--und Fruchtvorrat, das Futter f�r das Vieh nicht aus der
Acht lassen darf u. s. w., dadurch werden die sch�nsten Tage und
Stunden dem Genu� entzogen und der Arbeit gewidmet. Mehrere Monate
lang entfernt man sich gern aus der freien Luft und verwahrt sich in
H�usern vor Sturm, Regen, Schnee und K�lte; unaufhaltsam folgen die
Jahreszeiten aufeinander, und jeder, der nicht zugrunde gehen will,
mu� ein Haush�lter werden. Denn es ist hier gar nicht die Frage, ob
er entbehren wolle; er darf nicht entbehren wollen, er kann nicht
entbehren wollen, denn er kann nicht entbehren; die Natur zwingt ihn,
zu schaffen, vorzuarbeiten. Gewi� haben diese Naturwirkungen, welche
sich Jahrtausende gleich bleiben, den Charakter der in so manchem
Betracht ehrw�rdigen nordischen Nationen bestimmt. Dagegen beurteilen
wir die s�dlichen V�lker, mit welchen der Himmel so gelinde umgegangen
ist, aus unserm Gesichtspunkte zu streng. Was Herr von Pauw in seinen
"Recherches sur les Grecs" bei Gelegenheit, da er von den zynischen
Philosophen spricht, zu �u�ern wagt, pa�t v�llig hierher. Man mache
sich, glaubt er, von dem elenden Zustande solcher Menschen nicht den
richtigsten Begriff; ihr Grundsatz, alles zu entbehren, sei durch ein
Klima sehr beg�nstigt, das alles gew�hrt. Ein armer, uns elend
scheinender Mensch k�nne in den dortigen Gegenden die n�tigsten und
n�chsten Bed�rfnisse nicht allein befriedigen, sondern die Welt aufs
sch�nste genie�en; und ebenso m�chte ein sogenannter neapolitanischer
Bettler die Stelle eines Vizek�nigs in Norwegen leicht verschm�hen und
die Ehre ausschlagen, wenn ihm die Kaiserin von Ru�land das
Gouvernement von Sibirien �bertragen wollte.
Ich wei� wohl, da� dies viel zu allgemein gesagt ist und da� die
Charakterz�ge jeder Klasse nur erst nach einer genauern Bekanntschaft
und Beobachtung rein gezogen werden k�nnen, allein im ganzen w�rde man
doch, glaube ich, auf diese Resultate treffen.
Ich kehre wieder zu dem geringen Volke in Neapel zur�ck. Man bemerkt
bei ihnen, wie bei frohen Kindern, denen man etwas auftr�gt, da� sie
zwar ihr Gesch�ft verrichten, aber auch zugleich einen Scherz aus dem
Gesch�ft machen. Durchg�ngig ist diese Klasse von Menschen eines sehr
lebhaften Geistes und zeigt einen freien, richtigen Blick. Ihre
Sprache soll fig�rlich, ihr Witz sehr lebhaft und bei�end sein. Das
alte Atella lag in der Gegend von Neapel, und wie ihr geliebter
Pulcinell noch jene Spiele fortsetzt, so nimmt die ganz gemeine Klasse
von Menschen noch jetzt Anteil an dieser Laune.
Ich erw�hne nicht die F�higkeiten der Menschen, ihre Gebr�uche, ihre
Kr�fte und wie viele V�lker sie durch Sprache und Hand �berwunden
haben.
Von diesem Lande f�llten die Griechen, ein Volk, das sich selbst
unm��ig zu r�hmen pflegte, das ehrenvollste Urteil, indem sie einen
Teil davon Gro�griechenland nannten."
Und wie sie leben, so begraben sie auch ihre Toten; da st�rt kein
schwarzer, langsamer Zug die Harmonie der lustigen Welt.
Ich sah ein Kind zu Grabe tragen. Ein rotsammetner, gro�er, mit Gold
breit gestickter Teppich �berdeckte eine breite Bahre, darauf stand
ein geschnitztes, stark vergoldetes und versilbertes K�stchen, worin
das wei�gekleidete Tote mit rosenfarbnen B�ndern ganz �berdeckt lag.
Auf den vier Ecken des K�stchens waren vier Engel, ungef�hr jeder zwei
Fu� hoch, angebracht, welche gro�e Blumenb�schel �ber das ruhende Kind
hielten, und, weil sie unten nur an Dr�hten befestigt waren, sowie die
Bahre sich bewegte, wackelten und mild belebende Blumenger�che
auszustreuen schienen. Die Engel schwankten um desto heftiger, als
der Zug sehr �ber die Stra�en wegeilte und die vorangehenden Priester
und die Kerzentr�ger mehr liefen als gingen.
Es ist keine Jahreszeit, wo man sich nicht �berall von E�waren umgeben
s�he, und der Neapolitaner freut sich nicht allein des Essens, sondern
er will auch, da� die Ware zum Verkauf sch�n aufgeputzt sei.
Bei Santa Lucia sind die Fische nach ihren Gattungen meist in
reinlichen und artigen K�rben, Krebse, Austern, Scheiden, kleine
Muscheln, jedes besonders aufgetischt und mit gr�nen Bl�ttern
unterlegt. Die L�den von getrocknetem Obst und H�lsenfr�chten sind
auf das mannigfaltigste herausgeputzt. Die ausgebreiteten Pomeranzen
und Zitronen von allen Sorten, mit dazwischen hervorstechendem gr�nem
Laub, dem Auge sehr erfreulich. Aber nirgends putzen sie mehr als bei
den Fleischwaren, nach welchen das Auge des Volks besonders l�stern
gerichtet ist, weil der Appetit durch periodisches Entbehren nur mehr
gereizt wird.
Nachts durch die Stadt spazierend, gelangt' ich zum Molo. Dort sah
ich mit einem Blick den Mond, den Schein desselben auf den
Wolkens�umen, den sanft bewegten Abglanz im Meere, heller und
lebhafter auf dem Saum der n�chsten Welle. Und nun die Sterne des
Himmels, die Lampen des Leuchtturms, das Feuer des Vesuvs, den
Widerschein davon im Wasser und viele einzelne Lichter ausges�t �ber
die Schiffe. Eine so mannigfaltige Aufgabe h�tt' ich wohl von Van der
Neer gel�st sehen m�gen.
Ich hatte das r�mische Fronleichnamfest und dabei besonders die nach
Raffael gewirkten Teppiche so fest in den Sinn gefa�t, da� ich mich
alle diese herrlichen Naturerscheinungen, ob sie schon in der Welt
ihresgleichen nicht haben k�nnen, keineswegs irren lie�, sondern die
Anstalten zur Reise hartn�ckig fortsetzte. Ein Pa� war bestellt, ein
Vetturin hatte mir den Mietpfennig gegeben; denn es geschieht dort zur
Sicherheit der Reisenden umgekehrt als bei, uns. Kniep war
besch�ftigt, sein neues Quartier zu beziehen, an Raum und Lage viel
besser als das vorige.
Schon fr�her, als diese Ver�nderung im Werke war, hatte mir der Freund
einigemal zu bedenken gegeben, es sei doch unangenehm und
gewisserma�en unanst�ndig, wenn man in ein Haus ziehe und gar nichts
mitbringe; selbst ein Bettgestell fl��e den Wirtsleuten schon einigen
Respekt ein. Als wir nun heute durch den unendlichen Tr�del der
Kastellweitung hindurchgingen, sah ich so ein paar eiserne Gestelle,
bronzeartig angestrichen, welche ich sogleich feilschte und meinem
Freund als k�nftigen Grund zu einer ruhigen und soliden Schlafst�tte
verehrte. Einer der allezeit fertigen Tr�ger brachte sie nebst den
erforderlichen Brettern in das neue Quartier, welche Anstalt Kniepen
so sehr freute, da� er sogleich von mir weg und hier einzuziehen
gedachte, gro�e Rei�bretter, Papier und alles N�tige schnell
anzuschaffen besorgt war. Einen Teil der Konturen, in beiden Sizilien
gezogen, �bergab ich ihm nach unserer Verabredung.
Die Ankunft des Marquis Lucchesini hat meine Abreise auf einige Tage
weiter geschoben; ich habe viel Freude gehabt, ihn kennen zu lernen.
Er scheint mir einer von denen Menschen zu sein, die einen guten
moralischen Magen haben, um an dem gro�en Welttische immer mitgenie�en
zu k�nnen; anstatt da� unsereiner wie ein wiederk�uendes Tier sich
zuzeiten �berf�llt und dann nichts weiter zu sich nehmen kann, bis er
eine wiederholte Kauung und Verdauung geendigt hat. Sie gef�llt mir
auch recht wohl, sie ist ein wackres deutsches Wesen.
Ich gehe nun gern aus Neapel, ja, ich mu� fort. Diese letzten Tage
�berlie� ich mich der Gef�lligkeit, Menschen zu sehen; ich habe meist
interessante Personen kennen lernen und bin mit den Stunden, die ich
ihnen gewidmet, sehr zufrieden, aber noch vierzehn Tage, so h�tte es
mich weiter und weiter und abw�rts von meinem Zwecke gef�hrt. Und
dann wird man hier immer unt�tiger. Seit meiner R�ckkunft von P�stum
habe ich au�er den Sch�tzen von Portici wenig gesehen, und es bleibt
mir manches zur�ck, um dessentwillen ich nicht den Fu� aufheben mag.
Aber jenes Museum ist auch das A und W aller Antiquit�tensammlungen;
da sieht man recht, was die alte Welt an freudigem Kunstsinn voraus
war, wenn sie gleich in strenger Handwerksfertigkeit weit hinter uns
zur�ckblieb.
Abends.
Auch meine Dankbesuche waren nicht ohne Freude und Belehrung, man
zeigte mir noch manches freundlich vor, was man bisher verschoben oder
vers�umt. Cavaliere Venuti lie� mich sogar noch verborgene Sch�tze
sehen. Ich betrachtete abermals mit gro�er Verehrung seinen, obgleich
verst�mmelten, doch unsch�tzbaren Ulysses. Er f�hrte mich zum
Abschied in die Porzellanfabrik, wo ich mir den Herkules m�glichst
einpr�gte und mir an den kampanischen Gef��en die Augen noch einmal
recht voll sah.
Hier sah ich nun alle die Feuer und Lichter und ihre Widerscheine, nur
bei bewegtem Meer noch schwankender; den Vollmond in seiner ganzen
Herrlichkeit neben dem Spr�hfeuer des Vulkans, und nun die Lava, die
neulich fehlte, auf ihrem gl�henden ernsten Wege. Ich h�tte noch
hinausfahren sollen, aber die Anstalten waren zu weitschichtig, ich
w�re erst am Morgen dort angekommen. Den Anblick, wie ich ihn geno�,
wollte ich mir durch Ungeduld nicht verderben, ich blieb auf dem Molo
sitzen, bis mir ungeachtet des Zu--und Abstr�mens der Menge, ihres
Deutens, Erz�hlens, Vergleichens, Streitens, wohin die Lava str�men
werde, und was dergleichen Unfug noch mehr sein mochte, die Augen
zufallen wollten.
Und so h�tte ich auch diesen sch�nen Tag zwar mit vorz�glichen
Personen vergn�glich und n�tzlich, aber doch ganz gegen meine
Absichten und mit schwerem Herzen zugebracht. Sehnsuchtsvoll blickte
ich nach dem Dampfe, der, den Berg herab langsam nach dem Meer ziehend,
den Weg bezeichnete, welchen die Lava st�ndlich nahm. Auch der Abend
sollte nicht frei sein. Ich hatte versprochen, die Herzogin von
Giovane zu besuchen, die auf dem Schlosse wohnte, wo man mich denn
viele Stufen hinauf durch manche G�nge wandern lie�, deren oberste
verengt waren durch Kisten, Schr�nke und alles Mi�f�llige eines
Hofgarderobewesens. Ich fand in einem gro�en und hohen Zimmer, das
keine sonderliche Aussicht hatte, eine wohlgestaltete junge Dame von
sehr zarter und sittlicher Unterhaltung. Als einer gebornen Deutschen
war ihr nicht unbekannt, wie sich unsere Literatur zu einer freieren,
weit umherblickenden Humanit�t gebildet; Herders Bem�hungen und was
ihnen �hnelte, sch�tzte sie vorz�glich, auch Garvens reiner Verstand
hatte ihr aufs innigste zugesagt. Mit den deutschen
Schriftstellerinnen suchte sie gleichen Schritt zu halten, und es lie�
sich wohl bemerken, da� es ihr Wunsch sei, eine ge�bte und belobte
Feder zu f�hren. Dahin bezogen sich ihre Gespr�che und verrieten
zugleich die Absicht, auf die T�chter des h�chsten Standes zu wirken;
ein solches Gespr�ch kennt keine Grenzen. Die D�mmerung war schon
eingebrochen, und man hatte noch keine Kerzen gebracht. Wir gingen im
Zimmer auf und ab, und sie, einer durch L�den verschlossenen
Fensterseite sich n�hernd, stie� einen Laden auf, und ich erblickte,
was man in seinem Leben nur einmal sieht. Tat sie es absichtlich,
mich zu �berraschen, so erreichte sie ihren Zweck vollkommen. Wir
standen an einem Fenster des oberen Geschosses, der Vesuv gerade vor
uns; die herabflie�ende Lava, deren Flamme bei l�ngst niedergegangener
Sonne schon deutlich gl�hte und ihren begleitenden Rauch schon zu
vergolden anfing; der Berg gewaltsam tobend, �ber ihm eine ungeheure
feststehende Dampfwolke, ihre verschiedenen Massen bei jedem Auswurf
blitzartig gesondert und k�rperhaft erleuchtet. Von da herab bis
gegen das Meer ein Streif von Gluten und gl�henden D�nsten; �brigens
Meer und Erde, Fels und Wachstum deutlich in der Abendd�mmerung, klar,
friedlich, in einer zauberhaften Ruhe. Dies alles mit einem Blick zu
�bersehen und den hinter dem Bergr�cken hervortretenden Vollmond als
die Erf�llung des wunderbarsten Bildes zu schauen, mu�te wohl
Erstaunen erregen.
Dies alles konnte von diesem Standpunkt das Auge mit einmal fassen,
und wenn es auch die einzelnen Gegenst�nde zu mustern nicht imstande
war, so verlor es doch niemals den Eindruck des gro�en Ganzen. War
unser Gespr�ch durch dieses Schauspiel unterbrochen, so nahm es eine
desto gem�tlichere Wendung. Wir hatten nun einen Text vor uns,
welchen Jahrtausende zu kommentieren nicht hinreichen. Je mehr die
Nacht wuchs, desto mehr schien die Gegend an Klarheit zu gewinnen; der
Mond leuchtete wie eine zweite Sonne; die S�ulen des Rauchs, dessen
Streifen und Massen durchleuchtet bis ins einzelne deutlich, ja, man
glaubte mit halbweg bewaffnetem Auge die gl�hend ausgeworfenen
Felsklumpen auf der Nacht des Kegelberges zu unterscheiden. Meine
Wirtin, so will ich sie nennen, weil mir nicht leicht ein k�stlichers
Abendmahl zubereitet war, lie� die Kerzen an die Gegenseite des
Zimmers stellen, und die sch�ne Frau, vom Monde beleuchtet, als
Vordergrund dieses unglaublichen Bildes, schien mir immer sch�ner zu
werden, ja ihre Lieblichkeit vermehrte sich besonders dadurch, da� ich
in diesem s�dlichen Paradiese eine sehr angenehme deutsche Mundart
vernahm. Ich verga�, wie sp�t es war, so da� sie mich zuletzt
aufmerksam machte, sie m�sse mich, wiewohl ungerne, entlassen, die
Stunde nahe schon, wo ihre Galerien klosterm��ig verschlossen w�rden.
Und so schied ich zaudernd von der Ferne und von der N�he, mein
Geschick segnend, das mich f�r die widerwillige Artigkeit des Tages
noch sch�n am Abend belohnt hatte. Unter den freien Himmel gelangt,
sagte ich mir vor, da� ich in der N�he dieser gr��ern Lava doch nur
die Wiederholung jener kleinern w�rde gesehen haben, und da� mir ein
solcher �berblick, ein solcher Abschied aus Neapel nicht anders als
auf diese Weise h�tte werden k�nnen. Anstatt nach Hause zu gehen,
richtete ich meine Schritte nach dem Molo, um das gro�e Schauspiel mit
einem andern Vordergrund zu sehen; aber ich wei� nicht, ob die
Erm�dung nach einem so reichen Tage oder ein Gef�hl, da� man das
letzte, sch�ne Bild nicht verwischen m�sse, mich wieder nach Moriconi
zur�ckzog, wo ich denn auch Kniepen fand, der aus seinem neu bezognen
Quartier mir einen Abendbesuch abstattete. Bei einer Flasche Wein
besprachen wir unsere k�nftigen Verh�ltnisse; ich konnte ihm zusagen,
da� er, sobald ich etwas von seinen Arbeiten in Deutschland vorzeigen
k�nne, gewi� dem trefflichen Herzog Ernst von Gotha empfohlen sein und
von dort Bestellungen erhalten w�rde. Und so schieden wir mit
herzlicher Freude, mit sicherer Aussicht k�nftiger wechselseitig
wirkender T�tigkeit.
Da ich diesmal allein reise, habe ich Zeit genug, die Eindr�cke der
vergangenen Monate wieder hervorzurufen; es geschieht mit vielem
Behagen. Und doch tritt gar oft das L�ckenhafte der Bemerkungen
hervor, und wenn die Reise dem, der sie vollbracht hat, in einem
Flusse vor�berzuziehen scheint und in der Einbildungskraft als eine
stetige Folge hervortritt, so f�hlt man doch, da� eine eigentliche
Mitteilung unm�glich sei. Der Erz�hlende mu� alles einzeln hinstellen:
wie soll daraus in der Seele des Dritten ein Ganzes gebildet werden?
�berhaupt, wenn jeder Mensch nur als ein Supplement aller �brigen zu
betrachten ist und am n�tzlichsten und liebensw�rdigsten erscheint,
wenn er sich als einen solchen gibt, so mu� dieses vorz�glich von
Reiseberichten und Reisenden g�ltig sein. Pers�nlichkeit, Zwecke,
Zeitverh�ltnisse, Gunst und Ungunst der Zuf�lligkeiten, alles zeigt
sich bei einem jeden anders. Kenn' ich seine Vorg�nger, so werd' ich
auch an ihm mich freuen, mich mit ihm behelfen, seinen Nachfolger
erwarten und diesem, w�re mir sogar inzwischen das Gl�ck geworden, die
Gegend selbst zu besuchen, gleichfalls freundlich begegnen.