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This book was produced in EPUB format by the Internet Archive.
Translator: E. K. Rahsin
Language: German
Rodion Raskolnikoff
(Schuld und Sühne)
Roman
„Ich wollte ein Napoleon werden, darum erschlug ich. Ich stellte mir
einmal die Frage: wie, wenn zum Beispiel an meiner Stelle Napoleon
gewesen wäre und er weder Toulon noch Ägypten, noch einen
Übergang über den Montblanc gehabt hätte, um seine Laufbahn zu
beginnen, sondern anstatt all dieser schönen und großartigen Dinge
nur irgendein lächerliches Weib, eine alte Registratorenwitwe, die er
noch dazu hätte erschlagen müssen, um aus ihrem Kleiderkasten
Geld stehlen zu können (für den Anfang seiner Laufbahn – du
verstehst doch?). Nun also, würde er sich denn dazu entschlossen
haben, wenn ein anderer Ausweg für ihn nicht möglich gewesen
wäre? Hätte ihn das nicht abgestoßen, weil es doch gar zu wenig
‚großartig‘ war und ... Sünde wäre? Nun sieh, ich sage dir, über
dieser ‚Frage‘ habe ich mich entsetzlich lange abgequält, so daß ich
mich fürchterlich schämte, als ich endlich erriet (ganz plötzlich,
irgendwie), daß es ihn nicht nur niemals abgestoßen haben würde,
sondern ihm sogar überhaupt nicht in den Sinn gekommen wäre,
daß so etwas gar nicht ‚großartig‘ sei ... Er hätte sogar überhaupt
nicht begriffen, was ihn dabei abstoßen könnte, und sobald das nur
sein einziger Ausweg gewesen wäre, würde er sie in einer Weise
erwürgt haben, daß ihr nicht einmal Zeit zum Mucksen geblieben
wäre, – ohne das geringste Bedenken! Nun, und ich ... befreite mich
von den Bedenken, erwürgte – nach dem Beispiel seiner Autorität ...
Und so war es auch buchstäblich.“
Raskolnikoff begreift nur zu gut den Unterschied zwischen
Napoleons „geglücktem“ und seinem eigenen „mißglückten“
Verbrechen, aber nur den ästhetischen, den Unterschied in der
„Form“ und in der Eigenart der geistigen Kraft. Er vergleicht sein
Verbrechen mit den blutigen Heldentaten berühmter, gekrönter,
historischer Verbrecher, doch Dunja, seine Schwester, protestiert
gegen einen solchen Vergleich: „Aber das ist doch etwas ganz
anderes, Bruder, das ist doch nie und nimmer dasselbe!“ – Da ruft er
wie rasend aus: „Ah! Es ist nicht dieselbe Form! Es hat kein so
ästhetisch schönes Äußere! Ich aber verstehe wirklich nicht, warum
eine regelrechte Schlacht, mit Kanonenkugeln auf die Menschen
feuern – eine ehrenwertere Form sein soll? Die Furcht vor dem
Unästhetischen ist das erste Anzeichen der Kraftlosigkeit!“ –
„Napoleon, die Pyramiden, Waterloo – und eine hagere, häßliche
Registratorenwitwe, eine alte Wucherin mit einem roten Koffer unter
dem Bett, – nun, wie soll das selbst ein Porphyri Petrowitsch (der
Untersuchungsrichter) verdauen! ... Wie sollen die an ein solches
Problem heranreichen! ... Die Ästhetik stört: ‚wird denn‘, heißt es,
‚Napoleon unter das Bett eines alten Weibes kriechen?‘“
Ja, gerade die konventionelle Ästhetik, die Rhetorik der
Lehrbücher, jene historische Lüge, die wir mit der Milch unserer
erziehenden Mutter, der Schule, einsaugen, entstellt und verunstaltet
unsere sittliche Wertung der universalhistorischen Erscheinungen.
Von dieser „ästhetischen“ Schale wird nun Raskolnikoff durch die
Frage nach den Verbrechen der Helden befreit, wird von ihr, wie
Sokrates sagt, „vom Himmel auf die Erde herabgeführt“, d. h. von
jener abstrakten Höhe, wo die akademische Vergötterung der
Großen stattfindet, auf die Ebene des lebendigen Lebens: und er
stellt uns Angesicht gegen Angesicht dieser Frage in ihrer ganzen
grauenvollen Einfachheit und Verschlungenheit gegenüber. Hat doch
ein jeder von uns, uns Nichthelden, wenigstens einmal im Leben
mehr oder weniger bewußt für sich entscheiden müssen, so wie
Raskolnikoff es tut: „Bin ich zitternde Kreatur oder habe ich das
Recht,“ bin ich ein „Fressender“ oder ein „Gefressener“? Und diese
Frage, dem Anscheine nach die der umfassendsten und
allgemeinsten universalhistorischen Anschauung, ist hier mit der
ersten und wichtigsten sittlichen Frage jedes einzelnen
Menschenlebens, jeder einzelnen menschlichen Persönlichkeit
untrennbar eng verbunden. Ohne diese Frage mit dem Verstande
und dem Herzen gelöst zu haben – oder hat man sie nur mit dem
Verstande oder nur mit dem Herzen gelöst, – kann man nicht leben,
kann man keinen Schritt im Leben tun.
Wenn wir uns nun von der „Furcht vor der Ästhetik“ befreien,
werden wir dann nicht zugeben, daß der erste, sagen wir
mathematische Ausgangspunkt der sittlichen Bewegung Napoleons
und Raskolnikoffs – ein und derselbe ist? Beide sind sie aus
derselben Nichtigkeit hervorgegangen: der kleine Korsikaner, der auf
die Straßen von Paris hinausgeworfen war, der Fremdling ohne Titel,
ohne Herkunft, dieser Bonaparte – ist ganz ebenso ein unbekannter
Vorübergehender, ein junger Mann, „der einmal in der
Dämmerstunde aus seiner Dachkammer heraustrat,“ wie der Student
der Petersburger Universität Rodion Raskolnikoff. „Er war auffallend
schön, er hatte dunkle Augen und dunkelblondes Haar, war schlank
und wohlgestaltet“ – das ist alles, was wir zu Anfang der Tragödie
von Raskolnikoff wissen, und nur ein wenig mehr wissen wir von –
Napoleon. Das „Menschenrecht“ und die „Freiheit“, die die „Große
Revolution“ erobert hatten, sind für beide in erster Linie das Recht
und die Freiheit, vor Hunger zu sterben; „Gleichheit und
Brüderlichkeit“ sind für sie Gleichheit und Brüderlichkeit mit denen,
die von ihnen verachtet oder gehaßt werden. Beim Anblick dieser
„Nächsten“ und „Gleichen“ – sagt Dostojewski von Raskolnikoff –
„drückte sich die Empfindung des tiefsten Ekels in den feinen Zügen
des jungen Mannes aus“, und wir können dabei ebensogut an
Napoleon denken. Brüderlichkeit und Gleichheit – tiefster Ekel;
Freiheit – tiefste Verschmähung, Einsamkeit. Weder Vergangenheit
noch Zukunft. Weder Hoffnungen, noch Überlieferungen. „Ein
einziger gegen alle, sterbe ich morgen, bleibt nichts von mir übrig“ –
das ist die erste Empfindung beider. Und der Einfall dieser
„zitternden Kreatur“, ein „Herrscher“ zu werden, wäre ein ebenso
verrückter Einfall – oder Größenwahnsinn – bei Napoleon wie bei
Raskolnikoff: zuerst ins Krankenhaus, dann in die Zwangsjacke und –
aus ist es. Raskolnikoff hat vor Napoleon sogar einen gewissen
Vorzug: er sieht nicht nur die äußeren, sondern auch die inneren
Schranken und Hindernisse, die er „übertreten“ muß, um „das Recht
zu haben“. Napoleon sieht sie überhaupt nicht. Übrigens war
vielleicht gerade diese Blindheit teilweise die Quelle seiner Kraft –
allerdings nur bis zu einer gewissen Zeit: zu guter Letzt wird der
Mangel an Erkenntnis jeglicher Kraft doch nicht verziehen; und auch
Napoleon wurde dieser Mangel nicht verziehen. Raskolnikoff erkühnt
sich zu Größerem, weil er mehr, weil er Größeres sieht. Hätte er
gesiegt, so wäre sein Sieg endgültiger, unumstößlicher gewesen, als
der Sieg Napoleons. In jedem Fall aber ist infolge der Gleichheit oder
Einheit des Ausgangspunktes, trotz des ganzen unermeßlichen
Unterschiedes der zurückgelegten Wege, das sittliche Gericht über
Raskolnikoff zu gleicher Zeit auch Gericht über Napoleon. Die Frage,
die in „Rodion Raskolnikoff“ erhoben wird, ist dieselbe Frage, die
Tolstoj in „Krieg und Frieden“ erhebt; der ganze Unterschied besteht
nur darin, daß Tolstoj sie umfängt, während Dostojewski sich in sie
vertieft; der eine tritt von außen an sie heran, der andere von innen;
bei dem einen ist es Beobachtung, beim anderen Experiment.
Die Revolution war ein ungeheurer politischer, schon in viel
geringerem Maße sozialer, die Stände betreffender, und überhaupt
kein moralischer Umsturz. „Du sollst nicht töten“, „du sollst nicht
stehlen“, „du sollst nicht ehebrechen“ – alles ist geblieben, wie es
war, wie es die Tafeln Moses vorschreiben; alles hat, ganz abgesehen
von den äußeren kirchlichen und monarchischen Überlieferungen,
seine innere sittliche Notwendigkeit vor dem Henker (Robespierre),
ebenso wie vor dem Opfer (Louis XVI.) aufrecht erhalten. Trotz der
„Göttin der Vernunft“ war Robespierre ein ebensolcher „Deïst“ wie
Voltaire, und trotz der Guillotine ein ebensolcher „Menschenfreund“
wie Jean Jacques Rousseau. Man muß seinen Nächsten lieben, man
muß sich für seine Nächsten opfern – dem widersprach kein einziger,
weder die Henker, noch die Opfer. Hierbei vollzog sich keinerlei
Umwertung der sittlichen Werte. Die Persönlichkeit war der
Allgemeinheit in der neuen Regierungsform nicht etwa weniger
untergeordnet, sondern mehr. Bei der mittelalterlichen Verfassung
war diese Unterordnung ganz natürlich, innerlich bedingt, nicht
willkürlich gewesen, war die Unterordnung des einen Gliedes im
lebendigen Volkskörper unter ein anderes durch eine vielleicht sogar
falsch aufgefaßte, aber immerhin religiöse, uneigennützige Idee.
Jetzt wird die Politik zur Mechanik; die Persönlichkeit ordnet sich
dem äußeren Zwang des „Gesellschaftsvertrages“ unter – der
Stimmenmehrheit; sie wird zum Hebel inmitten aller Hebel der
vernünftig und richtig gebauten Maschine, zur Eins unter Einern, zur
mathematisch berechenbaren Ziffernhöhe dieser Mehrheit. Der
Druck der neuen anmaßenden Freiheit war, wie es sich erwies,
furchtbarer als der Druck der alten unverhohlenen Knechtschaft.
Und die Persönlichkeit hielt es nicht aus und empörte sich in der
letzten, in der Welt noch nie dagewesenen Empörung.
Versteht sich: am allerwenigsten dachte an die Rechte der
Menschenpersönlichkeit, an die Umwertung aller sittlichen Werte –
Napoleon, als er die Läufe der Touloner Kanonen auf den
revolutionären Volkshaufen richten ließ, um, nach dem Ausdruck
Raskolnikoffs, „mit Kanonenkugeln auf Schuldige und Unschuldige zu
feuern, ohne sie auch nur eines Wortes der Erklärung zu würdigen“.
Und darauf folgt eine ganze Reihe ganz ebenso geglückter
Verbrechen. – „Ich erriet damals,“ sagt Raskolnikoff „daß Macht nur
dem gegeben wird, der es wagt, sich zu bücken und sie zu nehmen.
Hierbei ist ja nur eines, nur eines erforderlich: man muß nur wagen,
nur erkühnen muß man sich! ... Es stand plötzlich sonnenklar vor
mir, wie denn noch kein einziger bis jetzt gewagt hat und nicht wagt,
wenn er an diesem ganzen Blödsinn vorübergeht, einfach alles am
Schwanz zu nehmen und zum Teufel zu schleudern! Ich wollte mich
dazu erkühnen!“ Dem Bewußtsein Napoleons zeigte sich dasselbe
natürlich nicht „sonnenklar“: nur aus dem dunklen, uranfänglichen
Instinkt der sich empörenden Persönlichkeit heraus „wollte er sich
erkühnen“.
Napoleon ging aus der Revolution hervor und nahm sogar ihre
Offenbarungen an, nur veränderte er sie für seine Zwecke. „Alle sind
gleich“ – damit stimmte er überein, nur fügte er hinzu: „Alle sind
gleich für mich, alle sind gleich unter mir.“ „Alle sind frei“ – und er
will Freiheit, will freien Willen, aber „nur für sich allein“ will er freien
Willen.
Vom Gesichtspunkte der alten, mosaischen, und der scheinbar
neuen, in Wirklichkeit aber ebenso alten menschenfreundlichen
Sittlichkeit aus, die Jean Jacques Rousseau mit der Feder und
Robespierre mit dem Henkerbeil verkündet haben, ist Napoleon ein
Dieb und Mörder, „ein Räuber außerhalb des Gesetzes“. Uns erdrückt
das Pathos der historischen Ferne, wir sind geblendet von der Sonne
von Austerlitz. „Napoleon, die Pyramiden, Waterloo – und eine
hagere, häßliche Registratorenwitwe, eine alte Wucherin mit einem
roten Koffer unter dem Bett – wie sollen sie denn das verdauen!
Wird denn, heißt es, Napoleon unter das Bett eines alten Weibes
kriechen?“ Und doch, in der Tat, geben wir zu, wenn nur die
„Ästhetik uns nicht störte“, daß für die Kritik der reinen Sittlichkeit
die Zerstörung Toulons und das unter das Bett des alten Weibes
nach dem roten Koffer Kriechen – ein und dasselbe ist. Furchtbar
und gemein ist es, scheußlich und widerlich! Er kroch unter das Bett
und verkroch sein ganzes Leben. Warum ist das nun in dem einen
Falle „Übertretung (Schuld) und Sühne“, und im anderen –
Übertretung (Verbrechen) und Krönung mit dem in der Geschichte
einzig dastehenden universalhistorischen Lorbeerkranz? „Gott hat sie
mir gegeben“ (die Krone der römischen Cäsaren); „wehe dem, der
an sie rührt.“ Was Wunder, wenn der verschüchterte und
ruhmberauschte Pöbel dem glaubte! Wie aber konnten die freien,
rebellischen Byron und Lermontoff daran glauben? Wie konnten sie
diesen „Tyrann“, der den größten Versuch der Menschenbefreiung,
die Revolution, enthauptete, als ihren Helden anerkennen? Wie,
endlich, konnten so ruhige und nüchterne Leute wie Puschkin und
Goethe von ihm betrogen werden? Und doch ist es so. Als hätte er
ihren geheimsten, für sie selbst noch furchtbaren Traum erraten und
verkörpert! Und geradezu dankbar dichten sie die letzte wundervolle
„Sage“ Europas von ihm, dem Märtyrer-Imperator auf Sankt Helena,
von dem neuen Prometheus, der an den einsamen Fels inmitten des
Ozeans angeschmiedet ist. Dem Märtyrer welchen Gottes? – Das
wissen sie nicht, das sehen sie nicht, nur dunkel ahnt ihr Instinkt,
daß gerade hier, bei Napoleon, ein anderer Geist umgeht, einer, der
ihnen wie näher und verwandter, der wie neuer und sogar freier,
befreiender und schöpferischer ist, als der Geist der Revolution.
Erwachte nicht in dem alten, bereits zur Ruhe gekommenen und ein
wenig sogar schon verknöcherten Goethe, als er sich an Napoleon
wie an einer übernatürlichen, „dämonischen“ Erscheinung der Natur
und der Menschheit begeisterte, – erwachte da nicht in ihm etwas
Jünglinghaftes, grenzenlos Rebellisches, Unterirdisches, jenes selbe,
aus dem auch sein Prometheusruf geboren scheint:
Auch bei Byron nimmt die Erscheinung Napoleons nicht umsonst die
Gestalt Prometheus, Kains, Lucifers an – aller Verstoßenen,
Verfolgten, die sich gegen Gott erhoben und vom Baume der
Erkenntnis gegessen haben. Dieser Geist, der weder hell noch
dunkel ist, wie das fahle Dämmerlicht der ersten Morgenstunden,
dieser neue Dämon Europas mit seinem frommen, leidenschaftslosen
Lächeln – um wieviel ist er aufrührerischer als Robespierre oder
Saint Just, um wieviel will er mehr, als Rousseau oder Voltaire! Es
scheint, daß hier auch des Rätsels Lösung ist. Aber vielleicht ist
niemand entfernter von diesem Erraten, als – Napoleon selbst.
Vielleicht würde sich niemand so sehr darüber wundern, niemand so
entrüstet sein wie er, wenn er begreifen könnte, welch eine
Folgerung aus seinen Sätzen gezogen, welch eine Bedeutung seiner
Persönlichkeit beigelegt werden wird. Schien es doch nicht nur
anderen, sondern auch ihm selbst, daß er das gestörte
Gleichgewicht der Welt wieder herstellte, daß er unerschütterliche
Ordnung einführte, das auseinanderfallende Gebäude des
europäischen Staatskörpers stützte und der Revolution ein Ende
machte. Wenn nur er selbst und die anderen den „ersten Schritt“,
seinen Ausgangspunkt, vergessen könnten – diesen bleichen jungen
Menschen mit den blutigen Händen, der nach dem roten Koffer unter
das Bett der alten Wucherin – der Revolutionsgöttin „Vernunft“ –
kriecht! „Dio mi la dona. Gott hat sie mir gegeben,“ – die Krone oder
die rote Truhe? Und ist es wirklich Gott? Wirklich der christliche Gott
oder der Gott des fünften Buches Moses? Immerhin hat er doch
getötet und gestohlen! Er aber ist ein einzelner; für die anderen
heißt es nach wie vor: „Du sollst nicht töten“, „Du sollst nicht stehlen
...“ Wenn er – warum dann schließlich nicht auch ich? Ist er denn
nicht aus derselben Nichtigkeit hervorgegangen wie ich, nicht aus
einem ebenso abstrakten mathematischen Nichtigkeitspunkt wie ich?
Er ist – Gott; ich bin – „zitternde Kreatur“. Aber auch in meinem
Herzen erhebt sich der Schrei des Titanen:
der Wille der Selbstbejahung, der „Wille zur Macht“, der dem Willen
zur Selbstverleugnung, zur Selbstvernichtung entgegengesetzt ist;
die Empörung gegen die alte, gegen die neue, gegen jede
gesellschaftliche Einrichtung, jeden „gesellschaftlichen Verband“,
gegen alle „beengenden Fesseln der Zivilisation“, nach dem
Ausdruck Napoleons, den er gleichsam von dem Urahn der
Anarchisten, Jean Jacques Rousseau, entlehnt hat; die Empörung
gegen die Menschheit (Kain), gegen Gott (Lucifer), gegen Christus
(der Antichrist-Nietzsche) – das sind die emporführenden Stufen
dieser neuen sittlichen Revolution. Unbegrenzte Freiheit,
unbegrenztes Ich, vergöttertes Ich, Ich-Gott, – das ist das letzte,
kaum zu Ende gesprochene Wort dieser Religion, die Napoleon mit
so genialem Instinkt vorausgesehen hat – „ich habe eine Religion
geschaffen“ –, und über die er mit so unverzeihlichem Leichtsinn
scherzen konnte: „In allen Jahrmarktsbuden würde man mich
verspotten, wenn ich es mir einfallen ließe, mich für Gottes Sohn
auszugeben.“
Und von diesem selben unterirdischen vulkanischen Stoß, der
scheinbar aus dem Westen kam (wie wir späterhin sehen werden,
nicht nur aus dem Westen), von diesem selben unklaren, bald
mitfühlenden, bald spöttischen, aber immer aufregenden und tiefen
Gedanken, an die napoleonische Persönlichkeit, an die Raubvögel
und aufrührerischen Helden, die „Menschen des Fatums“ –
angefangen von dem kaukasischen Gefangenen, Onjégin, Aleko,
Petschorin und dem Dämon[1], begann auch die Wiedergeburt der
russischen Literatur. Dieser Gedanke, der sich wohl zeitweilig
verbarg, sich gleichsam unter die Erde versenkte, niemals aber
endgültig versiegte, da er immer wieder mit neuer und neuer Kraft
hervorbrach, dieser Gedanke begleitet die ganze große
universalhistorische Entwicklung des russischen Geistes in der
russischen Literatur, von den „Moskowitern im Child Harold-Mantel“,
an deren Händen „Blut klebt“, von Aleko-Petschorin, der „nur für sich
allein Willen haben will“ – bis zum Nihilisten Kiriloff, der sich für
„verpflichtet“ hält, „Eigenwille zu zeigen“, bis Stawrogin, der „in
beiden entgegengesetzten Polen (in der Freveltat und in der
Heiligkeit) den gleichen Genuß findet“ – bis zu „Iwan Karamasoff“,
der es endlich begreift, daß „alles erlaubt ist“ und somit Friedrich
Nietzsches „alles ist erlaubt“ voraussagt.
Ein junger Mann[2], mit dem bleichen Gesicht, „mit wundervollen
Augen und ebensolchem Äußeren“ (und nicht nur Äußeren), der an
Bonaparte vor Toulon erinnert, stiehlt sich nachts in das
Schlafzimmer der alten Gräfin, um ihr mittels Gewalt das
Kartengeheimnis zu erpressen. Die Pistole, die er mitgenommen hat,
um die Alte zu erschrecken, ist nicht geladen. Dennoch fühlt er sich
als Mörder. Hier handelt es sich übrigens nicht um die Alte: „Die Alte
ist Unsinn,“ vielleicht auch ein Irrtum, „nicht die Alte, sondern das
Prinzip“ erschlug er, er bedurfte nur des „ersten Schrittes“: „ich
wollte nur den ersten Schritt tun – mich in eine unabhängige
Stellung bringen, Mittel erlangen, und dann, später, hätte sich alles
durch verhältnismäßig unermeßlichen Nutzen ausgeglichen. Ich
wollte das Gute den Menschen.“ Und für das Gute erschlug er. Das
sagt Raskolnikoff, aber dasselbe könnte auch von Puschkins Herrman
in der „Pique Dame“ gesagt sein. Wie Raskolnikoff, so ist auch
Herrman ein Nachahmer Napoleons. Wie flüchtig auch sein innerer
Mensch von Puschkin gezeichnet ist, es ist trotzdem klar, daß er kein
gewöhnlicher Verbrecher ist, daß hier noch etwas Komplizierteres,
Rätselhafteres dahintersteckt. Puschkin selbst berührt natürlich, wie
das so seine Art ist, kaum, kaum diese Rätsel, um dann sofort an
ihnen vorüberzugehen und sich mit seinem unerhaschbar gleitenden,
lächelnden Spott von ihnen loszumachen. Aber aus der wie zufällig
von Puschkin hingeworfenen Skizze „Die Pique Dame“ sind nicht
zufällig Gogols „Tote Seelen“ und Dostojewskis „Rodion Raskolnikoff“
hervorgegangen. So gehen auch hier die Wurzeln der russischen
Literatur auf Puschkin zurück: gleichsam, als hätte er im
Vorübergehen auf die Türe des Labyrinths gewiesen. Nachdem
Dostojewski einmal in dieses Labyrinth eingetreten war, konnte er
sich später sein Leben lang nicht mehr herausfinden: immer tiefer
und tiefer drang er in dasselbe hinein, forschte, prüfte, versuchte,
suchte und fand doch keinen Ausgang.
Die Verwandtschaft Raskolnikoffs mit Herrman hat Dostojewski,
wie es scheint, nicht nur gefühlt, sondern auch klar erkannt. „Der
Puschkinsche Herrman in der ‚Pique Dame‘ ist eine kolossale Gestalt,
ein ungewöhnlicher, durch und durch Petersburger Typ – ein Typ aus
der Petersburger Zeit!“ läßt Dostojewski seinen Helden in der
„Jugend“ sagen, der gleichfalls einer von Raskolnikoffs geistigen
Zwillingsbrüdern ist. Er sagt es bei der Beschreibung des Eindrucks,
den der Petersburger Morgen auf ihn macht – „der scheinbar
prosaischste auf der ganzen Welt“, den er aber für den
„allerphantastischsten der Welt“ hält. „An einem solchen modernden,
feuchten, nebligen Petersburger Morgen mußte der wilde Einfall
eines Puschkinschen Herrman, wie mir scheint, noch mehr Wurzel
fassen. Wohl hundertmal ist mir inmitten dieses Nebels der
sonderbare, doch um so aufdringlichere Gedanke gekommen: Wie,
wenn nun dieser Nebel verfliegt und sich emporhebt, wird dann
nicht auch diese ganze modernde, sumpfig schlüpfrige Stadt
zusammen mit dem Nebel emporschweben und verschwinden, wie
Rauch verfliegen und nur den früheren finnischen Sumpf
zurücklassen, inmitten desselben meinetwegen wie zum Schmuck
der Eherne Reiter[3] auf dem heiß atmenden, überjagten Tiere?“
Ebenso wie von Puschkins Herrman kann man auch von
Raskolnikoff sagen, daß er ein „durch und durch Petersburger Typ“
ist, „ein Typ aus der Petersburger Zeit“. In keiner einzigen anderen,
weder russischen noch europäischen Stadt – außer in Petersburg –
in keinem einzigen anderen Zeitabschnitt der russischen oder
europäischen Geschichte hätte dieser Herrman sich entwickeln und
auswachsen können zu einem – Raskolnikoff. Und hinter diesen zwei
„kolossalen“, „außergewöhnlichen“ Gestalten hebt sich eine dritte
Gestalt ab – tritt die noch kolossalere und außergewöhnlichere
Gestalt des Ehernen Reiters auf dem Granitfels hervor. Was zuerst
fremd, aus dem „angefaulten Westen“ importiert, romantisch,
byronisch, napoleonisch erschien, wird verwandt, volklich, russisch,
wird zum Geiste Puschkins, Peters; was aus den Tiefen Europas
kam, trifft mit aus den Tiefen Rußlands Kommendem zusammen. Ist
der Traum unseres sagenhaften Recken der Steppe, unseres Ilja von
Murom, nicht der Traum vom „Wundertäter“, dem „Riesen“? Ja, in
diesem Nebel der finnischen Sümpfe und in dem Granit der aus
ihnen emporgewachsenen Stadt fühlt man deutlich die Verbindung
aller kleinen und großen Helden der aufständischen oder nur
andrängenden russischen Persönlichkeit von Onjégin bis Herrman,
von Herrman bis Raskolnikoff, bis Iwan Karamasoff – mit
demjenigen,